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[...] Von Jugend auf, war ich gewöhnt die verschiedensten Bewegungen, Erscheinungen und Gefühle im eigenen Körper besonders aber in dem Sehapparat: im Auge zu beobachten. Dies ist nicht der einzige Weg, den anatomischen Aufbau des Auges, sogar auch mikroskopisch, kennen zu lernen; haben wir doch, möchte ich sagen, auch eine psychologische Weise zu seiner Erforschung. Die Seele, nachdem sie sich mit dem materiellen Körper vereinigt, nimmt an allen seinen Tätigkeiten[70]und Leiden Teil. An seinen Sinnesorganen aber in einer besonders klaren und deutlichen Weise, wodurch sie imstande ist, durch deren Vermittlung die Beschaffenheit der zum Körper in Beziehung tretenden Außendinge kennen zu lernen. So kann sich dann die ganze seelische Tätigkeit den Außendingen zuwenden, wodurch objektive Vorstellungen zustande kommen, was die übliche Art zu sein pflegt. Oder aber es bleibt die Aufmerksamkeit am inneren Sinnesgeschehen haften und betrachtet dasselbe, ohne dabei das Gebiet der Körperorgane zu verlassen, subjektiv ohne Bezugnahme auf Objekte - und das ist die empirisch-psychologische und zum Teil physiologische Betrachtungsweise.

Von diesem Standpunkt geht auch die erwähnte Forschungsarbeit über das Gesicht aus: Man kann auf diese Weise unmittelbar die verschiedensten Eigenschaften, ja sogar den Aufbau des menschlichen Auges erkennen, was sonst nur durch peinlichste anatomische Untersuchung zu entdecken ist, wie z. B. die Organisation der Nervenmembran, die Gefäßverteilung, die Farbenwahrnehmung usw.

Diese Schrift war für meine glückliche Lebensfahrt entscheidend. Den Naturforschern gleichsam neue Wege erschließend, verschaffte sie mir die Neigung und Protektion Goethes, der sich damals mit ähnlichen Untersuchungen beschäftigte und auf der Höhe seines Ruhmes stand, was mir die weiteren Schritte im sozialen Leben nicht wenig erleichtert hat.

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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 1857. Purkinje, autobiographisch. Z_1857_z.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-4859-D