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An Kaspar von Sternberg

Schon die eigenhändige Aufschrift des Wachstuch-Päckleins brachte mich in die hochverehrten Freundes. Inwendig war das Bild mir herzlich willkommen und unserm trefflichen Fürsten gleichfalls. Die drey vor mir liegenden Abbildungen zu vergleichen ist höchst merkwürdig, jede faßt nur Eine Seite auf, doch bleibt dem Töplitzer Versuch in gesellig, freundlich-lebendigem Sinn noch immer der Vorrang.

Sodann begrüßte den Tartaren-Besieger Jaroslaw recht gründlich, denn ich hatte so eben die Geschichte der Schlacht von Liegnitz gelesen, wozu denn die von Olmütz als Siegeserfüllung gar glücklich hinzutritt. Das Räthsel warum jene Horden nicht weiter vordrangen? wird hiedurch gar schön gelöst. Doppelt erfreulich ist es nun jenes Ereigniß in einem späten Nachkommen lebendig zu begrüßen.

Sodann erregte die Familie der Schlicke meine [38] Aufmerksamkeit. Die in Joachimsthal, bey reichlichem Silbergewinn, häufig ausgeprägten Thalerstücke sind von Münzfreunden gekannt und gesucht. Ich besitze ein merkwürdiges Gepräge zu Ehren des bey der Schlacht von Mohaz gebliebenen Stephan Schlick; die Jahrzahl 1526, auf seinen Untergang bezüglich, kann auch das Prägungsjahr seyn, da seine Berg- und Münzmeister ihn zu ehren gewiß bereit blieben; das kleine Bild in der Mitte von Umschrifts-Kreisen, mit Barett und Kleidung, ist so gut gearbeitet als etwas aus jener Zeit. In diesem Sinne war es bey mir eingelegt; und bey dem Museum wahrscheinlich in historischer Folge bekannt.

Hiebey denn auch das verspätete Heft; möge die fast barocke Mannichfaltigkeit geneigter Theilnahme einiges anbieten! den hie und da hervorblickenden Wunderlichkeiten des Herausgebers verziehen seyn!

Die werthe Mittheilung S. 212 wird von allen wie von mir dankbar anerkannt. Vielleicht läßt sich im Laufe des Jahrs wieder etwas zu diesen Absichten zurücklegen. Wie hat in denen verhängnißvollen Witterungstagen vom Ende October der Horizont von Brzezina ausgesehen? Die überirdische und, fast scheint es, unterirdische Wasser-Erzeugung von Basel herab auf beiden Seiten des Rheins her, auch anderer Orten, ist ein wundersames Phänomen.

Die Erfahrungen unserer Sternwarte, angekündigt auf den letzten Seiten des Heftes, werden zunächst [39] besonders mitgetheilt. Es ist immer erfreulich anzusehen wie der denkende, forschende, genau beobachtende Mensch dem Ungewissesten zu Leibe geht als wenn man doch am Ende Herr darüber werden könnte. Die jenaische Anstalt unter den übrigen die ich besorge macht mir jetzt Freude weil der genannte Ludwig Schrön ein gar wackerer junger Mann ist, in den ersten Zwanzigen von der größten Accuratesse, die sein eigentlichstes point d'honneur ist, man muß ihn ganz gewähren lassen; und so thut er auch mir, der ich auf meinem Standpuncte festhalte, die erfreulichsten Dienste.

Die Kiste mit den Gegenständen aus der weimarischen Umgebung, schon längst gepackt und spedirt, ging erst den 26. October von Chemnitz ab, an das böhmische Museum in Prag und wird nun, hoffe ich, frachtfrey überliefert seyn. Sollte noch etwas dergleichen gewünscht werden, so steht es gleichfalls zu Diensten.

Auf das Kohlenwerk zu Mattstedt wird nun in diesen Tagen ein ernstlicher Angriff gemacht. Ich halte für das Beste mir vorerst eine Kiste der besten Kohlen hereinschaffen zu lassen und bedächtig zu untersuchen ob vegetabilische Spuren zu finden sind. Wiederholte Proben werden nicht schwer seyn, da der Angestellte bey jenem Geschäft, wovon nur eine Ziegelhütte und ein Wirthshaus übrig geblieben, ein verständiger und williger junger Mann ist. – –

[40] Seit Vorstehendes geschrieben worden ist er selbst bey mir gewesen, hat erzählt: daß die Stollen zwar sämmtlich verbrochen seyen, daß man aber vom Tage aus in den Berg hineingehe, den Thon als Liegendes und Hangendes zum Gebrauch der Ziegelhütte wegnehme, die Kohlen aber über die Halbe stürze. Unter diesen Umständen werde denn der ihm gegebene Auftrag wohl zu erfüllen seyn. Davon also hoffentlich baldigst mehr.

Nun muß ich aber bekennen daß ich, im festen Vertrauen auf des verehrten Freundes Geduld und Nachsicht, meinem bösen Humor, in den mich Herrn von Hoffs tumultuirender zweyter Band versetzt hatte, auf einer ganzen Seite den Lauf ließ, die Ferne nicht ergötzlich ist. Indessen haben sich alle wüsten Götter Jupiter-Pluvius, Aeolus, Neptun und Pluto in der letzten Zeit so wild hervorgethan daß freylich genannter Freund vor sich selbst und der Welt doppelt und dreyfach recht behalten möchte.

Und so für diesmal wie immer

in treuster, anhänglicherErgebenheit

Weimar den 14. December 1824.

J. W. v. Goethe. [41]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Kaspar von Sternberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-86A0-D