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An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck

Von Ew. Hochwohlgeboren erhalte niemals Brief oder Sendung, ohne daß ich mich Ihnen zur Seite wünsche; diese Sehnsucht vermehrt sich nur, seitdem ich Herrn d'Alton als Ihren Arbeitsgenossen weiß. Gegenwärtig müßte man seyn und zusammenwirken, wenn sich etwas Fröhliches entwickeln sollte.

Was die geologischen Zeichnungen betrifft, wüßte ich nicht wie sie verkleinert oder im Auszug benutzt werden könnten, da ihr ganzer Werth in der Charakterristik besteht, die nur in einem großen Format und Zusammenhang der Massen darzustellen ist; auch bin ich so entfernt von diesem Studium daß ich es kaum wieder aufzunehmen wüßte. Selbst der Zeitsinn ist der Art und Weise nicht günstig wie ich diese Gegenstände gefaßt, eben so wenig als der Absicht weshalb ich sie dargestellt habe.

Unser guter Heim ließ Fichtelgebirg und Thüringen Wald, Petersberg und Harz vom Himmel fallen, dem Vulkanisten war und ist es etwas Leichtes dergleichen Massen aus der Tiefe herauszubefördern. Was mag in beiden Fällen nicht durch einander gepurzelt seyn; und wer möchte sich mit einer solchen Polterkammer nur noch abgeben? Manchmal denk ich an ein Vermächtniß das ich Ihnen, zu beliebiger Geheimhaltung, hinterlassen möchte.

[191] Astersamen folgt mit der fahrenden Post; beygefügt ist noch eine Partie der sogenannten schwarzen Trüffeln, zur chemischen Küche, da sie aus der häuslichen verbannt sind.

Die Disseration Ihres Herrn Bruders, die Anzeige des Brombeer-Werkes, die Handschrift des ehemaligen Präfecten, alles habe wohl erhalten, benutze und verwahre es mit Dank.

Nächstens erhalten Sie ein zweytes Heft Morphologie pp., ein wahrhaft posthumes Werk; beleben Sie es durch Theilnahme.

Jetzt noch eine Anfrage an den Mykologen. In den Campagnen, denen ich beygewohnt, sah ich mehrmals ganze Brotlieferungen, die, wie der Laib aufgeschnitten wurde, hohle Räume zwischen Kruste und Krume zeigten und letztere sich bald spangrün, dann auch wieder organfarbig angeschimmelt fand. Man schrieb es einem allzu wässrigen Teig zu, den man, um an Gewicht zu gewinnen, zum Brot genommen habe. An welchem Wurzelzweig der übersendeten Tafel habe ich dieß Phänomen zu suchen?

Könnten Sie mir ein Exemplar Thanatophyton Croci verschaffen? es interessirt mich diese Erscheinung gar sehr.

Schließen darf ich übrigens nicht, ohne zu versichern daß ich mich in meinem Nachlaß von Zeichnungen und Aufsätzen redlich umgesehen, jedoch nichts finde was augenblicklich communicabel wäre, um in[192] Ihre Acten aufgenommen zu werden. Es zeigt sich abermals, was ich längst weiß, daß ich immer zu weit ausgeholt und den Erwerb auf halbem Wege habe stehen lassen, deswegen mir andere zuvorgekommen sind, welches mich nicht verdrießt, nur betrübt, wenn ich meinen Freunden nicht nützlich seyn kann.

Neigung und Theilnahme!

W. d. 12. März 1820.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Christian Gottfried Daniel Neesvon Esenbeck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9203-0