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An Carl Friedrich Zelter

Meinen vorigen Brief hab ich mit einer Geschichte geendigt, diesen will ich mit einer andern anfangen. Du erinnerst dich vielleicht, daß mein Prometheus zuerst in Wien in Taschenformat herauskam; ich [105] hegte ihn damals, als wir in Töplitz beysammen waren, noch im treuen Sinne, und du nahmst gleichen Theil daran. Die Herzogin von Cumberland, von einer schweren Krankheit genesend, wünschte einiges vorgetragen, und ich nahm eben diesen Prometheus als das Liebste und Nächte, sie hatte große Freude dran und das Exemplar in Taschenformat überließ ich ihr.

Nun, bey unserem letzten Zusammentreffen, sprach sie von jener Zeit und von dem Gedicht und wünschte sich ein so kleines Exemplar für eine Freundin, das ich denn freylich selbst nicht mehr hatte. Nun bin ich so glücklich gewesen, ein solches verlornes Schäfchen in Carlsbad wiederzufinden, bestimmte es ihr sogleich, muß es nun aber erst binden lassen, daß es durch die schönsten aller Hände durchzugehen einigermaßen würdig sey. Da sie dir von mir so oft gesprochen, so dächt ich, es wäre artig, wenn ich es durch dich an sie gelangen ließe. Sage nichts davon, melde mir aber deine Sinnes- und Willensweise.

Vorstehendes liegt schon lange bey mir; ein Tag nach dem andern geht vorüber, es wird viel gethan, es begegnet aber wenig und kaum wüßt ich etwas zu erzählen. Ein Heft von Kunst und Alterthum, ein anderes Zur Naturwissenschaft werden gedruckt, von denen du auch dein Theil dahin nehmen wirst; [106] indessen ist das oben gemeldete Büchlein fertig gebunden und ich schick es geradezu, du wirst es schon zu bestellen wissen.

Von dem Bild der heiligen Cäcilie wüßt ich nur soviel zu sagen: die Heilige steht in der Mitte und läßt die in der Hand habende kleine Orgel sinken, so daß die Pfeifen herausrutschen, wodurch angedeutet wird, daß sie die irdische Musik fahren läßt, wie sie denn auch nach der himmlischen hinaufschaut; die andern Heiligen stehen ganz ohne Bezug auf sie, es sind sonst noch Schutzpatrone, der Stadt, der Kirche, des Bestellers, und haben kein Verhältniß unter einander als das ihnen die Kunst des Malers zu geben wußte. Die Madonna del Pesce ist ebenso zusammengesetzt. Der Besteller hat wahrscheinlich Tobias geheißen. Laß wieder bald von dir und deinen lebendigen Stadt vernehmen! Wenn ich unsichtbar oder unerkannt an deiner Seite auf und ab wandeln könnte, so sollte mir's zur großen Freude gereichen; jetzt bleibt es bey dem Wunsch, öfters etwas Erfreuliches von dir zu vernehmen. In Weimar singen sie das Nepomuksliedchen mit vieler Freude; ich hab es noch nicht gehört, denn ich bin noch nicht hinüber gekommen, da ich hier meine Tage ganz ungestört benutzen kann; und doch kommt man nicht weit vorwärts. Von unzähligen Papieren, die ich, über tausenderley Gegenstände, zusammengeschrieben, such ich das Brauchbare heraus. Ich sehe wohl, man [107] kann freylich nicht eher redigiren, als bis man das Ganze übersieht, und alsdann geht die Arbeit nicht so rasch, die Kräfte nehmen ab und die Bedenklichkeiten zu.

Jena den 9. Juli 1820.

G.


Auch darf nicht unterlassen anzuzeigen, daß der Einsiedler von der Insel Elba in goldner Miniaturgestalt angelangt ist. Die Leute sagen, du seyst der Vermittler dieser merkwürdigen Erscheinung, empfange daher meinen schönsten Dank.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F44-4