[1r]
Hochwohlgeborner Herr,
Hochzuverehrender Herr Geheimer Ober-Regierungsrath!

Ew Hochwohlgeboren mir in Berlin gegebenen gütigen
Verheissungen lassen mich hoffen keine Fehlbitte zu
thun, wenn ich mir erlaube Dieselben in meiner jetzt
sehr bedrängten Lage um Dero gewichtige Fürsprache bei
Sr: Exzellenz dem Herrn Minister von Altenstein gehor-
samst zu bitten, damit die mir von Sr: Exzellenz gnädigst
gegebene Zusicherung einer Verbesserung meiner Lehrerstelle
bei der hiesigen Bau und Kunstschule gnädigst veranlaßt
werde.

Ew Hochwohlgeboren werden selbst finden, daß es fast nicht
möglich ist, bei einem Gehalt von 400 rh wofür ich alle Tage
[1v]selbst Sonntags in der Königl: Kunstschule Unterricht1 zu ertheilen {haben}
indem die Zeichenstunden gegen früher um das Doppelte vermehrt
worden sind; mit Frau und drei Kindern leben zu können, und den
letzteren den erforderlichen Unterricht ertheilen zu lassen. Auf
Nebenverdienst ist bei dem hier so beschränkten Kunstsinn wenig
zu rechnen, und ich kann mit der größten Anstrengung kaum
soviel verdienen um die nöthigen Lebensbedürfnisse bestreiten
zu können. Wenn nun Krankheiten eintreten, wie es erst
kürzlich der Fall war, wo ich 7 Wochen gefährlich krank darnie-
der lag, so ist meine Lage um so trauriger; und ich bin würklich
durch diese Krankheit in so bedrängte Verhältniße gekommen
meine entbehrlichsten Sachen verkauffen zu müssen, um nur
die dringensten Schulden welche ich zu machen gezwungen war
bezahlen zu können.

Ew Hochwohlgeboren bitte ich daher recht {dringen} sich geneigtest
in meiner so bedrängten Lage fürgnädigst2 für mich zu verwenden
damit ich in den Stand gesetzt werde, für den nöthigen Unterricht
[2r]meiner Kinder gehörig zu sorgen, und auch einigermaßen für die
Kunst leben zu können, was bei den jetzigen Verhältnißen
nicht gut möglich ist.

Ew Hochwohlgeboren gütige u wohlwollende Gesinnungen gegen
mich lassen mich hoffnungsvoll einer besseren Zukunft entgegen
sehen; und mich und die Meinen Dero geneigtem fernerem
Wohlwollen gehorsamst empfhlend verharre ich mit
grö[r]ßter Hochachtung

Ew Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
Raabe
Hummerei No 28.
Unterricht]
fürgnädigst]
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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 27. Januar 1832. Raabe an Schulze. Z_1832-01-27_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-D079-E