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An Charlotte von Stein

Die Gegenwart des lieben Breslauer Freundes hat uns allen sehr viel Freude gemacht, und der [336] Wunsch, ich länger hier zu behandeln, ist allgemein geblieben. Er hat mich durch sein gutes, natürliches, festes, verständiges und heiteres Wesen gar sehr erquickt und mir aufs neue gezeigt, daß die Welt nur ist, wie man sie nimmt; sie aber mit Heiterkeit, Muth und Hoffnung aufzunehmen, auch wenn sie sich widerlich zeigt, ist ein Vorrecht der Jugend, das wir ihr wohl gönnen müssen, weil wir es auch einmal genossen haben.

Ich finde mich zwar wohl, aber in Jena nicht behaglich. Der Unterschied gegen vorige Zeiten ist gar zu groß, das Alte ist vergangen und das Neue ist noch nicht worden. Doch regt sich so manches, das in einigen Jahren wohl erfreulich werden kann. Die Gegend ist übrigens, bey diesem schönen Wetter, himmlich wie immer und die Fruchtbarkeit dieses Jahres recht auffalend.

Ein Brief der Frau von Sartoris, der mich eben hier noch erwischt und den ich beylege, veranlasst mich zu einem Promemoria, das ich gleichfalls beylege und Sie ersuche, es, mit ein paar Worten begleitet, nach Berlin zu schicken. Vielleicht bringen Sie es mit einer Depesche an unser Müller fort, weshalb der Brief nur an Geheimerath Voigt zu geben wäre.

Denn auf der Post werden die Briefe dorthin gegenwärtig ganz über die Gebühr aufgehalten. Verzeichen Sie diese kleine Bemühung: es betrifft ja das Andenken eines Mannes, der Ihnen auch werth geworden.

[337] Grüßen Sie Ihre lieben Kinder bestens und gedenken Sie mein, indem ich von den heißen Quellen manches Gute hoffe.

Jena den 24. May 1807.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CC6-7