6/1950.

An Johann Gottfried und Caroline Herder

Schon so lange ich hier bin gehe ich mit einem Briefe an Euch um, nun kommt mir der Eurige zuvor. Tausend Danck.

[307] Mein Sutor wird Euch gegrüst haben, heute erwart ich ihn zurück.

Hier bin ich abgeschnitten. Einen guten Nachmittag habe ich bey der Herzoginn in Wilhelmsthal zugebracht, wo ich meist redete wie ich dachte, übrigens bleibt alles eng und verschlossen.

Daß Menschen hier sich nähren und rühren ist ein fröhliger Anblick, leider ist's auch nicht allgemein.

Sömmering hat mir den Elephanten Kopf, der von der grösten Merkwürdigkeit ist, hierhergeschickt, ich bringe ihn mit nach Weimar. Für meine Untersuchung besonders ist er unschätzbar. Ich finde den grösten Theil dessen was ich gesucht habe daran, und wie es zu gehn pflegt, mehr als ich gesucht habe. Er hat mir auch Campers unedirte Tafeln die einen solchen Schädel mit Muskeln vorstellen zugeschickt.

Auf den Felsen bin ich fleisig herumgestiegen, und habe viel gefunden das mir taugt. Auch glaube ich ein ganz einfach Principium entdeckt oder vielmehr so angewendet zu haben daß es die Bildung der gröseren Steinmassen völlig erklärt.

Bey unsern Geschäfften interessirt mich ein einziger Punckt und der ist abgethan. Übrigens ist da keine Freude zu pflücken. Das arme Volck muß immer den Sack tragen und es ist ziemlich einerley ob er ihm auf der rechten oder lincken Seite zu schweer wird.

[308] Fritz Jakobi wird nicht kommen, er hat mir einen Brief geschrieben woran ich sehe daß es ihm sehr übel zu Muthe ist.

Erhaltet mir Eure Liebe denn ich bedarf ihrer, Ich liebe Euch herzlich und freue mich aufs Wiedersehn. Ich gehe hier herum wie ein verlohren Schaaf und finde nicht was meine Seele sucht.

Das fünfte Buch Wilhelm Meisters ruckt auch sachte zu ich wünsche ihm wie den vorigen gute Aufnahme.

Hamans Grus erwiedre ich danckbar, ich dachte nicht daß er von mir wisse.

Frau v. Stein wird dir das Muster aller Schandschrifften, Voltaires Memoires die eigentlich nur sein Verhältniß mit dem König in Preusen betreffen, zuschicken. Die Zeitungen sagen der alte Löwe gebe sich alle Mühe das Mercklein in Paris unterdrucken zu lassen, und das ist die schlimmste Partie die er ergreifen kann.

Lebet wohl und liebet. [Eisenach] d. 20. Juni 1784.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Johann Gottfried und Caroline Herder. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-89CF-2