6/1983.

An Jakob Friedrich von Fritsch

Hochwohlgebohrner
Insonders Hochzuehrender
Herr Geheimderath

Nach einem so langen Stillschweigen würde ich um Entschuldigungen verlegen seyn, wenn ich Ew. Exzell. Gesinnungen nicht kennte und gewiss wäre daß Sie auch von den meinigen überzeugt sind.

Der Aufenthalt Durchl. des Herzogs in Braunschweig war sehr angenehm, man hat ihm daselbst auf das freundschafftlichste begegnet und er scheint sich durch ein gesetztes Betragen vollkommnen Beyfall erworben zu haben. Die Grosmama konnte sich über einen solchen Enckel nicht genug freuen, ich habe bey einer alten Person lange nicht ein so lebhafftes Vergnügen gesehen, sie verlangte sein Portrait und rechnete [364] ihm die Geduld sehr hoch an womit er dem Mahler mehrere Stunden sas. Die Prinzess Äbtissin wusste den Herrn Neveu durch mancherley Scherz und glückliche Einfälle zu unterhalten, über alles aber war unserm gnädigsten Herren das Vertrauen angenehm womit der durchlauchtige Onckel ihn ausgezeichnet beehrte. Man ist also wie Ew. Exzell. leicht dencken können mit wechselseitiger Zufriedenheit auseinander geschieden, und die Briefe welche von Braunschweig aus nach unserer Abreise hierher an die Herzoginn Mutter kamen, vollendeten dieses wohlgelungene Familien Stück, so daß nichts übrig blieb als Plaudite zu rufen.

Ich habe meine subalterne Rolle mit groser Mäsigung gespielt und auch ich kann nicht genug toben welche gute Aufnahme ich erfahren.

Auf dem Harze habe ich, indem ich meiner Liebhaberey nachging, sehr angenehme Tage gehabt, und meine Kenntnisse in diesem Fache um vieles erweitert. Es wird Ew. Exzell. schon bekannt seyn daß Durchl. der Herzog nicht wie er sich vorgesetzt seinen Rückweeg über den Harz genommen, sondern gleich von Goslar aus nach Befahrung des Rammelsberges ganz allein, nur vom Hofjäger begleitet, nach Dessau gefahren, und von da erst etwa seit acht Tagen zurück ist.

Von hier erwähne ich nichts theils weil nichts das etwa merckwürdig wäre vorgekommen theils weil Ew. Exzell. Sich nun balde selbst davon gegenwärtig [365] werden unterrichten können. Ich werde in einigen Tagen nach Ilmenau gehen und bey meiner Rückkunft vielleicht schon das Glück haben Ew. Exzell. mündlich zu bezeugen wie sehr ich sey

Ew. Exzell.

ganz gehorsamster Diener

Weimar d. 29. Sept. 1784.

Goethe [366]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1784. An Jakob Friedrich von Fritsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9388-F