[366] 6/1984.

An Charlotte von Stein

[Ilmenau, 5. October.]

Ich weis daß es meine liebe Lotte freut auch nur wenig Worte von mir in ihrer Einsamkeit zu hören. Dieser Brief wird über Weimar gehn, denn zwischen hier und Hochberg ist alle Communikation abgeschnitten.

Wir sind gestern sehr lange gefahren und haben uns sehr nach der Ente gesehnt die du uns bestimmt hattest, wir wurden für unsre Nachlässigkeit mit Hunger bestraft. Fritz war gar artig, ich erklärte ihm die zwey ersten Bildungsepoquen der Welt nach meinem neuen System er begriff alles recht wohl und ich freute mich über den Versuch durch den selbst bey mir die Materie mehr Klarheit und Bestimmtheit gewonnen hatte. Die Kinder sind ein rechter Probierstein auf Lüge und Wahrheit es ist ihnen noch gar nicht so sehr wie den Alten um den Selbstbetrug Noth.

[366] Ich hoffe du hast dich auch des schönen Tages gefreut und des deinigen gedacht. Wie hätt' ich dich an meiner Seite gewünscht. Gleich wie wir ankamen eilte ich nach dem neuen Schachte, dem Gegenstande so mancher Hoffnungen und Wünsche. Es steht alles recht gut und das ganze Werck nimmt einen rechten Weeg. Es sind nicht stärckre Hindernisse als die zu überwinden sind die noch dabey vorkommen, und ich hoffe auf mein gutes Glück.

Heute haben wir einen weiten Spaziergang gemacht der sehr schön war um die alten Teiche und Gräben zu sehen, davon ein Theil hergestellt werden muß. Ich wünschte dabey und vertraute daß ich einmal mit dir den schönsten Teil des Weegs machen könnte.

Ich werde unsre Expedition nicht übereilen da ich dich nicht zu Hause antreffe besonders wenn wir schön Wetter behalten sollten, da will ich meine Freunde die Berge noch recht durchsinnen und durch suchen damit ich im Glauben gestärckt werde.

Nun sage ich dir gute Nacht, damit ich noch einige Augenblicke meinem Wilhelm widmen kann der auch dein ist. Lebe wohl du theure Hausfrau, du süse Liebhaberinn, du treue Freundinn du Inbegriff alles Guten und du Meine.

G. [367]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-92DB-E