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Breslau den 12ten May. 1825.
Betreffend die Aeußerung des Königlichen
Medicinal-Raths Professor Dr: Otto
über den Professor Purkinje

Der Professor Medicinal-Rath
Dr: Otto hat mir den einliegenden
Bericht, welchen derselbe auf ein,
von Euer Excellenz unmittelbar
an den p Otto ergangenes hohes
Rescript erstattet hat, mit einem
besonderen schriftlichen Ersuchen
zur weiteren Beförderung an
Höchstdieselben mitgetheilt.

Euer Excellenz werden hieraus
gnädigst zu entnehmen geruhen,
daß dasjenige, was ich über die phy-
siologischen Vorlesungen des Pro-
fessor Purkinje pflichtmäßig
äußern zu müßen geglaubt habe,
von dem Professor Otto ausführlich
bestätigt wird. Ich wiederhole hier-
bey nur nochmals, daß die eifrigen
und mühsamen wissenschaftlichen
Privat-Studien des Professor
Purkinje an sich lobenswerth sind,
und vielleicht dereinst zur Erwei-
terung oder festeren Begründung
der Wissenschaft an sich werden bei-[6v]tragen können. Diese seine Studien
beziehen sich dermalen aber zunächst
nur auf Hülfswißenschaften der
Physiologie, insbesondere auf Theile
der Physik und Chemie, dagegen
scheint der Professor Purkinje noch
keinen klaren und allgemeinen Ue-
berblick des ganzen Gebiets der Phy-
siologie
sich zu eigen gemacht zu haben
und die Ungeläufigkeit in der deut-
schen Sprache erschwert es ihm noch
mehr, eine ganze Stunde hindurch
mündliche Vorträge zu halten.
Die Vorschläge, welche der Medi-
cinal-Rath Otto macht, den Män-
geln in den Vorlesungen des Pro-
fessor Purkinje abzuhelfen, schein-
nen mir für den akademischen
Unterricht in der Physiologie noch
nicht ausreichend, sondern ich glaube
den Antrag wiederholen zu dürfen,
daß Euer Excellenz geruhen
mögen, den Professor Tre-
viranus wohlwollend Höchst-
selbst zu veranlassen, auch sei-
ner Seits physiologische Vorle-
sungen zu halten.

Da die Physiologie ein so wichtiger[7r]Hauptgegenstand des akademischen
ärztlichen Studii ist, und da auch
in andern Fkultäten über einzelne
Gegenstände, z. B. über Dogmatik,
Pandecten u. s. w. von mehreren
Profeßoren, Vorlesungen gehalten
werden: so kann Hochdero Auffor-
derung an den Professor Trevi-
ranus, selbst dem Professor
[Purkinje], nicht befremdlich erschei-
nen.

Der Königliche außerordentliche
Regierungs-Bevollmächtigte
Neumann

An
Des Königlich Wirklich Geheimen Staats
und dirigirenden Ministers der geist-
lichen-Unterrichts- und Medicinal-An-
gelegenheiten, Ritters pp
Herrn Freiherrn von Altenstein
Excellenz
in
Berlin

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TextGrid Repository (2023). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 12. Mai 1825. Neumann an Altenstein (Ausfertigung). Z_1825-05-12_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.11113/0000-000F-C9F3-C