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An Ernst Christian August von Gersdorff

[Concept.]

[27. December 1814?]

Ew. Hochwohlgeboren

freundliche Zuschrift hat mir großes Vergnügen erregt, denn es konnte mir bey der Rückkunft aus meiner ersten Vaterstadt nichts wünschenswerther seyn, als in meiner zweyten von geliebten und geschätzten Freunden wohlwollend empfangen zu werden. Dabey muß ich jedoch um Verzeihung bitten, wenn ich mich nicht schon früher angemeldet. Ich hätte gewünscht auch von etwas Nützlichem zu reden, welches ich allhier vollbracht und was auch Ihnen in der Folge hätte angenehm seyn können. Aber es geht mir wie vielen unserer lieben Deutschen, die, ihre Blicke nach Wien richtend, das Recht zu haben glauben gleich Zuschauern im Theater die Hände in den Schoß legen zu können. Und wirklich weiß man in mancherley Fällen, die von dem Allgemeinen übrigens weit entfernt scheinen, nicht ob man anfangen, fortfahren oder abschließen soll, weil das nächst zu Erwartende so manchen eine ganz andere Gestalt geben kann.

Die lange Dauer des Congresses und das Hinziehen so mancher unangenehmen Verhältnisse, macht freylich Ihren Aufenthalt in Wien uns Entfernten nicht[113] wünschenswerth; wenn man aber bedenkt, wieviel merkwürdige Personen dort zu kennen, und welche treffliche Gegenstände der Kunst und Natur zu betrachten sind, so kann man sich eines heimlichen kleinen Neides nicht erwehren, der uns befällt, wenn wir an die werthen Personen denken die dieß alles genießen. Doch tritt alsdann schnell wieder der Trost ein, daß uns die Erzählung des Wohlgesehenen reichlich entschädigen werde. Darf ich bitten, mich unsern gnädigsten Herrschaften und ihrer hochgeschätzten Umgebung geziemend zu empfehlen, damit mir die höchst wünschenswerthe Gnade und Gunst erhalten werde.

Mögen Ew. Hochwohlgeboren mir zugleich das hergebrachte Vertrauen und eine fortdauernde Neigung schenken; so werde ich dieß unter die Erfüllung meiner Wünsche rechnen, die vom Ende des alten Jahres in das neue hinüberreichen.

Treffen Sie, werthester Herr Präsident, irgendwo den Doctor und Director Schlosser von Frankfurt a. M., so haben Sie die Güte, mich in sein Andenken zu empfehlen. Es ist ein trefflicher junger Mann und lieber Anverwandte, dem ich soviel Dank schuldig bin, daß ich ihm wohl auch ein gutes Wort aus Ihrem Munde wünschen darf.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Ernst Christian August von Gersdorff. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D59-6