I. Bašir und das Mädchen
Ein König hatte zwei Söhne. Der ältere hieß Omar, der jüngere Bašir. Der König liebte den Sohn, der Basir hieß, sehr. Der König wurde krank. Er rief seine beiden Söhne zu sich. “O ihr meine Kinder, wenn ich plötzlich sterbe, dann ist mein Vermächtnis für euch: «Lebt einig miteinander.» Teilt mein nachgebliebenes Erbe zu gleichen Teilen.” Der König starb. Nach dem Tod des Vaters hielt sich Omar nicht lange an das Vermächtnis des Vaters. Er fing an, Basir zu benachteiligen. Er dachte nach, auf welche Weise er sich Basirs entledigen könnte. Basir erriet, was Omar vorhatte (“in Omars Herz war”). Basir bat Omar: “O du mein älterer Bruder Omar, gib mir ein Pferd zum Besteigen und Waffen zum Überhängen.” Omar gab Basir Pferd und Waffen. Nachdem er das Pferd bestiegen hatte, ob zum Leben, ob zum Tode, ging Basirweg. Basir war ein sehr schöner Mann. Basir gelangte in irgendein Dorf (Aul). Dort fragte Basir nach einem Mann, bei dem er bleiben könnte. Ein reicher Mann nahm Basir zu sich, damit er den Hof kehre. Der reiche Mann hatte eine Tochter, die niemals die Welt gesehen hatte.1 Eines schönen Tages stieg Basir ins obere Zimmer. Er sah dieses schöne Mädchen, und das Mädchen sah Basir. Da verliebten sich die beiden ineinander. Das Mädchen hieß Asijat. Sie sagte zu ihrer Dienerin: “Diesen Jemand rufe (du) zu [170]mir.” Die Dienerin sagte zu Asijat: “Schämst du dich nicht zu sagen: «Rufe diesen Jemand»?” Asijat wurde sehr zornig auf die Dienerin. Sie schrieb einen Brief und schickte ihn an Basir: “Du Jemand, sehen will ich (dich) sehr. Komm zu mir. Basir schrieb auf Asijats Brief die Antwort: “Dein Brief hat mich erreicht. Deinem Brief entsprechend zu dir zu kommen ist mir nicht möglich in Anbetracht meiner Niedrigkeit.” Asijat schrieb die Antwort: “Wie niedrig du auch sein magst, außer dir liebe ich niemanden.” Basir glaubte nicht Asijats Brief. Basirs Zimmer war am Eingang der Pforte. Eines Nachts ging Asijat zu Basir. Als er zur Tür hineinging, (um)fasste sie Basirs Hals und gab ihm drei Küsse. Dann fragte Asijat Basir: “Woher bist du? Wie bist du hierher geraten?” Basir erzählte alles, was ihm geschehen war. Da liebte Asijat Basir noch mehr. Dann sagte Asijat: “Ich nehme Geld mit, das für unser Leben reicht. Wir fliehen beide und nehmen gute Pferde zum Reiten für uns beide mit.” Asijat nahm alles Nötige, gute Pferde zum Reiten nahmen sie und flohen von dort fort. Es gab keine Pferde, die sie hätten einholen können, es gab sie nicht hinter (ihren) Pferden. Nach drei Tagen kamen sie auf einen Berg. Auf diesem Berge fanden sie eine Feste. Die Feste erblickend, sagte Asijat: “Einmal habe ich gehört, dass in dieser Feste Qarte 2 leben. Das könnte diese Feste sein. Komm, lass uns umkehren.” Basir sagte zu Asijat: “Ohne diese Qarten gesehen zu haben, werde ich nicht umkehren.” Da umzingelten die Qarten sie und führten sie in die Feste. Sie warfen sie in einen Kessel und fraßen die beiden auf.
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
 - TextGrid Repository (2025). Boeder, Winfried. I. Bašir und das Mädchen. Kaukasische Folklore. https://hdl.handle.net/21.11113/4bft9.0