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An Christiane von Goethe

[Frankfurt, 20. October 1814.]

Sonntag d. 16ten besuchte mich Gerning, manches beredend. Sodann ging ich mit Schlosser auf den Catharinen Thurn. Der LandSturm zu Roß und Fuß zog, vom Exerziren, die Gallengasse herein und stellte sich auf der Zeil. Ich bedauerte daß die gute Mutter nicht auch das von ihrem Fenster aus mit anschaute. Angekündigt war eine Gemälde Ausstellung zur Aucktion. Daselbst fanden wir Portraits in Cassel erbeutet, in Coblenz verkauft, sämmtlich von Gerard (vielleicht dessen nächsten Schülern als Mitwirckern): Napoleon, Josephine, König und Königin von Spanien und Westphalen, alle Weyland; aber trefflich gemahlt. Besonders Sammt, Seide, Stickerey und Passament über alle Begriffe. Mich besuchte Herr Wilms ehmals unser, jetzt noch Souffleur des hiesigen Theaters. In guten Umständen, sogar Kunstliebhaber und Kupferstichsammler. Zu Herrn Geh. R. Quaita zu Tische, Meline die Hausfrau, die ganze Familie beysammen. Fröliche Tafel. Alle sprechen wie sei dencken und sind gutes Muths. Englische und Französche Caricaturen. Später nochmals zu Quaita. Vermehrte Gesellschaft.

Montag d. 17ten. um acht Uhr zu Schütz, wo wir die Bilder alter deutscher Kunst, wie sie aus den [63] aufgehobnen Klöstern genommen worden, abermals betrachteten. Freylich konnten wir sie besser schätzen und beurtheilen nachdem wir die Sammlung in Heidelberg so wohl studirt hatten. Wir beschäftigten uns damit bis gegen zwölf Uhr, da wir denn zu Brentanos gingen, dort zu speisen. Mad. Jordis, welche von Paris zurückgekommen, war auch daselbst. Nach Tische fuhren wir nach Offenbach, wo wir zuerst in dem Metzlerischen Garten eine Strelizia Reginä mit vielen Blumen blühend fanden, zwar nicht in der ersten Schönheit doch immer interessant genug, ferner andre bedeutende wohlerhaltne Pflanzen. Von da zu Herrn Meyer, seine Sammlung inländischer Vögel zu beschauen, die sehr schön aufgestellt und merckwürdig ist. Dann fuhren wir zurück und gelangten, unter dem Geläute aller Glocken, die das morgende Fest verkündigten nach Hause. Zu Herrn v. Hügel zum Thee.

Die Feyerlichkeiten von Dienstag und Mittwoch vermelden Euch vorläufig die Zeitungen, sie waren sehr glänzend. Heute Donnerstag d. 20ten gehe nach Hanau und bin Dienstag oder Mittwoch, wills Gott in Weimar. Ich freue mich sehr Euch wieder zu sehen. Es ist der Aussenwelt nun genug, wir wollen es nun wieder im Innern versuchen. Lebt wohl und liebt!

G. [64]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D08-9