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Höchst verehrter Freund!

Vergebens würde ich zu entschuldigen versuchen, wie ich die wiederholten Beweise Ihrer Güte und Gewogenheit so stumm habe hinnehmen können; vielleicht aber würden Sie, nach Ihrer liebreichen Langmuth, dieses eher als ich selbst thun, wäre es möglich, mich Ihnen ausführlich mitzutheilen. Das hoffte ich, und hoffe nunmehr mit Zuversicht, mündlich zu können, wenn Sie verstatten wollen, daß ich Sie sehe und umarme. Es gibt in diesem Monate vierzehn Tage, die ich verwenden kann, nach Jena zu kommen, dort eine Woche zu verweilen, und zurückzukehren. Bildhauer Rauch hat, obwohl er sich schwer von seinen Arbeiten entfernt, in meinen Wunsch, mich zu begleiten, gewilligt, wenn er hoffen darf, daß Sie ihm vergönnen wollen, Ihr Bild nach seinem Vermögen darzustellen. Haben Sie die Güte, mir mit umgehender Post zu sagen, ob wir kommen dürfen; den 10., spätestens den 12., würden wir dann von hier abreisen, und den 13. bis 15. in Jena eintreffen können.

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Die dem Herrn Raabe von Ihnen ertheilte Instruction nebst dem Promemoria, welches dazu Veranlassung gegeben, füge ich abschriftlich bei. Herr Minister von Altenstein läßt seinen innigsten Dank vermelden für die gütige Beförderung unserer Wünsche von Seiten Ihrer und des Herrn Hofrath Meyer; mündlich ließe sich einiges Nähere über den ferneren Gang der Sache und deren weitere Ausdehnung verabreden. Die Hersendung der von Herrn Raabe gelieferten Arbeiten hat keine Eile, und könnte fürerst unterbleiben, wenn ich zu Ihnen reise. Die ausgelegten Kosten bitte aber auf jedem beliebigen Wege von uns einzuziehen. Aus den Acten ersehe ich, daß Sie nicht einmal über dieses Arrangement benachrichtigt worden sind; wie eine solche Unart möglich war, ist nur mündlich zu erläutern.

Von den hiesigen mannigfachen Kunstunternehmungen, von den verdienstlichen Bemühungen unserer Freunde und von meinen kleinen Fortschritten in den früher besprochenen Untersuchungen kann ich auch nur mündlich Näheres anzeigen; das tägliche Geschäft verbietet mir leider ausführlichere Mittheilungen über dergleichen. Auch wäre zu weitläufig, hier zu sagen, wie Ihre seit einem Jahre erschienenen herrlichen Werke auf mich gewirkt haben; nur zu erwähnen kann ich nicht unterlassen, daß ich seit diesem Sommer in einem kleinen befreundeten Kreise regelmäßige Vorträge über Ihre Propyläen halte, die mich höchlich belohnen, und mit der Zeit zu ersprießlichen Wirkungen für mich und Andere Hoffnung geben dürften, für welchen Zweck es mir nahe liegt, einige mündliche Belehrungen zu erbitten. Da ich bis gestern nicht an eine Reise zu Ihnen denken konnte, so bin ich dazu wenig vorbereitet, werde aber eilen, alles, was Sie und mich interessiren kann, zu notiren. Füge nur ein gütiges Geschick, daß Sie nicht verhindert sein mögen, uns in Ihre beglückende Nähe kommen zu lassen!

In steter Verehrung
Schultz.

In dem Augenblicke, wo ich dieses unterschreibe, erhalte ich Ihre werthen Zeilen, vom 30. v. M., und unterlasse also die Einsiegelung der ober erwähnten Abschriften. Da die Posten so langsam befördern, dürfte ich Ihre Antwort bis zum 12. kaum erwarten, und meine Abreise daher eventualiter um einige Tage später anberaumen müssen.

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 5. August 1820. C. L. F. Schultz an Goethe. Z_1820-08-05_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-BDEE-1