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An Carl Friedrich Zelter

Wie gern hätte ich, mein Theuerster, deiner Anforderung Genüge geleistet und zu der Feyer unsrer wackern und verdienten Milder ein freundliches poetisches Wörtchen gesagt; auch trug ich den Vorsatz mit mir herum bis zum letzten Termin, es wollte aber nichts werden, denn ich bin lange nicht so zerzupft worden als diese letzten Wochen her. Wollte ich sagen wie, so würdest du das wunderlichste Quodlibet vernehmen.

[69] Dein Oster-Concert ist glücklich vorüber gegangen; bey unsrer Frau Erbgroßherzogin hast du dich vorzüglich insinuirt und mir dient es zum ganz besonderen Troste, daß diese treffliche Dame über deine Bestrebungen und Leistungen auch nunmehr in Klarheit versetzt ist. Somit wäre denn was die Wirkung betrifft das Wünschenswertheste gelungen; mögen dir die Mittel zu so schönen Zwecken nicht allzu sauer werden.

Auf die Messe erscheint denn die dritte Lieferung meiner neuen Ausgabe; einiges Frische hie und da in diesen Bändchen darf ich wohl empfehlen; die folgende Lieferung ist auch schon nach Augsburg, und nun hab ich die fünfte auf der Seele, worin die umgewandelten Wanderjahre zur Erscheinung kommen sollen. Wenn der Mensch nicht von Natur zu seinem Talent verdammt wäre, so müßte man sich als thörig schelten, daß man sich in einem langen Leben immer neue Pein und wiederholtes Mühsal auflastet.

Ein Heft Kunst und Alterthum tritt auch hervor, und so manches andere noch nebenher, indessen Faust mich von der Seite anschielt und die bittersten Vorwürfe macht, daß ich nicht ihm als dem Würdigsten den Vorzug der Arbeit zuwende und alles Übrige bey Seite schiebe.

Der wundersamste Zudrang von Manuscripten denen ich nachhelfen, von Drucksachen zu denen ich ein freundlich Wort sagen soll, eine Noth woran ich[70] unsern ungeduldigen Wieland in seinem schmerzlich leiden sah, ist auch mir höchst unbequem; da denn doch am Ende nichts Bedeutendes und Förderndes hervortritt. Ein jedes Individuum hat zwar das Recht, soviel als möglich aus sich zu machen und von sich zu halten, nur sollten sie damit nicht andere belästigen, die mit und in sich genugsam beschäftigt sind, um auch etwas zu seyn und zu bleiben.

Gar hübsche Sachen bildender Kunst sind indessen auch bey mir eingelangt, und ob man sich gleich nicht überall des Gelingens erfreuen kann, so ist doch keine Frage daß die Bestrebungen schön sind. Nur tasten sie immer im Vorhof und an den Pforten herum, vermeiden, ja verlachen den Küster, der ihnen auf die gutmüthigste Weise die Flügel zu öffnen erbötig wäre.

Klanglos und tonlos sind immerfort noch meine Umgebungen; neulich versucht ich's in der Oper, die große Trommel aber, von welcher unser ganzes Bretterhaus bis in die Dachsparren dröhnte, hat mich von jeden ferneren Versuchen abgeschreckt. Dagegen lockt mein Garten am Stern zu jeder freundlichen Stunde mich an; dort gelingt mir's, mich zu sammeln und zu manchem guten Hervorbringen mich zu einigen und zu innigen.

Soviel für dießmal, damit wieder Einleitung sey zu freundlicher Antwort.

[71] Unsere Correspondenz von 1827 wächs't noch immer an abschriftlicher Bogenzahl; das dießjährige Heftlein hält sich noch gar zu mager.

Der dankbare Facius hat mir ein geschnittenes Steinchen für dich eingehändigt; ich lege es in's nächste Paquet das ich dir zu senden habe. Gar manche Boten, welche auf der Himmelsleiter nach Berlin und von dorther auf- und absteigen, sind bey mir eingetreten und ich bin dir daher viel näher als du denken magst.

Der Deinigste

W. d. 22. Apr. 1828.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C9B-9