[[1]v]

[...]

Für die {Notitzen} über Heidelberg bin ich Ihnen sehr verbunden.
Leid ist mir's, daß die Sache wohl noch lange in Ungewißheit bleiben
kann. Meine Neigung bleibt indessen dieselbe; von den Lehrstellen,
welche mir zu Theil werden könnten, wäre mir immer die in H.Heidelbergdie er-
wünschteste. (Welche andere ich vorziehen würde, wissen Sie.) Ich wünschte
wohl zu erfahren, ob die beyden Männer, welche Sie mir nennen, sich um
jene Stelle beworben haben, und ob einer oder der andere besonders von den
Mitgliedern des akademischen Senats protegirt wird. HE. (M. v. A.)Minister von Altenstein hatte
sich früher erboten, mich dem HE. Minister von Reitzenstein zu empfehlen;
ich habe aber dies freundschaftliche Anerbieten aus verschiedenen Gründen
bis jetzt nicht benutzt, und halte es auch schon deshalb für überflüssig,
da HE. (v. R.)von Reitzenstein, wie Sie und auch Schelver mir schreiben, mich bereits aus eigenem
Antriebe zur Sprache gebracht hat; überdem sind ja auch unter den
[[2]r]Professoren in (H.)Heidelberg mehrere, welche mich kennen, - von diesen wird ohne Zweifel
ein Gutachten verlangt werden, und da wird es denn am Ende doch wohl darauf
ankommen, zu wem diese mehr Vertrauen haben. Glauben Sie, daß jene
Empfehlung nützlich seyn könnte, so lassen Sie mich es gefälligst bald erfahren.

Daß es (Hgl.)Hegel gut geht und daß er Beyfall findet, freut mich. Was er,
um sich zu rechtfertigen, über unsern Zwist vorgebracht hat, überrascht
mich eben nicht sehr. Ich habe es wohl vermuthet, daß noch ein Weibergeträtsch
zum Vorschein kommen werde, obwohl weder ich noch eines von den Meinigen
zu errathen weiß, wodurch er verletzt worden, oder was ihm eingeblasen
seyn könnte. Es wird sich ja wohl mit der Zeit aufklären, wir können's
getrost erwarten.

Wie steht es denn mit den übrigen erledigten Stellen in Heidelberg?
Ist schon jemand an Wilkens Stelle berufen? Für die Professur der
Geschichte möchte ich auf einen jungen Mann aufmerksam machen, welcher,
so viel mir bekannt, gegenwärtig Privatdocent in Halle ist, den D. Voigt.
Er hat eine Geschichte Pabst Gregor VII geschrieben, welche mit Beyfall
aufgenommen worden ist. Ich kenne ihn von Jena her, wo er einige
Zeit Lehrer meiner Kinder war, der vorzüglichste, den sie dort hatten.
Auch im philologischen Seminarium gehörte er zu den besten, und auf
Empfehlung von Griesbach wurde er Lehrer am Pädagogium in Halle.
Seit der Herstellung der Universität finde ich ihn unter den Privat-
docenten aufgeführt. - Es ist derselbe, welcher sich so viele Mühe
gegeben hat, meinen Kindern die Newtonische Farbenlehre begreiflich
zu machen. - Sie fordern mich auf die Recension von der
[[2]v]

Farbenlehre

des HE. Klotz zu übernehmen. Ich kenne das Buch nicht, kann
mir aber wohl denken, daß es keine sehr erfreuliche Lectüre seyn mag,
nach den Proben zu urtheilen, die er früher davon bekannt gemacht hat.
Ich will sehen, ob das Buch hier aufzutreiben ist, wo nicht, so muß ich Sie
ersuchen, mir es vorher zur Ansicht zu senden; ohne es zu kennen mag
ich weder zu- noch absagen.

Von Goethe habe ich neulich wieder einen Brief erhalten. Das Farben-
wesen scheint ihn sehr zu beschäftigen; er schreibt mir unter andern: "Die
entoptischen Farben verfolgen mich wie graziose Eumeniden, und ich muß
ein SupplementCapitel zu meiner Farbenlehre schreiben. In dem angezeigten
Sinne darf ich nur vereinfachen, und ich komme mir wirklich vor, wie ein
Professor, der für sein Compendium arbeitet." - Um die Majolica
des HE. v. Derschau wird noch gehandelt. Es muß das Verlangen unseres
Freundes darnach sehr groß seyn; denn er hat jenem durch mich schon so viel
bieten lassen, daß nur noch 80 (f)florin an dem von (D.)Derschau geforderten, Ihnen bekannten
Preis fehlen. Aber stellen Sie Sich vor, der wunderliche Mann will sie
darum nicht ablassen. - Er soll auch einer von denen seyn die auf Berlin
speculiren.

Wie ist denn die letzte große Sonnenfinsterniß bey Ihnen ausgefallen?
Wir hatten hier einen ganz bedeckten Himmel, und zur Zeit der Finsterniß
fiel ein sehr gleichförmiger feiner Schnee. Ich war zu allerley Versuchen
gerüstet, da aber alle Aussicht sie auszuführen verschwunden war, kam
ich auf den Gedanken zu versuchen, ob ohngeachtet des bedeckten Himmels
das Maximum der Finsterniß nicht mittelst eines Photometers be-
stimmt werden könnte. Der Erfolg hat meine Erwartung übertroffen.
[[3]r]Die Zeit hatte ich nach meiner Taschenuhr notirt; diese wurde bald darauf
mit einem vortrefflichen englischen Chronometer, welches unser Freund Merkel
besitzt, verglichen; am 22ten wurden einige correspondirende Sonnenhöhen von
HE. Prof. Pfaff genommen, und es wurde gefunden, daß nach gehörig angebrachten
Correctionen zu Folge meiner Beobachtungen am Photometer das Mittel der
Finsterniß sich ereignet hatte am 19ten (Nov.)November um X Uhr 18 Minuten 36 Secunden
wahrer Nürnberger Sonnenzeit. Nach den Berechnungen des HE. v. Zach hat das
Maximum der Finsterniß, wie ich eben von HE. Prof. Pfaff erfahre, um
X Uhr 18 Minuten Nürnberger wahrer Zeit eintreten sollen; also nur um
36 Secunden zeigte das Photometer die Conju[n]ction später an. Das
Instrument ist sehr empfindlich; es ist dasselbe dessen ich mich vor 10
Jahren bey meinen Versuchen über die verschiedene Wärme der prismatischen
Farben p. bedient hatte. Bemerken muß ich noch, daß die Differenz zwischen
dem tiefsten Stande des Photometers bey der größten Verfinsterung und
dem höchsten Stande am Ende derselben 3 (paris.)pariser Zoll 9 Linien betrug, und diesen letzten Stand behielt es noch 1/2 Stunde nachher.


License
CC-BY-SA-4.0
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2023). Seebeck, Thomas Johann. 29. November 1816. Seebeck an S. Boisserée (Auszug). Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-B8E1-3