Aus den neunziger Jahren.


Mit Heinrich Eberhard Gottlob Paulus

Dieses Vielthätigsein [Goethes] war möglich, weil, wie wir von ihm selbst hörten, er wie ein Gesetz befolgte, was Amt und Geschäftsaufträge betraf, immer zuerst abzumachen, alsdann aber dem, wozu ihn der Geist trieb, mit ungetheilter Fertigkeit sich ganz hinzugeben.

Zu allen diesen Tendenzen kam in Goethe fortwährend, aber mehr wie eine problematische Unterhaltung und nicht eigentlich als Beschäftigung eine gegen hyperphysische Selbsttäuschung des damals gepriesenen [206] »absoluten Speculieren« sehr behutsame Aufmerksamkeit hinzu. Für Ahnungen über das Übermenschliche hatte Goethe eine erhebende, staunende Andacht in sich. »Wie jenes Übersinnliche gleichsam von oben her mit unserer Natur und Naturphilosophie zusammenhängt, dies« – rief er mir einmal zu – »ist die Frage.« Aber sein ahnendes Denken war mit der besonnensten Scheu vor allen Dogmen als Behauptungen verbunden, besonders, wenn man das Praktische darnach oder dagegen reguliren zu wollen fürchten ließ.

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Goethe stimmte mit der von dem abstractesten Philosophen [Spinoza] nicht zu erwartenden Weltanschauung überein, wie sie von diesem im tractatus theologico-politicus auf das sogenannte alte Testament angewendet ist.

Was das Hinüberblicken in das absolute Hyperphysische in der Philosophie betrifft, so wollte Goethe die Philosophen von Profession darüber, wie er zu sagen pflegte, »gerne gewähren lassen, soviel sie könnten«. Er ließ als Zuhörer gerne sie sich aussprechen, auch, wenn sie, wie Schelling, es gleichsam als etwas ihnen ausschließlich offenbar Gewordenes im Besitz und Verschluß zu haben, die Miene machten.

Goethe sagte oft wünschend und hoffend: »Je mehr man sich an dem Speculiren über das Übermenschliche trotz aller Warnungen Kant's vergeblich abgemüht haben wird, desto vielseitiger wird dereinst das Philosophiren [207] zuletzt auf das Menschliche, auf das geistig und körperlich Erkennbare der Natur gerichtet und dadurch eine wahrhaft so zu benennende Naturphilosophie erfaßt werden.«

Was die mathematischen und physikalischen Vorkenntnisse betraf, schätzte Goethe, wie er dies mir mehrmals sagte, Hegel mehr, als Schelling.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1799. Aus den neunziger Jahren. Mit Heinrich Eberhard Gottlob Paulus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A568-6