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An Peter von Cornelius

Ew. Hochwohlgeboren

haben durch die geneigte Sendung ein wahres Bedürfniß das ich längst empfinde zu erfüllen gewußt; denn gerade dieses mitgetheilte Blatt, als der Schlußstein eines würdigen Cyclus, läßt uns mehr als ahnen, auf welche Weise Sie die einzelnen Felder des großen Umkreises werden behandelt haben. Hier ist ja der Complex, die tragische Erfüllung eines ungeheuern feindseligen Bestrebens.

Jedermann wird bekennen, daß Sie sich in jene großen Welt- und Menschenereignisse hineingedacht, daß Sie deren wichtigen symbolischen Gehalt im Einzelnen wohl gefühlt, sich in Erfindung des Darzustellenden glücklich, in Zusammenbildung des Ganzen meisterhaft erwiesen.

Und so bleibt denn auch wohl keine Frage, daß ein solches Bild, in stattlicher Größe, durch Licht und[320] Schatten, Haltung und Farbe dem Beschauer entgegengeführt, ja aufgedrungen, große Wirkung ausüben müsse. Hiernach darf ich also wohl nicht betheuern, wie sehr es mich schmerzt, Ihre bedeutenden Leistungen in Fülle und Folge, zugleich mit allem was auf Ihro Majestät Wink Imposantes im Ganzen entsteht, nicht gegenwärtig genießen und bewundern zu können.

Zu einiger Annäherung jedoch in vorliegendem Falle möchte ich Ew. Hochwohlgeboren zutraulich ersuchen, mir einen Abdruck des geistreichen Umrisses nur leicht angetuscht und flüchtig gefärbt zu gönnen, damit dasjenige was jetzt dem Verstande mehr als der Einbildungskraft, gewissermaßen in abstracto, unkörperlich angeboten wird, zur Wirklichkeit mehr herantrete und das Verdienst des Originals auch den Sinnen näher gebracht werde. Einer Ihrer wackern Schüler übernimmt ja wohl die freundliche Bemühung.

Für Ihren geistreichen Arabeskendichter habe ich ein Blättchen beygelegt. Wollte man auch diese Kunstbehandlung für untergeordnet ansprechen, so tritt uns doch hier eine geniale Vollkommenheit und technische Fertigkeit entgegen, von der man sich nicht hätte träumen lassen. Diese anmuthigen humoristischen Blätter geben zu den allererfreulichsten Betrachtungen Anlaß.

Kann Herr Stieler von seinem hiesigen Aufenthalt so günstige Nachricht ertheilen, daß Ew. Hochwohlgeboren sich auch entschließen möchten, zu guter Jahrszeit [321] uns zu besuchen, so würde freylich manches höchst Interessante zu besprechen und ein solcher Gedankenwechsel nicht ohne die schönsten Folgen seyn. Gegenwärtig ist uns ein solcher Vortheil durch die Anwesenheit des Herrn Rauch beschieden, welcher bey seinem ausgezeichneten Talente einer so bedeutenden Mitwirkung in dem herrlichen Münchner Kunstreise sich nunmehr höchlich zu erfreuen hat.

Sollte es Gelegenheit geben, in Gegenwart Ihro Majestät meiner als eines ehrfurchtsvollen dankbaren Angehörigen schicklich zu gedenken, so bitte solche nicht vorbeygehen zu lassen, auch deshalb, wie für so manche andere Gefälligkeit, meiner schuldigen Verpflichtung sich selbst überzeugt zu halten.

Mich mit vorzüglichster Hochachtung unterzeichnend.

Ew. Hochwohlgeb.

gehorsamsten Diener

J. W. v. Goethe.

Weimar den 26. September 1828.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Peter von Cornelius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A93-A