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An Carl Friedrich von Reinhard

Magst dem Schicksal widerstehen,
Aber manchmal setzt es Schläge;
Will's nicht aus dem Wege gehen,
Ey! so geh du aus dem Wege.

Nach vorstehenden ewigen Spruche bin ich den Unruhen ausgewichen, welche unser Thüringen aufgeregten, und noch mehr bedrohten; ich kann mich aber nicht rühmen, daß meine eigene Klugheit mir dießmal zu statten gekommen sey. – Schon frühe hatte ich mich zu meiner gewöhnlichen Reise in die böhmischen Bäder vorbereitet, und alles sowohl im Hause, als was meine Reisebedürfnisse betraf, wie sonst geordnet, aber die sonderbare und ahnungsvolle Trübung des politischen und militärischen Himmels machte mich unentschlossen und ich zauderte von einem Tag zum andern, bis endlich die Meinigen, wie durch eine Inspiration, mich am 17. April von Hause wegtrieben.

Ich hatte eine über alle Begriffe ruhige und angenehme Reise, sah am 24. die beiden nordischen Potentaten in Dresden einziehen und befinde mich seit dem 26. April hier in Töplitz, zwar in der Nähe des Kriegsschauplatzes, den ich weit hinter mir zu lassen glaubte, aber doch in einer so ruhigen äußern Umgebung, als sich nur im tiefsten Frieden denken läßt.

[393] Ich habe diese Zeit benutzt, um dasjenige zu arbeiten, womit ich meinen Freunden, noch wahrscheinlich in diesem Jahre, einige Freude zu machen hoffe. Daß Sie unter die Ersten gehören, an welche auch dieser dritte Band gerichtet ist, davon sind Sie überzeugt, ich habe in demselben fünf Jahre zusammengedrängt, und bin dabey, wie bey den vorigen, meiner Einsicht und meinem Gefühl gefolgt, das übrige wird sich ja auch wohl geben. Durch den Waffenstillstand, durch dessen Verlängerung, durch die Anstalten zu einem Congreß in Gitschin, sind wenigstens die friedliebenden Gemüther beruhigt, ich hoffe Sie gehören auch dazu, weil dieser Krieg den Diplomaten selbst nicht günstig zu seyn scheint.

Nach Herrn Lefebvre habe ich auf Erkundigung ausgestellt, sobald ich irgend etwas vernehme sollen Sie es erfahren.

Von Schwebeln ist es mir nicht gelungen Nachricht zu erziehen. Noch füge ich hinzu, daß es den Meinigen am 18. April und die folgenden Zeiten, den Umständen nach, sehr leidlich gegangen.

Den Herzog erwarten wir in einigen Tagen hier, dieser sein Entschluß ist mir sehr angenehm, weil er neuerlich abermals an gichtischen Übeln viel gelitten hat, und ihm die hiesigen Bäder sehr wohl bekommen. Durch seine Gegenwart werde ich veranlaßt, wohl noch diesen ganzen Monat hier zu bleiben. Ich hatte Zeit fünfzig Bäder zu nehmen, die mir sehr wohl [394] zugesagt haben; nun denk ich, nach einer kleinen Pause, wieder von vorn anzufangen.

Die Großfürstinnen Catharina und Marie werden einige Zeit in Carlsbad, vielleicht in Eger verweilen.

Soviel für dießmal mit dem herzlichsten Lebewohl.

Nachschriftlich vermelde noch daß Gestern das Glück hatte der Grosfürstinn Katharina aufzuwarten. Sie machte von Prag, um nach Carlsbad zu gehen, einen Umweg, um den Strich von Böhmen, die Gärten von Waldrus und Schönhof zu sehen und hielt sich einen Tag hier auf. Sie ist unsrer Grosf. Marie sehr ähnlich, etwas größer. Im Gesicht in der Gestalt, dem Betragen verleugnet sich das schwesterliche nicht. Nun nochmal ein herzliches Lebe Wohl.

Teplitz den 1. Juli 1813.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-81E2-0