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An Carl Friedrich von Reinhard

Die zwar zum voraus gewisse, aber doch noch immer überraschend-freundliche Aufnahme meiner liebenswürdig-wunderlichen Schwiegertochter werde Ihnen, verehrter theurer Freund, durch mannichfaches Gute zunächst diesen Sommer vergolten; mit etwas mehr Gesundheit könnten sie ihren Freunden für die unschätzbare Güte, die ihr gegönnt wird, gar manches Angenehme selbst erwidern. Bey so schönen Anfängen läßt sich auch für die Folge das Beste hoffen.

Was mich betrifft, so bin ich dießmal ganz unentschlossen, und habe Verlangen, bald da bald dorthin; mein eigentlichster stiller Wunsch aber möchte wohl seyn, heuer die Zeit nicht als Badekur hinzubringen, sondern, in ein leichtes Chaischen gepackt, einen eiligen größeren Rundkreis zu vollführen, um die Freunde, wo sie auch sehen, schnell zu begrüßen, und, wenn auch nur Stunden, mich Ihrer Gegenwart und fortdauernden Theilnahme zu versichern. Denn das ist's doch eigentlich was uns so oft bey brieflicher Unterhaltung zu mangeln anfängt, eine, und wäre es auch nur augenblicklich aufgefrischte Gegenwart.

Herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme Eckermanns, seine Bildung zu mir und meinen Arbeiten ist für mich und die Meinigen unschätzbar; ich kann hoffen durch ihn Zerstreutes zu sammeln, Unvollständiges [185] zu ergänzen, Vielfaches zu ordnen und zwar in meinem eignen Sinne, wie auch schon geschehen ist. Sollte Eckermann bey seiner Rückkehr etwas Geld bedürfen so haben Sie die Güte ihm bis auf hundert Gulden Credit zu machen. Das Ausgelegte soll, auf Benachrichtigung, von hier aus sogleich erstattet werden.

Unser für alles Finstere unempfänglicher Freund hat abermals die Angelegenheit mit mir durchgesprochen, die Ihnen, wie billig, so manches Bedenken erregt. Da mir jene Persönlichkeiten und Verhältnisse völlig fremd sind, so bleibt mir nichts als überhaupt Ihre Vorsicht zu billigen, womit Sie über die Umstände klar zu werden die nöthigen Schritte thun.

Den theuren Ihrigen die schönsten dankbarsten Grüße, auch der merkwürdigen Jacobi, die mir, nach aufgeregter und mäßiger Schilderung, durchaus einen Familienzug, und nicht den glücklichsten zu haben scheint; vorzügliche Persönlichkeiten sind immer am wunderlichsten gegen sich selbst und die Umgebung gestellt.

Das Heft von Kunst und Alterthum folgt nächstens; zuletzt hält Velinglätter und Buchbinder das schon verzögerte noch weiter auf. Nun aber denk ich soll es nicht lange währen; ich empfehle den Inhalt, der dießmal theilweise Ihre Aufmerksamkeit anzuziehen geeignet ist.

[186] Der eindringende Antheil an dem Paria freut mich sehr; ich bewahre diese höchst bedeutende Fabel als einen stillen Schatz vielleicht vierzig Jahre und konnte mich erst jetzt entschließen ihn von meinem Innern durch Worte loszulösen, wo er mir die eigentliche reine Gestaltung zu verlieren scheint. Wird das Gebildete jedoch in einem treuen energischen Geiste reproducirt, so gelangt es wieder zu seinem ursprünglichen Rechte.

Hier lassen Sie mich enden, mit wiederholtem Gruß, Dank, und einer sich selbst betheuernden liebevollen Anhänglichkeit.

und so fort

Weimar den 5. Juli 1824.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9DA2-E