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An Christiane von Goethe

Wiesbaden Sonntag d. 7. Aug. 1814.

Nun muß ich auch wiedereinmal melden wie mir es geht, welches gar nicht schlecht ist. Ich habe ein Quartier verändert und bewohne nun ein sehr angenehmes Zimmer, das des Morgens nicht von der Sonne leidet, Nachmittags sehr wenig. Das Bad bekommt mir wohl, ob es gleich angreifischer seyn mag als das Teplizer; Zelter ist brav wie immer und vermittelt mich der Gesellschaft. Dass ich mich leidlich befinde könnt ihr daraus sehen daß ich täglich an der Wirtstafel speise, die nie unter Hundertgästen ist, und wo es weder an Hitze, noch an Lärm, noch an Fliegen fehlt. Den 3. August waren wir, eingeladen, in Maynz. Der Geburtstag des Königs ward sehr anständig gefeiert. Früh Militarischer Gottesdienst unter freyem Himmel, auf einer Aue nach dem Rhein, dann grose Mittagstafel in einem Hohen geräumigen Saale, gutes Essen und Trinken. Abends Feuerwerk, sodann Ball. Von allem diesem habe ich mein bescheiden Theil hingenommen. Das Übrige hätte ich euch gegönnt. Der frische Lachs schmeckt mir noch immer, obgleich die hiesigen sagen: die Zeit sey vorbey. Der Anblick des Rheins und der Gegend umher ist freylich etwas einzig Schönes. Man würde die Bewohner dieses Bezirks beneiden, wenn sie nicht so unendlich[11] ausgestanden hätten. Doch scheinen sie alle Noth so ziemlich vergessen zu haben und erlustigen sich aufs Beste. Heut wird in Schwalbach das Portiuncel Fest gefeyert., da fährt, reitet und läuft alles hin. Das Wetter ist immer sehr schön und nicht gar so heiß die letzten Tage. Ich finde hier mancherley Unterhaltung. Hundeshagen gefällt mir immer besser. Er hat recht schöne Kenntnisse und viel Thätigkeit. Gestern sah ich eine wunderbare Erscheinung, einen jungen Mann, Advocaten in Darmstadt, ganz zum Schauspieler gebohren. Schöne Gestalt, schickliche Bewegungen, wohlklingende Stimme; er deklamirte, in einer Art von Hamlets Kleide, Schillers Glocke. Leider ist er, in Absicht auf Declamation, ganz auf falschem Wege, er müsste völlig umlernen wenn er bey uns Glück machen wollte. Frage Herrn Geh. H. Rath was er ihm geben will, wenn ich ihn engagire. Es ist nur Scherz! Er wird schwerlich aufs Theater gehen, und wenn er sich nicht bekehren liesse möcht ich ihn nicht einmal. Aber ein prächtiger Bursche ists.


Montag d. 8ten Aug. 1814.

Gestern war ich in Biebrich zur Tafel, die Herrschaften sehr gnädig und freundlich. Der Gesellschaftssaal eine Gallerie, man Sieht den Rhein, an der andern den Luftgarten. Es ist völlig ein Mährchen. Der runde Speisesaal tritt etwas vor die Linie des Gebäudes. Die Herzoginn, neben der ich sas, [12] sitzt gerade so dass man durchs offne Fenster den herunterfliesenden Rhein vor einer See halten kann, an dessen jenseitigem Ufer Maynz liegt. Ganz in der Ferne Sieht man die Berge der Bergstrase, und den Melibocus. Der Tag war sehr schön. Allerley gute Bissen wurden genossen. Artischoken. Sodann zum Nachtisch frische Mandeln, Maulbeeren und dergleichen das ich in vielen Jahren nicht geschmeckt. Nach Tafel besah man den Park und eine recht artig angelegte Ritterburg. Von dem Altan ist die Aussicht sehr schön. August kann von diesem theilweise erzählen. Die Vegetation im Garten und Park sehr lebhaft. Platanen von großer Schönheit, so auch babylonische Weiden von auserordentlicher Grösse. Zelter war zu Fuse hinüber gegangen und fuhr mit nach Hause. Dann besuchten uns einige Freunde und so war der Tag geschlossen.

Ferner muß ich noch einiges gar artigen und fast zu reichlichen Festes erwähnen, welches uns die Fräulein von Stein, Schwestern unsres ehmaligen Oberforstmeisters, Sonnabend den 6ten, in der Nähe eines alten Schlosses, Sonneberg genannt, gegeben. Es liegt diese Ruine etwa eine Stunde, auf einer noch fruchtbaren Höhe. Der Abend war schön, des Guten Getränkes ein Überfluß und die Gesellschaft munter durch Erzählungen auf dem letzten Kriege. Nun will ich aber schliesen. Gestern hatte ich Besuch von Brentano und Quaita, Herrn und Damen. Meline ist noch [13] immer recht hübsch. Mad. Holweg war auch darunter. Schon vor einigen Tagen besuchte mich Willemer mit seiner kleinen Gefährtinn. und so giebts immer was neues. nun lebet wohl.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8673-6