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An Carl Friedrich Moritz PaulGraf von Brühl

Ihr höchst werthes Schreiben, bester Herr und Freund, war mir sehr erfreuend, da ich seit langer Zeit nichts von Ihnen vernommen hatte; denn Herr Joukowski gab sein Schreiben an mich nicht ab, und wird mir jetzt, von Stuttgart her, als ein ausgezeichneter Mann empfohlen, der bey seiner Rückreise meine Bekanntschaft zu machen wünscht. Wahrscheinlich war er mit den Kaiserlichen Hoheiten nicht hier, aber behandelte den Brief, den Sie ihm mitgaben, als ein allgemeines Empfehlungsschreiben.

Demohngeachtet aber hat mich von Berlin her seit jener Zeit nur Unangenehmes berührt, woraus ich auch vermuthen konnte, daß Sie mit mir und meinen Bemühungen zufrieden seyen. Auch dient es zu größter Beruhigung, daß ich in der stillsten Clause, so weit vom lebendigsten Leben entfernt, dasjenige zu produciren wußte, was dort in einem höchst bedeutenden Momente schicklich und erfreulich werden sollte.

Nun versetzen Sie mich durch Ihre allerliebste Sendung in den Fall, die bedeutende Localität, nach deren Anschauung ich mich längst gesehnt, im Bilde und zugleich den herrlichen Vorder- und Hintergrund, auf welchem meine Production sich hervorthat, mit leiblichen Augen zu erblicken.

[153] Inwiefern sich jenes vorübergehende und so wohl aufgenommene dramatische Erzeugniß perpetuiren oder vielmehr nochmals vorführen lasse, darüber hab ich wohl manchmal nachgedacht, bin aber mit mir noch nicht ganz einig; zu näherer Prüfung setzte gegenwärtig nur einen Stein in's Bret.

Mein Vorschlag wäre; mit sehr gemäßigten Abänderungen ein Vorspiel daraus zu machen, welches jährlich dem Einweihungstage gegeben werden könnte. Da nun aber ohnehin die Masse des zu Recitirenden jetzt schon groß genug ist, und sich noch etwas erweitern dürfte; so würde ich rathen, die Darstellung unter drey Personen zu vertheilen. Recitation, Musik, Gesang und Ballett mit Zubehör würden etwa, wie schon angedeutet, vorgeführt. Die drey Figuren träten zuletzt im Einklang zusammen, die Darstellung gewänne an Mannichfaltigkeit, und eine liebenswürdige Einheit würde zum Schluß erzielt werden.

Indem ich nun auf diesem Wege meinen Gedanken nachgehe, so ersuche ich Sie mir die Ihrigen mitzutheilen; wir hätten Zeit alles zierlich einzurichten, um über's Jahr mit einem Reu- Alten zu überraschen.

Ist es Ihnen nicht zuwider, so würde ich den Prolog, wie er ist, den ich in der neuen Berliner Monatsschrift beynahe völlig abgedruckt finde, im nächsten Hefte von Kunst und Alterthum einschalten; auch ein Stillschweigen soll mir als Bejahung gelten.

[154] Daß ich an den Unbilden, die sie zu erdulden haben, den aufrichtigsten Antheil nehme, sind sie überzeugt, werden es aber noch mehr seyn, wenn ich ausspreche; daß ich in ältern Tagen mich immer mehr nach außen absondere und nach innen concentrire, wo ich denn die Freunde wieder finde, mit denen ich vor mehrern Jahren verbunden manches Gute und Schöne gewirkt. Wie freute es mich nicht, bey Gelegenheit des Maskenzuges zu Ehren der Kaiserin Mutter unser himmlisches Kehlchen wieder hervorzulocken und den Schluß einer reichen Darstellung durch ihre gemüthliche Anmuth auf's neue zu beleben.

Und so wend ich mich denn wieder dahin wo ich ausging, daß es mir höchst peinlich ist, einen so werthen und thätigen Freund nach den größten Leiden und tüchtigsten Anstrengungen nicht durch Zufriedenheit und froh aufnehmenden Mitgenuß belohnt zu sehen. Ich weiß es nicht im Besondern, denn ich habe nur ungern aufgemerkt. Nun aber lassen Sie mich schließen und verzeihen Sie diese Blätter dem übererbten Alter und den schweigsamen Mächten.

Mögen Sie beykommendem Blatt Ihre Sanction ertheilen, so würde ich zu mancher guten Stunde, welche mir durch eine so freundliche Gabe vorbereitet wird, dankbar des Gebers gedenken.

treulichst

Jena den 22. October 1821.

Goethe. [155]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1821. An Carl Friedrich Moritz PaulGraf von Brühl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8599-9