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An Christian Gottlob Voigt

Herr Bergrath Voigt zu Jena hat mir schon seit einiger Zeit, und, wenn ich recht verstanden, Ew. Excellenz vor einigen Wochen, seine Absicht, sich [260] zu verheyrathen, erst nur im Allgemeinen, zuletzt aber bestimmter vertraut, zugleich aber den Wunsch geäußert, in dieser Angelegenheit abermals nach Franckfurt reisen zu können. In Betracht der Gunst, welche solche Ehehaften immerfort genießen, habe ich nicht geglaubt, ihn an seinem so schnell gefaßten Vorsatze hindern zu sollen. Vielmehr habe ich demselben meinen Segen auf die Reise gegeben, unter der Bedingung, daß er seinen Schritt Herzoglicher Commission anzeige, welches es denn auch, wie das Datum seines Briefes ausweiset, sogleich gethan. Das Blatt ist über die Besorgung der Färberischen Einführung bey mir ligengeblieben, deshalb ich dieses spätere Nachbringen zu entschuldigen habe. Sodann will ich noch einiges durch einen kurzen Vortrag beseitigen. Es betrifft die Präparanten-Stelle bei Döbereiner. Der vom vorigen Jahre, namens Freyberg, ein sehr armer aber, wie es scheint, sehr guter und brauchbarer Mensch, hat sich nach Döbereiners und des Cammerassessors Zeugniß, recht gut gehalten, und ob er gleich durch die Zeitumstände gehindert eigentlich nur ein halbes Jahr thätig gewesen, so dächt ich doch, man gönnte ihm die einmal bestimmten 25 Thaler, welches unserer Caffe keine Aufopferung, dem jungen Mann aber Aushülfe und Aufmunterung wäre; denn daß er brauchbar ist, ergiebt sich aus Folgendem. Um seinen Zustand zu verbessern, hat er die Famulatur bey Hofrath Stark angenommen, wo er außer einigen [261] Emolumenten, auch ohne freye Wohnung hat. Döbereiner aber möchte ihn nicht gern entbehren, und so haben sie ausgemacht, daß er sich, weil die Starkische Famulatur ihm nicht den ganzen Tag wegnimmt, theilen und zugleich die chemischen Arbeiten verrichten soll. Nun findet sich glücklicher Weise ein anderer, der auch seine halbe Zeit der Chemie widmen will; diese gedenken sich in das Honorar zu theilen, welches uns ganz recht seyn kann.

Wir werden in Jena noch öfters diese Fälle erleben, daß der Dürstige, um sich zu erhalten, zweyen Herren dienen muß. Könnten Ew. Excellenz mehrgedachtem Freyberg eine Convictorien-Stelle angedeihen lassen; so geschähe eine Wohlthat an keinem Unwürdigen. Die Resultate dieser Zwillingsfamulatur würden sich vor Michael wohl beurtheilen lassen. Freylich wäre zu wünschen, daß das so glücklich angefangene Präparaten-Kabinett immer fleißig fortgesetzt würde, weil da durch allein eine bleibende sinnliche Anschauung an die Stelle einer oft abstrusen Terminologie gesetzt werden kann.

W. d. 10. May 1814.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99A3-E