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An Eduard Joseph d'Alton

Wenn Ew. Hochwohlgeboren einige Zufriedenheit mit meinen Entwürfen und Vorarbeiten bezeigt, so können Sie denken, wie viel Genuß und Belehrung mir Ihre ausführlichen Leistungen gegeben. Es scheint jetzt, als wenn in früheren Jahren mich ein guter Genius angeregt habe, mich vorzubereiten auf so manche wissenschaftliche Gabe, die mir in der Folge zukommen sollte. Was ist nicht alles in der Naturwissenschaft, der ich redlich gefolgt, während meines Lebensganges entdeckt worden; wie denn nun jetzt auch die längst geahndete Verwandtschaft des Erd-Magneten und Galvanismus uns erfreut und die glücklichsten An- und Übersichten befestigt. Mit Recht betrachte ich daher die neueren Aufschlüsse, die Sie uns über Constanz und Versatilität organischer Bildung schenken und erwarten lassen, als neue Schöpfungs-Momente, die, das Lebendige erst recht belebend, eine höhere Bildung steigernd hervorbringen. Nehmen Sie meinen besten Dank für die baldige Sendung und lassen mich fernerhin an Ihren herrlichen Arbeiten theilnehmen.

Ich sende einige Abdrücke von den beiden Platten, deren ich in meinen Besten erwähne, wenn auch nur als Zeugniß, daß es uns Ernst gewesen, in diese [57] wichtigen Gegenstände einzudringen; leider ward ich durch manche Zufälligkeiten verhindert und durch Zerstreuungen abgehalten. Der junge zeichnende Künstler, der wie Sie sehen, in diese Arbeiten sich ziemlich eingeübt hatte, starb, Kupferstecher Lips zog weg, und ich fühlte und fühle das, was Sie aussprechen, nur allzulebhaft: die Sehnsucht nach Mitarbeitenden, die in unserem Sinne –, in deren Sinne wir verführen. Bey dem Werke über die Bebrütung des Hühnchens haben Sie ein solches Glück genossen, und auch auf Ihrer wichtigen Reise hat es Sie begleitet. Und nun lassen Sie mich noch den treulichsten Wunsch aussprechen: daß Ihre anhaltenden und bedeutenden Lebensbemühungen auch zu Ihrer Zufriedenheit mögen belohnt werden, welches freylich, besonders in unserm Vaterlande, nicht immer nach Verhältniß gewährt wird. Wie denn auch gar große Hindernisse einer zusammenwirkenden Thätigkeit im Wege stehen, weshalb zu bewundern ist, daß bey so vielen vereinzelten Bemühungen so manches Wichtige zu Stande kommt.

Auf beyliegenden Platten sind die Zwischenknochen des Löwen, des Eisbären und des Wolfes von oben und unten, der des letzten aber auch von der Seite gestochen; jederzeit mit dem nachbarlichen, der obern Kinnlade eigentlich angehörigen Eckzahn. Der Elephantenschädel ist deshalb merkwürdig, weil bey dessen Jugend (es ist der Casseler) die Suturen größtentheils [58] noch wohl zu erkennen sind. Eine gleich sorgfältige Zeichnung dieses Kopfes, von der Seite, wodurch das Interesse vermehrt und das Ganze in's Klare gesetzt wird, ist leider nicht gestochen.

Lassen Sie uns in's neue Jahr mit frohem Muthe hinübertreten.

gehorsamst

Weimar den 28. December 1820.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Eduard Joseph d'Alton. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F26-8