[33r]
Ew. Excellenz

bitte ich gnädigst ein Gesuch aufzunehmen, womit
ich beschwerlich zu fallen wage, daß Ew. Excellenz
gnädigst geruhen wollen, mir die erledigte Stelle
eines Zeichenlehrers an der Universität Bonn
anzuvertrauen.

Nach dem Tode meines Vaters, des Director F.
Tischbein
in Leipzig begann ich meine Studien
unter Leitung des Herrn Professor Hartmann
in Dresden und trat im Jahre 1816 meine
Reise nach Italien an, wo ich hauptsächlich Rom
zu meinem Wohnorte wählte, und meine Studien
im historischen Fache eifrig betrieb, so daß ich
während meines dortigen Aufenthaltes drey
Gemälde von eigener Composition in Oehl
ausgeführt habe, von denen ich aber jezo
keines besize.

Drey Jahre lang blieb ich daselbst, und trat
hierauf meine Rückreise über Florenz, Mayland
und Heidelberg, in jedem Orte einige Zeit
verweilend, nach Franckfurt am Mayn an,[33v]wo ich durch häufige Arbeiten mehrere Jahre lang
beschäftigt war. Größtentheils bestanden diese
in Porträts oder Familienbildern, und es
gelang mir nur drey kleine Bilder eigenen
Entwurfes auszuführen, deren leztes der
Fürst von Schaumburg Lippe, zu welchem
mich einige Arbeiten im vorigen Herbste
riefen, gegenwärtig besitzt.

Jener Aufenthalt in den Rheingegenden
weckte den Wunsch in mir einen bestimmten
Wirkungskreis dorten zu suchen, und so
wage ich es, Ew. Excellenz um gnädige
Beförderung zu jener Stelle zu ersuchen,
in welcher ich dann mit Eifer und Thätigkeit
die erworbenen Vorkenntniße werde
ausbilden un anwenden können.

Da ich dießmal nur einen kurzen Aufenthalt
in Berlin zu machen gesonnen war, so habe
ich keine meiner Arbeiten mitgebracht,[34r]um einen Beweis von dem geben zu können, was
mir bis jezo in der Kunst zu leisten gelang;
aber Herr Hofrath Hirt hat einige meiner
früheren Arbeiten gesehen, und würde also
wenigstens über jene ersten Versuche ein
Urtheil zu geben vermögen, im Falle daß
Ew. Excellenz mein Gesuch einer näheren
Aufmerksamkeit werth halten sollten.

Indem ich mich dem gnädigen Wohlwollen
von Ew. Excellenz zu empfehlen wage,
unterzeichne ich mit Ehrfurcht
Ew. Excellenz
Diener C. W. Tischbein.
An
Des Königlichen Geheimen Staatsministers Herrn
Freiherrn von Altenstein Excellenz.

Editionstext kann unter der Lizenz „CC BY-NC-SA-4.0 international“ genutzt werden.


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. vor 8. Mai 1822. Kolbe an Altenstein. Z_1822-05-08_l.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C3A3-C