[16r]
Euer Excellenz

sehe ich mich nun im Stande, auf Ihr gütiges
Schreiben von 9ten des (v. M.)vorigen Monats nach meiner Vorstellung von den
Verhältnissen, und nach gepflogener Besprechung über
die nähern Wünsche des (Hn)Herrn D. Schubarth und das Interesse,
welches dieselben dafür nehmen, folgendes und zwar zunächst
das Allgemeine angeben zu können, daß die Absichten dieses
jungen Mannes für sich keinen Anstand haben mögen, aber Schritte
dafür und Bedingungen, wie bey Allem in der Welt insbesondere1 bey Staats-
dienstsverhältnissen, daran geknüpft sind, die wohl mehr ode[r]
weniger Billigkeit [haben mögen] aber nicht ein gänzliches Absehen davon zulass[en.]
Die Anbefehlung des Königs selbst zur Bedachtnahme auf di[e]
Anstellung eines jungen Mannes, enthält für sich die Beschra[n-]
kung auf die Bedingung, daß sich die Befähigung des Em[-]
pfohlnen auf reglementsmäßigem Wege constatirenconstatire.2
Herrn D. Schubarth's frühere vermeintliche Hoffnungen, die in seine[m]
hirmit wieder zurückfolgenden Brieffe (im Augenblicke desSiegelns finde ichdiesen Brieff nicht)3erwähnt sind, enthielten
wohl auch das Unrichtige, daß er dabey zusehr auf die nur persön-
liche Verwendung baute. Derselbe hat nun vor allem [noch], was er,
wie ich höre, bisher nicht gethan habe, dem Herrn Minister in einer Eing[a-]
be seine Absichten, sich dem Lehrfache zu widmen und sein dem
[16v]gemässes Gesuch mit Unterstützung desselben durch die dien-
lichen Zeugnisse, unter anderem Angabe seiner literarischen
Productionen, darzulegen; sein, jedoch im Auslande erlangter
Doctorgrad, nebst jenen Leistungen, dürften soviel wohl be-
wirken, daß die förmliche Staatsprüffung etwa nicht gefodert,
sondern ein mit weniger Umständen verknüpfter Modus sub-
stituirt und genügend gefunden wird. Er soll nur von der Über-
zeugung und dem Zutrauen ausgehen und durch dasselbe sich
zu den ohnehin nöthigen Schritten um so lieber bewegen lassen, daß
dieselben mit keiner Art von Abgeneigtheit, sondern mit förder-
lichem Wohlwollen werden aufgenommen werden, und daß die
Rücksicht auf das freundschaftliche Interesse, welches Sie für
dessen Wohlergehen hegen, das seinige sowohl zur Erleichterung
des etwa voran durchzumachenden als zur geneigten weitern
{Föderung} von4 dessen schließlichen Wünschen wirksam beyträgt.

Indem diese Angelegenheit eine vergnügliche Veranlassung
gewesen, von Ihnen eine schriftliche Ansprache zu erhalten, so
sind aber ausserdem der Bemühungen, die ich von Ihnen empfinde,
so mannigfaltige und ununterbrochen, daß ich gleichsam in täglicher
Unterredung mit ihnen begriffen bin. Von den directen Berüh-
rungen habe ich insbesondere hier die dankbare Erwähnung
[17r]für das Geschenk nachzuhohlen, dessen frohe Ver[-]
anlassung zur allgemeinen Mitfeyer geworden, und diemit der5 das hohe
Fürstenpaar den edeln Bund der Freundschaft hat zeigen und
verewigen, und mit der auch Sie mir ein gütiges Erinnerungs-
zeichen haben geben wollen.

- Ein Unwohlseyn hat den Abschluß dieses Brieffes
um etliche Wochen aufgehalten; ich füge kürzlich über die
Auffoderung, die Sie nach der gütigen Aufnahme der Bitte
unserer kritischen Gesellschaft, an mich machen, einen Punk[t]
anzudeuten, über den ihr eine Mittheilung von Ihnen [an-]
genehm seyn könnte, über das es Ihnen interess[ant]
seyn möchte, sich ausführlicher als in Kunst und Alterthu[m]
und in den naturwissenschaftlichen Heften auszusprechen.
Um aber doch etwas nahmhaft zu machen6, so ist uns die demnächs[t]
(auch unabhängig von einer Theilnahme Tieks)- erscheinen wer[-]
dende Sammlung von Lenz-Schriften eingefallen, deren
Zeit und schriftstellerischer Charakter wohl Niemand so le-
bendig vor Augen steht als Ihnen und [an] die Sie bey dem gegen-
wärtigen Geschäfte der Herausgabe Ihrer Werke etwa bey-
läuffig von selbst sich erinnern. Sollten Sie sich aber wieder
einmal in optische Angelegenheiten einlassen woll[en],
so wäre jedes Compendium der Physik oder dergleichen, was neu[-]
[17v]erlich erschienen, ein Anknüpfungspunkt dafür; ob Purkinjens
subjective Grüblichkeiten Sie zu einem Einlassen genug anspre-
chen, möchte ich wohl zweiffeln; aber Materialien zu einem
Anhang der Farbenlehre liegen Ihnen in Überfluß vor; an
Wünschen, ja vielleicht an Ansprüchen zu einem solchen An-
hange fehlt es uns nicht; ich dürfte vielleicht die Form eines
Artikels für unsere Jahrbücher hiefür vorschlagen, der, wenn
die Reihe in der Herausgabe der Werke, an die Farbenlehre
kommen wird, die Stelle eines Anhangs oder eines Theils ei-
nes solchen einzunehmen geeignet seyn könnte. - Ich wieder-
hohle aber daß ich mich auf solche Vorschläge nur auf Ihre
ausdrückliche Aufforderung eingelassen habe.

In einigen Wochen erlaube ich mir, Ihnen die 2te Ausga-
be meiner Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften

zu überschicken, +++7in Beziehung auf einen Versuch, den ich dar-
in gemacht, eine Ordnung und Stuffenfolge von dem Phänomene der
sogenannten Brechung an bis zur fixen Farbe anzugeben, indem ich8 jene
als die erste Differentiirung in dem Durchsichtigen betrachtete, die dann
zur Verdunklung im spröden fortgehe u. s. f. - Hr von Henning liest
diesen Sommer vor einer grossen Anzahl von Zuhörern wieder
über die Farbenlehre; ich hatte ihm bey seiner vorjährigen Reise
[n]ach Gotha nebst meinen Empfehlungen auch die Bitte an Sie aufgetra-
gen ihm den Kopf zu waschen, daß er die Skizze, nach der er diesedie9
Vorlesungen hält, noch nicht, wie er seit langem gewollt, und verspro-
chen, noch nicht10 zum Drucke vollendet habe; er scheint, weder sich getraut
zu haben, den Auftrag nicht auszurichten, noch Ihrer bekannten Milde
ungeachtet ihn auszurichten, und ist dem einen und dem andern [dadurch] entgan-
gen, daß er dißmal nicht bey Ihnen eingesprochen; er muß aber doch daran.

Nun noch meine besten Wünsche für Ihre fortdauernde Gesundheit und
Munterkeit, und die Bitte um die Erhaltung Ihres gütigen Wohlwollens
gegen mich, das zu den wohlthuenden Empfindungen meines Lebens gehört; - Mit der alten unbegränzten Verehrung
Ihr gehorsamster
Prof. Hegel
insbesondere]
constatirenconstatire.]
(im Augenblicke desSiegelns finde ichdiesen Brieff nicht)]
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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 29. Juni 1827. Hegel an Goethe. Z_1827-06-29_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-CCD4-C