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An August Henschel

[Concept.]

Durch eine ganz besondere Eigenheit der Fügung irdischer Zufälligkeiten findet mich Ihr Werk genau an der Stelle, wo mir, vor soviel Jahren, der werthe Schelver seine Apprehension gegen die Sexualität der Pflanzen zuerst eröffnete. Ich ersuchte ihn damals, unsere Lage wohl kennend, er möge mit dieser Paradoxie zurückhalten, ward aber sogleich gewahr, daß die Lehre der Metamorphose, von mir auf einen gewissen Punct geführt, hiedurch überboten werde, und konnte, nachdem ich die Aussicht dieses Vorschritts überblickt, meinen Segen nicht zurückhalten, und freute mich über die erste öffentliche Darstellung, so wie über die Vertheidigung der These.

[90] Seit der Zeit ist mir die Angelegenheit immer gegenwärtig geblieben, ich habe manches notirt, was sich zu ihren Gunsten hervorthat, und nur zufällig bin ich verhindert worden, das Bemerkte, in dem zweyten Heft der Morphologie, abdrucken zu lassen. Es thut mir leid, denn es wäre Ihnen gewiß angenehm gewesen, eine unaufgeforderte Beystimmung vorläufig zu erhalten; es ist mir lieb, weil ich das alles in Ihrem Buche finden werde und mich immer noch, eben so unbewunden, über diese, so wie über andere verfängliche Materien öffentlich auszudrücken Raum finde.

Diese Behandlungsart des Gegenstandes deutet noch viel weiter vorwärts, und die nächste Zeit wird sich der herrlichsten Früchte erfreuen können, wenn wir vorsichtig und redlich handeln.

Mit Vergnügen werd ich ihr Werk in ruhigen Augenblicken, insofern sie mir gegönnt sind, durchlesen und meine Bemerkungen an Ihren Vortrag anknüpfen. Da ich noch erlebe, daß so merkwürdige Erscheinungen der Wissenschaft aus meinen unschuldigsten Anregungen hervorgehen, so sind Sie überzeugt, daß ihre Arbeit mich nicht nur im Ganzen, sondern von Seite zu Seite interessiren muß. Lassen Sie mich ferner, so lange wir noch auf diesem Erdboden zusammen verweilen, von Ihrem Seyn und Thun einiges vernehmen.

So eben bemerke, daß die Tectur, worin meine Bemerkungen zu diesem Capitel aufbewahrt sind, die[91] Rubrik führt: Über die Verstäubung. Sie sehen auch schon hieran, daß sie zu Gunsten dieser Ansicht gereichen.

Jena [2.] Juli 1820.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An August Henschel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B8B-6