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An Christiane von Goethe

Juli. 1814.

Zuvörderst also muß ich die charmante Person Loben, welche mich das Fahrhäuschen zu betreten bewog, bey der großen Hitze, dem Staub und dergleichen wäre ich sonst vergangen.

Den 25ten schrieb ich viele Gedichte an Hafis, die meisten gut. Mittags Gotha im Mohren wars behäglich. Herrn und Frau von Franckenberg hatte unterwegs besucht. Um sechs Uhr in Eisenach, vom Schloss-Voigt wohl empfangen, regalirte mich Selbst mit einer Kaltschaale, deren Ingredienzen jedem Reisenden empfehle. Die Herren v. Göchhausen und v. Egloffstein besuchten mich.

Den 26ten fünf Uhr von Eisenach. Herrlicher Duftmorgen um die Wartburg. Köstlicher Tag überhaupt. In Hünfeld fand ich Jahrmarkt und bemerkte einige Späse. Um 6 Uhr im Posthaus zu Fuld. Lies mir erzählen und erquickte mich. Magister Petri vom Gymnasium suchte mich auf. Den Tag über hatte ich weniger Gedichte geschrieben und sehr wenige gut.

[1] Den 27ten verließ ich Fulda, beym heitersten Himmel, von der Höhe betrachtet ich noch das herrliche Pfaffenthal, das, zu seinem Schaden, jetzt niemanden angehört. Bey Neuhof reifes Korn. Zwischen Schlüchtern und Saalmünster Flachs und Hanfbrechen durch Städtchen und Dörfer, Haus an Haus. Der erste Storch auf der Wiese und erstes Kornerndten. Weiter nach Gelenhausen zu. Vor diesem Orte Weinberge, sodann dies alte Gehocke, das schrecklicher, nach den letzten Leiden, aussieht als je. Ich besuchte die Burg Kayser Friedrich des Rothbarts. Eine höchste Merkwürdigkeit. Ruine, theilweise noch gut zu erkennen, von festem Sandstein. Säulenknäuse und Wandzierrathen wie von gestern. Würde aber engsinnig, Zierlust ohne Begriff von Verhältnissen. So möcht ich im kurzen das Ganze characterisiren. Um sieben in Hanau.

Jene Burg liegt eine viertelstunde von Gelnhausen; was man so nennt ist eigentlich eine Insel, von lebendigem Wasser umflossen. Der alte Kayserliche Pallast nimmt nur einen Theil davon ein. Der übrige Raum ist mir meist schlechten, theils einfallenden, von Juden bewohnten Häussern besetzt. Denn hier ist ein Asyl. Die Insel war nie der Stadt unterworfen, sondern an die Burg Friedberg gekommen. Zeichnete jemand im rechten Sinne die Reste des Pallastes; so gäbe es ein höchst interessantes Blatt. Vielleicht ists Herrn Hundeshagen gelungen, der jetzt in Wisbaden angestellt ist.

[2] Mein Weg zu und von der Burg, in der grösten Hitze, setzte mich ins Wasser, ich musste mich umkleiden und war sehr zufrieden als ich in Hanau ankam, wo ich mich wiederherstellte.

Geh.Rath Leonhard ist nicht hier. Bruder und Factor haben mir viel gezeigt. August wäre erschrocken wenn er den Vorrath Versteinerungen gesehen hätte, der daliegen muß wenn die Sammlungen eingerichtet werden sollen. Von jeder Sorte centnerweis, und was im losen Gestein gesessen, einzeln abgesondert und gewaschen. Ganze Schubladen voll Turbiniten pp wie bey Conditorn die Macronen und gebackne Mandeln. August thut sehr übel wenn er sich nicht mit dieser Firma in Connexion setzt. Sie erwarten aus Paris eine Sendung, wer weiß wo alles her und sie werden uns in jedem Betracht begünstigen.

Grüsset Ulinen und Riemer, saget Meyer vom Kayser-Pallaste. Es ist eine Hitze von der ich keinen Begriff mehr hatte.

NB. 1. heut früh sechse war ich auf dem Thurn. Es ist eine Weite und Schöne des Thals an die man sich auch erst wieder gewöhnen muss.

NB. 2. Der Plan zur Oper der Löwenstul ist gestern zu Stande gekommen und heute abgeschrieben.

NB. 3. und das angenehmste. Schwalbacher Wasser soll von Frankf. abgehen es ist ein Himmelstrank.

Hanau [28. Juli] 1814.

G.


[3]

Und nun, nach Werners Beyspiel, an der Seite ein Lob der Gemüse. Wirsching und Kohlrabi wie ich sie in vielen Jahren nicht gegessen. Nun steht meine ganze Hoffnung auf Artischocken:

Ein Liebchen ist der Zeitvertreib, auf den ich jetzt mich spitze,
Sie hat einen gar so schlanken Leib und trägt eine Stachelmütze.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8254-6