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An Carl von Reinhard

Ew. Hochwohlgeboren

haben Ihro Königlichen Hoheit, dem Großherzog von Weimar, meinem gnädigsten Herrn, zwey Bände nachgelassener Bürgerischen Werke vor einiger Zeit übersendet, wo in einem Vorberichte das Andenken einer im Jahre 1776 zu Gunsten Bürgers unternommenen Subscription erneuert wird. Ich konnte hierüber bey treuem Gedächtniß genugsame Auskunft geben, welche Denenselben mitzutheilen höchsten Ortes befehligt bin.

Mit der im dritten Bande der sämmtlichen Bürgerischen Werke, und zwar in der Vorerinnerung Seite IX und in den Anmerkungen S. 223 – 5, eingeführten weimarischen Subscription hat es seine völlige Richtigkeit. Der damals schon lebhafte und nachher so viele Jahre sich immer gleich gebliebene Trieb, von Weimar aus alles Löbliche und Gute zu fördern, mußte bey dem Anerbieten Bürgers rege werden, als er Lust bezeigte, den Homer zu übersetzen. Wie ein[7] solches an- und eingeborenes Talent sich auch in diesem Falle benehmen, was es leisten würde, unterlag keiner genauen Untersuchung, weil man gewiß war, daß am Ende Sprache und Literatur dadurch um manches würden gefördert seyn.

Man begnügte sich auch nicht mit dieser schriftlichen Zulage, sondern man legte die Summe von fünf und sechzig Louisd'or in meine Hände. Allein weder die Theilnahme des Publicums, noch Bürgers Beharrlichkeit stimmten in den wohlmeinenden Vorsatz; die Sache geriet in Schwanken und Stocken, wo denn zuletzt wenig Hoffnung übrig blieb.

Da aber einmal das Geld zu Gunsten bestimmt worden, der sich aus kümmerlichen Umständen nie zu erholen wußte, so beschloß die ansehnliche Gesellschaft, ihm diese bedeutende Unterstützung angedeihen zu lassen, wenn auch die Bedingung unerfüllt geblieben war. Ich sendete ihm das Geld, erhielt seinen Dank, und richtete ihn aus.

Soviel weiß ich mich genau zu erinnern; ja, ich wollte noch Ort und Stelle angeben, wo das Verschiedene beschlossen, realisirt und ausgeführt wurde. Schriftliche Zeugnisse haben die Jahrs- und Begebenheitswechsel mit aufgezehrt.

Indem ich nun durch Mittheilung des Vorstehenden mich des erhaltenen gnädigsten Auftrags entledige, so kann ich nur noch den Wunsch hinzufügen, daß die von Ew. Hochwohlgeboren übernommene Bemühung[8] auch vom deutschen Publicum möge anerkannt werden, welches freylich mit täglichen Neuigkeiten so überhäuft ist, daß es kaum einen Blick rückwärts zu thun geneigt seyn möchte. Indessen kann doch keine Büchersammlung eines echten Literatur-Freundes auch nur in historischer Hinsicht einer so interessanten Mittheilung entbehren.

Mit u.s.w.

Weimar den 2. Januar 1824.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Carl von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-941D-8