[86r]
Hochwohlgeborner Herr Freiherr
Hochgebietender Herr Staatsminister
Gnädiger Herr.

Wie oft schon ist es zum innigen
Bedürfniß, wie zur theuersten Pflicht
mir geworden, meine freudig dankbaren
Gesinnungen gegen Euer Excellenz gnaden-
reiche Fürsorge vor Hochdenselben aus-
zusprechen. Alle Wohlthaten, welche Euer
[86v]Excellenz seit Jahren auf mich gehäuft,
haben Sie durch Ihren letzten huldreichen
Schritt öffentlich bestätigen wollen, indem
Sie mich unter die Zahl derjenigen aufge-
nommen, die im Dienste des Staates
unter Ihrem unmittelbaren Schutze stehen.

Diese mir neuerdings gewordene Gnade
ist mir ein heiliges Pfand der hohen
Theilnahme, die Euer Excellenz so frühe
an meinen ersten jugendlichen Bestrebungen
in der Wissenschaft genommen und an allen
fernern Leistungen huldreicher haben wieder-
hohlen wollen, sie ist mir wie das Siegel
einer freundlichen unter glücklichen Auspicien
verflossenen Vergangenheit, so eine ernste
nicht minder als schönen Vorbedeutung für
alles fernere Wirken. Es wird mein größter
Stolz seyn, unter Euer Excellenz segen-
reichem Schutze, mein Leben [als] Schuldner
zugleich und treuer Diener dem Staate
und der Wissenschaft ausschließlich zu ver-
wenden. Alle meine fernern Wünsche lege ich [in]
demuthsvoller Ergebenheit in Euer Excellenz
[87r]gnadenreicher Fürsorge nieder.

War es Ihnen unmöglich gewesen, durch
eine fixe Besoldung aus dem Universitäts-
fond meine Existenz auf eine meiner
nunmehrigen Stellung angemessene Weise
zu sichern, so wollen Euer Excellenz auf
andere Weise dieses dringende Bedürfniß
hülfreich decken und haben durch Ihre letzte
gnädige Bewilligung mir den Beweis gegeben,
wie sehr ich Ursache habe, in allen Verfügungen
einer hochweisen Staatsbehörde mit danker-
gebenem Herzen auszuruhen. Durch uner-
müdeten Fleiß und Eifer kann es nur seyn,
wodurch ich mich einer fernern Berücksichtigung
würdig machen zu können gedenke; und
wenn es mein größter Wunsch seyn muß,
durch eine fixirte Besoldung in meinen
Untersuchungen und Fortschritten befestigt
zu seyn, so weiß ich doch, daß um das
Gegenwärtige würdig zu besitzen, ich
immer neu es erwerben muß.

Euer Excellenz haben Ihre gnädige und
huldreiche Fürsorge auch so weit ausdehnen
wollen, daß Sie mich für den Kosten-
[87v]aufwand meiner bisherigen Untersuchungen
und ihre Fortsetzung zu entschädigen
beabsichtigen. Die Untersuchungen über den
Einfluß des gefärbten Lichtes auf die
Vegetation und die Lebenserscheinungen
der Pflanzen und Thiere werden nun-
mehr, wenn gleich mit einem immer
noch unvollständigen Apparate fortgesetzt,
und bin ich in dem Betrieb dieser Untersuchungen
durch Euer Excellenz höchst aufmunternde
Theilnahme in dieser wichtigen Angelegenheit
im höchsten Grade gefördert. Sobald ich
den zur Vollendung dieser Untersuchungen
nöthigen Aufwand vollständig übersehen
kann, werde ich Euer Excellenz gnädiger
Aufforderung entsprechen und Hochdenselben
gemäß Ihrem Befehle sowohl über die
Auslagen der bisherigen Untersuchungen
als über die Fortschritte der letzten Unter-
nehmung gehorsamst berichten.

Ich darf es vielleicht als ein Zeichen meiner
fortschreitenden Wirksamkeit auf der
Universität ansehen, daß ich im laufenden
Sommercursus ausser meinen Privat-
[88r]vorlesungen über die ganze specielle
Physiologie privatim auch einen
vollständigen Cursus der vergleichenden
Anatomie
bei einer sehr erfreulichen
Theilnahme zu lesen im Stande bin,
einer Doctrin, die auf der hiesigen
Universität seit ihrem Bestehen erst
einmal privatim vollständig und seither
nicht wieder in ihrem ganzen Umfange
gelesen worden ist. Mein Eifer für diese
Vorträge ist um so grösser, als die zahl-
reiche Theilnahme an diesen rein wissen-
schaftlichen Vorlesungen gewiß ein
sehr gutes und sicheres Zeichen von dem
wachsenden wissenschaftlichen Eifer unter
den Studierenden der Medicin ist.

Über den Gebrauch der anatomischen
Präparate des Museums zu diesen
demonstrativen Vorträgen habe ich
mich mit dem Director des anatomischen
Instituts Herrn Prof. Mayer
freundschaftlichst vereinigt und sofort
auch für den Eintritt dieser vorläufigen
Bestimmungen bis zur Erscheinung eines
[88v]besondern Reglements die Erlaubniß und
Bestätigung des (Königl.)Königlichen Regierungs-
bevollmächtigten Herrn Geheimen Rathes
v. Rehfues eingehohlt.

Wie ich auf dem von mir betretenen
und unter hohen Auspicien eingeleiteten
Wege fortzuschreiten gedenke, habe
ich Euer Excellenz in meinem letzten
unterthänigen Schreiben auseinander zu
setzen gewagt. Erlauben Euer Excellenz
mir nochmals, Hochdenselben die treueste
Ausdauer in meinem Streben und die
gewissenhafteste eifrigste Erfüllung
meiner Berufspflichten zu geloben. Weiß
ich vor Euer Excellenz auf keine andere
Weise meine treu und demuthsvoll
ergebene wie ewig dankbare Gesinnung
zu verwirklichen, so habe ich darin doch
die Aussicht, daß diese Art der Danksagung
wie meine Bestrebungen nur mit meinem
Leben enden wird.

In der innigsten Hochachtung
und tiefsten Ehrerbietung
Euer Excellenz
unterthäniger Diener
Prof. Dr. J. Müller.
CC-BY-SA-4.0

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 12. Mai 1826. Johannes Müller an Altenstein. Z_1826-05-12_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-CB5F-3