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 Ew. Wohlgeboren

möge beykommendes Heft zur guten Stunde treffen! und besonders der entoptische Aufsatz einigermaßen genug thun. Sie haben in Nürnberg dem Hervortreten dieser schönen Entdeckung beygewohnt, Gevatterstelle übernommen und auch nachher geistreich anerkannt, was ich gethan, um die Erscheinung auf ihre ersten Elemente zurückzuführen. Beykommender Aufsatz liefert nun, in möglichster Kürze, was ich von Anfang an, besonders aber seit den letzten Jahren bemerkt, versucht, verschiedentlich wiederholt, gedacht und geschlossen; wie ich mich theils in dem Kreise gehalten, theils denselben ausgebreitet, auch Analogien von manchen Seiten herangezogen und alles zuletzt in eine gewisse Ordnung aufgestellt, welche mir die geläufigste war und die anschaulichste schien, wenn man die Erfahrungen selbst vor Augen legen und die Versuche, der Reihe nach, mittheilen wollte.

Möge das alles einigermaßen Ihre Billigung verdienen, da es freylich schwer ist, mit Worten aus-[294]zudrücken, was dem Auge sollte dargebracht werden. Fahren Sie fort, an meiner Art die Naturgegenstände zu behandeln kräftigen Theil zu nehmen, wie Sie bisher gethan. Es ist hier die Rede nicht von einer durchzusetzenden Meinung, sondern von einer mitzutheilenden Methode, deren sich ein jeder, als eines Werkzeugs, nach seiner Art, bedienen möge.

Mit Freuden hör ich von manchen Orten her, daß Ihre Bemühung, junge Männer nachzubilden, die besten Früchte bringt; es thut freylich Noth, daß in dieser wunderlichen Zeit irgendwo aus einem Mittelpunct eine Lehre sich verbreite, woraus theoretisch und praktisch ein Leben zu fördern sey. Die hohlen Köpfe wird man freylich nicht hindern, sich in vagen Vorstellungen und tönenden Wortschällen zu ergehen; die guten Köpfe jedoch sind auch übel daran, denn, indem sie falsche Methoden gewahren, in die man sie von Jugend auf verstrickte, ziehen sie sich auf sich selbst zurück, werden abstrus oder transcendiren.

Möge sich Ihr Verdienst, mein Theuerster, um Welt und Nachwelt, durch die schönsten Wirkungen immerfort belohnt sehen.

 treulichst
Goethe.
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TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 7. Oktober 1820. Goethe an Hegel. Z_1820-10-07_c.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-50C9-4