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An Carl Ferdinand Friedrich von Nagler

[Concept.]

Schon seit vielen Jahren höre ich Ew. Excellenz als den umsichtigsten Kunstkenner und glücklichsten Sammler preisen; in der neusten Zeit habe ich Sie als den thätigsten Geschäftsmann zu bewundern, und als den thätigsten Geschäftsmann zu bewundern, und nun ward mir auch der Vorzug einer persönlichen Bekanntschaft; da ergab sich denn bey mir sogleich ein wohlgegründetes unbedingtes Vertrauen.

Auf dieses gestützt nehme mir die Freiheit in der Beylage einen Wunsch zu eröffnen der mir nicht unbillig scheint, dessen Gelingen ich aber niemand als Ew. Excellenz in die Hände legen möchte. Ich wage dieß unmittelbar im strengsten Geheimniß damit ich im Fall des Gelingens freudig anerkenne wenn ich so bedeutende Vortheile schuldig geworden, oder wenn Sie das Geschäft nicht für thunlich hielten mich, ohne weiteres, mit Überzeugung im Stillen bescheide.

W. 2. Nov. 1824.


[1] [Beilage.]

Geneigtest zu gedenken.


Der Contract, den Unterzeichneter mit der J. B. Cottaschen Buchhandlung in Stuttgart über die Ausgabe seiner ästhetischer Werke Anno 1816 auf sieben Jahre vollzog, war auf zwanzig Bände gerechnet, welche nach und nachgeliefert wurden, sodann aber, nach Verlauf erstgedachten Termins, die beiderseitige Verpflichtung erlosch.

Von der Zeit an dachte man auf eine erweiterte Ausgabe, welche nicht allein jene ersten zwanzig Bände, sondern auch die inzwischen einzeln abgedruckten Arbeiten, nicht weniger manches vorräthige Manuscript in sich fassen sollte; so daß daher wohl eine auf die vierzig Bände sich erstreckende Folge zu erwarten wäre.

Bey einem solchen Unternehmen sehen jedoch Autor und Verleger sich in dem Falle, wegen mancherlei Besorgnissen zauberhaft zu verfahren. Zuerst zeigt sich nun der Nachdruck als der gefährlichste Widersacher, und die Erfahrung lehrt, daß hierüber allerhöchsten Ortes ein durchgreifendes Gesetz zu entwerfen und über alles was zu berücksichtigen seyn möchte sich zu vereinigen, großen Schwierigkeiten unterliege.

Diesem in älterer und neuerer Zeit unheilbaren Übel, daß der geistreich thätige Künstler vor Beeinträchtigung seines verdienten Lohnes und Erwerbes[2] nicht zu sichern sey, hat man schon früher durch Privilegien einigermaßen abzuhelfen gesucht. Bald nach Erfindung der Buchdruckerey gaben Kaiserliche Schutzbriefe genugsam Sicherheit, und auch in späteren Zeiten ist ihr Ansehen nicht erloschen. Könige und Fürsten verliehen auch dergleichen, und so ist es bis auf die neusten Zeiten gehalten worden.

Sollte nun aber gegenwärtig der erhabene Bundestag, der Verein aller deutschen Souverainitäten, nicht dasjenige als Einheit zu bestimmen geneigt seyn, was den Einzelnen vorher anzuordnen und festzusetzen zukam, und würde nicht die hohe Versammlung durch einen solchen Act ihr entschiedenstes Gewicht auf deutsche Litteratur und Geistesbildung kräftigst bethätigen?

Würde daher ein Autor, der so viele Jahre in seinem Vaterlande gewirkt, dessen reine, mit allem bestehenden und zu wünschenden Guten im Einklang beharrende Thätigkeit dem Einsichtigen vor Augen liegt, einen allzukühnen Wunsch aussprechen, wenn er ein solches Privilegium von den verbündeten vereinigten Mächten sich erbäte und zwar für sich und die Seinigen, so daß er einen Selbstverlag unternehmen, oder wenn er einem Commissionair, vielleicht auch einem Verleger das Recht von seinen Geistesproducten merkantilischen Vorteil zu ziehen übertragen wollte, er auch zugleich auf diese den gesetzlichen Schutz zu erstrecken das Befugniß hätte? [3] Ich schmeichle mir des Wohlwollens mehrerer deutscher Herrscher und Fürsten, die wohl nicht abgeneigt wären, einen ihrer alten Diener und Verehrer, den sie sonst einzeln begünstigten, nunmehr im Ganzen wohlthätig anzusehen. Gleich freundlicher Gesinnungen darf ich mir von mehreren Ministern schmeicheln, deren einige, als gleichzeitig, mir ein reines Wohlwollen viele Jahre erhalten, so wie andere jüngere, in Betracht des Vortheils, den sie aus meinen Bemühungen gezogen, mich mit Antheil und Neigung beglückt haben.

Wie nun aber unter obwaltenden Umständen dieses Gesuch höchsten und höheren Ortes angesehen werden könne? inwiefern und in welchem Betracht es zu gewähren sey? reicht über meine Einsicht; so wie ich denn auch Belehrung wünsche, ob eine solche Begünstigung aus eigner höchster Bewegung mit Bescheidenheit zu erwarten sey.

Mehr wüßte, wenn auch schon manches zu erörtern übrig bleibt, für den Augenblick nicht zu äußern, als nur gütiger Leitung und Teilnahme mich und die mir so nah verwandte Angelegenheit vertrauend angelegentlichst zu empfehlen.

gehorsamst

Weimar d. 2. Nov. 1824.

J. W. v. Goethe. [4]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Carl Ferdinand Friedrich von Nagler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-90E9-9