1827, 25. Juli.


Mit Johann Peter Eckermann

Goethe hat in diesen Tagen einen Brief von Walter Scott erhalten, der ihm große Freude machte. Er zeigte ihn mir heute, und da ihm die englische Handschrift etwas sehr unleserlich vorkam, so bat er mich, ihm den Inhalt zu übersetzen. Es scheint, daß Goethe dem berühmten englischen Dichter zuerst geschrieben hatte und daß dieser Brief darauf eine Erwiederung ist.

Goethe hatte, wie gesagt, über diesen Brief große Freude. Er war übrigens der Meinung, als enthalte er zu viel Ehrenvolles für ihn, als daß er nicht sehr vieles davon auf Rechnung der Höflichkeit eines Mannes von Rang und hoher Weltbildung zu setzen habe.

[169] Er erwähnte sodann die gute und herzliche Art, womit Walter Scott seine Familienverhältnisse zur Sprache bringe, welche ihn als Zeichen eines brüderlichen Vertrauens im hohen Grade beglücke.

»Ich bin nun wirklich,« fuhr er fort, »auf sein Leben Napoleons' begierig, welches er mir ankündigt. Ich höre so viel Widersprechendes und Leidenschaftliches über das Buch, daß ich im voraus gewiß bin, es wird auf jeden Fall sehr bedeutend sein.«

Ich fragte nach Lockhart, und ob er sich seiner noch erinnere.

»Noch sehr wohl,« erwiederte Goethe. »seine Persönlichkeit macht einen entschiedenen Eindruck, sodaß man ihn so bald nicht wieder vergißt. Er soll, wie ich von reisenden Engländern und meiner Schwiegertochter höre, ein junger Mann sein, von dem man in der Literatur gute Dinge erwartet.

Übrigens wundere ich mich fast, daß Walter Scott kein Wort über Carlyle sagt, der doch eine so entschiedene Richtung auf das Deutsche hat, daß er ihm sicher bekannt sein muß.

An Carlyle ist es bewundernswürdig, daß er bei Beurtheilung unserer deutschen Schriftsteller besonders den geistigen und sittlichen Kern als das eigentlich Wirksame im Auge hat. Carlyle ist eine moralische Macht von großer Bedeutung. Es ist in ihm viel Zukunft vorhanden, und es ist gar nicht abzusehen, was er alles leisten und wirken wird.«

[170]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1827. 1827, 25. Juli. Mit Johann Peter Eckermann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A048-5