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Ewr Wohlgeborn

danke ich für die günstige und freundliche Aufnahme meines Antrages, und hoffe, daß unsre Sache zu Stande kommen wird, indem Ihre Aeußerung, daß der Absatz fast ausschließlich ins Ausland geht, mich noch mehr darin bestärkt, Ihre Sammlung als einen Weg der Mittheilung meiner Farbentheorie an ein größeres Publikum zu betrachten, daher ich, um solchen zu benutzen, gern jedes Opfer bringe. Da es sich bei mir darum handelt, mir den Ruhm einer wahren und wichtigen wichtigen Entdeckung zu vindiciren; so erscheint die Rücksicht auf Honorar als etwas sehr untergeordnetes, und gebe ich, nach der von Ihnen mit mitgetheilten Lage der Sache, jeden Anspruch darauf willig auf.

Anlangend die Veränderung der Form meiner Abhandlg; so ist was ich, nach Durchsehung derselben, für thunlich und angemessen erachte, folgendes. Das Ganze soll kürzer werden und alles minder Wesentliche ausfallen, um die Geduld und Aufmerksamkeit desto ungetheilter der Hauptsache zu erhalten. Daher fällt zuvörderst die Einleitung weg: aber eine ganz andre, gegenwärtigem Zeitpunkt und Umständen angemessene, jedoch kürzere, kommt an ihre Stelle. Sodann fällt vom 1ten Cap: sehr vieles aus, und einiges Neue wird eingeschoben. Vom 2ten Cap: müssen zwar die Hauptparagraphen, welche eben den Kern der Sache enthalten, meistens unverändert übersetzt werden: denn, wollte ich hier ändern, so müßte ich nothwendig eine schlechtere Darstellung an die Stelle der bessern setzen. Doch vom Uebrigen dieses Kapitels wird vieles, sogar ganze §§, ausfallen und dafür einige Zusätze, von nicht geringer Bedeutung, eingeschaltet werden. Auch der Titel soll anders lauten, nämlich Theoria colorum physiologica: in der Einleitung aber werde ich sagen, daß und warum ich die vor 13 Jahren Deutsch publicirte Theorie hier nochmals lateinisch vortrage: - eine Appellation vom Deutschen Publikum an das Europäische.

Ich hoffe daß Ewr Wohlgeb: diese Aenderungen in der Darstellung genügend finden werden, da das Ganze keineswegs eine simple Uebersetzung, sondern eine stark veränderte, bereicherte und zugleich zusammengezogene Lateinische Bearbeitung zu nennen seyn wird.

Ich kann durchaus nicht glauben, daß der Verleger der Deutschen Abhandlg sich durch diese zweite im Mindesten beeinträchtigt finden wird, zumal nach 13 Jahren: sollte es Ihnen anders scheinen; so bitte ich mir Ihre Gedanken mitzutheilen.

Jetzt aber hoffe ich, daß Ewr Wohlgeb:, berücksichtigend, wie ich Alles thue, um mich Ihren Absichten anzupassen, von Ihrer Seite so viel nachgeben werden, daß Sie meiner Abhandlung eine Stelle in Ihrem nächsten Bande vergönnen, zumal da das Erscheinen des 4ten ungewiß ist. Ich glaube durchaus nicht, daß meine Abhandlg mehr als 4 Ihrer Bogen füllen wird, vielleicht noch weniger, in keinem Fall ganze 5: und da kann es ja nöthigenfalls weder Ihnen noch dem Verleger sehr darauf ankommen, ob der Band 4 Bogen mehr hat oder nicht. Ich hoffe daher von Ihnen nunmehr die Zusicherung der Aufnahme in den nächsten Band zu erhalten, welche ich mir jedoch fest und bestimmt erbitte, damit ich sicher sei, nicht vergeblich eine zeitfressende Arbeit zu unternehmen. Alsdann bitte ich mir zugleich zu melden, wann Sie auf's Späteste das M. S. haben müssen, da ich es gern con amore abfassen möchte und ihm doch nur einen Theil meiner Zeit widmen kann.

Daß in Hinsicht auf die Qualität des Lateinischen Vortrags sowohl als der Zusätze das Mögliche geleistet werden wird, verbürgt Ihnen der Umstand, daß es einzig und allein pro gloria geschieht. Denn Jean Paul sagt: "erst wenn die Bücher nicht mehr bezahlt werden, werden wir welche erhalten, die gar nicht zu bezahlen sind." Auch in dem, was ich von den Aenderungen gesagt, werde ich treu und pünktlich Wort halten, ja wahrscheinlich bei[111]der Bearbeitung nach Anlaß zu mehreren Abänderungen finden, als ich schon jetzt voraussehe.

Ihrer gütigen Antwort baldigst entgegensehend, verharre ich mit vorzüglicher Hochachtung

Ewr Wohlgeborn
ergebener Diener Arthur Schopenhauer.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 31. März 1829. Schopenhauer an Radius. Z_1829-03-31_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-CEA4-0