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An Jacob Grimm

Ew. Wohlgeboren

übersende Beykommendes zwar später als billig, aber doch nicht unzeitig, denn eben jetzt führen mich meine sehr vereinzelten Studien wieder an die serbischen Lieder und wessen sollt ich dabey eher gedenken als Ihrer würdigen Bemühung.

Das zuletzt mitgetheilte Gedicht ist unter denen die ich kenne wohl das älteste, wenigstens bezieht sich's[233] auf die Erbauung von Skutari, vielleicht schon im achten Jahrhundert, und trägt noch ganz den höhren barbarisch-heidnischen Sinn eines Menschenopfers zu großem unerläßlichen Nationalzwecke.

Gar manches andere ist mir indeß durch die Bemühung der Fräulein Therese v. Jakob zu Halle bekannt geworden, die sich auch wohl Ihrer Theilnahme freut. Die Fertigkeit und Ausdauer dieses talentvollen Frauenzimmers sind zu bewundern, sie scheint mir durch die Herren Wuk und Vater zu dieser Angelegenheit aufgeregt worden zu seyn.

Ich lese so eben Ew. Wohlgeboren Vorrede zu der serbischen Grammatik wieder und bewundere die mögliche Klarheit die Sie über das Gewühl der Volkswanderung und Volksversetzung, so wie über die Wandelbarkeit der Sprache verbreitet. Leider hab ich auch nicht die geringste Anmuthung zu jenen östlichen Zungen und ist mir deshalb eine geistreich angeschlossene Übertragung vom größten Werth.

Lassen Sie mich von Zeit zu Zeit an Ihren Bemühungen Theil nehmen, die ich, wenn gleich nur aus einer gewissen Ferne, zu schätzen weiß, auch in dem mir übersehbaren Umfang wahrhaft zu bewundern die Freude habe.

Zu geneigtem Andenken mich angelegentlichst empfehlend.

ergebenst

Weimar den 30. August 1824.

J. W. v. Goethe. [234]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Jacob Grimm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B2F-4