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An Friedrich Müller

Weimar den 6. November 1780.

Ihr lezter Brief hat mir ein grosses Vergnügen gemacht. Es ist sehr gut, wenn man sich einmal misversteht, daraus kommt manche gute Erklärung und man sieht erst, dass man recht einig ist. Versäumen Sie ia nicht, mir manchmal über Gegenstände der Kunst zu schreiben, besonders lassen Sie mich über Raphaelen, Michelangele, Caracci und wen Sie wollen, etwas hören. Erzählen Sie mir fortan die Geschichte Ihres Aufenthalts in Rom und geben Sie mir Nachricht von Ihren Arbeiten und Gesundheit. Ich lebe mehr in diesen Sachen als Sie glauben können, und es nimmt niemand einen wärmern, obwohl nicht ganz reinen, Antheil an dem Künstler als der Liebhaber der selbst pfuscht. Sie können mir kein grösseres Vergnügen machen.

Es wird nunmehr bald iährig, dass ich Ihnen Ihre Pension zugeschikt habe. Ich mögte aber gern erst was hier von Ihnen vorzuweisen haben, ehe ich Ihren Gönnern und Freunden wieder Ihren Nahmen nenne. Zu Ende Oktobers oder Anfang Novembers, schreiben Sie, soll ich die zwei Bilder von Ihnen haben. November hat zwar nicht lange angefangen, doch will ich Sie lieber erinnern und treiben, als dass Sie mir am Ende zu spät kommen sollen. Thun [330] Sie's doch ia, und geben ein Lebenszeichen von Sich. Wenn Sie mir nur einige Landschaften, nur einige Skizen, wie ich Sie drum bat, geschikt hätten, ich wäre zufrieden gewesen, und hätte auch andere können zufrieden stellen. Der Glaube an das, was man nicht sieht ist sehr rar. Und eine einzige geistreiche Skize überzeugt ieden weit mehr als Alles was ich erzählen kann, was Müller in Rom thut. Schreiben Sie mir also ia, ich bitte bald, ob ich was erhalte. Nehmen Sie, ich bitte, dieses nicht etwa von einer unangenehmen Seite, die Menschen sind, und vielleicht mit Recht, so gesinnt, dass sie ihres Säens sichtliche Früchte sehen wollen. Ich weiss wohl, wie es dem Künstler oft zu Muthe ist, aber eben des wegen, glaube ich wohl zu thun, wenn ich Sie ermahne. Schiken Sie mir ia und schreiben Sie mir bald, und sagen Sie ein Wort, was an der Geschichte ist, dass Sie sich zu der katholischen Religion begeben haben. Es verändert in unserer Angelegenheit gar nichts, nur mögt ich, wenn die Sache wahr ist, Fragenden die wahre Umstände erzählen, und wäre es nicht wahr, mit Grunde widersprechen können. Leben Sie wohl und antworten mir ia gleich.

Goethe.


[1] 1780

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1780. An Friedrich Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-82A0-B