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An die Großherzogin Maria Paulowna

Graf Orlow-Denisow hat mich erst mündlich, nachher in einem schriftlichen Promemoria ersucht, ihm einen Mann zu verschaffen, wecher von gesetzten Jahren wäre und dabey in Wissenschaften und Sprachen dergestalt unterrichtet, daß er die Erziehung der drey gräflichen Knaben übernehmen, sie zum Theil selbst unterrichten, und wenn andere Lehrer anzustellen[289] wären, diese dirigiren könnte. Die Bedingungen sind ansehnlich, und da sie bekannt geworden, hat sich unter andern Professor Lindner gemeldet.

Ich wäre nicht abgeneigt, diesem Manne die Stelle zu gönnen, wenn solches mit Höchster Genehmigung geschähe. Er ist 1772 geboren, producirt sich gut, ist im Französischen gewandt, hat sich in allen Wissenschaften umgesehen, schon einigemal der Erziehung junger Cavaliere vorgestanden und sich auch in Geschäften gewandt und thätig erwiesen. Was mir abern noch außer diesem zu seinen Gunsten zu sprechen scheint, ist, daß er aus Curland gebürtig, an Sitten und Lebensweise jener Gegend gewöhnt und eben im Begriff ist nach Hause abzureisen. Sollte man daher von einer oder der andern Seite sich nicht zufrieden finden; so wäre die Trennung leicht, indem Lindner sich von Petersburg nur auf Mitau zurückzoge. Er ist zwar verheirathet, jedoch kinderlos. Dieses hat aber, nach der ausdrücklichen Äußerung des Herrn Grafen, nichts zu sagen, vielmehr ist es angenehm.

Es käme nun darauf an, ob Ihro Kaiserliche Hoheit diesen Gründen Ihren Beyfall gäben, und es fragte sich alsdann, was man ihm an Reisegeld zahlte oder unterwegs anwiese; worüber Herr Rath Völkel wohl die beste Auskunft geben könnte. Da ich gegen den Herrn Grafen dieses Umstands erwähnte, so sagte er gleichsam scherzend: Ihro Hoheit würden ihm wohl[290] so viel Creditmachen. Wie nun hiebey zu verfahren, wünschte ich auch gnädiste Äußerung.

Ich bringe die Sache gegenwärtig zur Sprache, weil der Graf dringend Beschleunigung verlangte und keine weitere Anfrage erwartete, sondern alles in unsre Hände legte, auch Lindner selbst von hier bald abzugehen wünscht.

Wie es beschlossen, so könnte man dem Grafen vorläufig schreiben, welches ich besorgen wollte, so wie auch dasjenige was Lindner zu seiner Empfehlung und Einführung bedürfen möchte.

Um gnädigste Vergebung dieser Zudringlichkeit bittend

Berka an der Ilm

Goethe.

den 24. May 1814.
[291]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An die Großherzogin Maria Paulowna. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E76-B