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An Carl Friedrich Zelter

Für die Composition des Liedes danke ich zum allerschönsten. Es ist in den jetzigen Augenblicken sehr erquicklich, wenn man sich nur kurze Zeit in eine leichte lose Stimmung versetzen kann.

Das gesellschaftliche Spiel, wonach Sie fragen, besteht in folgendem: Man nimmt einen dünnen Span, oder auch einen Wachsstock, zündet ihn an und läßt ihn eine Zeit lang brennen; denn bläst man die Flamme weg, daß die Kohle bleibt; denn sagt man so eilig als möglich das Sprüchelchen:

Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg,
Lebt er lang, so wird er alt,
Lebt er, so lebt er,
[320] Stirbt er, so stirbt er.
Man begräbt ihn nicht mit der Haut,
Das gereicht ihm zur Ehre.

Nun giebt man die glimmende Kerze geschwind dem Nachbar in die Hand, der dasselbige Gesetzchen wiederholen muß; und das geht so lange fort, bis die Kohle bey einem auslischt, der denn ein Pfand geben muß.

Der Verlust unserer Herzogin Mutter ist bey so manchen andern zerrütteten und verruckten Verhältnissen sehr groß. Man darf, wie gegenwärtig überhaupt, über nichts, also auch darüber nicht weiter nachdenken. Man muß von einem Tage zum andern leben und eben thun und leisten, was noch möglich ist.

Sie wieder zu sehen wär' mein großer Wunsch; aber ich mag Sie nicht einladen. Mit meiner Gesundheit will es nicht recht fort, und ich eile gleich nach Pfingsten ins Carlsbad; komm ich zurück, so läßt sich vielleicht auf irgend eine Weise an eine fröhliche Zusammenkunft denken.

An meiner Farbenlehre wird sachte fortgedruckt; aber es geht wohl noch ein Jahr hin, bis ich fertig werde. Ich bin auf gar zu vielerley Weise unterbrochen worden, ob ich gleich den Faden niemals ganz habe fahren lassen.

Gelegentlich meld' ich Ihnen, was ich von Ihren Compositionen meiner Lieder besitze; und Sie haben die Gefälligkeit, mir die fehlenden zu senden.

[321] Leben Sie recht wohl! So viel für heute. Ehe ich weggehe, schreibe ich noch einmal, oder von Carlsbad aus.

Weimar den 4. May 1807.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8EC6-6