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Ew. Durchlaucht verfehle ich nicht, ganz gehorsamst die mir zugekommene Nachricht mitzutheilen, daß der Geheimerath von Goethe zu Weimar binnen Kurzem Berlin zu besuchen beabsichtigt. Die Anwesenheit dieses ausgezeichneten Mannes, dem Deutschland vorzüglich die Bildung des Geschmacks und die Fortschritte der neueren Zeit in den schönen[179]Künsten verdankt, ist hier seit vielen Jahren lebhaft gewünscht worden, und wird unfehlbar ein allgemeines Interesse bei dem gebildeten Publicum erregen. Von großem Gewinn dürfte es sein, wenn er sich bereit finden ließe, in eine Berathung über die hiesigen Kunst-Anstalten und Unternehmungen einzugehen, wovon um so mehr zu erwarten sein würde, wenn der Hofrath Meyer zu Weimar, der gelehrte Herausgeber der Winkelmann'schen Werke, in seiner Begleitung mit hieher käme. Dieses hiebei zu veranlassen, halte ich die Gelegenheit für sehr erwünscht, und scheint es mir, da die Verhältnisse nicht erlauben, sich an Herrn von Goethe officiel zu wenden, anständig und zweckmäßig, seiner bezeigten Bereitwilligkeit durch Berufung des Hofrath Meyer, seines Freundes, entgegen zu kommen, und ihm durch eine ehrenvolle Aufmerksamkeit einen Beweis der seinen Verdiensten schuldigen Hochachtung zu geben. Ew. Durchlaucht geneigtem Einverständnisse glaube ich mich hierunter versichert halten zu können, und habe ich, um den günstigen Augenblick nicht zu versäumen, privatim den Hofrath Meyer zu dieser Reise disponiren lassen. Die Kosten derselben und des hiesigen Aufenthalts werden, bei den vielfachen Vortheilen, die wir uns davon versprechen dürfen, nicht in Betracht zu ziehen sein, und obwohl Herr von Goethe hier nur als Reisender zu erscheinen und in einem Privathause abzutreten Willens ist, bezweifle ich doch nicht, daß Ew. Durchlaucht mich zu autorisiren geruhen werden, ihn nach den Umständen mit aller der Liberalität zu behandeln, welche der Anstand in diesem Falle erfordern dürfte. Auch werde ich mich beehren, Ew. Durchlaucht um einen geneigten Befehl an das Königliche Hofmarschalamt zu bitten, den Herrn von Goethe die in den Königlichen Schlössern vorhandenen Kunstwerke nach seinem Wunsch in Augenschein nehmen zu lassen, da ich mich überzeugt halten kann, daß es seiner Majestät dem Könige nicht unangenehm sein wird, Allerhöchstdero Kunstschätze von einem so vorzüglichen Kenner gewürdiget zu sehen. Ich behalte mir jedoch ganz gehorsamst vor, sobald ich seine Herreise gewiß erfahre, Ew. Durchlaucht davon nähere Anzeige zu machen.

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 1. Juni 1818. Altenstein an Hardenberg (Auszug). Z_1818-06-01_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-B98F-0