24/6838.

An Caroline Sartorius

[Concept.]

[Berka, 18. Mai 1814.]

Eben war ich im Begriff in einem Brief an Sie, wertheste Frau Gevatterin, die neckische Coteriesprache fortzusetzen, in der sich Ihr Herr Gemahl während dieser letzten glücklichen Tage freundlich gefallen wollte; ich dachte eben zu erzählen daß, im Reiche des Sumpfkönigs angelangt, wir eben so viel Moos und Moor angetrossen, aber eben so wenig Quellen entdecken können, daß aber doch für ohngefähr so viel Feuchtigkeit gesorgt worden, als nöthig, die köstlichen galvanischen Wirkungen zu beleben, und gerade so viel Wasser zu veredeln, als wir zu Linderung unserer Gebrechen allenfalls bedürfen; ich wollte sagen, daß die Nebelhühner sich unter Blüthenbäumen zu sonnen anfangen, welches um so nöthiger ist, als die Anmuth sympathetischer Curen keineswegs die glücklichsten Erfolge sichert; und was hatte ich nicht noch alles zu erzählen, als Ihr lieber Brief mir auf einmal allen diesen Scherz abschneidet und mich der ernstesten Ereignisse gedenken macht.

Möge Ihr liebes Kind Ihnen völlig wiedergegeben seyn, und warum kann man, wenigstens für seine Freune, nicht das Leben in einen Roman verwandeln, wo man einen Todtgeglaubten, zur großen Freude der Seinen, am Schlusse wieder auftreten läßt [274] und einen traurigen Irrthum in eine erheiternde Wahrheit verwandelt. Unsern Freund Blumenbach bedauere ich unendlich. Mögen Sie ihm mein herzliches Beyland auf die treueste und liebreichste Art zu erkennen geben! Es ist nun der dritte nahe Freund, der dieses Schicksal erfährt. Klinger und Körner verloren ihre Einzigen, und wenn man ihre Zustände bedenckt, so glaubt man kaum das Recht zu haben sich seiner Übergebliebenen zu erfreuen.

Und nun meinen schönsten Dank, daß Sie mir ein freundlich Wort über den dritten Theil sagen. Frau von Staël nennet mich: le plus insouciant de tous les hommes. Daran mag etwas wahr seyn, doch hat sie, bey allem ihrem Scharfblick, nicht bemerken können, wie werth mit der Beyfall von gefühlvollen, geistreichen Freundinnen sey.

Nun leben Sie recht wohl, und, Ihrem Gatten und Ihren Kindern zu Liebe, recht vergnügt. Glauben Sie nicht alles Böse, was er von mir sagt. Zwar wenn er erzählt daß ich gesagt habe: er solle, wenn er wiederkommt, die Frau Gevatterin nicht mitbringen; so kann ich das nicht leugnen, es haben aber diese Worte einen mystischen Sinn, und dürfen nicht nach dem Buchstaben genommen werden. Zu gleicher Zeit mit Ihrem werthen Briefe kamen auch die kostbaren Würste, und bilden gegenwärtig den wichtigsten Vorrath unserer ländischen Speisekammer. Wer sie genießt kann nicht in Abrede seyn, daß jenes [275] mesmerische Fräulein vollkommen recht hatte sich dergleichen als Universal-Mittel zu dictiren; wenn nicht Schlackwurst etwas anderes ist, welches ich denn dahingestellt seyn lasse.

Daß Sie liebe Freundinn in meinem Büchlein eine italiänische Luft empfunden, gereicht ihm zu großem Lobe, da jener himmlische Hauch, der die köstlichen Gegenstand anweht, bey Ihnen gewiß auf das lebhafteste nachklingt. Lassen Sie uns gelegentlich auch davon gefällig vernehmen.

Berka an der Ilm den 17. May 1814.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Caroline Sartorius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9428-0