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An Caroline von Humboldt

Habe ich auch schon wieder so lange auf Ihren lieben Brief vom 22. Januar geschwiegen, so hätte ich auch meine abermalige Ankunft in Böhmen abwarten können um Ihnen dort aus der Nähe, und vielleicht etwas heiterer, zu schreiben, denn der Schluß des Winters hat nicht zum günstigsten auf mich gewirkt, und ich sehne mich nach jenen erprobten Heilquellen.

Wie angenehm war mir's wieder unmittelbar etwas von Ihnen zu erfahren, denn daß Sie Sich wohl und vergnügt in Wien befinden, habe ich manchmal von reisenden Freunden vernommen. Recht herzlich habe ich Sie früher bedauert, daß Sie nach hartnäckigem Widerstand doch noch endlich das liebe Rom mit dem Rücken haben ansehen müssen. Ich weiß recht gut was das heißt, und nehme aufrichtigen Antheil an jedem, der mit seinem Gepäcke zur Porta del Popolo hinausfährt. Wien mag indessen in manchem Betracht für Sie ein sehr günstiger und angenehmer Aufenthalt seyn.

Zu der im November angesetzten Auction möchte[319] ich wohl eine kleine Fahrt nach Zante machen. Es war ein köstlicher Fund, denn nach aller Beschreibung sind es doch wohl Werke des älteren Styls, wie die Gesichter zeigen. Die höchst reinliche, s ins Kleine gehende Ausführlichkeit der Gewänder und Waffen widerspricht dieser Vermuthung nicht. Übrigens war für die Verbreitung dieser Nachricht schon gesorgt, indem eine Übersetzung derselben sehr bald im Morgenblatt erschien; doch war es mir sehr angenehm Ihrer Gefälligkeit das Original zu verdanken, welches in meinem Kreise sehr wohl aufgenommen wurde.

Diesen Winter habe ich mich viel mit dem Theater beschäftigt; es war um so nöthiger etwas in unserem Inneren zu thun, weil uns von außen wenig Erbauliches zukommt. Ich habe Shakespeare's Romeo und Julie concentrirt und zu einem faßlicheren Ganzen organisirt. Es ist gut gegeben und gut aufgenommen worden. Um ein Calderon'sches Stück, das Leben ein Traum, haben sich Einsiedel und Riemer verdient gemacht; auch diese Vorstellung ist sehr gelungen.

Freund Riemer ist seit kurzem als Professor bey dem hiesigen Gymnasium angestellt. Da er dieser Stelle vollkommen ist, so kann er sie mit Zufriedenheit bekleiden. Ich habe mich ungern von ihm getrennt, indessen mußte das wohl einmal seyn.

Mögen Sie mit Ihrem Herrn Gemahl, dem ich mich tausendmal empfehle, mir einige Worte nach [320] Carlsbad schreiben, so finden sie mich dort Anfangs May. Nur eine kurze Nachricht, daß Sie und die lieben Ihrigen sich wohl befinden, soll mich genugsam erfreuen. Könnten Sie mir doch auch etwas Gutes von dem Gesundheitszustande der Frau von Eybenberg sagen, der mir sehr zu Herzen geht.

Mich Ihrem lieben Herzen treulich und freundlich empfehlend

Weimar

Goethe.

d. 7. April 1812.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1812. An Caroline von Humboldt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9ED8-0