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Bonn den 8ten Februar 1822
Abgegangen den 12 ej.
Die Besetzung der Zeichenlehrerstelle
betreffend.

Ew. Excellenz hochverehrliche Aufforderung
vom 14ten v. M. die Bewerbung des
Malers Heinrich Kolbe, von Cöln,
um die hiesige ZeichenlehrerStelle
betreffend, habe ich durch die anliegen-
de abschriftliche Mittheilung
a, des Schreibens des Professors
D'alton vom 30ten v. M. mit des-
sen Gutachten über die Kunstbil-
dung des Aspiranten, und
b, des AntwortSchreibens des Polizey-
Präsidenten von Struensee, in Cöln,
vom 1ten d. M. auf meine Erkun-
digung über den moralischen Cha-
racter und die Aufführung des p
Kolbe
zurzu1 erledigen die Ehre.

Außer dem p Kolbe haben sich bei mir
noch zwey andere Concurrenten
gemeldet, über deren Gesuche ich
folgendes in Unterthänigkeit bemer-
ke.[21v]Der erste derselben ist der Zeichen-
lehrer an dem Gymnasio zu Minden,
Carl Friedrich Leo, der sich zuerst
in einem Schreiben vom 9ten v. M.
an mich gewendet hat. Ich habe ihm
hierauf, ohne ihm weiter eine Aus-
sicht zu eröffnen, geantwortet, daß
er zuvorderst einige Proben seiner
Kunstfertigkeit einreichen möge.

Derselbe hat hierauf mit dem in
originali anliegenden Schreiben vom
23ten v. M. die beigeschloßenen Zeich-
nungen und zwei Zeugnisse aus
seinen bisherigen Dienstverhält-
nißen eingesandt.

Mit dem p Kolbe kann sich nun
freilich der p Leonicht messen, und
eine Vergleichung der Kunstfertig-
keit beider Aspiranten muß un-
bedingt zum Vortheil des Ersteren
ausfallen. Ich darf aber Ew. Excellenz
meine Besorgniß nicht verhehlen, daß
der p Kolbe dem Anschein nach die
Stelle nicht für die Dauer, sondern
nur ad interim sucht, und solche[22r]mit der Absicht, dieselbe bei der
ersten günstigen Gelegenheit wie-
der aufzugeben, annehmen wird.
Es möchte also der Universität
bei dieser Anstellung gehen,
wie bey der des p Raabe, womit der-
selben aber gar nicht geholfen
seyn würde.

Der dritte Supplikant endlich
ist der hiesige Mahler Scheben,
welcher mir sein Gesuch mündlich
vorgetragen hat. Derselbe ist,
unverheirathet, hier ansäßig und
giebt daher Hoffnung, daß ihn das
mäßige Gehalt, welches für die
Stelle ausgesetzt ist, an die letztere
und den hiesigen Ort fesselen fesseln2
werde. Er hat mir versprochen,
Proben seiner artistischen Geschick-
lichkeit vorzulegen, und ich werde
nicht ermangeln, dieselben, sobald
ich sie erhalten habe, einzuschicken.
Ew. Excellenz stelle ich daher
in Unterthänigkeit anheim, im Fall
Hochdieselben überhaupt auf diese[22v]Bewerbung Rücksicht zu nehmen
geneigt seyn sollen, die Entschei-
dung in der Sache bis dahin aus-
zusetzen.

Die Vorstellung des p Kolbe er-
mangele ich nicht, anliegend zurück
zu geben.

Der Königliche außerordentliche Re-
gierung-Bevollmächtigte
Rehfues

Seiner Excellenz
dem Königl: Geheimen Staats und
Minister der Geistl., Unterrichts und
MedizinalAngelegenheiten Herrn
Freiherrn von Altenstein
in
Berlin
zurzu]
fesselen fesseln]

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 8. Februar 1822. Rehfues an Altenstein (Ausfertigung). Z_1822-02-08_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C2BD-1