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An Christiane von Goethe

Donnerstag d. 13ten. Spazieren mit Schlosser auf die Brücke, in die Leonhardskirche wo noch alterthümliche Architecktur von Zeiten Carl des grossen befindlich. Zu Dlle Serviere, in den Brönnerischen Buchladen, welcher mit viel Geschmack und Eleganz angelegt ist. Zu Herrn Staatsr. Molitor. Zu Herrn v. Schellersheim. Es ist der bekannte Deutsche, der sich so viel in Florenz aufhielt und auf geschnittne Steine, Goldmünzen und Antiquitäten von edlem Metall sammelt. Wir sahen eine silberne Statue nicht gar 3 Zoll hoch, aus römischer Zeit einen Ziegenhirten vorstellend, man kann nichts artigers sehen. Von den Gemmen bringe ich Abdrücke mit. Bey Frau Brentano Birckenstock zu Tische. Spazieren gefahren. Herrlicher Sonnenuntergang. Wir fuhren zum Bockenheimer Thor hinaus, über den Gärten rechts herum nach Bornheim. Abends bey Herrn [59] v. Hügel. Die Fräulein spielte Hendelische Sonaten und Ouvertüren. Am Familien Tisch, mancherley Gespräche über Vergangnes und manche Gegenwärtige und nächste Verhältnisse.

Freytag d. 14ten. Zu Herrn von Schellersheim, um die Gemmen und Münzen weiter zu betrachten. Er hat ganz köstliche Dinge, wovon wir die Abdrücke genommen. Dann zu Geh. R. Willemer. Nur Frau Städel war bey Tische, Schlosser, ich und das junge Ehpaar. Wir waren sehr lustig und blieben lange beysammen, so daß ich von diesem Tage keine weitere Begebenheiten zu erzählen habe.

Sonnabend d. 15ten. Ging ich zu Frau Stock, wo über die bevorstehenden Feyerlichkeiten gesprochen wurde. Dann durch die Stadt, begegneten Riesen, mit dem ich die Anstalten der Gerüste besah die man zur Illumination aufführt. Vor dem Fahrthor fand ich mich mit Schlosser zusammen, wir fuhren über, zu Herrn Salzwedel, dessen Mineralien Sammlung wir besahen. Sie enthält köstliche Exemplare, allein die vielen Kriegsstürme haben dem Besitzer die Luft daran verkümmert. Mittags mit der Familie, dann zu Herrn Stedel der uns Zeichnungen wies. Unschätzbare Dinge. Über drey dutzend Guerchin, eins immer besser gedacht und ausgeführt als das andre. Federzeichnungen. Ein Original Mantegna, Rothstein. Von Cambiagi allerliebste Sachen. Einen Julius Roman, der ihn ganz carackterisirt, fast das wundersamste [60] was ich von ihm gesehen habe. Vielleicht ists möglich eine Durchzeichnung davon zu erlangen. Noch andere treffliche Sachen, doch unter falschem Nahmen.

Zu Mad. Brentano. Frauenzimmer Sitzung wegen der Nationaltracht. Wir empfahlen uns bald, um nicht nach solchen Geheimnissen lüstern zu scheinen. Solltet Ihr auch eingeladen werden Euch von aussen zu nationalisiren; so bedenckt daß einige Englische Cattune mitkommen, welche, obgleich fremder Stoff, doch gar gut kleiden. Ferner ist auch für Nähnadeln gesorgt, von der größten Brauchbarkeit. Castanien sind aufgehäuft, dass Carl nicht mehr weis wo mit hin.

Und so geht es mir fast auch mit allem was ich gesehen und mit den vielen Menschen die mir vorgekommen. Ich wünsche uns nur einen ruhigen Winter, daß ich erzählen und mittheilen kann. Meine Briefe hebt wohl auf, denn seit Heidelberg habe ich mein Calender-Tagebuch ausgesetzt.

Nun muß ich auch von der Schlosserischen Familie erzählen! Die Frau Schöff ist wohl und im Hause immer fort thätig, im Umgang sehr verständig, klug und einsichtig, auch sie hat diese Jahre her unendlich ausgestanden, ihre Ruhe und Gleichmuth ist musterhaft. Der ältere Sohn ist nach Wien mit seiner Frau. Er reiste denselben Tag als wir nach Heidelberg gingen, und ist glücklich dort angekommen. Mit Christian komme ich sehr gut zurecht, er ist liebevoll [61] und thätig, kennt die Stadt und die Verhältnisse, dadurch wird er mir sehr nützlich, indem ich mich mit meinem Betragen danach richten kann. Auch besitzt nicht leicht jemand hier soviel Wissen, so viel Kunstkenntniß und Liebe. Sein guter Wille gegen mich ist vollkommen. Und da jeder Mensch doch in allen Hauptpuncten für sich selbst sorgen muß, so mische ich mich weder in seine innre Angelegenheiten, noch in das was andre Menschen besonders betrifft. Die allgemeinen Gesellschafts Verhältnisse sind für mich höchst angenehm. Dieses schreibe Sonntags. Ein nächstes Blat wird die Begebenheiten dieses Tags berichten.

Sonntag d. 16ten [October 1814] Franckf.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8360-6