Vierter Band. Vorrede .
Dieser Band beschließet den ganzen Titan , ohne weitere komische Anhänge , zu welchen der Verfasser schon sonst noch Zeit und Stoff genug zu finden scheuet und hofft .
Aufgeweckte Köpfe mögen vielleicht die gewöhnlichen gelehrten Urteile darüber selber für die ordentlichen komischen Anhänge zum Werke nehmen .
Freilich ist am poetischen Schmetterlings- Flügel der bunte lose Staub oft am Ende -- näher besehen -- wahres Gefieder .
Meiningen , im Dezemb. 1802 .
J. P. F. Richter .
Inhalt Inhalt des vierten Bandes .
Sechs und zwanzigste Jubelperiode .
101 - 103 Zykel .
Die Reise -- die Quelle -- Rom -- das Forum Seite 1 Sieben und zwanzigste Jubelperiode .
104 - 107 Zykel .
Peterskirche -- Rotunda -- Coliseo -- Brief an Schoppe -- der Krieg -- Gaspard -- der Korse -- Verwicklung mit der Fürstin -- die Krankheit -- Gaspards Bruder -- Beterskuppel und Abschied -- 36 Acht und zwanzigste Jubelperiode .
108 - 110 Zykel .
Brief aus Pestiz -- Mola -- die Himmelfahrt eines Mönchs -- Neapel -- Ischia -- die neue Göttergabe -- 95 Neun und zwanzigste Jubelperiode .
111 - 115 Zykel .
Julienne -- die Insel -- Sonnenuntergang -- Neapel -- Vesuv -- Linda's Brief -- Streit -- Abreise -- 142 Dreißigste Jubelperiode .
116 - 119 Zykel .
Tivoli -- Streit -- Isola bella -- die Kinderstube -- die Liebe -- Abreise .
Seite 211 Ein und dreißigste Jubelperiode .
129 - 126 Zykel .
Pestiz -- Schoppe -- Ehescheu -- Arkadien -- Idoine -- Verwicklung . -- 257 Zwei und dreißigste Jubelperiode .
127 - 130 Zykel .
Roquairol -- 357 Drei und dreißigste Jubelperiode .
131 - 136 Zykel .
Albano und Linda -- Schoppe und das Porträt -- das Wachskabinett -- das Dual -- das Tollhaus -- Leibgeber -- 416 Vier und dreißigste Jubelperiode .
137 - 139 Zykel .
Schoppe's Entdeckungen -- Liane -- die Kreuzkapelle -- Schoppe und der Ich und der Oheim . --
482 Fünf und dreißigste Jubelperiode .
140 - 146 Zykel .
Siebenkäs -- Beichte des Oheims -- Brief von Albano's Mutter -- das Krone-Rennen -- Echo und Schwanengesang der Geschichte . -- 511 Sechs [/0013 ] Sechs und zwanzigste Jubelperiode .
Die Reise -- die Quelle -- Rom -- das Forum .
101. Zykel .
So lange die Nacht dauerte , schimmerten Albano's Traumbilder mit den Sternbildern fort , und erst vor dem hellen Morgen erloschen sie alle .
Gaspard sagte ihm lächelnd , er sei auf dem Wege nach Italien .
Unerwartet gefasst empfing er die Nachricht seiner Auswanderung ; er fragte bloß , wo sein Schoppe sei .
Als er hörte , er habe nicht mit gewollt : rückte ihm die Lindenstadt plötzlich über die Berge und Täler nach und sein letzter Freund stand Titan IV. A mitten auf dem Markte , ganz allein , mit sich selber im Mokierspiele begriffen , um ein treues starkes Herz zu stillen , das verschmerzen will und lieben .
An diesem Freunde , den Albano nicht aus seiner Seele ließ , zog er sich wie an einer Jupiters-Kette die ganze Bühne und Welt seiner Vergangenheit nach und jeder traurige Ort kam dicht an ihn .
Ungesehen rollten die Städte , die Länder vor ihm vorbei .
Die Wellen , die der Schmerz um uns auftreibt , stehen hoch zwischen uns und der Welt und machen unser Schiff einsam mitten im Hafen voll Schiffe .
Schaudernd kehrte er sich von jeder schönen Jungfrau weg ; sie erinnerte ihn wie eine Klage an die erblaßte ; ewig aufgedeckt zog Lianen bleiches Angesicht -- wie eine Leiche in Italien * )-- auf dem unendlichen Weg zum Grabe und nur unkenntliche Gestalten mit Larven gingen hinter ihr lebendig .
So ist der Mensch und sein Schmerz ; zum Widerspiele des Schiffziehens , wo die Le * )
Die Leiche geht aufgedeckt zum Begräbnis , ihre Begleiter folgen vermummt . bändigen den Toten mitschleppen , nimmt der Tote die Lebendigen mit und zieht sie weit nach in sein kaltes Reich .
Durch die Zeit wurde allmählich sein Schmerz entwickelt , nicht entkräftet .
Sein Leben war ihm eine Nacht geworden , wo der Mond unter der Erde ist und er glaubte nicht daran , daß Luna allmählich mit einem wachsenden Licht- Bogen wiederkehre .
Keine Freuden , nur Taten -- diese entfernten Sterne der Nacht -- waren jetzt sein Ziel .
Er hielt es für Unrecht , die Tränen , die oft mitten im fremden Gespräche aus ihm drangen , darum vor dem Vater zurückzuhalten , weil dieser keinen Teil an ihnen nahm ; doch zeigt er ihm durch die Kraft seiner Gespräche und Entschlüsse noch den starken Jüngling .
Nur der Vorwurf , den er sich über seine Schuld an Lianen Tod gemacht , hatte sich in den Frieden aufgelöst , den ihm Idoine gegeben , ob er gleich jetzt ihre Erscheinung nur für einen wachen Fiebertraum von Lianen hielt .
Sein Vater schwieg ganz über Idoinens Auftritt so wie über alle unangenehme Erinne A 2 Rungen , er sprach aber viel von Italien und von dem Kunst-Gewinn , den Albano da erbeuten werde , zumal durch die vorausgehende Gesellschaft der Fürstin , des Kunstrates und des deutschen Herrn , die man bald einholen könne .
Der Sohn wandte sich endlich mit der kühnen Erkundigung an ihn , ob er wirklich noch eine Schwester habe , und erzählte die Geschichte mit dem Kahlkopf .
" Es könnte wohl sein , ( sagte Gaspard unangenehm spaßhaft , ) daß du noch mehr Brüder und Schwestern hättest als ich wüßte .
Aber was ich weiß , ist , daß deine Zwillingsschwester Severina in diesem Jahre in ihrem Kloster gestorben ist .
Wofür hältst denn du die Nacht-Geschichte ? " --
Beinahe für einen Traum , versetzt er .
Zufällig kam seine Hand hier in die Tasche und traf zu seinem Erstaunen auf den halben Ring , den die Schwester ihm geschenkt .
Das Wunderbare trat dicht unter seine Sinne und jene Schauer-Nacht ging schnell und kalt durch seinen Mittag .
Er und der Vater besahen die Enden des zerschnittenen Rings , an deren jedem ein abgerissener Namenszug aufhörte .
" Es gibt aber nichts Wunderbares " sagte der Ritter .
" Woher wissen wir alsdann , daß es " etwas Natürliches gibt ? " sagte Albano .
" Das Wunder , ( versetzte Gaspard , ) oder die " Geisterwelt wohnt nur im Geiste . "
-- " Wir " müssen uns , ( fuhr jener fort , ) auch bei den ge " Meinesten optischen Kunststücken auf etwas an " deres als auf die Auflösung des Trug_es der " Phantasie in einen Trug der Sinnen freuen , " weil uns sonst nach der Auflösung das Zau " berwerk mehr gefallen müßte als vorher .
Das " sind die Stillen und Pole der menschlichen " Natur , worüber die ewigen Polarwolken hän " gen. Unsere Landkarten vom Wahrheits- und " Geisterreiche sind die Landkartensteine , welche " Ruinen und Dörfer abbilden ; diese sind er "logen , aber doch ähnlich .
Der Geist , ewig " unter Körper gebannt , will Geister . "
-- Ungefähr so meinte ich auch , sagte Gaspard .
Albano drang aber bestimmter auf dessen Urteil über den Kahlkopf und die Schwester .
" Von etwas anderem , ( sagte der Ritter ganz " verdrießlich , ) für mich ist_es ein sehr unangeneh "mes Gespräch .
Nimm die Welt nach deiner " Weise und sei ruhig ! " --
Lieber Vater , fragte Albano betroffen , klären Sie mich irgend einmal bestimmt darüber auf ? --
" So " bald ich kann , " sagte kurz der Ritter , mit so scharfen und stechenden Blicken auf den Sohn , daß dieser ihnen wie Pfeilen ausweichend den Kopf eilig aus dem Wagen hinausbeugte : als er erst merkte , daß ihn der Vater gar nicht meine ; denn noch blickte er so scharf in der vorigen Richtung fort , als sei er nahe daran , in seine alte Erstarrung zu fallen .
Gaspard's Wort über das Inwohnen der Geisterwelt im Geiste und sein Blick und der Gedanke an sein Erstarren gaben für Albano der Stunde und der Stille romantische Schauer .
Drunten am Ufer des Stroms standen zusammengelaufene Menschen und einer eilte wie fliehend oder ansagend aus dem Haufen .
Ein ferner Knabe warf sich auf einem Hügel nieder und legte das Ohr an die Erdkugel , um ihren rollenden Wagen etwan recht zu hören .
Im Dorfe , wo sie Mittag hielten , läutete es unaufhörlich .
Ihr Wirt war zugleich ein Müller ; das Toben der Wellen und Räder füllte das ganze Haus ; und Kanarienvögel lärmten noch durch den Lärm hindurch .
Es gibt Augenblicke , wo die beiden Welten , die irdische und die geistige , nahe an einander vorüberstreifen und wo Erdentag und Himmelsnacht sich in Dämmerungen berühren .
Wie die Schatten der himmlischen Glanzwolken über die Blüten und Ernten der Erde weglaufen :
so wirft überall der Himmel auf die gemeine Fläche der Wirklichkeit seine leichten Schatten und Widerscheine .
So fand es jetzt Albano .
Der Ring und das schwärmerische Wort seines kalten Vaters hatten ihn wie Blitze geblendet .
Unten an der Haustür fand er ein Mädchen , das ein Warenlager von Zitronen vor sich trug .
Plötzlich und unangenehm brach das Geläute ab ; er blickte zum Glockenturm und ein weißer Geier saß auf der Fahne .
Bald kam der Glocken-Zieher selber , um etwas zu trinken , und fing mit starkem , und doch nicht übel gemeintem Fluchen auf den Kammerherrn an , der ihn seit drei Wochen läuten lasse und dem er bloß wünsche , daß solcher wie Er selber im vorigen Jahre , nur drei Tage lang ordentlich hinter der seligen Tochter nachläuten müßte .
Er ermahnte den Müller , " von den Zitronen zu " kaufen , weil es gute wären , saftig , von dünner " Rinde -- und Er und der " " Pfarrbube " "
* ) " kennten sie von dem Begräbnis des gnädigen " Fräuleins her -- und in 14 Tagen brauche ' " Er doch für die gesamte Geistlichkeit welche , " als Brautvater ! " --
Wie sind hier die Sitten ? fragte Albano .
" Wenn nämlich jemand stirbt , ( sagte der Küster sehr ehrerbietig und freundlich , ) so bekommt der Pfarrer und meine Wenigkeit eine Zitrone und so auch die Leiche .
-- Wird aber jemand getrauet , so bekommt die Geistlichkeit und so auch die Braut dergleichen .
Das ist aber bei uns so Sitte , mein gnädigster Herr ! " --
Albano ging in den nahen Garten am Haus , in welchen die aufgedeckten Mühlenräder ihre Silberfunken warfen und welcher vom Glanze und Getöse des offenen Wassers wie ver * ) So heißt z. B. in Ungarn der Diakonus . schlangen wurde .
Indem er in die schimmernden fliegenden Wirbel sah : schwebten die Zitronen , welche die Leiche sowohl als die Braut bekommt , vor dem bewegten Geist .
Die Rührung ist voll Gleichnisse ; Liane sollte einst , dachte er , in das Zitronenland und in die niedrigen Wälder , wo der Schnee der Blüten und das Gold der Früchte zwischen Grün und Blau zusammenspielen , ziehen , und erquickt genesen ; nun hält sie die Zitrone in der erkalteten Hand , und sie wurde nicht erquickt .
Er blickte umher und glaubte in einer fremden Welt zu stehen ; im Himmelsblau rauschte wie ein Geist ein unsichtbarer Sturm ohne Wolken -- lange Hügel-Reihen funkelten bewegt mit roten Früchten und roten Blättern , aus den bunten Bäumen wurden glühende Äpfel geworfen und der Sturm flog von Gipfel zu Gipfel und herunter auf die Erde und rauschte durch den langen aufgewühlten Strom hinab .
Wie wenn Geister um die Erde spielten oder auf ihr erscheinen wollten , so seltsam schien die helle Gegend bewegt und beleuchtet .
Da war Albano unbewußt in eine dunkle Baum Wildnis gekommen ; darin hüpfte ungesehen , ungehört eine reine lichte Quelle aus der Erde auf die Erde -- der Sturm draußen war still , nur die Quelle hörte man , -- " Die Heilige ist " mir nahe , ( sagte sein Herz , ) ist die Quelle " nicht ihr Bild , nicht ihrer ewigen Tränen " Ebenbild , dringt sie nicht aus der Erde her " auf , wo sie wohnt ? "
Auf einmal sah er in seiner Hand -- als habe es ihm eine fremde darein gelegt -- die Zeichnung von Linda's Kopf , welche Liane mit sterbenden Händen gemacht und gegeben hatte ; aber seine Phantasie drückte gewaltsam dem Bilde die Ähnlichkeit mit der Zeichnerin auf , er sah Lianen sanftes Gesicht so klar auf dem Blatt .
Er ging wieder hinaus in die glänzende Welt .
" Wie arm bin ich !
( rief er . )
Ich sehe " Sie auf der goldenen Wolke , die von der Abend " Sonne nach dem Morgen zieht , ich sehe Sie in " der kalten Quelle im Tal und auf dem Mond " und auf der Blume -- ich sehe Sie überall ; " und Sie ruht nur an Einem Ort .
O wie " arm ! "
-- Und er blickte zum Himmel und eine einzige lange Wolke zog darin eilig weiter .
102. Zykel .
So flogen die Tage mit ihren Städten und Landschaften vorüber und in Albano's Leben spiegelte sich wie in einem Gedichte die Welt .
Eine Kraft nach der anderen , die ganze gebeugte Ernte seines Inneren stand allmählich wieder auf und grünte tropfend ; aber zu gleicher Zeit erstarkte auch der Dorn des Schmerzes .
Während sein Auge und Geist sich mit der Welt und jeder Beute der Kenntnis erfüllte :
so wohnte das böse Gespenst der Pein in der Ruine und drang hervor , wenn das Herz allein war und ergriff es .
Er berührte Wien , wo er sich gefallen lassen mußte , einigen vornehmen Freunden Gaspard's vorgestellt zu werden , der ihm erst hier entdeckte , daß er nicht zu den Cavalleros del Turon gehöre , sondern ein österreichischer Vliesritter sei .
" Mir ist es hier , ( sagte Albano , ) so " sonderbar bekannt , woher kommt das ? "
-- " Von irgend einer ähnlichen Stadt , ( sagte Gaspard , ) wer viel reiset , kommt aus ähnlichen Städten in ähnliche . "
Täglich wurde ihm der Vater lieber und verständlicher ; und doch nicht vertrauter und näher ; nach einem warmen Tage und vertrauten Gespräche mit Gaspard stand man in der nächsten Zusammenkunft darauf wieder im Vorzimmer seiner Bekanntschaft ; wie bei strengen Mädchen fing nach jedem Wonnemondstag der geschmolzene Maifrost wieder von neuem einzufallen an .
Das Alter achtet die Liebe , aber -- ungleich der Jugend -- wenig die Zeichen der Liebe .
Indes behielt Albano den Stolz , daß er sich dem Vater ganz und mit allen Verschiedenheiten sehen ließ , ohne den Sommer vor dem Winter zu verstecken .
Von Tag zu Tag fand Gaspard Briefe an sich auf den Posten , besonders von Pestiz , wie Albano außen an den Post-Lettern ersah ; denn es wurden ihm keine gegeben .
Er wünschte immer mehr , der Fürstin nachzukommen , die nur noch eine Tagereise von ihnen voraus hatte .
Sie sahen schon die Riesen des Winters , die Schweizer- und Tiroler Alpen , im Lager ; die Göttersöhne standen , mit Lauwinen und Katarakten und Wintern bewaffnet , Wache um das göttliche Land , wo Götter und Menschen ein ander wechselseitig nachahmten .
Wie oft blickte Albano , wenn abends die Sonne sich glühend mit den beschneiten Alpenhöhen vermischte , schmerzlich ergriffen nach diesen Thronen hin , die er einmal ganz anders , viel goldener , so hoffend und so glaubend , von Isola bella angeschaut .
-- Die Höhen deiner Vergangenheit , sagte er sich , sind auch weiß und keine Alphörner tönen mehr droben unter sonnenhellen Tagen und du bist tief im Tal !
Sie kamen noch vor dem Volksfeste einer verspäteten Weinlese vorüber .
Der Ritter erkundigte sich nach allem mit der Wißbegierde eines Weinhändlers und mit der Kenntnis eines Winzers .
So botanisierte er überall auf der Erde nach jedem Gräsern und Kraut der Erkenntnis .
Albano verwunderte sich darüber , da er bisher geglaubt , Gaspard suche und lange nach nichts als nach den Paris- und Hesperiden-Äpfeln der Kunst , weil er alle andere Früchte und ihr Fleisch und ihren Kern in seinem Stande weder zum Geniessen noch zum Säen brauchen konnte .
Sie versanken in die Tiefen der Tiroler Ge bürge .
Die Höhen standen schon ins feste weiße Leichentuch des Winters gehüllt und durch die Täler ging nur der kalte Sturm lebendig hin und her .
Albano's Sehnen nach dem milden Lande der Jugend wuchs zwischen den Stürmen und Alpen immer höher ; und Rom es Bild breitete sich kolossalisch aus , je länger es sich ihm näherte .
Gaspard ließ die Reise auf Flügeln gehen , um den Regenwolken des Herbstes vorzukommen .
In einer dunklen Reise-Nacht arbeiteten sie sich gleichsam durch das Gebirge hindurch , gleich ihrem Gefährten , dem Adigo-Strom , der einen Riesen-Felsen aufreisset und in die milde Ebene stürzt und darin sanft weiter taumelt .
Die Sonne erschien -- und Italien .
Es hatte geregnet , eine laue Luft flatterte von den Zypressenhügeln durch das Tal und durch die Wein-Gehenke der Maulbeerbäume her und hatte sich zwischen Blüten und den Früchten der Pomeranzen durchgedrängt -- der Adigo schien wie eine geringelte Riesenschlange auf der vielfarbigen Landschaft an den Landhäusern und Olivenwäldern zu ruhen und Re gebogen an einander zu setzen .
-- Das Leben spielte im Äther -- nur Sommervögel schweiften in dem leichten Blau -- nur der Venuswagen der Freude rollte über die sanften Hügel .
Albano's volle Seele ergoß sich gleichsam in das breite Bette , das ihn von der milden Ebene zu der prächtigen Roma führte !
-- " Wenn wir rückwärts reisen , ( sagte Gaspard , ) so erinnere dich an deinen Eintritt . "
-- Sie hielten in einem Dorfe mit großen steinernen Häusern .
Albano sah das warme außerhäusliche Leben um sich an , den unbedeckten Kopf , die nackte Brust und die blitzenden Augen der Männer -- das große Schaf mit Seidenwolle -- das schwarze kleine muntere Schwein und den schwarzen Truthahn -- als er plötzlich vom Balkon herab einen deutschen Gruß und seinen Namen hörte .
Es war die Fürstin , ihre Wagen standen seitwärts , Bouverot und Fraischdörfer bei ihr .
Wie dringt es balsamisch durchs Herz , im fremden Lande , und sei es das schönste , den Bruder , die Schwester des rauheren wiederzufinden , gleichsam in der zweiten Welt den verwandten Erdensohn ! --
Auch der Adigo , der vorher ihn im wilden Gebirge unter dem Namen Etsch begleitet hatte , folgte ihm mit dem schöneren in die Ebene nach .
Die Fürstin schien ihm , er wußte nicht warum , milder , jungfräulicher geworden in Gestalt und Blick , und er warf sich seinen früheren Irrtum vor .
Aber er beging einen späteren ; über ihre stark gezeichnete Physiognomie stiegen hinter Wien die welschen schärferen empor und die schreienden Farben , worein sie sich gern kleidete , wurden von den italienischen überschrien .
Ein fremder Boden ist ein Redouten- und Brunnensaal , wo nur menschliche Verhältnisse und keine politische walten und in der Fremde ist man sich am wenigsten Fremdling -- alles berührte sich freundlich , wie fremde Hände sich suchen und fassen unter dem Steigen von Bergen .
Wie verehrend sah Albano die Fürstin an !
Denn er dachte : " sie wollte die Erblaßte mitnehmen " in das heilende Eden . --
O die Heilige würde " ja an diesem Morgen glücklich sein und wie "nen mit dem blauen Auge vor Seligkeit . "
-- Dann tat es seines , aber nicht vor Selig keit ; keit ; und so sind die Feuerwerke des Lebens , wie die anderen , immer an und auf Wasser gebaut .
Da wurde in ihm der Schwor feierlich vor dem schönen Totenhaupte Lianen abgelegt : " ich will der Freund ihrer Freundin recht sein ! " --
Eine neue Rolle des Lebens spielt der Mensch am wärmsten und besten ; über unseren Antrittspredigten schwebt der heilige Geist brütend mit Taubenflügeln -- nur später liegen die Eier kalt .
Albano , noch in keine Freundschaft eingeweiht als in die männliche , betete die weibliche an wie ein aufsteigendes Gestirn und für diese fand er , wie für die männliche , weit mehr Opfer-Kräfte in seiner warmen Seele aufbewahrt , als für die Liebe .
In der Freundschaft ist der Mann wie in der Liebe die Frau , -- und umgekehrt -- ; nämlich mehr den Gegenstand suchend als die Empfindung für ihn .
Mit neuen vollen Segeln und Wimpeln -- in geschmückten singenden Schiffen -- mit günstigen Seitenwinden -- flog die muntere Fahrt durch Städte und Auen .
Nichts hängt über einen langen Reise-Korso Titan IV B eine schönere Frucht- und Blumenschnur hin -- für einen Wagen , der vorausgeht -- als ein Paar Wagen , die nachkommen .
Welche Gemeinschaft der Freude und Gefahr im Nachtquartier !
Welches Besprechen der Marschroute !
Welche Freude über die nach- und vorfahrenden Avanturen , nämlich über die Berichte davon !
Und wie liebt einer den anderen !
Nur gegen Bouverot bewies Albano eine feste Kälte ; aber der Ritter war freundlich .
Albano , mehr unter Büchern als unter Menschen aufgewachsen , wunderte sich oft , daß ihm in jenen die Verschiedenheit der Meinungen so leicht vorübergieng , die ihn unter diesen so scharf anfiel .
Am Ende fragt ihn einmal sein Vater :
" Warum benimmst du dich gegen Herrn v. Bouverot so fremd ?
Nichts erbittert mehr als ein besonnenes stilles Hassen , das leidenschaftlichste weit weniger . "
-- " Weil es mein Gesetz ist , ( antwortete er , ) die ewige Unwahrheit der Menschen in ihren Verbindungen zu fliehen und zu hassen .
Aus bloßer Humanität sich Ungleichen gleich stellen , einem irgend einer Absicht wegen ein freundliches Gesicht machen , so sein gegen jemand , daß man es ihm nicht auf der Stelle heraussagen darf , das ist wohl ganze Knechtschaft und verwirrt den Reinsten . "
-- " Wer nichts lieben will als sein Ebenbild , ( versetzte Gaspard , ) hat außer sich nichts zu lieben .
Von Bouverot ( setzt ' er lachend hinzu , ) ist doch ein braver Wirt und Reise-Kompagnon . " -- Albano , der sogar Menschen widerstehen konnte , die er verehrte , fragte nichts nach seinem Vater , sondern fand den deutschen Herrn nur desto verächtlicher .
Dieser , ganz zu Hader und Handel geboren , hatte sich nämlich tiefe Fußstapfen im Schnee des Ritters und der Fürstin -- welche beide , wie alle lange Reisende , ungemein geizig waren -- dadurch gebahnt , daß er alle Wirte und Welsche das Patto berichtigend übersah und überlistete , und daß er sogar die Kunst verstand , zur rechten Zeit tief-grob zu sein , indes er vom Wirte sich umkehrend gegen die Fürstin wieder ein Mann von Welt war wie Fontenelle oder irgend ein Franzose , der in solchen Fällen länger rechnet und flucht , als zehrt .
Der Vliesritter , der , wie er gestand , B 2 nie so wohlfeil gereist , bedeckte ihn daher mit dem Lorbeer , der hier überall wuchs , und sah so heiter aus wie niemals .
Nur dem Sohne war der kalte , zornige , grobe Mensch ein Vulkan , der Schlamm und Wasser auswirft .
Reitet einem gekrönten Haupte oder einem klassischen Autor , der auch eines ist , eine Meile vor und überhaupt Leuten , die Geld haben und nicht schonen , und erkargt ihnen nur täglich einige Goldstücke , nie werdet ihr beide Häupter froher oder dankbarer gesehen haben , als in diesem Fall ! --
Überall wollte Albano aussteigen , und in große Ruinen und in den Glanz der entfallenen Kleinodien treten , welche den Welteroberern auf dem Wege nach Rom von den Triumphwagen verloren gegangen .
Aber der Ritter riet ihm an , seine Augen und Begeisterung zu sparen und aufzuheben für Rom .
Wie schlug sein Herz , als sie endlich in der wüssten Campagna , die voll Lava-Würfe um den Horst der römischen Adler , dieser über die Welt getriebenen Sturmvögel , lag , auf der Flaminischen Straße rollten ! --
Aber er und Gaspard fühlten sich wunderbar-beklommen -- den stehenden See einer schwülen Schwefelluft glaubte man zu durchwaten , die sein Vater den Schwefelhütten zu Baccano zuschrieb -- er lechzte nach dem Schnee auf den fernen Bergen -- der Himmel war schwarzblau und still -- einzelne hohe Wolken flogen pfeilschnell durch die stille Wüste -- ein Mann in der Ferne setzte eine ausgegrabene Urne wieder hin und betete , ängstlich gen Himmel blickend , seinen Rosenkranz -- Albano wandte sich nach den Gebirgen , denen die Abendsonne , wie aufgelöst in stechendem Glanz , zusank . --
Auf einmal ließ der Ritter den Postillon halten , der heftig die Arme , da es unter dem Wagen noch fortrollte , gen Himmel warf und rief : Heilige Mutter Gottes , ein Erdbeben !
Aber Gaspard berührte den sonnentrunkenen Sohn und sagte zeigend : Eco Roma ! --
Albano blickte hin und sah in tiefer Ferne die Kuppel der Peterskirche im Sonnenglanz .
Die Sonne ging unter , die Erde bebte noch einmal , aber in seinem Geiste war nichts als Rom. 103. Zykel .
Eine halbe Stunde nach dem Erdstoße wickelte sich der Himmel in Meere ein , und warf sie stück- und stromweise herunter .
Die nackte Campagna und Heide verdeckte der Regenmantel -- Gaspard war still -- der Himmel schwarz -- der große Gedanke stand einsam in Albano , daß er dem Blut- und Throngerüst der Menschheit , dem Herzen einer erkalteten Helden-Welt , der ewigen Roma zueile ; und als er auf dem Ponte molle hörte , daß er jetzt über die Tiber gehe : so war ihm , als sei die Vergangenheit von den Toten auferstanden und er schiffe im zurücklaufenden Strome der Zeit ; unter den Strömen des Himmels hörte er die alten sieben Bergströme rauschen , die einst von Rom es Hügeln kamen und mit sieben Armen die Welt aus dem Boden aufhoben .
Endlich rückte das breitstehende Sternbild der Bergstadt Gottes in Nächte auseinander , Städte mit sparsamen Lichtern lagen hinauf und hinab und die Glocken , ( für ihn Sturm Glocken , ) schlugen vier Uhr * ) , als der Wagen durch das Triumphthor der Stadt , die Porta del Popolo , rollte :
so riß der Mond seinen schwarzen Himmel auf und goß aus der Wolken-Kluft den Glanz eines ganzen Himmels hernieder ; da stand der ägyptische Obeliskus des Tors wolkenhoch in der Nacht und drei Straßen liefen glänzend auseinander .
So bist du ( sagte sich Albano , als sie im langen Corso nach der zehnten Region fuhren , ) wirklich im Lager des Kriegsgottes ; hier , wo er das Heft des ungeheuren Kriegsschwertes faßte , und mit der Spitze die drei Wunden in drei Weltteile machte .
-- Guß und Glanz durchflogen die weiten , breiten Straßen -- zuweilen kam er plötzlich vor Gärten vorbei und in breite Stadtwüsten und Marktplätze der Vergangenheit .
-- Das Rollen der Wagen unter dem Rauschen des Regens glich dem Donner , dessen Tage dieser Heldenstadt sonst heilig waren , gleichsam der donnernde Himmel der donnernden Erde -- eingemummte Gestalten mit Clay * ) Zehn Uhr . einen Lichtern schlichen durch die finsteren Straßen -- oft stand ein langer Palast mit Säulen-Reihen im Feuer des Mondes , oft eine graue einsame Säule , oft eine einzelne hohe Fichte , oder eine Statue hinter Zypressen .
Einmal , da weder Regen noch Mondlicht war , ging der Wagen um die Ecke eines großen Hauses , auf dessen Dache eine blühende lange Jungfrau mit einem aufblickenden Kinde an der Hand , eine kleine Handleuchte bald gegen eine weiße Statue , bald gegen das Kind selber richtete und so wechselnd die ganze Gruppe beleuchtete .
Mitten in das erhobene Gemüt drang die freundliche Gesellschaft und brachte ihm manche Erinnerungen mit ; besonders war ihm ein römisches Kind eine ganz neue und mächtige Idee .
Sie stiegen endlich aus bei dem Fürsten di Lauria , Gaspard's Schwiegervater und altem Freund .
Nah an seinem Palast lag der Campo vaccino ( das alte Forum , ) und auf die breiten Treppen und die drei Wunder-Gebäude des Kapitols schien der helle Mond ; in der Ferne stand das Coliseo .
Zögernd ging Al bano in das erleuchtete Haus , wovor der Wagen der Fürstin stand , und wandte schwer das Auge von diesen Höhen der Welt , wovon einst ein leichtes Wort , wie eine Schneeflocke lange rollte und ewig wuchs , bis es in einem fremden Lande eine Stadt erdrückte mit der Schlaglauwine .
Die Fürstin mit ihrer Gesellschaft sah erfreuet die neue kommen .
Der alte Fürst Lauria empfing höflich und zurückhaltend seinen Enkel .
Seine unzähligen Bedienten redeten fast alle Sprachen Europa's durch einander .
Albano fragte sogleich den Ritter nach seinem Lehrer Dian , diesem auf den Römer geimpften Griechen ; aber gerade an das Menschlichste hatte , wie immer die Großen , Gaspard nicht gedacht .
Man schickte in dessen nahe Wohnung ; er war nicht zu Hause .
Man speiste .
Der Fürst bewirtete sogleich mit seinem Lieblings-Schaugericht , mit dem politischen Weltlauf , und gab das Neueste von der französischen Revolution .
Zeitungen waren ihm Ewigkeiten , Novellen Antiken ; er hielt alle Blätter Europa's und daher zu jedem den deutschen , den russischen , den englischen , den polnischen Bedienten , der es ihm übersetzte .
Bei seiner satirischen Kälte gegen alle Menschen und Sachen erschien der politische und welsche Eifer stärker , womit er gegen den Ritter die Franzosen beschirmte , der sie gelassen verachtete und sich nach seiner Weise sogar in schlechten Wortspielen auslassend den alten Römern das Forum und den neueren das Campo vaccino , und eben so den alten Galliern das Marsfeld und den neueren ein Märzfeld eingab .
Albano glaubte , so nah am Forum gebe es keinen Scherz und jedes Wort müsse groß sein in dieser Stadt .
Der kalte Lauria sprach warm für Gallien , wie ein Minister nur Völker , nicht Individuen achtend , und seine Meinung gefiel dem Jüngling .
Da lenkte die Fürstin den Strom auf Rom es hohe Kunst .
Fraischdörfer zerlegte den Koloß in Glieder und wog sie auf der engsten Waage .
Bouverot stach den Riesen in historisches Kupfer .
Die Fürstin sprach mit vieler Wärme , aber ohne Bedeutung .
Gaspard schmolz alle ein , gleichsam zu einem korinthischen Erz , und umfaßte alle , ohne gefasst zu werden .
Auf seiner kalt , über stark aufdringenden Lebensquelle ließ er die Welt wie eine Kugel spielen und schweben .
Albano bewahrte , mit allen unzufrieden , seine Begeisterung , den unterirdischen Göttern der Vergangenheit um ihn her nach alter Sitte opfernd , nämlich mit Schweigen .
Wohl hätte er reden wollen und können , aber anders , in Oden , mit dem ganzen Menschen , mit Strömen , die aufwärts stiegen und wüchsen .
Immer sehnsüchtiger sah er an die Fenster nach dem Mond im reinen Regenblau und nach einzelnen Säulen des Forum's ; draußen glänzte ihm die größte Welt .
-- Endlich stand er zürnend und schmachtend auf und schlich hinunter in die dämmernde Herrlichkeit und trat vor das Forum ; aber die Mondnacht , die Dekorationsmalerin , die mit unförmlichen Strichen arbeitet , machte ihm fast die Bühne unkenntlich .
Welch eine öde , weite Ebene , hoch von Ruinen , Gärten , Tempeln umgeben , mit gestürzten Säulen-Häuptern und mit aufrechten einsamen Säulen und mit Bäumen und einer stummen Wüste bedeckt !
Der aufgewühlte Schutt aus dem ausgegossenen Aschenkrug der Zeit -- und die Scherben einer großen Welt umhergeworfen !
Er ging vor drei Tempel-Säulen * ) , die die Erde bis an die Brust hinuntergezogen hatte , vorbei und durch den breiten Triumph- Bogen des Septimius Severus hindurch , rechts standen verbundene Säulen ohne ihren Tempel , links an einer Christen-Kirche die tief in den Bodensatz der Zeit getauchte Säulenreihe eines alten Heidentempels , am Ende der Siegesbogen des Titus , und vor ihm in der öden waldigen Mitte ein Springwasser in ein Granitbecken sich gießend .
Er ging dieser Quelle zu , um die Ebene zu überschauen , aus welcher sonst die Donnermonate der Erde aufzogen , aber wie über eine ausgebrannte Sonne ging er darüber , welche finstere tote Erden umhängen .
O der Mensch , der Mensch-Traum ! rief es unaufhörlich um * ) Des Jupiter tonans . ihn .
Er stand an der Granitschale gegen das Coliseo gekehrt , dessen Gebirgsrücken hoch in Mondlicht stand , mit den tiefen Klüften , die ihm die Sense der Zeit eingehauen -- scharf standen die zerrissenen Bogen von Nero's goldenem Hause wie mörderische Hauer daneben . --
Der palatinische Berg grünte voll Gärten und auf zerbrochenen Tempel-Dächern nagte der blühende Totenkranz aus Efeu , und noch glühten lebendige Ranunkeln um eingesenkte Kapitäle .
-- Die Quelle murmelte geschwätzig und ewig , und die Sterne schauten fest herunter mit unvergänglichen Strahlen auf die stille Walstatt , worüber der Winter der Zeit gegangen , ohne einen Frühling nachzuführen -- die feurige Weltseele war aufgeflogen und der kalte zerstückte Riese lag umher , auseinandergerissen waren die Riesen-Speichen des Schwungrads , das einmal der Strom der Zeiten selber trieb . --
Und noch dazu goß der Mond sein Licht wie ätzendes Silberwasser auf die nackten Säulen , und wollte das Coliseo und die Tempel und alles auflösen in ihre eigenen Schatten ! --
Da streckte Albano die Arme in die Lüfte , als könnte er damit umfassen und zerfließen wie mit Armen eines Stroms , und rief aus :
" o ihr großen Schatten , die ihr einst hier strittet und lebtet , ihr blickt herab vom Himmel , aber verachtend , nicht trauernd , denn euer großes Vaterland ist euch nachgestorben !
Ach , hätte ich auf der nichtigen Erde voll alter Ewigkeit , die ihr groß gemacht , nur eine Tat eurer wert getan !
Dann wäre es mir süß und erlaubt , mein Herz zu öffnen durch eine Wunde und zu vermischen das irdische Blut mit dem geheiligten Boden und aus der Gräber-Welt wegzueilen zu euch Ewigen und Unvergänglichen !
Aber ich bin es nicht wert ! " --
Hier kam plötzlich auf der via sacra ein langer , tief in den Mantel gewickelter Mann daher an die Fontäne , warf , ohne umzublicken , den Hut hin und hielt den pechschwarzen , lockigen , fast steilrechten Hinterkopf unter den Wasserstrahl .
Aber kaum erblickte er , sich aufwärts kehrend , das Profil des in seine Bilder versunkenen Albano :
so fuhr er tropfend auf -- starrte den Grafen an -- staunte -- warf die Arme hoch in die Luft -- sagte : amico ? --
Albano sah ihn an .
-- Der Fremde sagte :
Albano !
-- " Mein Dian ! " rief Albano ; sie nahmen sich heftig und weinten vor Liebe .
Dian begriff es gar nicht ; er sagte italienisch : Ihr seid es aber ja nicht , Ihr sehet alt aus . --
Er glaubte so lange deutsch zu sprechen , bis er hörte , daß Albano italienisch antwortete .
Beide taten und bekamen nur Fragen .
Albano fand den Baumeister bloß Bräuner , aber den Blitz der Augen und jede Kraft im alten Glanz .
Mit drei Worten erzählt er ihm die Reise und die Begleitung .
" Wie bekommt Euch Rom ? " fragte Dian heiter .
" Wie das Leben , ( versetzte sehr ernsthaft Albano , ) es macht zu weich und zu hart . "
-- " Ich erkenne hier gar nichts wieder ( fuhr er fort ) ; gehören jene Säulen dem herrlichen Friedenstempel ? "
" Nein , ( sagte Dian , ) dem Konkordientempel ; von jenem steht dort nichts als das Gewölbe . "
" Wo ist Saturnus Tempel ? " fragte Albano .
" In der St. Adrians-Kirche begraben ; ( sagte Dian , und setzte eilend hinzu ) " nebenan stehen die zehn Säulen von Antonins Tem pell -- drüben Titus Thermen -- hinter uns der palatinische Berg und so weiter .
Nun erzählt mir ! "
Sie gingen das Forum auf und ab , zwischen den Bogen des Titus und Severus .
Albano war -- zumal neben dem Lehrer , der ihn in der Kinderzeit so oft hierher geführt -- noch voll vom Strome , der über die Welt gezogen war und das alles bedeckende Wasser sank nur langsam .
Er fuhr fort und sagte : " Heute als er den Obeliskus erblickt , sei ihm der leise , zarte Schein des Mondes ordentlich unpassend für die Riesenstadt schienen ; eine Sonne hätte er lieber auf ihrer weiten Fahne blitzen sehen ; aber jetzt sei der Mond die rechte Leichenfackel neben dem Alexander , der zusammenfällt nur angerührt . "
-- " Mit dergleichen Gefühlen kommt der Künstler nicht weit , ( sagte Dian , ) auf ewige Schönheiten schau er , rechts und links . "
-- " Wo ist ( fragte Albano fort , ) der alte Curtius-See -- die Rednerbühne -- die pila horatia -- der Tempel der Vesta -- der Venus , und aller jener einsamen Säulen ? "
-- " Und wo ist das marmorne Forum selber ?
( sagte ( sagte Dian , ) dreißig Spannen tief liegt es unter dem Fuß . "
-- " Wo ist das große freie Volk , der Senat aus Königen , die Stimme der Redner , der Zug auf das Kapitolium ?
Begraben unter den Scherbenberg .
O Dian , wie kann ein Mensch , der in Rom einen Vater , eine Geliebte verliert , eine einzige Träne vergießen und bestürzt um sich sehen , wenn er hierhertritt , vor dieses Schlachtfeld der Zeit , und hineinschauet ins Gebeinhaus der Völker ? -- Dian , hier wünschte man ein eisernes Herz , denn das Schicksal hat eine eiserne Hand ! " --
Dian , der sich nirgends ungerner als auf solchen tragischen , gleichsam ins Meer der Ewigkeit hineinhängenden Klippen aufhielt , sprang immer mit einem Scherze davon ; wie die Griechen mischte er Tänze ins Trauerspiel : " manches konserviert sich , Freund !
( sagt ' er , ) dort in der Adrians-Kirche werden Euch noch von drei Männern die Knochen gewiesen , die im Feuer gewesen . "
-- " Das ist eben ( versetzte Albano , ) das fürchterliche Spiel des Schicksals , daß es mit den zu Sklaven geschor Titan IV. C einen Mönchen die Höhen der alten Großen besetzt . "
-- " Neue Räder treibt der Strom der Zeit , ( sagte Dian , ) dort liegt Raphael zweimal begraben * ) .
Was macht Chariton und die Kinder ? "
-- " Sie blühen fort , " sagte Albano , aber in traurigem Ton .
" Himmel ! ( rief Dian mit allem Vater-Schrecken , ) es ist doch so ? " --
Dian ! " sagte Albano sanft .
" Kommt noch ( sagte Dian , )
Liane oft zu Chariton ?
Und was macht denn die Holde ? "
-- Leise versetzte Albano : " sie ist tot . "
-- " Was , tot ? --
Unmöglich !
Froulay's Tochter , Albano ?
Die Gold-Rose ?
O sprecht ! "
-- rief er .
Albano nickte bejahend .
-- " Nun du gutes Mädchen , ( klagt ' er mit Tränen in den schwarzen Augen , ) so freundlich , so liebreizend , so feine Zeichnerin !
Wie ging es aber zu ?
Habt Ihr denn das holde Kind gar nicht gekannt ? "
" Einen Frühling lang ( sagte schnell Albano ) .
Mein guter Dian , ich will jetzt zum Vater zu * )
Der Leib im Pantheon , der Kopf in der heil. Luke-Kirche . rück und antworte nicht mehr . "
-- " O meinetwegen ! --
Ich muß aber mehr erfahren , " beschloß Dian .
Und so stiegen sie schweigend und eilend über Schutt und Säulentorsos und keiner gab auf die große Rührung des anderen Acht. C 2 Sieben und zwanzigste Jubelperiode .
Peterskirche -- Rotunda -- Coliseo -- Brief an Schoppe -- der Krieg -- Gaspard -- der Korse -- Verwicklung mit der Fürstin -- die Krankheit -- Gaspard's Bruder -- Beterskuppel und Abschied .
104. Zykel .
Rom ist wie die Schöpfung ein ganzes Wunder , das sich allmählich in neue Wunder zergliedert , in das Coliseo , in das Pantheon , die Peterskirche , in Raphael u. s. w. Mit dem Durchgang durch die Peterskirche fing der Ritter den schönen Lauf durch die Unsterblichkeit an .
Die Fürstin ließ sich von der Kunst mit dem Männer-Kreise verbinden .
Da Albano mehr von Gebäuden , als von jedem anderen Kunstwerk ergriffen wurde :
so sah er mit heiligem Herzen von weiten das lange Kunst-Gebürg , das wieder Hügel trug -- so trat er vor die Ebene , um welche zwei ungeheure Kolonnaden wie Korso's laufen , ein Volk von Statuen tragend ; in der Mitte steigt der Obeliskus und zu seiner Rechten und Linken ein ewiges Wasser auf und von den hohen Stufen schauet die stolze Kirche der Welt , innen mit Kirchen besetzt , auf sich einen Tempel gen Himmel reichend , auf die Erde herunter .
-- Aber wie waren in der Nähe ihre Säulen und ihre Felsenwand ungeheuer aufgestiegen und flohen den Blick !
Er trat in die Zauberkirche , die der Welt Segen , Fluch , Könige und Päpste gab , -- mit dem Bewußtsein , daß sie wie das Weltgebäude sich immer mehr erweitere und entferne , je länger man in ihr ist .
Auf zwei Kinder von weißem Marmor , die eine Weih-Muschel von gelbem hielten , gingen sie hin , die Kinder wuchsen durch das Nahen , bis sie Riesen waren .
Endlich standen sie am Hauptaltar und dessen hundert ewigen Lampen -- welch eine Stille ! --
Über sich das Himmelsgewölbe der Kuppel , auf vier inneren Türmen ruhend , um sich eine überwölbte Stadt , von vier Straßen , worin Kirchen standen . --
Am größten wurde der Tempel durch Gehen ; und wenn sie um eine Säule traten , so lag ein neuer vor ihnen und heilige Riesen schauten ernst herab . --
Hier wurde dem Jüngling nach langer Zeit das große Herz gefüllt : " in keiner Kunst ( sagt ' er zu seinem Vater , ) wird die Seele so gewaltig vom Erhabenen angefasst , als in der Baukunst ; in jeder anderen steht der Riese in ihr und in den Tiefen der Seele , aber hier steht er außer und dicht vor ihr . "
-- Dian , dem alle Bilder deutlicher waren , als abstrakte Ideen , sagte : " er hat vollkommen Recht . "
-- Fraischdörfer versetzte : " das Erhabene stecke auch hier nur im Kopfe , denn die ganze Kirche stehe doch in etwas größerem , nämlich in Rom und unter dem Himmel , wobei wir ja nichts empfänden . "
Auch klagte er , " daß dem Erhabenen der Platz in seinem Kopfe sehr verengt werde durch die unzähligen Schnörkel und Monumente , die der Tempel zugleich mit sich in ihn hineintreibe . "
Gaspard sagte , alles mit einem großen Sinne nehmend : " steht nur einmal das Erhabene wirklich da , so verschlingt und vertilgt es eben seiner Natur nach alle kleinen Zierden um sich her . "
Er führte zum Beweise den Münsterturm und die Natur selber an , die durch ihre Gräser und Dörfer nicht kleiner werde .
Die Fürstin genoß unter so vielen Kunstverständigen schweigend .
Das Ersteigen der Kuppel riet Gaspard einem regen- und wolkenlosen Tage aufzuheben , um die Welt-Königin Roma auf und von dem rechten Throne zu schauen ; er schlug dafür sehr eifrig den Besuch des Pantheons vor , weil er es gern schnell hinter den Eindrücken der Peterskirche wollte folgen lassen .
Sie gingen dahin .
Wie einfach und groß tut sich die Halle auf !
Acht gelbe Säulen tragen ihre Stirn , und majestätisch wie das Haupt des Homerischen Jupiters , wölbt sich sein Tempel !
Es ist die Rotonda oder das Pantheon .
-- " O der Niedrigen , ( rief Albano , ) die uns neue Tempel geben wollen !
Hebt die alten aus dem Schutte höher , so habt ihr genug gebaut * ) . " -- Sie traten hinein ; da wölbte sich ein heiliges , einfaches , freies Weltgebäude mit seinen hinaufstrebenden Himmelsbogen um sie , ein Odeum der Sphärentöne , eine Welt in der Welt ! --
Und oben ** ) leuchtete die Augenhöhle des Lichts und des Himmels herab und das ferne Flug-Gewölk schien die hohe Wölbung zu berühren , über die es wegschoß !
-- Und um sie her standen nichts als die Tempel-Träger , die Säulen ! --
Der Tempel aller Götter vertrug und verbarg die kleinlichen Altäre der späteren .
Gaspard befragte Albano über sein Gefühl .
Dieser zog die größere Peterskirche vor .
Der Ritter billigte es und sagte : " daß überall der Jüngling gleich den Völkern das Erhabene besser empfinde und leichter finde als das Schöne , und daß der Geist des Jünglings * )
Die Pantheons-Halle scheint zu niedrig , weil einen Teil ihrer Stufen der Schutt verbirgt . ** ) 27 Fuß hat die Dach-Öfnung im Durchmesser . vom Starken zum Schönen reife , wie der Körper desselben vom Schönen zum Starken ; indes ziehe er selber das Pantheon vor . "
" Wie könnten auch Neuere ( sagte der Kunstrat Fraischdörfer , ) etwas bauen , außer einige Beninische Türmlein ? "
-- " Dafür ( sagte der verletzte Land-Baumeister Dian , der den Kunstrat verachtete , weil dieser niemals eine gute Figur machte , als in der ästhetischen Richterstube als Richter , nie in dem Ausstellungssaal als Maler , ) sind wir Neueren ohne Widerrede in der Kritik stärker , wenn wir auch in der Praxis samt und besonders Lumpe sind . "
Bouverot merkte an : " die korinthischen Säulen könnten höher sein . "
Der Kunstrat sagte : " er wisse doch nichts dieser schönen Halbkugel ähnlicheres , als eine viel kleinere , die er im Herculaneum in Asche ausgedrückt gefunden -- vom Busen einer schönen Flüchtlingin . "
Der Ritter lachte und Albano trat unwillig zur Fürstin .
Sie fragte er um ihre Stimme über beide Tempel .
" Hier Sophokles , dort Shakespeare ; aber den Sophokles fasse ich leichter ; " versetzte sie und blickte ihm mit neuen Augen in das neue Angesicht .
Denn die überirdische Erleuchtung durch das Zenit des Himmels , -- nicht durch einen dunstigen Horizont -- verklärte ihr das schöne bewegte Gesicht des Jünglings ; und sie setzte voraus , der Heiligenschein der Kuppel hebe auch ihre Gestalt .
Da er ihr antwortete : " sehr gut !
Aber in Shakespeare steckt auch Sophokles , aber in Sophokles nicht Shakespeare -- und auf der Peterskirche steht Angelo's Rotonda ! " so ging plötzlich das hohe Gewölk , wie durch den Schlag einer Hand aus dem Äther , entzwei und die entrückte Sonne schaute , wie das Auge der durch den alten Himmel ziehenden Venus , die sonst auch hier stand , aus hoher Tiefe mild herein -- da füllte ein heiliger Glanz den Tempel und brannte auf dem Porphyr des Bodens und Albano sah betroffen und entzückt umher und sagte mit leiser Stimme : " wie ist jetzt alles so verklärt an dieser heiligen Stelle !
Raphael's Geist geht in der Mittagsstunde aus seinem Grabe und alles , was sein Widerschein berührt , erglänzt göttlich ! "
Die Fürstin sah ihn zärtlich an und er legte leicht seine Hand auf ihre und sagte wie überwältigt :
" Sophokles ! " --
Am nächsten mondhellen Abende darauf bestellte Gaspard Fackeln , damit das Coliseo mit seinem Riesen-Kreis zuerst im Feuer vor ihnen stände .
Dem Ritter , der nur allein mit dem Sohne düster im düstern Werke , wie zwei Geister der alten Zeit , umhergehen wollte , drang sich noch die Fürstin auf , aus zu lebhaftem Wunsch , mit dem edlen Jüngling große Minuten und wohl gar ihr Herz und seines zu teilen .
Die Weiber begreifen nicht genug , daß die Idee , wenn sie den männlichen Geist erfüllt und erhebt , ihn dann vor der Liebe verschließe und die Personen verdränge , indes bei Weibern alle Ideen leicht zu Menschen werden .
-- Sie gingen über das Forum auf der via sacra zum Coliseo , dessen hohe zerspaltene Stirn unter dem Mondlicht bleich herniederschaute .
Sie standen vor den grauen Felsenwänden , die sich auf vier Säulenreihen übereinander hinaufbauten und die Flammen schossen hinauf in die Bogen der Arkaden , hoch oben das grüne Gesträuch vergüldend ; und tief in die Erde hatte sich das schöne Ungeheuer schon mit seinen Füßen eingegraben .
Sie traten hinein , und stiegen am Gebirge voll Felsenstücke von einem Sitze der Zuschauer zum anderen ; Gaspard wagte sich nicht zum sechsten oder höchsten , wo sonst die Männer standen , aber Albano und die Fürstin .
Da schaute dieser über die Klippen auf den runden grünenden Krater des ausgebrannten Vulkans herunter , der einst auf einmal neuntausend Tiere verschlang und der sich mit Menschenblut löschte -- der Flammenschein fuhr in das Geklüft und ins Geniste des Efeus und Lorbeers und unter die großen Schatten des Mondes , die wie Abgeschiedene sich in den Höhlen aufhielten , -- in Süden , wo die Ströme der Jahrhunderte und der Barbaren hereingedrungen waren , standen einzelne Säulen und geschleifte Arkaden -- Tempel und drei Paläste hatte der Riese mit seinen Gliedern genährt und gefüttert und noch schaute er lebendig mit seinen Wunden in die Welt .
-- " Welch ' ein Volk !
( sagte Albano ) Hier ringelte sich die Riesenschlange fünfmal um das Christentum -- Wie ein Hohn liegt drunten das Mondlicht auf der grünen Arena , wo sonst der Kolossus des Sonnengottes stand -- Der Stern des Nordens * ) schimmert gesenkt durch die Fenster und der Drache und die Bären bücken sich .
Welch eine Welt ist vorüber ! "
-- Die Fürstin antwortete : " daß zwölftausend Gefangene dieses Theater bauten und daß noch weit mehrere darauf bluteten . "
" O die Bau-Gefangenen haben wir auch , ( sagt ' er , ) aber für Festungen ; und das Blut fließet auch noch , aber mit dem Schweiß !
Nein , wir haben keine Gegenwart , die Vergangenheit muß ohne sie die Zukunft gebären . "
Die Fürstin ging weg , um einen Lorbeerzweig und blühenden Güldenlack zu brechen .
Albano versank ins Sinnen -- der Herbstwind der Vergangenheit ging über die Stoppeln -- auf dieser heiligen Höhe sah er die Sternbilder , Roms grüne Berge , die schimmernde Stadt , * )
Der Polstern steht wie andere nördliche Sternbilder in Süden tiefer . die Cestius-Pyramide , aber alles wurde zur Vergangenheit und auf den zwölf Hügeln wohnten , wie auf Gräbern , die alten hohen Geister und sahen streng in die Zeit , als wären sie noch ihre Könige und Richter .
" Zum Andenken der Stelle und der Zeit ! " sagte die kommende Fürstin , ihm den Lorbeer und die Blume gebend .
-- " Du Gewaltige , ein Koliseo ist dein Blumentopf , dir ist ja nichts zu groß und nichts zu klein ! " sagte er und brachte die Fürstin in einige Verwirrung , bis sie merkte , daß er die Natur meine .
Sein ganzes Wesen schien neu und schmerzlich bewegt und wie fern entrückt -- er sah nach dem Vater hinab und suchte ihn auf -- er blickte ihn scharf an und drückte heftig seine Hand und sprach diesen Abend über nichts mehr .
105. Zykel .
Albano wurde wie eine Welt von Rom wunderbar verändert .
Nachdem er so mehrere Wochen zwischen Roma's Ruinen und Schöpfungen gelagert war -- nachdem er aus Ra Fels kristallenem Zauberbecher getrunken , dessen erste Züge nur kühlen , wenn die letzten ein welsches Feuer durch alle Adern führen -- nachdem er den Bergstrom Michel Angelo's bald als Katarakte , bald als Ätherspiegel gesehen -- nachdem er sich vor den letzten größten Nachkommen Griechenlands gebeugt und geheiligt hatte , vor dessen Göttern , die mit ruhigem heiteren Antlitz in die unharmonische Welt hereinblicken und vor dem vatikanischen Sonnengott , welcher zürnt über die Prosa der Zeit , über diese niedrige Pythonische Schlange , die sich immer wieder verjüngt -- nachdem er lange so vor dem Vollmond der Vergangenheit im Glanze gestanden :
so überzog sich auf einmal seine ganze innere Welt und wurde ein einziges Gewölk .
Er suchte Einsamkeit -- er hörte auf zu zeichnen und Musik zu treiben -- er sprach wenig mehr von Roms Herrlichkeit -- Nachts , wo der tägliche Regen aufhörte , besucht er allein die großen Trümmer der Erde , das Forum , das Coliseo , das Kapitolium -- er wurde heftiger , ungeselliger , schärfer -- ein tief eingesenkter Ernst waltete auf der hohen Stirn und durch das Auge brannte ein düsterer Geist .
Gaspard schickte unbemerkt seinen Blick allen geheimen Entfaltungen des Jünglings nach .
Ein bloßer Nachschmerz über Liane schien sein Zustand nicht zu sein .
Im nordischen Winter wäre diese Wunde nur zugefroren und nicht zugeheilt ; aber hier , im Tempel der Welt , wo Götter begraben liegen , stärkte sich ein edles Herz und schlug für ältere Gräber .
Die Fürstin , die unter dem Deckmantel des Vaters dem Sohne nachjagte , suchte er weniger als den alten kalten Lauria und den feurigen Dian .
In derselben Zeit sehnt ' er sich schmerzlich nach seinem Schoppe ; an dieser Brust , dachte er , hätte das Geheimnis der seinigen den rechten Ort und Trost gefunden .
Es war ihm als habe er seit dieser Abwesenheit in Einem fort mit ihm zusammengelebt und sich fester verbrüdert .
So wohnen und schmelzen die Geister im unsichtbaren Lande zusammen ; und wenn sich die Leiber im sichtbaren wieder begegnen , finden die Herzen sich bekannter wieder .
Leider hörte hörte er , so viel auch sein Vater Briefe aus Pestiz bekam , keinen Laut von dem Freunde über die Berge herüber , den er in den dunklen Verhältnissen einer wunderbaren verwirrenden Leidenschaft zurückgelassen .
Er rechnete Schoppen , dessen Haß und Zank gegen alles Briefschreiben er kannte , das Schweigen nicht an ; aber sein eigenes Herz konnte es nicht verlängern und er schrieb so an ihn :
" Wir wurden schlafend von einander gerissen , Schoppe !
Jene Zeit hat sich bedeckt und bleibt es .
Sehr wach wollen wir uns wieder erblicken .
Von Dir weiß ich nichts ; wenn mir Rabette nicht schreibt , muß ich die brennende Ungeduld bis zu unserer Zusammenkunft im Sommer umhertragen und leiden .
Was ist von mir zu schreiben ?
Ich bin verändert bis ins Innerste hinab und von einer hineingreifenden Riesenhand .
Wenn die Sonne über den Scheitelpunkt der Länder zieht , so hüllen sie sich alle in ein tiefes Gewölk ' ; so bin ich jetzt unter der höchsten Sonne und bin eingehüllt .
Wie im Rom , im wirklichen Rom , ein Mensch Titan IV. D nur genießen und vor dem Feuer der Kunst weich zerschmelzen könne , anstatt sich schamrot aufzumachen und nach Kräften und Taten zu ringen , das begreif ich nicht .
Im gemalten , gedichteten Rom , darin mag die Muße schwelgen ; aber im wahren , wo Dich die Obelisken , das Coliseo , das Kapitolium , die Triumphbogen unaufhörlich ansehen und tadeln , wo die Geschichte der alten Taten den ganzen Tag wie ein unsichtbarer Sturmwind durch die Stadt fortrauschet und Dich drängt und hebt , o wer kann sich unwürdig und zusehend hinlegen vor die herrliche Bewegung der Welt ? --
Die Geister der Heiligen , der Helden , der Künstler gehen dem lebendigen Menschen nach und fragen zornig :
was bist Du ? --
Ganz anders gehst Du aus dem Vatikan des Raffaels und über das Kapitolium herunter , als Du aus irgend einer Deutschen Bildergalerie und einem Antikenkabinett heraustrittst .
Dort siehst Du auf allen Hügeln alte ewige Herrlichkeit , jede Römerin ist mit Gestalt und Stolz noch ihrer Stadt verwandt , der Transteveriner ist der Spartaner und Du findest so wenig einen Rö mehr als einen Juden stumpf ; indes Du in Pestiz fast unduldsam werden mußt schon gegen den Kontrast der bloßen Gestalt .
Sogar der ruhige Dian behauptet , die häßlichen Masken der Alten sähen wie die deutschen Gassen- Gesichter und ihre Faunen und andere Tiergötter wie edlere Hof-Gesichter aus ; ihre Kopierbilder Alexanders , der Philosophen , der römischen Tyrannen wären , so scharf und prosaisch sie sich auch von ihren poetischen Statuen der Götter abschnitten , den jetzigen Idealen der Maler gleich .
Tut es da genug , mit Augen voll Bewunderung und gefalteten Händen um die Riesen zu schleichen und dann welk und klein zu ihren Füßen zu verschmachten ?
Freund , wie oft pries ich in den Tagen des Unmuts die Künstler und Dichter glücklich , die ihre Sehnsucht doch stillen dürfen durch frohe leichte Schöpfungen , und welche durch schöne Spiele die großen Toten feiern , Archemimen der Heldenzeit .
-- Und doch sind diese schwelgerischen Spiele nur das Glockenspiel am Blitzableiter ; es gibt etwas Höheres , Tun ist Leben , darin D 2 regt sich der ganze Mensch und blüht mit allen Zweigen . --
Es ist nicht von den bangen engen Kleintaten auf der Ruder- und auf der Ruhebank der Zeit die Rede .
Noch steht an der Krönungsstadt des Geistes ein Tor offen , das Opferthor , das Janusthor .
Wo ist denn weiter auf der Erde die Stelle , als auf dem Schlachtfeld , wo alle Kräfte , alle Opfer und Tugenden eines ganzen Lebens , in Eine Stunde gedrängt , in göttlicher Freiheit zusammenspielen mit tausend Schwester-Kräften und Opfern ?
Wo sind denn allen Kräften , von dem schnellsten Scharfblick an bis zu allen körperlichen Fertigkeiten und Abhärtungen , von der höchsten Großmut und Ehre an bis auf die weichste Träne herab , von jeder Verachtung des Körpers an bis zur tödlichen Wunde hinauf so alle Schranken aufgetan für einen wetteifernden Bund ?
Wiewohl eben darum der Spielraum aller Götter auch dem Larventanz aller Furien frei steht .
Nimm nur den Krieg höher , wo die Geister , ohne Verhältnis des Gewinstes zum Verlust , nur aus Kraft der Ehre und des Zwecks , sich dem Schicksal verdingen , daß es unter ihren Körpern die Leichen auslese und das Los des Sieges aus den Gräbern ziehe . --
Zwei Völker gehen auf die Schlacht-Ebene , die tragische Bühne eines höheren Geistes , um ohne persönlichen Haß die Todesrollen gegen einander zu spielen -- still und schwarz liegt die Gewitterwolke auf dem Schlachtfeld -- die Völker ziehen hinein in die Wolke und alle ihre Donner schlagen und düster und allein brennt die Todesfackel über ihr -- es wird endlich Licht und zwei Ehrenpforten stehen aufgebaut , die Todespforte und das Siegesthor , und das Heer hat sich geteilt und ist durch beide gezogen , aber durch beide mit Kränzen .
-- Und wenn es vorüber ist , stehen die Toten und die Lebendigen erhaben in der Welt , weil sie das Leben nicht geachtet hatten .
-- Wenn aber der große Tag noch größer werden , wenn dem Geiste das Köstlichste kommen soll , was das Leben heiligen kann :
so stellt Gott einen Epaminondas , einen Kato , einen Gustav Adolph vor das geheiligte Heer -- und die Freiheit ist zugleich die Fahne und die Palme -- o selig wer dann lebt oder stirbt für den Kriegs-Gott und für Friedens-Göttin zugleich . -- --
Lasse mich das nicht durch Sprechen entweihen .
Nimm aber hier mein leises festes Wort und lege es in Deine Brust zurück , daß ich mir , sobald Galliens wahrscheinlicher Freiheitskrieg anhebt , meine Rolle durchaus nehme in ihm , für ihn .
Abhalten kann mich nichts , auch nicht mein Vater .
Dieser Entschluß gehört zu meiner Ruhe und Existenz .
Aus Ehrgeiz ergreif ich ihn nicht ; obwohl aus Ehrliebe gegen mich selber .
Schon in meinen früheren Jahren konnte ich nie das platte Lob einer ewigen häuslichen Glückseligkeit genießen , was gewiß eher Weibern als Männern geziemt .
Freilich Deine Stärke oder Gemütsweise , alles Große ruhig aufzunehmen und die Welt still in einen inneren Traum zu zerschmelzen , hat wohl niemand .
Du schauest die Abendwolken an und hernach die Milchstraße und sagst kalt : Gewölk !
Kommst Du aber doch nicht zu tief in dieses Gefühl , in diese kalte Gruft hinunter ?
Zwar will das Gift dieses Gefühls einen überall und gerade in Rom , diesem Kirchhof so ferner Völker , so entgegengesetzter Jahrhunderte , süßer als irgendwo verzehren ; aber wüßtest Du vom Vergänglichen ohne den Nebenstand des Unvergänglichen und wo wohnt der Tod als im Leben ?
Lasse verstieben und versiegen !
es gibt doch drei Unsterblichkeiten , -- wiewohl Du die erste , die überirdische , nicht glaubst -- die unterirdische ( denn das All kann verstäuben , aber nicht sein Staub ; ) -- und die ewigwirkende darin ; die , daß jede Tat viel gewisser eine ewige Mutter wird als eine ewige Tochter ist .
Und dieser Bund mit dem Universum und mit der Ewigkeit macht der Ephemere Mut , in ihrer Flug-Minute das Blütenstäubchen weiter zu tragen und auszusäen , das im nächsten Jahrtausend vielleicht als Palmenwald dasteht .
Ob ich mich meinem Vater entdecke , ist mir noch zweifelhaft , weil ich es noch darüber bin , ob ich seine bisherigen Äußerungen gegen die Neufranken für scharfen Ernst zu nehmen habe oder nur für die scherzhafte Kälte , womit er sonst gerade seine Gottheiten -- Homer , Raphael , Cäsar , Shakespeare -- aus Ekel gegen den nachsprechereschen Götzendienst , den der Pö bel der wahren Hoheit wie der falschen erweiset , im Munde führt .
-- Grüße meinen braven mannhaften Wehrfritz und erinnere ihn an unser Bundesfest am Zeitungstage der niedergerissenen Bastille .
Lebe wohl und bleibe bei mir ! Albano . "
An dem Abende dieses Briefes ging er mit seinem Vater in eine Conversatione im Palazzo Colonna ; -- hier fanden sie die schwarzmarmorne Galerie voll Antiken und Gemälde aus einem Kunst- und Gesellschaftszimmer in einen Fechtboden verkehrt , alle Arme und Zungen der Römer waren in Bewegung und Kampf über die neuesten Entwicklungen der gallischen Revolution , und die meisten für sie .
Es war damals , wo fast ganz Europa einige Tage lang vergaß , was es aus der politischen und poetischen Geschichte Frankreichs Jahrhunderte lang gelernt hatte , daß dasselbe leichter eine vergrößerte als eine große Nation werden könnte .
Der Ritter allein gab sich lieber den Kunstwerken als dem leeren Gefechte seiner Nachbarschaft hin ; endlich aber hörte er von weitem , wie Albano , gleich allen damaligen Jünglingen , der Himmels-Königin , der Freiheit , jauchzend nachzog , unter den ewigen Freien und ewigen Sklaven mitgehend nach der damaligen Gleichheit :
da trat er näher und merkte nach seiner Weise an : " die Revolution sei etwas sehr Großes ; er finde indes an großen Werken , z. B. an einem Coliseo , Obeliskus , an dem Flor einer Wissenschaft , an dem Kriege , an der Höhe der Astronomie , der Physik weniger als andere zu bewundern , denn bloß die Menge in der Zeit oder im Raume schaffe es , eine beträchtliche Vielheit kleiner Kräfte .
Aber nur große achte man * ) .
In * )
Die Summe und das System elektrischer , galvanischer , chemischer , anatomischer Erfahrungen , die Taktik , ein corpus juris u. s. w. können uns wohl in Erstaunen setzen , aber die Menschheit selber erscheint nicht größer durch Riesengebäude , die von Millionen Elephantenameisen zusammengetragen werden ; allein wenn Ein Elefant ein Gebäude trägt , wenn ein Individuum irgend eine Kraft in neuen Gra der Revolution sehe ' er mehr jene als diese -- Freiheit werde an Einem Tage so wenig gewonnen als verloren ; wie schwache Individuen im Rausche gerade ihr Gegenteil wären , so gebe es auch wohl einen Rausch der Menge durch die Menge . "
-- Bouverot versetzte darauf : " das ist ganz meine Meinung auch . "
Albano antwortete recht sichtbar nur seinem Vater -- weil er den deutschen Herrn tief verachtete und ihn ganz unwürdig des Genusses hoher Kunstwerke hielt , wofür er vornehmen Geschmack mitgebracht , obwohl keinen Sinn -- und sagte : " lieber Vater , die 12000 Juden entwarfen nicht das Coliseo , das sie bauten , aber die Idee war doch irgendeinmal ganz in Einem Menschen , im Vespasian ; und so muß überall den konzentrischen * ) * ) den und Verhältnissen zeigt , Newton die mathematische Anschauung , Raphael die bildende , Aristoteles , Lessing , Fichte den Scharfsinn , oder ein anderes die Güte , die Festigkeit , den Witz u. s. w. : dann gewinnt die Menschheit und ihre Schranken rücken hinaus .
Richtungen kleiner Kräfte irgend eine große vorstehen und wäre es Gott selber . "
-- " Dahin , ( sagte Gaspard , ) wo alles Göttliche verlegt wird , magst Du es denn auch versetzen . "
-- Bouverot lächelte .
-- " Der gallische Rausch ( versetzte Albano heftig , ) ist doch wahrlich kein zufälliger , sondern ein Enthusiasmus in der Menschheit und Zeit zugleich gegründet , woher denn sonst der allgemeine Anteil ?
-- Sie können vielleicht sinken , aber um höher zu fliegen .
Durch ein rotes Meer des Bluts und Kriegs watet die Menschheit dem gelobten Lande entgegen und ihre Wüste ist lang ; mit zerschnittenen nur blutig-klebenden Händen klimmt sie wie die Gemsenjäger empor . "
-- " Die Gemsenjäger selber ( sagte der Ritter , ) tun das mehr , wenn sie von der Alpe herab wollen ; indes sind solche Hoffnungen reizend und wir wollen gern ihre Erfüllung wünschen . "
-- " Signor Conte ( setzte Bouverot dazu , ) nannte sehr gut den Aufstand einen Rausch .
Man schläft ihn aus ; aber am Morgen ist manches zerbrochen und zu bezahlen . "
-- " Rausch ?
( sagte Albano . )
Welches Beste ist nicht im Enthusiasmus geschehen , und welches Schlechteste nicht in der Kälte ? -- Welches , Herr von Bouverot ?
Ja es gibt einen gräßlichen , grimmigen Seelen-Frost , so wie einen ähnlichen physischen , der wie die größte Hitze schwarz und blind und wund macht * ) ; so etwas wie die französische Tragödie , kalt und doch grausam . "
-- " Du näherst Dich dem Tragischen , Sohn .
( unterbrach ihn Gaspard und schützte den deutschen Herrn . )
Wir dürfen von den Franzosen recht viel politische Sagazität erwarten , zumal in der Not ; das ist ihre Stärke .
Darin kommen sie den Weibern bei .
Auch sind sie wie die Weiber entweder ungemein zart , sittlich und human , wenn sie gut sind , oder wie diese eben so grausam und roh , wenn sie außer sich kommen . --
Es lässt sich weissagen , daß sie in einem Freiheitskriege , wenn er ausbräche , an Tapferkeit es allen Parteien zuvortun werden .
Das wird sehr blenden , da doch nichts * )
In Grönland macht die heftige Kälte schwarz und blind . seltener ist als ein feiges Volk .
Man lernt die Kriegstapferkeit gemäßigt schätzen , wenn man sieht , daß die römischen Legionen gerade als sie feil , schlecht , sklavisch und zur Hälfte Freigelassene waren , nämlich unter dem Triumvirat , mutiger stritten als vorher .
Für den unbedeutenden Mordbrenner Katilina stritten und starben die Bürger bis auf den letzten Mann und nur Sklaven wurden gefangen . "
-- Diese Rede drückte ein heißes Siegel auf Albano's Mund ; es schien ordentlich als errate ihn der Vater und mache sich die alte Freude , wie ein Schicksal einen Enthusiasmus zu erkälten und Erwartungen Lügen zu strafen , sogar trübe .
Der beleidigte , sich selber ausbrennende Geist blieb nun fest vor Gaspard und Bouverot zugedeckt .
Aber seinem Dian zeigt er alles am Morgen darauf ; er wußte , wie dieser mit dem Arme eines Künstlers und Jünglings zugleich die Freiheitsfahne trug und schwang , und darum brach er vor ihm das dunkle Siegel seines bisherigen Trübsinns auf .
Er gestand dem geliebtesten Lehrer den großgewachsenen Vorsatz , sobald der unheilige Krieg gegen die gallische Freiheit , der jetzt seine Pechkränze in allen Straßen der Stadt Gottes aushing , in Flammen schlage , an die Seite der Freiheit zu treten und früher zu fallen als sie .
" Wahrlich , Ihr seid ein wackerer Mensch ( sagte Dian ) .
-- Hätte ich mir nicht Kind und Kegel aufgehalst , bei Gott !
ich zöge selber mit .
Der Alte wie dergleichen , sieht viel und hört schlecht .
Wittern soll er nichts und seine Bestie von Barigello auch nicht . "
Den Kunstrat Fraischdörfer meinte er , den er mit Künstler-Eigensinn ewig verabscheute , weil der Kunstrat schlechter malte und besser kritisierte als er .
" Dian , Euer Wort ist schön gesagt , ja wohl macht das Alter physisch und moralisch weitsichtig für sich und taub gegen den anderen ( sagte Albano ) . "-- " Hab ' ich gut gesprochen , Albano ?
Aber wahrlich so ist die Sache , " sagte er , sehr erfreuet bei seinem Mißtrauen in seine Sprache , über das Lob ihrer Schönheit .
Nach einiger Zeit sagte der Ritter , gleich als sehe er durch das Siegel hindurch , einige Worte , die den Jüngling auf allen Seiten griffen :
" Es gibt ( sagt ' er , ) einige wackere Naturen , die gerade auf der Grenze des Genies und des Talentes stehen , halb zum tätigen , halb zum idealischen Streben ausgerüstet -- dabei von brennendem Ehrgeize .
-- Sie fühlen alles Schöne und Große gewaltig , und wollen es aus sich wieder erschaffen , aber es gelingt ihnen nur schwach ; sie haben nicht wie das Genie Eine Richtung nach dem Schwerpunkt , sondern stehen selber im Schwerpunkte , so daß die Richtungen einander aufheben .
Bald sind sie Dichter , bald Maler , bald Musiker ; am meisten lieben sie in der Jugend körperliche Tapferkeit , weil sich hier die Kraft am kürzesten und leichtesten durch den Arm ausspricht .
Daher macht sie früher alles Große , was sie sehen , entzückt , weil sie es nach zu schaffen denken , später aber ganz verdrießlich , weil sie es doch nicht vermögen .
Sie sollten aber einsehen , daß gerade sie , wenn sie ihren Ehrgeiz früh einzulenken wissen , das schönste Los vielartiger und harmonischer Kräfte gezogen ; sowohl zum Genusse alles Schönen , als zur moralischen Ausbildung und zur Besonnenheit ihres Wesens scheinen sie recht bestimmt zu sein , zu ganzen Menschen ; wie etwan ein Fürst sein muß , weil dieser für seine allseitige Bestimmung allseitige Richtungen und Kenntnisse haben muß . "
Sie standen gerade , als er dies sagte , auf dem Aventinischen Berge , vor sich die Cestius- Pyramide , dieses Epitaphium des Ketzer-Gottesackers , worin so mancher unausgebildete Künstler und Jüngling schläft , und nahe dabei der hohe Scherben-Berg * ) ( monte testaccio ) , wovor Albano immer mit einem ekeln kahlen Gefühl schaler Ödheit vorbeigieng .
Der Stoß der väterlichen Ideen gegen seine und die Verwandtschaft des Scherben-Bergs mit dem Fremden-Kirchhof machten , daß Albano mehr sich als dem Vater antwortete , mit einem geschmolzenen Eisen-Tropfen des Unwillens im Auge : " ein solcher namenloser Töpfer-Berg ist im Ganzen auch die Geschichte der Völker .
-- Aber man möchte sich doch lieber auf der Stelle töten als * ) Wohin seit Servius Tullius Zeit alle Scherben geworfen werden . als erst nach einem langen Leben sich so nahmen- und tatenlos in die Menge eingraben . "
-- Seit seiner Einigkeit mit sich selber wurde er glücklicher ; mit Eifer tat er sich schon jetzt zum Werk , seiner Natur gemäß , die wie im Samenkorn , Stamm und Wurzel aus Einer Samenspitze trieb , Gedanken und Taten .
Er warf alles andere Treiben weg und studierte alte und neue Kriegskunst , wozu ihm Dian die Bücher und das Museum borgte und lieferte .
Mit namenloser Entzückung und Erhebung durchlief er wieder die Sonnenkarten der römischen Geschichte , hier auf dem ausgebrannten Sonnenkörper selber und oft , wenn er ihre Entzündungen gezeichnet las , stand er eben in den Kratern , wo sie aufgegangen waren .
Dian gab noch dazu seine Kenntnis des kleinen Dienstes und sich gern zu körperlichen Übungen her ; wenn er ihn vorher zu dem Gottesdienste unter Raphäls-Kunsthimmel hinaufgezogen , wo Grazien wie Sternbilder im hohen Äther gehen ; denn bei Dian war Leib und Seele Ein Guß , der weichste Augennerve Titan IV. E und härteste Armmuskel Ein Band .
Zuletzt führte er , da ihm ein Wort viel saurer wurde als eine Tat und da er lieber den ganzen Leib als die Zunge regte , dem Grafen einen rednerischen Kriegs-Genossen zu , einen korsischen Jüngling , lebendig wie aus lauter Mark des Lebens geformt .
Beide Jünglinge liebten und übten sich eine Zeitlang in romantischer Freiheit , ohne einander nur die Namen abzufragen .
Sie fochten , lasen , schwammen .
Der Korse vergötterte fast Albano's Gestalt , Kraft , Kopf und Mut , und goß sein ganzes Herz in eines , das er nicht ganz faßte ; wie viele Mädchen nirgends als in der Liebe , so zeigte er nirgends als im Kriegsspiele Seele und Sinn .
Albano's helles Gold spiegelte gefällig die fremde Gestalt zurück , ohne wie Glas dabei die eigene zu vernichten .
Einst wurde des Kursen Glut eine Flamme , die das ganze eigene Leben dem Freunde beleuchtet zeigte und seinen einzigen Zweck und Durst , nämlich den nach Franzosen-Blut , " den er ( sagt er , ) im kommenden Kriege zu löschen hoffe . "
Wäre ihm Albano ähnlich gewesen , so hätten sie sich wie kämpfende Hirsche in die Geweihe tödlich verwickelt ; denn die störrische , unbiegsame Tapferkeit des Kursen -- mehr eine sinnliche , so wie Albano's seine mehr eine geistige -- litt kein Gegenwort .
Gleich seiner Klasse begehrte er auf seine Rede ein recht starkes Zuwart von Albano ; aber dieser sagte : " das ist eben das Große im Kriege , daß man ohne leidenschaftliche Erbitterung , ohne persönliche Feindschaft alles kann und wagt , was der Schwächling nur durch sie vermag ; wahrlich es wäre edler , in der Schlacht einen Geliebten als einen Gehaßten zu töten . "
-- " Tolle Schimären !
( sagte der Korse zornig ) wie ?
Du willst die Franzosen töten und sie doch lieben ? "
-- Albano's Großsinn warf jede bange Larve ab und sagte : " mit Einem Wort , ich streite einst für die Gallier mit . "
-- " Du , Falscher ?
( sagte der Korse )
Unmöglich ! --
Gegen mich ? "-- " Nein , ( versetzte Albano , ) ich bitte Gott , daß wir uns in jener Stunde nie begegnen . "
-- " Und ich will ihn recht anflehen , ( sagte der Korse , ) daß wir uns nicht E 2 mehr treffen als einmal mit dem Bajonett .
Adio ! "
So schied er entrüstet von ihm und kam nicht wieder .
106. Zykel .
Unähnlich anderen Vätern war Gaspard gegen Albano seit dem ersten Kriege über den Krieg noch wie sonst , ja fast besser ; mit seiner alten Achtung für jede starke Individualität nahm er es heiter auf , daß so merklich des Jünglings Sonne in die Zeichen des Sommers trat und über die Erde sowohl höher stieg als wärmer .
Er gab ihm den nächsten Beweis dadurch , daß er unter den allmählichen Anstalten zur Rückreise nach Pestiz ihm einen ganz unerwarteten Wunsch der -- Trennung bejahte .
Nämlich Albano , der jetzt wie Efeu mit allen Blüten und Zweigen immer fester um und in alle Denkmäler der heroischen Vergangenheit ging , wollte nicht von Rom scheiden , ohne Neapel gesehen zu haben .
Zu seiner Sehnsucht kam noch Dian's Begeisterung für dies Tochterland seines Vaterlandes , für dessen Glanz des Him Mehls und der Erde , für dessen griechische Trümmer , die der Baumeister den römischen vorzog .
" In Rom ( hatte Dian gesagt , ) habt Ihr nur Vergangenheit , hingegen in Neapel tapfere Gegenwart -- ich Begleit ' Euch hin und her und wir gehen zusammen nach Haus .
Denn eigentlich versteht Ihr Euch doch nicht recht auf das Schöne , sondern auf die Natur , auf das Heroische und den Effekt .
Da ist Neapel der Ort . "
Der Ritter willigte -- obgleich durch Albano's Erheiterung der ganze Zweck der Reise schon gewonnen war -- ohne Zögern in den Zusatz einer zweiten unter der Bedingung , daß er nicht länger als einen Monat nachbleibe .
Aber dieser Zeit , wo sich seine innere Welt so harmonisch stimmen durfte , kamen feindliche Mißtöne immer näher , die er in der Ferne noch für Wohllaut hielt .
Aus seinem unbestimmten Verhältnis mit der Fürstin entwickelte sich langsam der Mißlaut ; weil jedes unbestimmte mit Weibern sich endlich hart entscheidet , seltener zu Liebe als zu Haß .
Die Fürstin tat und litt bisher alles , um ihm noch früher gefährlich zu werden als verstände lich .
Sie spielte Lianen so gut sie wußte nach und nahm den Nonnenschleier einer religiösen Jungfräulichkeit aus ihrer Bühnen-Garderobe hervor , obgleich genialische Weiber meistens ungläubig sind wie genialische Männer gläubig .
Sie machte ihn zum Vertrauten ihrer -- Vergangenheit und gab die Geschichte derer , die für sie gestorben waren , oder doch verschmachtet , nach weiblicher Art mehr froh als reuig ; nur das Verhältnis mit seinem Vater ließ sie schonend hinter einem rührenden Leichenschleier auferstehen , und ahmte überhaupt dem Sohne in der Achtung für den Ritter nach , den sie innerlich bitter haßte .
Wenn Albano stundenlang die Gegenwart vergaß und starr ins Opferfeuer der Vergangenheit und Kunst blickte und ihr auf den Bergen seiner Welt Flammen zeigte , die nicht auf ihrem Altar brannten , so begleitete sie ihn geduldig auf diesem Kunst-Wege und hielt nur wo sie konnte , vor Stellen an , wo man einige Aussicht in die -- Gegenwart hatte .
Er wurde täglich ihr wärmerer Freund , ohne sie nur zu erraten .
Nur ein Mann -- keine Frau -- kann eine fremde Liebe gänzlich übersehen ; die lang übersehene wird dann selten oder nie eine erwiderte .
Albano war zu zart , um in der Geliebten seines Vaters und in der Frau eines Anderen und in einer Freundin seiner eigenen Geliebten diesen Wunsch einer Unschicklichkeit vorauszusetzen .
Auch setzte er auf seinen Wert immer ein eben so kleines Vertrauen als auf sein Recht ein großes .
Sie zweifelte , aber verzweifelte nicht an einer wärmeren Gesinnung .
Ein Weib hofft so lange als ein zweites nicht mit hofft .
Albano's nächtliche Besuche des Kapitol's und Koliseo's wurden von nachgeschickten Augen immer seines edlen Charakters würdig befunden .
Täglich lieber wurde ihr der feste Jüngling durch sein neues Aufblühen und durch seine männliche Entwicklung .
Zuweilen hoffte sie stark , von seiner freundschaftlichen Redlichkeit und von jener heroischen Schwermut bestochen , die ihr sonst aus keiner Ferne und Nähe zu erklären war .
Dieses ihr ungewohnte Auf- und Niedersteigen auf ihren Wellen erschütterte ihre Gesundheit und ihren Charakter und sie wurde wider Willen der Liane ähnlicher , mit deren Taubengefieder sie sich anfangs nur weiß schmücken wollen -- der glänzende Sonnenregenbogen wurde ein Mondregenbogen -- sie warf mit ihren starken Kräften die Hälfte ihres vorigen Selbsts weg , die Putz- , Kunst- und Gefallsucht -- und sie wurde heftig getroffen , wenn eine Römerin mit südlicher Lebhaftigkeit oft hinter dem vorbeigehenden Grafen ausrief : wie schön er ist ! --
Schwer wurde sie für ihr früheres mutwilliges Lustspiel mit fremden Herzen und Leiden gezüchtigt durch das eigene ; aber in solchen dunklen Tagen wurzelt eben die Liebe mehr , wie man Bäume am besten an wolkigen impft .
Albano merkte ihre Veränderung ; die reizende Schwermut ihres sonst kräftigen Gesichts , dieser Niederschein ihres stillen Nebels , bewegte ihn zur teilnehmenden Frage über ihr Glück .
Sie antwortete immer so verworren und verwirrend -- zuweilen sogar bei Albano's Scharfsinn mit dem Glauben an dessen Verstellung und Bosheit -- daß sie ihn in den sonderbarsten Irrtum führte .
Nämlich bei so großer Gewißheit , daß ein Erdschatte durch ihr ganzes jetziges Leben gehe und nicht rücke , musste er den Weltkörper dazu suchen ; -- dieser wurde ihm Gaspard , den sie , wie er glaubte , noch liebe .
Er führte diese Vermutung leicht durch alle ihre früheren Gespräche und Blicke hindurch ; -- es war so natürlich , daß die früher durch einen Thron Getrennten sich jetzt im schönen Lande der freien Verhältnisse wieder zusammensehnten ; -- noch dazu hatte der Ritter nach seiner unerbittlichen Ironie ihren Schein , ihn zu suchen , auch mit Schein , nämlich mit Ernst aufgenommen und sich daher immer zu ihrem Genusse des Sohnes als Zukost gesetzt und einen Nachwinter in den Frühling verlegt ; -- diesen doppelten Schein rief sich Albano zurück als doppelte Wahrheit . -- --
Da trat das Schicksal plötzlich unter seine neuen Schlüsse -- sein Vater wurde bedenklich krank an einem entnervenden Frühlingsfieber unter dem Scirocco-Wind .
" Nimm keinen besonderen Teil ( sagte Gaspard zu ihm ) weder an meinen Leiden noch Äußerungen ; ich habe in solchem Zustande eine Erweichung deren ich mich nachher schäme und doch nicht erwehre . "
Albano wurde von manchen unerwarteten Herzens-Ausbrüchen des kranken Mannes bis zur wärmsten Liebe bewegt .
Wenn die Ruinen eines Tempels wehmütig begeistern , dachte er , warum sollen es mich nicht noch mehr die Ruinen einer großen Seele ?
Es gibt Menschen , voll kolossalischer Überreste , gleich der Erde selber ; in ihrem tiefen schon erkalteten Herzen liegen versteinerte Blumenbilder einer schöneren Zeit ; sie gleichen nordischen Steinen , auf welchen Abdrücke indischer Blumen stehen .
-- Die Krankheit grub unter sich .
Gaspard blieb ohne Teilnahme an sich selber ; nur seine Geschäfte , nicht sein Ende , bekümmerten ihn .
Mit seinem Schwiegervater Lauria hielt er geheime Unterredungen , um auf sein Leben das schwarze Gerichtssiegel schließend zu drücken .
Ein Eilbote mußte fertig stehen , um nach seinem Todesaugenblick mit einem Brief zu Linda zu fliegen , sein Sohn sollte einen selber erbrechen und einen versiegelten an die Fürstin übergeben .
Sehr hart und gebietend benahm er sich gegen diesen , als er von ihm den Eid begehrte , sogleich nach seinem Tode nach Pestiz abzureisen .
Denn da Albano , der so gern Neapel sah und dem alle diese den väterlichen Tod voraussetzenden Bedingungen schwer ankamen , zögernd weigerte :
so sagte Gaspard : " das sei so recht menschlich und üblich , fremde Schmerzen ungemein zu beklagen und redlich mitzufühlen , sie aber ohne Anstand zu schärfen , sobald das Geringste getan werden solle . "
Albano gab das Wort und den Eid ; und zeigt es ihm nie mehr , wenn er weinte aus Kindesliebe .
Unerwartet erschien vor diesem Krankenbette Gaspards nächster und frühester Anverwandter , sein Bruder .
Albano stand dabei , als das seltsame Wesen ankam und den Totkranken ansprach und zwei starre gläserne Augen , als wären sie eingesetzte , weit von dem wegdrehte , womit es redete -- so phantastisch und doch voll kalter Welt gegen den sterbenden Bruder -- mit hängender Gesichtshaut auf bedeutenden Gesichtsknochen -- ein aufgerichteter falber Währwolf , erst aus der tierischen Haut in die menschliche getrieben -- gleich dem Würgengel , ein Würgmensch und doch ohne Leidenschaft . --
Es streckte nach Albano die lange Hand aus , aber dieser , von etwas Unnennbarem abgestoßen , konnte sie nicht anfassen .
Dieser Bruder sagte , er komme von Pestiz -- übergab zwei Briefe daraus , einen an Gaspard , einen für die Fürstin -- und fing an , einiges über seine Reisen zu sagen , was ungemein scharfsinnig , phantastisch , gelehrt , unglaublich und oft recht unverständig schien .
Einmal sagte Albano : " das ist geradezu unmöglich . "
Er fing die Erzählung wieder an , machte sie noch unglaublicher und beteuerte , es sei so in der Tat .
Darauf ging er fort , wie er sagte , nach Griechenland und nahm vom sterbenden Bruder den kühlsten Abschied .
Gaspard sagte jetzt zu Albano : " er möge nach seinem Tod diesen Sonderling , wenn er ihm nahe komme , recht wägen oder lieber meiden , da er nie ein wahres Wort sage , bloß aus reiner Freude an reiner Lüge ohne Eigennutz ; noch mehr , ( fuhr er fort , ) weiche dem tiefen tödlichen Skorpionstachel Bouverot's aus , so wie seinem betrügerischen Spiel . "
Albano wunderte sich über die Ansicht dieser Anrede , ( freudig über die moralische Schärfe , ) da er bisher ganz andere Gesinnungen für Bouverot im Vater anzutreffen geglaubt .
Am Tage darauf fand er den Vater schon wieder auf der Treppe aus der Gruft .
Der Eilbote wurde abgedankt -- alle Briefe zurückgefodert -- der Fürst Lauria stand heiter da -- : " bloß eine fremde Krankheit hat meine geheilt " sagte der Vater .
Der Brief , den ihm der Bruder aus Pestiz gebracht , hatte die Nachricht enthalten , daß sein alter Freund , der dasige Fürst , der letzten Stunde schnell zueile , weil man seine Wassersucht bloß für Embonpoint gehalten und ihn versäumet habe .
-- " Ich hoffe , ( sagte Gaspard , ) durch meinen Anteil so heilsam erschüttert zu sein , daß ich noch früh genug die Reise zur letzten Stunde der Freundschaft zu machen vermag . "
Er setzte dazu , daß dann diese Reise wieder Bahn zu Albano's seiner nach Neapel mache .
Da kam die Fürstin in der Bestürzung über den Brief , der ihres Gemahles Gefahr und ihre Abreise ansagte .
-- Gaspard antwortete mit einem verlangenden Winke zur Einsamkeit , den er dem Sohne gab .
Sie blieben lange allein .
Endlich kam die Fürstin verändert wieder und bat ihn fast stotternd , heute sie in die Opera seria zu begleiten .
Sie war bewegt und verlegen , ihre Augen schimmernd , ihre Züge begeistert ; -- auch den Vater fand er aufgeregt , aber wie gestärkt .
Hier schoß ihm ein langer Mittagsstrahl durch den ganzen bisherigen Irrwald , nämlich die bestätigte Vermutung der Liebe seines Vaters , die jetzt durch die annahende Lösung der Ehekette der Fürstin und in der kränklichen Erweichung stärker ausgebrochen sei ; daher Gaspard's Brief an die Fürstin , daher ihr Beisammenbleiben in Rom und auf dem Wege dahin u. s. w. Nie liebte Albano seinen starken Vater mehr als nach dieser Entdeckung einer Zärten Gesinnung ; und gegen die Fürstin wurde nun sein Herz aus einem Freunde auf einmal ein Sohn .
Da er ohnehin von den fünf Treffern der menschlichen Erb-Liebe nur einen , den Vater , ( keine Mutter , keinen Bruder , keine Schwester und kein Kind , ) gewonnen :
so war er so neu entzückt über den Gewinn einer Mutter .
Was die Achtung tun , die Wärme sprechen und die Hoffnung verraten durfte , das ließ er zu .
Es war eine Nacht , wo in Rom schon wieder der Frühling Blumen durch die Wolken des Winters warf .
Im Schauspielhause gab man Mozarts Tito .
Wie nimmt den Menschen auf fremdem Boden das vaterländische Lied dahin , das ihm nachgezogen !
Die Lerche , die über römischen Ruinen gerade so singt wie über deutschen Feldern , ist die Taube , die uns mit ihrem bekannten Gesang den Ölzweig aus dem Vaterland bringt . --
Bis hierher hatte Albano auf dem Alpenwege über Ruinen , das Auge Strafe nur durch die künftige Kriegs- Laufbahn blicken lassen und es selten gen Himmel gehoben , wo die verklärte Liane war und hatte gewaltsam jede Träne darin zerstäubt .
Aber jetzt hatte der kranke Vater den Vorhang des unterirdischen Bettes aufgezogen , wo ihre Hülle schlief .
Nun drang auf einmal der helle Strom der Töne , der durch seine Jugendländer , in seinen Paradiesen gegangen war , über die Gebirge herüber und rauschte mit den alten Wellen herab so nahe an ihm .
Anfangs wehrte sich sein Geist gegen die alte eingeschlafene Zeit , die im Schlummer sprach ; aber als endlich die Töne , die Liane selber einst vor ihm gespielt und gesungen hatte , über die Bahre der Gebirge herüber kamen und sich herunter hingen als glänzende Teppiche der goldenen Tage ; als er daran dachte , welche Stunden er und Liane hier gesunden hätten aber nicht fanden :
da lief der schwarze Gram wie ein böser ausplündernder Genius die Tonleiter hinauf und Albano sah seinen entsetzlichen Verlust hell im Himmel stehen .
Da kehrte er das Auge nicht gegen die Fürstin , aber in der Weihe der Töne drückte er die Hand , an der einst die Verklärte hatte in diese Gefilde kommen sollen .
Spät sagte er : " ich werde mich im reichen Neapel immer sehnen nach meiner einzigen Freundin und den Glücklichen beneiden , der sie begleiten darf . "
Sie kam in große Bewegung über diese neue Nachricht von seinem trennenden Abweg , und in eine noch größere über seine seine leidenschaftliche Veränderung , die sie mit der reichsten Aussteuer für ihre zartesten Hoffnungen , aus ihrer Abreise und sogar aus ihres Gemahls bevorstehender herzuleiten wußte .
Aber sie verbarg die größere Bewegung hinter die kleinere .
Beide schieden mit gegenseitigen Freuden und Irrtümern aus einander .
Albano wurde immer seliger durch den genesenden Vater ; die Fürstin wurde es durch den wärmeren Sohn , und ihr Leben stieg aus dem Kriegsschiff in ein fliegendes Friedensschiff über .
So kamen beide immer dichter an den Vorhang , dessen Gemälde sie für die Bühne selber hielten , um desto mehr zu staunen , wenn er aufging .
107. Zykel .
Im Ritter war das vertrocknete Bette des Lebens wieder reichlich angequollen durch die Erschütterungen seines Herzens ; -- eben weil er in gesunden Tagen sich gleich Bergen durch Eis und Moos zusammenhielt , so stellte in kranken , schien es , eine rechte innere Bewegung leichter die alte Kraft und Ruhe wieder Titan IV. F her .
Er rüstete sich zum Reisen , das am besten seinen eigensinnigen Körper auf- und nachbaute .
Die Fürstin verschob das ihrige von Tag zu Tag , bloß in der festen , feurigen Erwartung , Albano werde ihr das schönste Endwort ihres ganzen Lebens mitgeben auf den Weg .
In Albano war die Sehnsucht nach -- Spanien aufgewacht im blühenden Land , und Neapel , hoffte er , werde sie stillen .
Der Frühling dämmerte schon in Rom und ging auf in Neapel -- die Nächte durchsang die Nachtigall und der Mensch -- und die Mandelbäume blühten überall .
Aber es schien als ob die drei Menschen mit dem Reisen auf einander warteten .
Konnte die Fürstin von dem Herzen eilen , auf welchem ihr Dasein blühte und wurzelte , sie gleich einem abgerissenen Rosmarinzweige , dessen Wurzeln zugleich mit denen eines keimenden Weizenkorns doppelt in die Erde greifen ? --
Auch Albano wollte nicht die Stunde beschleunigen , die ihn zugleich von dem Vater und der Freundin in ferne Erd-Ecken warf , jene in den Nachwinter , ihn in den Vor- und Nachfrühling ; -- gerade jetzt am wenig sten ; sein Geist hatte sich durch den Entschluß zum Kriege befriedigt und versöhnt mit sich , sein Portici war glänzend aufgebaut auf dem verschütteten Herculaneum seiner Vergangenheit .
Ein Brief von Pestiz entschied -- der totkranke Fürst schrieb an die Fürstin und bat um das Wiedersehen -- der Brief war ein Feuer , das den gemeinschaftlichen Boden und wer darauf stand auseinander sprengte -- die drei Verbündeten faßten den Schluß , an Einem Tage abzureisen , an Einem Morgen , so daß Eine Morgenröte ihr Gold zugleich in drei Reisewagen würfe .
Noch etwas begehrte die Fürstin am Abend vor der Abreise , am Morgen Albano's Begleitung auf die Beterskuppel ; sie wollte Rom noch einmal in die scheidende Seele fassen , wenn es Morgenrot und Morgenglanz bedeckten .
Auch Albano wollte gern den Most einer feurigen Stunde trinken , der sich zu einem ewigen Wein für das ganze Leben aufhellt ; denn er wußte nicht , daß die lebhafte Fürstin -- noch lebhafter durch Italien -- nach langem Harren auf das schönste Wort von ihm , endlich F 2 zornig sich in eine Abschiedsstunde wagte , in der es ihm entfahren sollte .
Früh vor Sonnenaufgang , wo in Rom noch mehrere einschlafen als aufstehen , holte er sie ab ; nur ihre treue Haltermann begleitete sie .
Von der durchwachten Nacht glühte sie noch und schien sehr bewegt .
Rom schlief noch ; zuweilen begegneten ihnen Wagen und Familien , die eben ihre Nacht beschließen wollten .
Der Himmel stand kühl und blau über dem dämmernden Morgen , dem frischen Sohn der schönen Nacht .
Der weite Zirkus vor der Peterskirche war einsam und stumm , wie die Heiligen auf den Säulen ; die Fontänen sprachen ; noch ein Sternbild erlosch über dem Obeliskus .
-- Sie gingen die Wendeltreppe von anderthalb hundert Stufen auf das Dach der Kirche und kamen aus einer Gasse von Häusern , Säulen , kleinen Kuppeln und Türmen durch vier Türen in die ungeheure Kuppel , -- in eine gewölbte Nacht -- unten in der Tiefe ruhte der Tempel wie ein weites finsteres einsames Tal mit Häusern und Bäumen , ein heiliger Abgrund , und sie gingen nahe vor den musivischen Riesen , den farbigen breiten Wolken am Himmel des Doms vorbei .
Während sie in der hohen Wölbung stiegen , blinkte immer röter Aurores Goldschaum an den Fenstern und Feuer und Nacht schwammen im Gewölbe ' in einander .
Sie eilten höher und blickten hinaus , da schon ein einziger Lebensstrahl wie aus einem Auge hinter dem Gebirge in die Welt zückte -- um den alten Albaner rauchten hundert glühende Wolken , als gebäre sein kalter Krater wieder einen Flammentag und die Adler flogen mit goldenen in die Sonne getauchten Flügeln langsam über die Wolken .
-- Plötzlich stand der Sonnengott auf dem schönen Gebirge , er lichtete sich auf im Himmel und riß das Netz der Nacht von der bedeckten Erde weg ; da brannten die Obelisken und das Coliseum und Rom von Hügel zu Hügel , und auf der einsamen Campagna funkelte in vielfachen Windungen die gelbe Riesenschlange der Welt , die Tiber -- alle Wolken zerliefen in die Tiefen des Himmels und goldenes Licht rann von Tuskulum und von Tivoli , und von Rebenhügeln in die vielfarbige Ebene , an die zerstreuten Vielen und Hütten , in die Zitronen- und Eichenwälder -- im tiefen Westen wurde wieder das Meer wie am Abend , wenn es der heiße Gott besucht , voll Glanz , immer von ihm entzündet und sein ewiger Tau .
In der Morgenwelt lag unten das große stille Rom ausgebreitet , keine lebendige Stadt , ein einsamer ungeheurer Zaubergarten der alten verborgenen Heldengeister , auf zwölf Hügel gelegt . --
Der menschenlose Lustgarten der Geister sagte sich durch die grünen Wiesen und Zypressen zwischen den Palästen an und durch die breiten offenen Treppen und Säulen und Brücken , durch die Ruinen und hohen Springbrunnen und den Adonisgarten , und die grünen Berge und Götter-Tempel ; die breiten Gänge waren ausgestorben ; die Fenster waren vergittert ; auf den Dächern blickten sich die steinernen Toten fest an -- nur die glänzenden Springwasser waren rege und eine einzige Nachtigall seufzte als sterbe sie zuletzt .
-- " Das ist groß ( sagte endlich Albano ) , daß unten alles einsam ist und man keine Gegenwart sieht .
Die allen Heldengeister können in der Leere ihr Wesen treiben und durch ihre alten Bogen und Tempel ziehen und oben an den Säulen mit dem Efeu spielen . "
" Nichts ( versetzte die Fürstin ) mangelt der Pracht als diese Kuppel , die wir auf dem Kapitolium gar dazu sähen .
Aber nie werde ich diese Stelle vergessen . "
" Was wäre es sonst mit Allem ( sagt ' er ) .
Ohnehin gehen die flachen Gegenden des Lebens ohne Merkmal vorüber , aus mancher langen Vergangenheit schlägt kein Echo zurück , weil kein Berg die breite Fläche stört ! --
Aber Rom und diese Stunde neben Ihnen leben ewig in uns . "
" Albano , ( sagte sie ) warum muß man sich so spät finden , und so früh trennen ?
Dort geht Ihr Weg neben der Tiber her , Gott gebe in kein verschlingendes Meer ! "
-- " Und dort geht Ihrer über die hellen Berge ( sagt ' er ) . "
Sie nahm seine Hand , denn sein Ton war so bewegt und bewegend .
Göttlich leuchtete die Welt von den dunklen Früh lingsblumen bis zum hellen Kapitol empor , und die Horn-Glocken tönten herauf -- die Freudenfeuer des Tags loderten auf allen Höhen -- das Leben wurde weit und hoch wie die Aussicht -- sein Auge stand unter der Träne , aber keiner trüben , sondern unter jener , wo es wie das Weltauge unter dem Wasser sonnig glänzt und höhere Farben hat , welche die trockene Welt verzehrt . --
Er drückte ihre Hand , sie seine .
-- " Fürstin , Freundin , ( sagt ' er ) wie Acht ich Sie ! --
Nach dieser heiligen Stunde trennen wir uns -- ich möchte ihr ein unvergängliches Zeichen geben und meinem Vater ein kühnes Wort sagen , das mich und meine Achtung ausspräche und das wohl manche Rätsel löste . "
Sie schlug das Auge nieder und sagte bloß : " dürfen Sie wagen ? "
-- " O verbieten Sie es nicht !
( sagte er . )
So manches Götterglück ging durch eine zaghafte Stunde verloren .
Wenn soll denn der Mensch ungewöhnlich handeln als in ungewöhnlichen Lagen ? "
Sie schwieg , den Morgenlaut seiner Liebe erwartend und beide gingen im fortgesetzten Hand druck von der hohen Stelle herab .
Alban es Wesen war eine bebende Flamme .
Die Fürstin begriff nicht , warum er noch diesen Frühlingston verschiebe ; er erriet sie eben so wenig , ungeübt die Weiber und deren halbe abgeteilte Wörter zu lesen , diese Bildergedichte , halb Gestalt und nur halb Wort .
-- Gleichsam als wäre ein Adler aus seinem Morgenglanz herabgeflogen und hätte als ein Raub- Genius die Flügel über seine Augen geschlagen :
so hatte ihn der leuchtende Morgen so sehr verblendet , daß er wagen wollte , jetzt in der Abschiedsstunde zwischen seinem Vater und der Fürstin der Mittler durch Ein Wort zu werden , das beiden die Scheidewand zwischen ihrer Liebe wegzöge .
Vieles wandte ihm seine Zartheit dagegen ein , aber gegenüber einem wichtigen Ziele verabscheute er nichts so sehr als zagende Vorsicht ; und Wagen hielt er für einen Mann so viel wert als Gewinnen .
Die Fürstin , mißverstehend , doch nicht mißtrauend , folgte ihm in des Vaters Haus , mit einer Erwartung -- kühner als seine -- , er bekenne vielleicht gar dem Ritter die Liebe gegen sie .
Sie fanden den Vater allein und sehr ernst .
Albano fiel ihm , wiewohl er dessen Abneigung gegen körperliche Herzenszeichen kannte , um den Hals mit den halb erstickten Worten des Wunsches : " Vater !
Eine Mutter ! "
-- Zu diesem kindlichen Verhältnis hatte sich sein bisheriges gehoben und gereinigt .
" Gott , Graf ! " rief die Fürstin über Albano bestürzt und entrüstet . --
Der zornfunkelnde Ritter ergriff voll Entsetzen eine Pistole , sagte : unglückliches -- aber ehe man nur wußte , auf wen von drei Menschen er sie abdrücken wolle , faßte ihn seine Starrsucht und hielt wie eine umwindende Schlange ihn in der mörderischen Lage gefangen .
" Graf , verstand ich Euch ? " sagte die Fürstin wegwerfend gegen ihn , gleichgültig gegen den versteinerten Feind .
-- " O Gott , ( sagte Albano , von der väterlichen Gestalt bewegt , ) ich verstand wohl niemand . "
-- " Das konnte ( sagte sie ) nur ein Unwürdiger .
Lebt wohl .
Möge ich niemals Euch mehr begegnen ! " --
Dann ging sie .
Albano blieb , unbekümmert ob er nicht selber mit der Pistole gemeint sei , bei dem Kran ken , der einer vornehmen Männer-Leiche gegenüber entgegenstarrte , die man eben zu schminken beschäftigt war .
Allmählich rang sich das Leben wieder aus dem Winter auf und der Ritter setzte , wie Starrsüchtige müssen , die mit dem Worte " Unglückliches " angefangene Anrede so fort : " Weib , von wem bist du Mutter ? "
-- Er kam zu sich und sah wach umher ; aber schnell rann wieder die Lava des Zorns durch seinen Schnee :
" Unglücklicher , wovon war die Rede ? "
Albano entdeckte ihm mit gerader unschuldiger Seele , daß er bei dem wahrscheinlichen Tode des Fürsten auf eine Vereinigung zwischen beiden und auf das Glück , eine Mutter zu erhalten , sich die Hoffnung gemacht .
" Ihr junges Volk bildet euch immer ein , man könne keine echte Liebe haben , ohne sie nach außen zu treiben und auf jemand zu richten , " versetzte Gaspard und fing an , hart zu lachen und das " sentimentalische Mißverständnis " sehr komisch zu finden ; aber Albano fragte ihn nun sehr ernst nach dem Ursprunge des seinigen .
Gaspard gab ihm diesen .
Neulich in seiner Krankheit hatte er bei der ersten Nachricht von des Fürsten naher Abblühte einen erbitterten Kampf mit der Fürstin , welche in dessen Todesfalle eine Regentschaft -- oder Vormundschaft -- begehre , schon wegen der Möglichkeit eines Fürstenhut-Erben .
Der Ritter sagte ihr gerade zu , diese Möglichkeit sei eine Unmöglichkeit und er werde , mit neuen ihr unbekannten Beweisen sie ohne Weiteres angreifen .
Er gab ihr geradezu zu verstehen , daß er sogar gegen den Fall gerüstet sei , wo ein augenscheinlicher Beweis des Gegenteils ( ein Erbprinz ) ihm entgegengestellt würde .
Die Fürstin versetzte erbittert , sie errate nicht , warum er für die Haarhaarsche Linie und Erbfolge sich im Geringsten mehr bekümmere und Sorge als für die Hohnfliesser .
Er brachte sie bis zu Tränen ; denn er konnte ohne Schonung ihr die grausamsten Worte wie Wiederhaken tief ins Herz werfen ; er hatte die vollendete Entschlossenheit eines Staatsmannes , der wie ein großer Raubvogel , das Opfertier , das er nicht bezwingen oder schleppen kann , an einen Abgrund treibt und mit den Flügeln hinunterschlägt , um es drunten besiegt zu finden .
Ein Leben , das so wie es fortrückt , gleich den fortrückenden Gletschern , alte Leichen aufdeckt !
So wie der Glückliche seine Liebe eines Individuums wärmend über die Menschheit ausbreitet , so hält der Menschenfeind den stechenden Brennoder Frostpunkt seiner weiten Kälte gegen die Menschheit auf Einen großen Feind allein , indes vorher jede kleinere Beleidigung dem Einzelnen vergeben , und nur der gesamten Menschheit angeschrieben wurde .
Das war also jene geheime Unterredung , deren Spuren Albano für schönere Bewegungen genommen hatte als des Hasses .
" Als Du nun ( sagte der Ritter jetzt gerade heraus , um mit der schneidenden Frechheit sein Hochgefühl zu strafen , ) die kurz- und dunkelgefaßte Anrede : Eine Mutter ! hieltest , musste ich Dich für den Vater nehmen , und daraus magst Du leicht das Übrige erklären . "
-- " Vater , ( sagt ' er ) das war schreiend Unrecht gegen jeden " ; und schied mit drei heißen Wunden , vom Dreizack des Schicksals gerissen .
Beim Abschiede erinnerte ihn Gaspard , sein Wort der monatlichen Zurückkunft zu halten , und fügte noch scherzend bei : " der Alte , den man drüben schminke , sei ein deutscher Herr , womit er ehedem wohl den Spaß getrieben , ihn eilig zu bekehren * ) . "
Noch in dieser Stunde reiste Albano mit seinem Dian aus dem erleuchteten Rom .
Auf den Höhen und auf der Beterskuppel wogte herunter schwebend der blaue Himmel und lange Schatten schliefen noch mit Tauperlen umkränzt , auf den Blumen ; aber der selige Morgen war weit zurückgeflohen aus dem harten Tage .
Beide begegneten vor dem Tore einer Kreis-Menge , die um einen schönen Ermordeten stand und statt unwillig über den Mörder , freudig über die Gestalt wiederholte : quanto e bello ! ** )-- und Albano dachte daran , wie oft man hinter ihm gesagt : quanto e bello ! -- * ) S. Titan I. S. 33. ** )
Wie schön ist er !
Acht und zwanzigste Jubelperiode .
Brief aus Pestiz -- Mola -- die Himmelfahrt eines Mönchs -- Neapel -- Ischia -- die neue Göttergabe .
108. Zykel .
Ein kleines Licht in unserem Zimmer kann uns gegen das Blenden des ganzen himmelbreiten Blitzes schirmen ; so braucht es in uns eine einzige fortleuchtende Idee und Tendenz , damit uns der schnelle Flammen- und Licht-Wechsel von außen nicht betäube .
Hätte Albano nicht ein weit zu sehendes Ziel , einen Obeliskus in seiner Lebensbahn vor seinem Auge behalten : wie lange würde ihn die letzte Szene mit ihren durcheinandergreifenden Schmerzen verwirret haben ! --
Jetzt glich er den angezündeten Öl- und Lorbeerblättern um ihn , deren Flammen so gut grünen wie sie selber .
Dian , der fremde Schmerzen wegtrieb , weil er leicht beweglich bald aus einem Zuschauer derselben ein Mitspieler wurde , machte Albano und sich durch seine feurige Teilnahme an jeder schönen Gestalt , an jeder Ruine , an jeder kleinen Freude heiter .
Er hatte die schöne seltene Gabe , auf Reisen froh zu sein , jede Blume zu brechen , aber keine Distel ; indes der größere Teil mit der Schlafmütze unter dem Hute , von Station zu Station unter dem Fahren gehrend und im murrenden Kriege mit jedem Gesichte ganze Paradiese wie Vorhöllen durchziehet .
In den leeren pontinischen Sümpfen , worin nur Büffel gedeihen und die Menschen erbleichen , suchte Dian alles und auch seine Brieftasche hervor , um über das letzte Fischwasser des Kirchenstaats aus Petrus-Nachfischern , zu kommen , ohne tödlich einzuschlafen .
Da stieß er mit einem neu-griechischen Fluch auf einen Brief an Albano , der in einen von Chariton ein eingeschlossen gewesen und den er in Rom in der Eile der Abreise zu geben vergessen ; aber er lachte bald darüber und fand es gut , daß man in diesem " Teufelstal " etwas gegen den Schlaf zu lesen habe .
Es war folgender von Rabette :
" Herzlieber Bruder , man möchte wohl wissen , ob Du noch ein Bisschen an Deine Blumenbühle denkst , da Du in dem prächtigen Italien gewiß ganz in Deinem Esse bist , daß Du in unser aller Herzen lebst , das weißt Du längst , und Du solltest nur wissen , wie lange wir alle bei Deinem Abschied um Dich geweint haben , sowohl die Mutter als ich , und ein Gewisser * ) denkt jetzund ganz anders von Dir als vordem .
In diesem Winter fiel viel vor .
Die Ministerin hat sich von ihrem Gemahl geschieden und lebt auf ihrem Gute , zuweilen in Arkadien bei der Prinzesse Idoine , unser Fürst ist an der Wassersucht gefährlich krank und kann der Vater ein Stück Arbeit * ) Roquairol . Titan IV. G von der Landschaft dabei kriegen , wie er sagt .
Dein Schoppe ist auf ein paar Monate verreiset mit Zurücklassung eines Briefs an Dich , den er dem Vater anvertrauet .
Er hielt sich letztlich bei uns auf in Deiner Stube und besuchte fleißig die Gräfin Romeiro .
Es ist Schade für ihn , denn er meint_es gut , aber der Magister Wehmeier und wir alle im Orte sind überzeugt , daß er in Kurzen toll wird und er glaubt auch und sagt , er bestelle deshalb schon sein Haus .
Was die Gräfin Romeiro anlangt , so ist sie mit der Prinzessin * ) abgereist , kein Mensch weiß aber wohin , man sagt , der Fürst habe ihr zu deutliche attentions bewiesen und sie sei lieber fort nach Spanien .
Andere reden von Griechenland , aber mich versichert der Gewisse , sie sei nach Rom zu ihrem Vormund , das wirst Du nun besser wissen als ich .
Der Gewisse unternahm alles Menschmögliche , sie zu gewinnen , teils durch Briefe , teils selber , umsonst , keinen guten Blick konnte er erlangen , so oft er sie auch bei cour anredete .
* ) Julienne .
Das alles habe ich ( wirst Du es glauben ? ) aus seinem Munde , denn er ist wieder oft bei mir und vertraut mir sein ganzes Herz .
Meines aber halte ich fest zusammen , daß nur kein Blutströpfchen daraus quellt , und Gott allein sieht , wie es darin hergeht und weint .
Ach Albano , ein armes Mädchen , das gesund ist , muß viel ausstehen ehe es sterben kann .
Oft kann mein Auge nicht länger trocken bleiben und ich sage dann , sein Reden tue es , was doch teils auch wahr ist . Dir aber zeige ich das Dessous des zartes . --
Nie , nimmer kann ich mehr die Seinige werden , denn er hat nicht redlich an mir gehandelt , sondern ganz ruchlos und er weiß es auch .
Es wird ihm auch kein Kuß gestattet und ich sage ihm , er möge das nur nicht ums Gottes Willen für eine coquette Manier halten , ihn an mich zu ziehen .
Die guten Eltern wissen nicht recht was sie aus unserem Umgang machen sollen und ich fürchte , der Vater bricht los , dann habe ich sehr bittere Tage .
Aber soll ich das arme kranke blasse Gemüt auch von mir verstoßen , soll die glühende Seele wie Rauch verduftend gen Him G 2 Mehl steigen und sich konsumieren ?
Wem will nicht das Herz zerspringen , wenn er bei einem Fest ist und sie seinetwegen sogleich beleidigt nach Hause zurückfährt , wie neulich geschah und er mir im vollen Toben sagte : gut , gut , Linda , einmal wird Dir doch um mich Dein Auge naß .
Da weiß ich ja , daß er nichts Gutes meint und ich schone ihn aus Angst davor , sollen denn die zwei Geschwister in ihrer Blüte untergehen ?
Er wäre ihr längst nachgereist , wenn er nicht täglich hoffte , sie komme wieder .
Ach könnte ich mein liebendes Herz aus meiner Brust ausreissen und in ihre einsetzen statt des anderen , damit sie ihn recht liebte mit meiner ganzen Liebe , Albano ich wollt es gerne tun .
Das Papier geht aber auf dieser Seite zu Ende und die Mutter will auf die andere einen Gruß schreiben .
Lebe wohl , das wünscht Deine treue Schwester Rabette .
Wie geht es meinem teuersten Sohn ?
Ist er glücklich , noch fromm , und gesund ?
Denkt er seiner treuen Pflegeeltern noch ?
Das fragt und wünscht im Namen des Vaters , und in ihrem eigenen seine treue Mutter Albine v. W. P. S.
Auch der alte Lehrer Wehmeier grüßet seinen Liebling in fernen Landen ; und wir alle freuen uns auf seine Wiederkehr .
A. P. S. Bruder , ich muß auch ein P. S. machen , Schoppe hat die Bewußte gemalt , und auch daraus entstanden Szenen .
Aber ein Mehr Mündlich .
Die Prinzesse Idoine fuhr diesen Winter oft zu unserer. R. "
Da Briefe sich mehr nach dem Orte , wo sie geboren , als nach dem , wo sie abgegeben werden , richten :
so kommt oft , was als Same abging , schon keimend und mit Wurzeln an nach dem langen Wege und umgekehrt Blüten als trockener Same ; und jedes Blatt ist eine Doppelgeburt von zwei fernen Zeiten , der schreibenden und der lesenden .
So wurde jetzt Albano unter diesem helleren Himmel , auf diesem Boden einer größeren Vorzeit und mit dem Geiste voll neuer Triebfedern weniger von Rabettens Brief , durch welchen die nordischen Winternebel zogen , erreicht und verfinstert .
Die redliche Rabette , die linde Albine , kamen ihm nur sanft über die fremden Berge und Lüfte nach und legten an seine heiße Stirn die kühlende Hand ; sein alter Schoppe stand in alter Würde vor ihm und Liane schwebte wieder durch das hohe Blau .
Gegen den verwitterten Roquairol fühlte er nicht einmal Mitleid , sondern eine harte Geringschätzung ; und Linda's standhafter Sinn war recht nach seinem , wie der stolze Blick und Gang der Römerinnen .
Jetzt dachte er über Manches heiterer als sonst und wünschte sogar , einmal jener Heroine ins Zauber-Gesicht zu schauen .
In Fondi fing der neapolitanische Weltgarten an und sie fuhren auf dem Wege nach Mola , in immer dichtere Blüten und Blumen .
In fliegenden Blättern -- vielleicht an seinen Vater , noch wahrscheinlicher an seinen Schoppe -- sprach sich sein Glück und seine Seele aus ; sie bewahrte gleichsam einige ent fallne Orangenblüten des schnell durchflogenen Edens auf .
Hier sind sie : Kurz vor Sonnenuntergang kamen wir am Himmelfahrtstag in Mola an , der eingeborene Dian war eben so überwunden von der grünenden Herrlichkeit , die er lange nicht gesehen , wie ich und ich glaube ihm noch nicht , daß es um Neapel schöner blühe und dufte .
Ich ging gar nicht in die Stadt , denn die Sonne hing schon gegen das Meer .
Um mich quellt der Blumenrauch aus Zitronenwäldern und Jesmin- und Narzissen-Auen -- zu meiner Linken wirft der blaue Apennin seine Quellen von Berg zu Berg und zu meiner Rechten dringt das gewaltige Meer an die gewaltige Erde an und die Erde streckt den festen Arm aus und hält eine glänzende Stadt * ) , mit Gärten behangen , weit ins Wogen-Gewimmel hinein -- und ins unergründliche Meer sind hohe Inseln als unergründliche Berge ** ) hinein geworfen -- * ) Gaeta . ** )
Die Insel Ischia mit dem Berg Epomeo , so hoch wie der Vesuv -- Kapri u. s. w. tief in Süden und Osten greift ein schimmerndes Nebelland , die Küste von Sorento , wie ein gekrümmter Jupiters-Arm , um das Meer und hinter dem fernen Neapel steht der Vesuv mit einer Wolke im Himmel unter dem Mond .
" Fall ' auf Deine Knie , Glückseliger , ( sagte Dian ) vor der kostbaren Weite ! " O Gott , warum nicht ernstlich es tun ?
Wer kann denn im Abendscheine das ungeheure Wellen-Reich anschauen , wie dort das Regen sich in der Ferne stillt und nur glänzt und endlich blau und golden mit dem Himmel verschwebt , und wie hier die Erde das weiche schwebende Feuer mit ihren langen Ländern in einen rosigen festen Erdschatten einschließet , wer kann den Feuerregen des unendlichen Lebens , den webenden Zauberkreis aller Kräfte im Wasser , im Himmel auf der Erde erblicken , ohne niederzuknien vor dem unendlichen Natur-Geiste und zu sagen :
wie bist du mir so nahe , Unaussprechlicher ! --
O hier ist er in der Nähe und Ferne , die Seligkeit und die Hoffnung schimmert von der Nebel-Küste her , und auch aus den nahen Quellen , die das Gebirge in das Meer heruntergießet und in der weißen Blüte über meinem Haupt. O rufet denn nicht diese Sonne von brennenden Wellen umflattert , und das Blau droben und drüben und die erglühenden Menschen-Länder , die Welten in der Welt , rufet nicht diese Ferne das Herz und alle seine stolzen Wünsche heraus .
Will es nicht schaffen und in die Ferne greifen und seine Lebensblüte vom höchsten Gipfel des Himmels reißen ?
Wenn es aber sich umsieht auf seinen Boden , auch da wieder ist der Gürtel der Venus um den blühenden Umkreis geworfen , hell grünt der hohe Myrtenbaum neben seiner kleinen dunklen Myrte , die Orange schimmert im hohen kalten Grase und oben duftet ihre Blüte , der Weizen weht mit breiten Blättern zwischen dem Mandel- und Narzissen-Schmelze und ferne ist die Zypresse und die Palme stolz ; alles ist Blume und Frucht , Frühling und Herbst .
Soll ich hin , soll ich her , das fragt das Herz in seinem Glück .
So ging mir die Sonne unter die Wellen hinab -- die roten Küsten flohen unter ihre Nebel -- die Welt erlosch von Land zu Land , von ei einer Insel zur anderen -- der letzte Goldstaub auf den Höhen wurde verweht -- und die Gebetglocken der Klöster führten das Herz über die Sterne hinauf . --
O wie war meines so froh und so sehnend , zugleich ein Wunsch und ein Feuer , und in meinem Innersten sprach ein Dankgebet fort , dafür , daß ich war und bin auf dieser Erde .
Nie vergesse ich das !
Wenn wir das Leben wegwerfen als zu klein gegen unsere Wünsche : gehören nicht diese zu jenem und kamen von ihm ?
Wenn die bekränzte Erde solche Blüthen- Ufer , solche Sonnen-Gebürge um uns zieht , will sie damit Unglückliche einschließen ?
Warum ist unser Herz enger als unser Auge , warum erdrückt uns eine kaum meilenlange Wolke , die doch selber unter unermeßlichen Sternen steht ?
Ist nicht jeder Morgen ein Frühlingsanfang und jede Hoffnung ?
Was sind die dichtesten Lebensschranken anders als ein Rebengeländer , zum Reifen der Weinglut aufgebaut ?
-- Und da das Leben sich immer in Viertel zerhackt , warum sollen es lauter letzte sein , nicht eben so oft erste , auf welche ein voll strahlender Mond nachfolgt ? --
O Gott , sagte ich , als ich durch die grünende Welt zurückging , die am nächsten Morgen eine glühende wird , nie lasse mich deine Ewigkeit irgend einer Zeit leihen , ausgenommen der seligsten ; die Freude ist ewig , aber nicht der Schmerz , denn du hast ihn nicht geschaffen .
" Freund , " sagte Dian unterwegs zu mir , da ich ihm meine innigste Bewegung nicht recht verhüllen konnte , " wie kann Euch erst sein , wenn Ihr nach Neapel zurückschauet etwan auf der Überfahrt nach Ischia ! --
denn man merkt es sehr , daß Ihr in Nordland geboren seid . " -- Lieber , sagte ich , jeder wird mit seinem Norden oder Süden gleich geboren , ob in einem äußeren dazu -- das macht wenig .
So weit sein Blatt über Mola .
Aber eine wunderbare Begebenheit schien ihn über die letzte Versicherung desselben noch diese Nacht beim Worte zu nehmen .
Im Hofe des Gasthauses sammelten sich viele Schiffer und Andere , alle stritten heftig über eine Meinung und die mei sten sagten immer :
es ist doch heute Himmelfahrt und Wunder hat Er auch getan .
" Himmelfahrt ? " dachte Albano und erinnerte sich seines Geburtstages , der an diesem Feste oft fiel .
Dian kam herauf und erzählte lachend , das Volk drunten erwarte die Himmelfahrt eines Mönchs , der sie in dieser Nacht versprochen , und viele glaubten ihm darum , weil er schon ein Wunderwerk getan , nämlich einem Toten auf zwei Stunden die Sprache gegeben vor ganz Mola .
Beide wurden eins , das Werk mit anzusehen .
Die Menge schwoll an -- der versprochene Mensch kam nicht , der sie zu dem Orte der Auffahrt leiten sollte -- alles wurde zornig mehr als ungläubig -- endlich spät in der Nacht erschien eine Maske und gab mit einem Wink der Hand das Zeichen ihr zu folgen .
Alles strömte nach , auch Albano und sein Freund .
Der reine Mond schien frisch aus blauen Lüften , der weite Garten der Gegend schlief in seinen Blüten , aber alles duftete , die schlummernden und die wachen Blumen .
Die Maske führte die Menge an die Ruinen von Zizero's Haus oder Turm und zeigte aufwärts .
Oben auf der Mauer stand ein zitternder Mensch .
Albano fand sein Gesicht immer bekannter .
Endlich sprach der Mensch : " ich bin ein Vater des Todes -- der Vater des Lebens sei mir gnädig .
-- Wie es mit mir geht , weiß ich nicht -- Unter Euch ( setzt ' er auf einmal in fremder , nämlich in spanischer , Sprache dazu ) steht einer , dem ich auf Jsola bella am Karfreitage erschien und den Tod einer Schwester kundtat ; er reise fort nach Jschia , dort trifft er seine Schwester an . "
Ergriffen und ergrimmend mußte Albano diese Worte hören , die Gestalt des Vaters des Todes auf jener Insel sah er jetzt recht klar auf der Ruine ; und dessen Versprechen , ihm an einem Karfreitage zu erscheinen , fiel ihm wieder ein .
Er suchte sich jetzt an der Ruine hinaufzuarbeiten , um den Mönch zu packen .
Ein Molaner rief , da er die fremde Sprache hörte , der Mönch spricht mit dem Teufel .
-- Der Himmelfahrer sagte nichts dawider -- er zitterte heftiger -- aber das Volk suchte den , der es gesagt , und schrie : der mit der Maske sei es , denn der sei nicht mehr zu finden .
Endlich bat der Mönch bebend , sie möchten still sein , wenn er verschwinde , und für ihn beten , und nie seinen Körper suchen .
Albano war ihm jetzt , von Dian ungesehen , nahe hinter dem Rücken .
Da kam hoch im dunklen Blau ein Zug Wachteln langsam geflogen .
Der Mönch hob sich schnell und wankend auf -- zerstreute die Vögel -- rief in dunkler Ferne : betet -- und schwand in die weiten Lüfte dahin .
Das Volk rief und jauchzte und betete zum Teil , viele glaubten jetzt , der Teufel sei im Spiel .
Unter den Zuschauern lag ein Mensch mit dem Gesicht auf der Erde und rief immer : Gott sei mir gnädig !
Aber niemand brachte ihn zu einer Erklärung .
Dian , heimlich ein wenig übergläubig , sagte : hier stehe ihm der Verstand still .
Aber Albano erklärte , schon lange zucke und ziehe ein Geister-Komplott an seinem Lebensvorhang , allein irgend einmal greif er gewiß glücklich durch den Vorhang durch , und er sei fest entschlossen , sogleich von Neapel nach Ischia überzugehen , um seine Schwester zu suchen .
" Wahrlich , ( setzt ' er dazu , ) in diesem Mutterlande der Wunderphantasie und jeder Größe glaubt man so leicht schöne gebende Wunder des Schicksals , wie in Norden entsetzliche raubende Wunder der Geister . "
Dian war auch für den frühsten Besuch der Insel Ischia , " weil sonst ( setzt ' er dazu ) , wenn Albano in Neapel seine Briefe übergeben hätte und in die Ricevimenti hinein oder auf den Posillipo und den Vesuv hinaufgeraten wäre , dann kein Wegkommen sein würde . "
Am Tage darauf gingen sie von Mola ab .
-- Das schöne Meer deckte sich an ihrem Wege auf und zu und nur der goldene Himmel verhüllte sich nie .
Neapels Freudenbecher berauschte schon von Fernen mit seinem Dufte und Geiste .
Albano warf trunkene Blicke auf die campania felice , auf das Coliseo im Kapua und auf den weiten Garten voll Gärten und sogar auf die rauhe appische Straße , die ihr alter Nahme sanfter machte .
Aber er seufzte nach der Insel Ischia , diesem Arkadien des Meers , und dieser Wunderstelle , wo er eine Schwester finden sollte .
Sie konnten nicht eher als Sonnabends in der Vornacht -- wenn anders Wachen und glänzendes Leben eine ist , besonders eine welsche Sonnabends-Nacht -- in Aversa ankommen .
Albano bestand darauf , in der Nacht fortzureisen nach Neapel .
Dian wollte noch ungern .
Zufällig stand ein schönes etwan vierzehnjähriges Mädchen im Posthause , sehr betrübt über die verfehlte Post , und entschlossen , noch diese Nacht nach Neapel zu gehen , um am heiligen Sonntag noch früh genug nach Ischia zu kommen , wo ihre Eltern waren .
" Aus Santa Agata ( sagte sie ) komme sie her , heiße aber nur Agata , und nicht Santa . "
" Wahrscheinlich ihr alter Spaß , " sagte Dian , war aber nun -- bei seinem Umschweben jeder schönen Form -- selber recht zur Nachtreise aufgelegt , damit man die Schwarzäugige , die freudig und hell in fremdes Augenfeuer blickte , fortbringen könnte .
Sie nahm es lustig an , und schwatzte vertraut wie ein Naturforscher viel vom Epomeo und Vesuv und weissagte ihnen unzählige Freuden auf der Insel und zeigte überall eine verständige Besonnenheit weit über ihr Alter .
Endlich Endlich flogen sie alle unter die hellen Sterne in die schöne Nacht hinaus .
109. Zykel .
Albano fährt in der Beschreibung seiner Reise so fort :
" Eine helle Nacht ohne Gleichen !
Die Sterne allein erhellten schon die Erde und die Milchstraße war silbern .
Eine einzige mit Weinblüten durchflochtene Allee führte der Prachtstadt zu .
Überall hörte man Menschen , bald nahes Reden , bald fernes Singen .
Aus schwarzen Kastanienwäldern auf mondhellen Hügeln riefen die Nachtigallen einander zu .
Ein armes schlafendes Mädchen , das wir mitgenommen , hörte das Tönen bis in den Traum hinab und sang nach und blickte , wenn es sich damit geweckt , verwirrt und süßlächelnd umher , mit dem ganzen Ton und Traum noch in der Brust .
Singend rollte auf einem dünnen leichten Wagen mit zwei Rädern , ein Fuhrmann auf der Deichsel stehend lustig vorüber .
-- Weiber trugen in der Kühle schon große Körbe voll Blumen nach der Stadt : Titan IV. H -- in den Fernen neben uns dufteten ganze Paradiese aus Blumenkelchen ; und das Herz und die Brust sogen zugleich den Liebestrank der süßen Luft .
-- Der Mond war hell wie eine Sonne an den hohen Himmel heraufgezogen und der Horizont wurde von Sternen vergoldet -- und am ganzen wolkenlosen Himmel stand die düstere Wolkensäule des Vesuv's in Osten allein .
-- Tief in der Nacht nach zwei Uhr rollten wir in und durch die lange Prachtstadt , worin noch der lebendige Tag Fortblüte .
Heitere Menschen füllten die Straßen -- die Balkons warfen sich Gesänge zu -- auf den Dächern blühten Blumen und Bäume zwischen Lampen und die Horen-Glöckchen vermehrten den Tag und der Mond schien zu wärmen .
Nur zuweilen schlief ein Mensch zwischen den Säulengängen gleichsam an seinem Mittagsschlafe .
-- Dian , aller Verhältnisse kundig , ließ an einem Hause auf der Süd- und Meerseite halten , und ging tief in die Stadt , um durch alte Bekannte die Abfahrt nach der Insel zu berichtigen , damit man gerade bei Sonnenauf Gang aus dem Meere herüber die herrliche Stadt mit ihrem Golf und ihren langen Küsten am reichsten auffasste .
Die Ischianerinn wickelte sich in ihren blauen Schleier gegen Mücken und entschlief am schwarzsandigen Ufer .
Ich ging allein auf und ab , für mich gab es keine Nacht und kein Haus .
Das Meer schlief , die Erde schien wach .
Ich sah in dem eiligen Schimmer ( der Mond sank schon dem Posillipo zu , ) an dieser göttlichen Grenzstadt der Wasserwelt , an diesem aufsteigenden Gebirge von Palästen hinauf bis wo das hohe Sand Elmo-Schloß weiß aus dem grünen Strauße blickt .
Mit zwei Armen umfasste die Erde das schöne Meer , auf ihrem rechten , auf dem Posillipo trug sie blühende Weinberge weit in die Wellen und auf dem linken hielt sie Städte und umspannte seine Wogen und seine Schiffe und zog sie an ihre Brust heran .
Wie eine Sphinx lag dunkel das zackige Kapri am Horizont im Wasser und bewachte die Pforte des Golfs .
Hinter der Stadt rauchte im Äther der H 2 Vulkan und zuweilen spielten Funken zwischen den Sternen .
Jetzt sank der Mond hinter die Ulmen des Posilips hinab , die Stadt verfinsterte sich , das Getöse der Nacht verklang , Fischer stiegen aus , löschten ihre Fackeln und legten sich ans Ufer , die Erde schien einzuschlafen , aber das Meer aufzuwachen .
Ein Wind von der Sorrentinischen Küste trieb die stillen Wellen auf -- heller schimmerte Sorrento's Sichel vom Monde zurück und vom Morgen zugleich wie silberne Fluren -- Vesuv's Rauchsäule wurde abgeweht und vom Feuerberg zog sich eine lange reine Morgenröte über die Küste hinauf wie über eine fremde Welt .
O es war der dämmernde Morgen , voll von jugendlichen Ahnungen !
Spricht nicht die Landschaft , der Berg , die Küste gleich einem Echo desto mehr Silben zur Seele , je ferner sie sind ? --
Wie jung fühlte ich die Welt und mich und der ganze Morgen meines Lebens war in diesen gedrängt !
Mein Freund kam -- alles war berichtigt -- die Schiffer angekommen -- Agata wurde zur Freude geweckt -- und wir stiegen ein , als die Morgenröte die Gebirge entzündete , und aufgebläht von Morgenlüften flog das Schiffchen ins Meer hinaus .
Ehe wir noch um das Vorgebirge des Posillipo herumschifften , warf der Krater des Vesuv's den glühenden Sohn , die Sonne , langsam in den Himmel und Meer und Erde entbrannten .
Neapels halber Erdgürtel mit morgenroten Palästen , sein Marktplatz von flatternden Schiffen , das Gewimmel seiner Landhäuser an den Bergen und am Ufer hinauf und sein grünender Thron von S. Elmo , standen stolz zwischen zwei Bergen , vor dem Meere .
Da wir um den Posillipo kamen , stand Ischia's Epomeo wie ein Riese des Meers in der Ferne , mit einem Wald umgürtet und mit kahlem weißen Haupt .
Allmählich erschienen auf der unermeßlichen Ebene die Inseln nach einander wie zerstreute Dörfer und wild drangen und wateten die Vorgebürge in das Meer .
Jetzt tat sich gewaltiger und lebendiger als das vertrocknete vereinzelte starre Land , das Wasserreich auf , dessen Kräfte alle , von den Strömen und Wellen an bis zum Tropfen , zusammengreifen und sich zugleich bewegen .
-- Allmächtiges und doch sanftes Element !
Grimmig schießest du auf die Länder und verschlingst sie und mit deinen aushöhlenden Polypenarmen liegst du an der ganzen Kugel .
Aber du bändigst die wilden Ströme und zerschmelzest sie zu Wellen , sanft spielest du mit deinen kleinen Kindern , den Inseln , und spielest an der Hand , die aus der leichten Gondel hängt , und schickst deine kleinen Wellen , die vor uns spielen , dann uns tragen , und dann hinter uns spielen .
Als wir vor dem kleinen Nisita vorbei kamen , wo einst Brutus und Kato nach Zäsar's Tod Schutzwehr suchten -- als wir vor dem zauberischen Baja und dem Zauberschlosse , wo einst drei Römer die Teilung der Welt beschlossen , und vor dem ganzen Vorgebürge vorübergingen , wo die Landhäuser der großen Römer standen , und als wir nach dem Berge von Cuma hinabsahen , hinter welchem Szipio Afrikanus in seinem Linternum lebte und starb :
so ergriff mich das hohe Leben der alten Großen und ich sagte zu meinem Freunde :
" " Welche Menschen waren das !
Kaum erfahren wir es gelegentlich im Plinius oder Cicero , daß einer von ihnen dort ein Landhaus hat , oder daß es ein schönes Neapel gibt , -- mitten aus dem Freudenmeer der Natur wachsen und tragen ihre Lorbeer so gut wie aus dem Eismeere Deutschlands und Englands , oder aus Arabiens Sand -- in Wüssten und in Paradiesen schlugen ihre starken Herzen gleich fort und für diese Weltseelen gab es keine Wohnung , außer die Welt .
Nur bei solchen Seelen sind Empfindungen fast mehr wert als Taten , ein Römer konnte hier groß vor Freude weinen !
Dian , sage , was kann der neuere Mensch dafür , daß er so spät lebt hinter ihren Ruinen ? " " -- Jugend und Ruinen , einstürzende Vergangenheit und ewige Lebensfülle bedeckten das meißenische Gestade und die ganze unabsehliche Küste -- an die zerbrochenen Aschenkrüge toter Götter , an die zerstückten Tempel Merkurs , Dianes , spielte die fröhliche leichte Welle und die ewige Sonne -- alte einsame Brückenpfeiler im Meer , einsame Tempelsäulen und Bogen sprachen im üppigen Lebensglanze das ernste Wort -- die alten heiligen Namen der elysäischen Felder , des Avernus , des toten Meers wohnten noch auf der Küste -- Felsen- und Tempeltrümmer lagen unter einander auf der bunten Lava -- alles blühte und lebte , das Mädchen und die Schiffer sangen -- die Berge und die Inseln standen groß im jungen feurigen Tage -- Delphine zogen spielend neben uns -- singende Lerchen wirbelten sich im Äther über ihre engen Inseln heraus -- und aus allen Enden des Horizonts kamen Schiffe herauf und flogen pfeilschnell dahin .
Es war die göttliche Überfülle und Vermischung der Welt vor mir , brausende Saiten des Lebens waren über den Saitensteg des Vesuv's und Posilip's herüber bis an den Epomeo gespannt .
Plötzlich donnerte es Einmal durch den blauen Himmel über das Meer her .
Das Mädchen fragte mich :
" " warum werdet Ihr bleich ? es ist nur der Vesuv . " "
Da war ein Gott mir nahe , ja Himmel , Erde und Meer traten als drei Gottheiten vor mich -- von einem göttlichen Morgensturm wurde das Traumbuch des Lebens rauschend aufgeblättert und überall las ich unsere Träume und ihre Auslegungen . --
Nach einiger Zeit kamen wir an ein langes den Norden verschlingendes Land , gleichsam der Fuß eines einzigen Bergs , es war schon das holde Ischia und ich stieg selig-trunken aus und da erst dachte ich an das Versprechen daß ich da eine Schwester finden sollte . " 110. Zykel .
Bewegt , gleichsam feierlich betrat Albano das kühle Eiland , es war ihm als wehten ihm die Lüfte immer die Worte zu : der Ort der Ruhe .
Agata bat sie beide , bei ihren Eltern zu wohnen , deren Haus am Ufer , nicht weit vom Vorstädtchen * ) , liege .
Als sie über die Brücke gingen , die den grünen mit Häusern umwundenen Fels mit dem Ufer und dem Städtchen zusammenhängt :
so zeigte sie freudig in Osten das einzelne Haus .
Wie sie so langsam gingen und sich der hohe runde Felsen und die Häuserreihe im Wasser abspiegelte -- und wie auf den flachen Dächern die schönen Wei * ) Borgo d' Jschia . ber , welche die Feier-Lampen für den Abend ordneten , zu einander emsig herübersprachen und wie sie die wiederkommende Agata grüßten und fragten -- und wie alle Gesichter so heiter waren , alle Gestalten so zierlich und selber die ärmste in Seide -- und wie die lebendigen Knaben kleine Kastaniengipfel niederzogen -- und wie der alte Vater der Insel , der hohe Epomeo , vor ihnen ganz in Weinlaub und Frühlingsblumen gekleidet stand , aus deren süßem Grün nur zerstreute weiße Lusthäuser beglückter Berganwohner schauten :
so war es Albano als sei ihm das lästige Gepäcke des Lebens in die Wellen entfallen und die aufrechte Brust sauge weit den kühlen von Elysium her wehenden Äther ein ; -- über dem Meere drüben lag die vorige stürmische Welt mit ihren heißen Küsten .
Agata führte beide ins elterliche Haus am östlichen Abhang des Epomeo und rief sogleich im lauten frohlockenden Empfang eben so laut : " Das sind zwei brave Herren , die ins Haus wollen . "
Der Vater sagte sofort :
" Willkommen , Exzellenzen !
Ihr sollt gern die Zimmer behalten , wenn auch nachher viele Badgäste kommen .
Ihr findet nirgends besseres Quartier .
Ich war sonst nur ein " " Dreher " " in der Fayence-Fabrik ; aber seit acht Jahren bin ich ein Winzer und kann etwas geben .
Wenn war denn irgend ein Dezember und März * ) besser als diesmal ?
Befehlt , Exzellenzen ! "
-- Plötzlich weinte Agata ; die Mutter hatte ihr das Begräbnis der jüngsten Schwester berichtet , zu dessen Feier , nach der Sitte der Insel , heute ein Freuden-Abend angeordnet war , weil man einander zur ewigen seligmachenden Bestätigung einer Kindes-Unschuld durch den Tod Glück zu wünschen pflegte .
Der Alte wollte erst recht ins Erzählen eingehen , als Dian seinen Albano bat , nach so langer Seelen- und Körperbewegung schlummern zu gehen bis Sonnenuntergang , wo er ihn wecke .
Agata wies ihm sein kühles Zimmer an und er ging hinauf .
* )
Er meint die Traube , die dreimal des Jahres da gewonnen wird , im Dezember , März und August .
Hier vor dem kühlenden See-Zephyr war das Einschlummern schon der Schlummer , und das nachklingende Träumen schon der Schlaf .
Sein Traum war ein unaufhörliches Lied , das sich selber sang : der Morgen ist eine Rose , der Tag eine Tulpe , die Nacht ist eine Lilie und der Abend ist wieder ein Morgen .
Er träumte endlich sich in einen langen Schlaf hinab . --
Spät , im Dunklen , schlug er verjüngt wie ein Adam im Paradies das Auge auf , aber er wußte nicht , wo er war . --
Er hörte fernes süßes Tönen , -- unbekannte Blütendüfte durchschwammen die Luft -- er sah hinaus , der dunkle Himmel war mit goldenen Sternen wie mit feurigen Blüten bestreuet -- an der Erde , auf dem Meere schwebten Lichter-Heere und in tiefer Ferne hing eine helle Flamme mitten im Himmel fest .
Ein unbekannter Traum verwirrte noch die wirkliche Bühne mit einer verschwundenen , und Albano ging durch das stille menschenleere Haus fortträumend heraus ins Freie wie in eine Geisterinsel .
Hier zogen ihn Nachtigallen zuerst mit Tönen in die Welt herein .
Er fand den Namen Ischia wieder , und sah nun , daß das Schloß auf dem Felsen und die lange Dächer-Gasse der Ufer-Stadt voll brennender Lampen stand .
-- Er ging auf die erleuchtete von Menschen umlagerte Stelle der Töne zu , und fand eine ganz in Freudenfeuern stehende Kapelle .
Einer Madonna und ihrem Kinde in der Nische wurde unter dem geschwätzigen Rausche der Freude und Andacht eine Nachtmusik vorgespielt .
Hier fand er seine Wirtsleute wieder , die ihn alle im Jubel ganz vergessen hatten , und Dian sagte : " ich hätte Euch schon geweckt , die Nacht und die Lust währt noch lange . "
" Hört und seht doch dort den göttlichen Vesuvio , der das Fest so recht gut mitfeiert , " rief Dian , der sich so tief in die Wellen der Freude eintauchte , als irgend ein Ischianer .
Albano sah hinüber nach der hoch im Sternenhimmel webenden Flamme , die wie ein Gott den großen Donner unter sich hatte , und die Nacht hatte das meißenische Vorgebirge wie eine Wolke neben dem Vulkan aufgerichtet .
Neben ihnen brannten tausend Lampen auf dem königlichen Palaste der nahen Insel Prozita .
Indem er über das Meer hinblickte , dessen Küsten in die Nacht versunken waren und das unermeßlich und finster als eine zweite Nacht dahin lag : so sah er zuweilen einen zerfließenden Glanz darüber schweifen , der immer breiter und heller floß .
Auch zeigte sich eine ferne Fackel in der Luft , deren Lodern lange Feuer- Furchen durch die flimmernden Wellen zog .
Es kam eine Barke näher mit eingezogenem Segel , weil der Wind vom Lande ging .
Weibliche Gestalten erschienen auf ihr , worunter eine nach dem Vesuv gewandte von königlichem Wuchs , an deren rotem Seidenkleide der Fackelschein lang herunterfloß , das Auge fest hielt .
Wie sie näher schifften und das helle Meer unter den schlagenden Rudern auf beiden Seiten aufbrannte :
so schien eine Göttin zu kommen , um welche das Meer mit entzückten Flammen schwimmt und die es nicht weiß .
Alle stiegen ln einiger Ferne ans Land , wo bestellte Diener , wie es schien , dazu gewartet hatten , um alles zu erleichtern .
Von der langen Gestalt nahm eine kleine mit einer Doppellorgnette versehene einen kurzen Abschied und ging mit einem ansehnlichen Gefolge fort .
Die rotgekleidete zog einen weißen Schleier über das Gesicht und ging , von zwei Jungfrauen begleitet , ernst und einer Fürstin ähnlich , der Stelle zu , wo Albano und die Töne waren .
Albano stand nahe an ihr , zwei große schwarze Augen mit Feuer gefüllt und mit innigem Ernst auf dem Leben ruhend strahlten durch den Schleier , der die stolze gerade Stirn und Nase verriet .
In der ganzen Erscheinung war für ihn etwas Bekanntes und doch großes , sie kam ihm als eine Feenkönigin vor , die vorlängst sich mit einem himmlischen Angesicht über seine Wiege lächelnd und begabend hereingebückt und die nun der Geist mit alter Liebe wieder erkennt .
Er dachte wohl an einen Namen , den ihm Geister genannt , aber diese Gegenwart schien hier nicht möglich .
Sie heftete ihr Auge mit Wohlgefallen und Aufmerksamkeit auf das Spiel zweier Jungfrauen , welche niedlich in Seide gekleidet , mit Gold besetzten seidenen Schürzen zur Tamburine ei einer Dritten anmutig mit verschämt gesenktem Haupte und gesenkten Augen tanzten ; die beiden anderen von der Fremden mitgebrachten Jungfrauen und Agata sangen mit italienischer halber Stimme süß zur holden Lust .
" Es geschieht alles ( sagte ein alter Mann zur Fremden , ) in der Tat zur Ehre der heil. Jungfrau und des heil. Nikola . "
Sie nickte langsam ein ernstes Ja .
Da stand plötzlich Luna , vom Opferfeuer des Vesuv's umspielet , drüben am Himmel , als die stolze Göttin des Sonnengottes , nicht bleich sondern feurig , gleichsam eine Donnergöttin über dem Donner des Bergs -- und Albano rief unwillkürlich :
" Gott , der große Mond ! "
-- Schnell hob die Fremde den Schleier zurück und sah sich bedeutend nach der Stimme wie nach einer bekannten um ; als sie den fremden Jüngling lange angeblickt , wandte sie sich nach dem Monde über dem Vesuv .
Aber Albano war von einem Gott erschüttert , und von einem Wunder geblendet ; er sah hier Linda de Romeiro .
Als sie den Schleier hob , strömte Schönheit und Glanz aus einer auf aufgehenden Sonne ; zarte jungfräuliche Farben , liebliche Linien und süße Fülle der Jugend spielten wie ein Blumenkranz um eine Götterstirn , mit weichen Blüten um den heiligen Ernst und mächtigen Willen auf Stirn und Lippe , und um die dunkle Glut des großen Auges .
Wie hatten die Bilder über sie gelogen und diesen Geist und dieses Leben so schwach ausgesprochen !
Als wollte die Zeit die glänzende Erscheinung würdig umgeben , so schön spielten Himmel und Erde mit allen Strahlen des Lebens in einander -- liebesdurstig flogen Sterne wie Himmelsschmetterlinge ins Meer -- der Mond war über die ungestüme Erdflamme des Vesuv's weggezogen und bedeckte mit seinem zarten Licht die frohe Welt , das Meer und die Ufer -- der Epomeo schwebte mit seinen versilberten Wäldern und mit der Einsiedelei seines Gipfels hoch im Nacht-Blau -- daneben lebten die singenden , tanzenden Menschen mit ihren Gebeten und ihren Fest-Raketen , die sie in die Höhe warfen . -- --
Da Linda lange über das Meer nach dem Vesuv gesehen : redete sie den stillen Al Titan IV. I bano , um seinem Ausruf zu antworten und ihr schnelles anblickendes Umwenden nach ihm gut zu machen , selber an : " ich komme vom Vesuv , ( sagte sie , ) aber er ist eben so erhaben in der Nähe als in der Ferne , was so selten ist . " -- Ganz fremd und geistermäßig klang es ihm , daß er diese Stimme wirklich hörte .
Mit sehr bewegter versetzt er : " aber in diesem Lande ist ja alles groß , sogar das Kleine durch das Große -- diese kleine Menschenfreude hier zwischen dem ausgebrannten Vulkan * ) und dem brennenden -- alles ist eins und darum recht und so göttlich . "
Zugleich an- und weggezogen , ihn nicht kennend , obwohl vorhin von seiner Stimmen-Ähnlichkeit mit Roquairol getroffen , seinen einfachen Worten gern nachdenkend , blickte sie länger als sie merkte das redliche , aber trotzige und warme Auge des Jünglings an ; antwortete nichts , wandte sich langsam ab und sah wieder still den Spielen zu .
Dian , der schon lange die schöne Fremde * )
Die Insel Ischia selber . angesehen , fand endlich in seinem Gedächtnis ihren Namen und kam zu ihr mit der halb stolzen halb verlegenen Miene der Künstler gegen den Stand .
Sie kannte ihn nicht wieder .
" Der Grieche Dian , ( sagte Albano , ) edle Gräfin ! "
-- Verwundert über des Grafen Erkennung sagte sie zu diesem : " ich kenne Sie nicht . "
-- " Meinen Vater kennen Sie , ( sagte Albano , ) den Ritter von Cesara . "
-- " O dio ! " rief die Spanierin erschrocken , wurde eine Lilie , eine Rose , eine Flamme , suchte sich zu fassen und sagte : " wie sonderbar !
Eine Freundin von Ihnen , die Prinzessin Julienne , ist auch hier . "
Das Gespräch floß jetzt ebener .
Sie sprach von seinem Vater und drückte als Mündel ihre Dankbarkeit aus : " es ist eine mächtige Natur , die sich vor allem Gemeinen bewahrt , " sagte sie , sogleich gegen die vornehme Sitte schon teilnehmend von Personen sprechend .
Den Sohn beglückte das Lob auf einen Vater , er erhöhte es und fragte in froher Erwartung wie sie seine Kälte nehme .
" Kälte ? --
( sagte sie lebhaft , ) das Wort , I 2 hasse ich recht ; wenn einmal ein seltener Mensch einen ganzen Willen hat und keinen halben und auf seiner Kraft beruht und nicht wie ein Schaltier sich an jedes andere klebt :
so heißt er kalt .
Ist die Sonne in der Nähe nicht auch kalt ? "
-- " Der Tod ist kalt , ( rief Albano sehr bewegt , weil er oft selber mehr Kraft als Liebe zu haben glaubte , ) aber eine erhabene Kälte , eine erhabene Qual kann es wohl geben , die mit Adlersklaue das Herz in die Höhe entführt , aber es zerreisset mitten im Himmel und vor der Sonne . "
Sie sah ihn groß an :
" Ihr sprecht ja wie ein Weib ; ( sagte sie ) das allein hat ohne die Macht der Liebe nichts zu wollen und zu tun ; aber es war artig . " -- Dian , zu allgemeinen Betrachtungen verdorben und nur zu individuellen tüchtig , unterbrach sie mit Fragen über einzelne Kunstwerke in Neapel ; sie teilte sehr offen ihre eigentümliche Ansicht mit , obwohl ziemlich entscheidend .
Albano dachte zuerst an seinen zeichnenden Freund Schoppe und fragte nach ihm : " bei meiner Abreise ( sagte sie ) war er noch in Pestiz , ob ich gleich nicht begreife , was ein so ungemeines Wesen da will -- es ist ein gewaltiger Mensch , aber verworren und nicht klar .
Er ist sehr Ihr Freund . "
-- " Was macht ( fragte Dian halb scherzend ) mein alter Gönner , der Lektor Augusti ? "
-- Sie antwortete kurz und fast über dessen vertrauliches Fragen empfindlich : " es geht ihm gut am Hofe . "
-- " Wenigen Naturen ( wandte sie sich über Augusti fortfahrend an Albano ) geschieht so viel Unrecht des Urteils als solchen einfachen , kühlen , konsequenten wie der seinigen . "
Albano konnte nicht ganz Ja sagen ; aber er erkannte in ihrer Achtung für die fremdeste Eigentümlichkeit froh die Schülerin seines Vaters , der ein Gewächs nicht nach der glatten oder rauhen Rinde , sondern nach der Blüte schätzte .
Nie zeichnet der Mensch den eigenen Charakter schärfer als in seiner Manier , einen fremden zu zeichnen .
Aber Linda's hohe Offenherzigkeit dabei , die feingebildeten Weibern so oft abgeht als kräftigen Männern Feinheit und Hülle , ergriff den Jüngling am stärksten und er glaubte zu sündigen , wenn er nicht seine große natürliche gegen sie verdoppelte .
Sie rief ihre Jungfrauen zum Fortgehen .
Dian ging fort .
" Diese sind mir nötiger , ( sagte sie zu Albano ) als sie es scheinen . "
Sie habe nämlich , erzählte sie , etwas von der Augenkrankheit * ) vieler Spanierinnen , Nachts unendlich kurzsichtig zu sein .
Er bat , sie begleiten zu dürfen , und es geschah ; er wollte sie führen ihrer Anmerkung wegen , sie verbat .
Unter dem Gehen stand sie oft still , um nach der schönen Flamme des Vesuvs zu blicken .
" Er steht ( sagte Albano ) in diesem Hirtengedicht der Natur als eine tragische Muse da und hebt alles wie ein Krieg die Zeit . "
-- " Glauben Sie das vom Krieg ? " sagte sie .
-- " Entweder große Menschen , ( versetzte er ) oder große Zwecke muß ein Mensch vor sich haben , sonst vergehen seine Kräfte , wie dem Magnet die seinigen , wenn er lange nicht nach den rechten Welt-Ecken gekehrt gelegen . "
-- " Wie * ) Taggesicht ( Hemeralopie ) ist gewöhnlich in heißen Ländern ; der stärkste Grad ist , Nachts , sogar gegen Licht blind zu sein und erst am Morgen wieder sehend . wahr ! --
( sagte sie . )
Was sagen Sie zu einem gallischen Krieg ? " --
Er bekannte seinen Wunsch für dessen Entstehung und die eigene Teilnahme daran .
Er konnte , sogar auf Kosten seiner Zukunft , gegen sie nichts sein als offenherzig .
" Selig seid Ihr Männer , ( sagte sie ) Ihr grabt Euch durch den Lebens-Schnee durch und trefft endlich die grüne Saat darunter an .
Das kann keine Frau .
Ein Weib ist doch ein dummes Ding der Natur .
Ich ehre ein Paar Häupter der Revolution , besonders das politische Kraft-Ungeheuer , den Mirabeau , ob ich ihn gleich nicht lieb haben kann . "
Unter diesen Reden stiegen sie am Epomeo auf .
Agata begleitete die beiden Gespielinnen ihrer früheren Zeit mit voller Zunge und hungrigem Ohr für so viele gegenseitige Neuigkeiten .
Da er jetzt neben der schönen Jungfrau ging und zuweilen in das Angesicht blickte , das durch die geistige Kraft noch schöner wurde , zugleich Blume , Blüte und Frucht , statt daß sonst umgekehrt der Kopf durch das Gesicht gewinnt :
so richtete er strenge über sein bisheriges Betragen gegen dieses edle Wesen ; ob er gleich wie sie aus Zartheit über das bisherige Gaukelspiel mit ihrem Namen so wie über das Wunder des heutigen Begegnens schwieg . -- Still gingen sie in der seltenen Nacht und Gegend .
Auf einmal blieb sie auf einer Höhe stehen , um welche der Brautschatz der Natur nach allen Seiten in Bergen aufgehäuft war .
Sie blickten im Glanze umher , der Schwan des Himmels , der Mond , wogte fern vom Vesuve im hohen Äther -- die Riesenschlange der Erde , das Meer , schlief fest in ihrem von Pol zu Pol reichenden Bette -- die Küsten und Vorgebürge dämmerten nur wie Mitternachts träume -- Klüfte voll Baumblüten flossen über von ätherischem Tau aus Licht und unten in Tälern standen finstere Rauchsäulen auf heißen Quellen und verwalten oben in Glanz -- hoch lagen überall erleuchtete Kapellen und tief um das Ufer dunkle Städte -- die Winde standen still , die Rosendüfte und die Myrtendüfte zogen allein -- weich und lau umfloß die blaue Nacht die entzückte Erde , um den warmen Mond wich der Äther aus und er sank liebestrunken mitten aus dem Himmel immer größer auf den süßen Erdenfrühling herein -- der Vesuv stand jetzt ohne Flamme und ohne Donner , weiß von Sand oder Schnee , in Morgen -- im dunkleren Blau waren die Goldkörner der feurigen Sterne weit auseinander gesät . -- --
Es war die seltene Zeit , wo das Leben den Durchgang durch eine überirdische Sonne hat .
Albano und Linda begegneten sich mit heiligen Augen und die Blicke lösten sich wieder sanft auseinander ; sie schauten in die Welt und in das Herz und sprachen nichts aus .
Linda kehrte sich sanft um und gierig still weiter .
Da rief auf einmal eines der nachgehenden geschwätzigen Mädchen aus : " es kommt wahrlich ein Erdbeben , ich fühle es recht , gute Nacht ! "
-- Es war Agata .
" Gott gebe ' eines , " sagte Albano .
" O warum ? " sagte Linda eifrig aber leise .
-- " Alles was die unendliche Mutter will und gibt , ist mir heute kindlich-lieb , sogar der Tod -- gehören wir nicht mit zu ihrer Unsterblichkeit ? " sagte er .
-- " Ja , das darf in der Freude der Mensch fühlen und glauben , nur im Schmerze spreche er nicht von Unsterblichkeit , in solcher Seelenohnmacht ist er ihrer nicht würdig . "
Albano's Geist stand hier von der Fürstenbank auf , um die hohe Verwandte zu grüßen und sagte :
" Unsterbliche ! und wäre es sonst niemand ! "
Sie lächelte still und ging fort .
Sein Herz war ein beschriebenes Asbestblatt ins Feuer geworfen , brennend , nicht verbrennend , das ganze vorige Leben losch weg , das Blatt glänzte feurig und rein für Linda's Hand .
Als sie die letzte Anhöhe erreichten , worunter Linda's und Julienne Wohnung lag und sie neben einander zur Trennung standen , da rief plötzlich unten das Mädchen : " ein Erdbeben ! "
-- Aus der Hölle heran rollte ein Donnerwagen in den unterirdischen Wegen -- ein breiter Blitz schlug die Flügel am reinen Himmel unter den Sternen auf und zu -- die Erde und die Sterne zitterten und aufgeschreckte Adler flogen durch die hohe Nacht .
-- Albano hatte die Hände der wankenden Linda ergriff fen .
Ihr Angesicht war vor dem Monde zu einer blassen Götter-Statue aus Marmor verblüht .
Es war schon vorbei ; nur einige Sterne der Erde schossen noch aus dem festen Himmel ins Meer und wunderbare Wolken zogen unten ringsherum auf .
" Bin ich nicht recht furchtsam ? " sagte sie weich .
Albano schaute ihr lebendig und heiter wie ein Sonnengott im Morgenrot ins Angesicht und drückte ihre Hände .
Sie wollte sie heftig wegziehen .
" Gib sie mir ewig ! " sagte er heftig .
-- " Kühner Mensch , ( sagte sie verwirrt , ) wer bist Du ? --
Kennst Du mich ? --
Wenn Du bist wie ich , so schwöre und sage , ob Du immer wahr gewesen ? "
-- Albano sah gen Himmel , sein Leben wurde gewogen , Gott war nahe bei ihm , er antwortete sanft und fest : " Linda , immer ! "
-- " Ich auch ! " sagte sie und neigte schamhaft das schöne Haupt an seine Brust , hob es aber sogleich wieder auf mit den großen feuchten Augen und sagte schnell : " gehen Sie jetzt !
Früh Morgens kommen Sie , Albano !
Adio , adio ! " --
Die Mädchen kamen herauf , Albano ging hinab , die Brust gefüllt mit Lebenswärme , mit Lebensglanz -- die Natur wehte mit frischeren Düften aus den Gärten her -- das Meer rauschte unten wieder und auf dem Vesuv brannte eine Amors-Fackel , ein Freudenfeuer -- durch den Nacht-Himmel zogen noch einige Adler nach dem Mond wie nach einer Sonne -- und an das Himmels-Gewölbe war die Himmelsleiter aus goldenen Sprossen von Sternen gelehnt .
Da Albano so einsam in der Seligkeit ging , aufgelöst in die Wonne der Liebe , in den Duft der Täler , in den Glanz der Höhen , träumend , schwebend :
so sah er Zugvögel über das Meer gegen den Apennin nach Deutschland fliegen , wo Liane gelebt .
" Heilige droben , ( rief sein Herz , ) du wolltest dies Glück , erscheine und segne es ! "
Unerwartet stand er vor einer Kapellen-Nische , worin die heilige Jungfrau stand .
Der Mond verklärte die blasse Statue -- die Jungfrau belebte sich unter dem Glanze und wurde Lianen ähnlicher -- er kniete hin und heiß gab er Gott die Dankgebete und Lianen die Tränen .
Als er aufstand , girrten in Träumen Turteltauben und schlug eine Nachtigall , die heißen Quellen dampften schimmernd , und er hörte das frohe Singen der fernen Menschen herauf .
Neun und zwanzigste Jubelperiode .
Julienne -- die Insel -- Sonnenuntergang -- Neapel -- Vesuv -- Linda's Brief -- Streit -- Abreise. 111. Zykel .
Nach einer langen Nacht wehte der frische Morgen , wo Albano die Schätze des seligsten Traums , die vom Monde geöffneten Blumen des Glücks , vor der Sonne wiederfinden sollte .
Ihm jauchzte das Leben , da er die gestrigen Höhen , die vom Firnis des Lichtes überzogen glänzten , wieder bestieg ; nicht zu einem Rosenfest , sondern zu allen Blumen- und Erntefesten auf einmal , zu Myrten- und Lilienfesten , zu Ährenlesen und Blütenlesen ging die Sonne über den glücklichen Boden hervor , und wie ein Pfau mit seinem schleppenden Regenbogen in einen Blütenbaum hineinfliegt , so hob sich der junge Tag farbenschwer und mit Gärten beladen und voll Widerscheine auf die blauen Höhen und lachte kindlich in die Welt . --
Albano sah jetzt von seiner Höhe unten das Zauberschloß , worein sich gestern die mächtige Zauberin verloren .
Er kam unten an .
Ein singendes Mädchen auf dem blumenvollen Dache , das auf ihn gewartet zu haben schien , zeigte unter dem Fortsingen sich herüberbeugend , ihm das nahe Zimmer unter ihr , in das er gehen sollte .
Er trat hinein ; es war einsam -- durch die Fenster aus geöltem Papier quoll ein wunderliches Morgenlicht -- auf die hölzerne Stubendecke waren Figuren aus dem Herculaneum gemalt -- in einer kammpanischen Vase standen gelbe Schmetterlingsblumen und Myrtenblüten und zogen einen süßen Duftkreis um sich her .
Die sonderbare Umgebung umschloß ihn immer enger , da er gar einige Bilder und Geräte fand , die ihm bekannt vorkamen .
Endlich erblickte er bestürzt auf dem Tische einen halben Ring . --
Er nahm seinen halben hervor , den er im gotischen Zimmer in jener Geisternacht von der angeblichen Schwester bekommen und den er für den Zufall der Vergleichung immer bei sich trug .
Er drückte die Halbzirkel in einander -- plötzlich schlossen sie einfassend sich zu einem festen Ringe zu -- Gott ! dachte er , was greift wieder ins Leben ! --
Da wurde hastig die Tür geöffnet und die Prinzessin Julienne eilte lächelnd und weinend herein und rief , ihm zufliegend :
" o mein Bruder !
Mein Bruder ! "
-- " Julienne , ( sagt ' er ernst und innig , ) bist Du endlich meine Schwester wirklich ? "
-- " O lange genug ist sie es , " versetzte sie und sah ihn zärtlich und selig an und lächelte ins Weinen .
Dann umarmte sie ihn wieder , und sah ihn wieder an und sagte :
" Du schöner Albano-Bruder ! --
So lange bin ich wie ein Mond um Dich herumgezogen und mußte kälter und weiter bleiben wie er ; nun will ich Dich auch ausnehmend liebhaben , so recht zurücklieben und vorwärts dazu ! "
-- " Allmächtiger , ( brach Albano weinend aus , da da er sich so plötzlich von einem gebenden Arm aus der Wolke umschlungen fand , ) das alles gibst Du mir auf einmal jetzt ? "
-- " Ach , ( rief Julienne lebhaft , ) weint ich nur auch vor lauter Freude !
Aber ich esse mein bitteres Stück Schmerz mit dazu !
Lieber Bruder , Luigi schreibt mir gestern aus Pestiz , ich sollte zurückeilen , sonst erlebe er schwerlich meine Wiederkunft .
Dachte ich das bei der Abreise ?
So soll ich , was ich mit der einen Hand einnehme , mit der anderen ausgeben . "
Albano schwieg dazu , weil er am Fürsten keinen Anteil nehmen konnte .
Desto mehr erquickt er sich mit frischer klarer Freude , am offenen wehenden Orient der frühesten Lebenstage , an dem Blicke auf diese junge reine Blume , die gleichsam in und aus der hellen frischen Quelle seiner Kindheit wuchs und spielte .
" Aber Himmel ! erkläre mir ( fing Albano an ) wie alles zugig . "
-- " Jetzt , weiß ich , hebt das Fragen an ( versetzte sie ) .
Die ostensible Hauptsumme sollst Du kurz haben -- fragst Du nach mehr , willst Du ins Geheimbuch gucken , so Schlag ' ich_es zu und sage Dir einige Titan IV. K Lügen vor .
Im nächsten Oktober , wohl eher , kommt alles ans Licht .
Zu allererst !
Meine Mutter war und bleibt wahrlich rein und heilig bei dieser Verwandtschaft , bei dem allmächtigen Gott ! "
-- " Welch ein Rätsel !
( sagt ' er . )
Bist Du die Tochter meines Vaters ?
Ist Luigi mein Bruder ?
Ist meine tote Schwester Severina Deine Schwester ? " fragt er .
Julienne .
Frage den Oktober !
Albano .
Ach Schwester !
Julienne .
O Bruder !
Traue der Tochter Melchisedeks .
Ferner : ich war wohl die erscheinende Schwester , die der Mensch mit dem kahlen Kopfe Dir in Lila zuführte ; ich konnte nicht , ich mußte Dich haben , ehe ' Du ins Ausland entflogst .
Das Alter , das ich damals im Spiegel hatte , war wie Du siehst nur vom Kunstspiegel * ) gemacht .
Albano .
Wahrlich , ich dachte damals an niemand als an Dich .
Nur wie kommt ein * )
Es gibt Metamorphotische Spiegel , die junge Gesichter veraltet darstellen .
Mensch wie der Kahlkopf und wie der Vater des Todes -- der mir so unbegreiflich in Mola vorausgesagt , daß ich Dich finden würde -- -- Julienne .
Das ist unmöglich -- Meinen Namen nannte er ?
Albano .
Bloß dieser fehlte .
Der Pater ist übrigens nach aller Wahrscheinlichkeit mit dem Kahlkopf Ein Mensch .
Er fuhr dabei gen Himmel. Julienne .
Da bleibe er ja und der Andere mit .
Geht und ficht mich oder Dich dieser dunkle Zauber-Bund etwas an , der in seinen falschen Wundern bisher immer durch seltsame wahre unterbrochen wurde ?
Ich kam damals in Lila unschuldig dazu und verhütete vielleicht etwas Fürchterliches .
Albano .
Bei Gott , ich muß fragen .
Was ist denn sein Zweck , wer sein Leiter , sein Oberer ? -- Julienne .
Vermutlich der Vater der Gräfin , denn der lebt noch unbekannt und ungesehen , höre ich , obgleich Dein Vater Vormund ist .
Erstaune , wenn Du zu Hause bist und lasse die Rätsel , die sich ja für uns beide schon K 2 so freudig entwickeln und erwarte die Oktobertage .
Albano .
Aber eins , geliebte Schwester , versage mir doch nicht ein klares Wort über mein und Dein wunderbares Verhältnis zur edlen Gräfin !
Nur das !
Julienne .
Hat Dir es denn schon mein Herz versagt ? --
Die Herrliche ! --
Wohl ihr und mir und Dir !
Dein erstes Wort der Liebe -- die Götter setzten dies nun so fest -- sollte das Merkwort zu dem meinigen an Dich werden , erst von der Geliebten durftest Du die Schwester empfangen .
Was Gaukler und Geister dazu und davon taten , das weiß niemand besser als der -- Oktober ; was soll ich erst lange zwischen Lüge und Meineid auslesen ?
Ich tat bloß alles , euch beide nur vor einander hinzustellen ; das Übrige wusste ich voraus .
Nichts gelang -- lauter erwürgender Wirrwarr -- alles ging bergan -- ich sah teure Menschen * ) in einem unseligen Frühling entsetzliche Schmerzen säen , und dabei so voll Hoffe * ) Ihn und Liane . nun lächeln und konnte ihre unglücklichen Hände nicht halten -- ich , die so gewiß allen Jammer voraus wußte .
" O du fromme reine Seele droben ! " sagte sie auf einmal mit zitternder Lippe zum Himmel hinauf -- die Geschwister umfaßten sich sanft und weinten still über das unschuldige Opfer .
" Nein , ( sagte Albano sehr warm , ) kein Höllenbund konnte uns scheiden , wäre Sie nur bei mir geblieben oder doch auf der Erde . "
-- " Sieh Albano , ( sagte Julienne , ihre froheren Lebensgeister wieder zusammenrufend und öffnete alle dunkele Fenster , ) wie der Morgen- Hügel auf und ab prangt und wallet !
-- Lasse mich ausreden !
Recht zum größten Glück erfuhr ich im Winter , daß Du nach Neapel gedächtest .
Linda war schon einmal da gewesen , und ihre Mutter in den hiesigen Bädern .
" " Mir ( sagt ' ich zu ihr ) täten Ischia's Bäder so wohl als einer , reise mit , den tristen Vormund in Rom wollen wir gar nicht berühren und besuchen . " "
Sie willigte leicht ein . Deiner wurde natürlich nicht gedacht , vorher aber oft genug in Briefen und sonst , wo ich Dich immer unmäßig lobte . --
Und nun nous voici donc . --
Gestern erhielt ich in Neapel den traurigen Brief meines Bruders .
Von Deiner Ankunft wusste ich noch nichts .
Ich ließ die Gräfin allein zu Deinem Ton-Fest gehen und eilte mit dem schweren Herzen heim .
Da sie freudig kam , tat sie ihres auf und sagte mir alles -- und dann ich ihr alles . --
Ach , Gott Lob , ( setzte sie ihm an den Hals fallend dazu , ) daß wir nun endlich im Elysium ausgestiegen sind und daß uns der morsche Charons-Kahn nicht hat ersaufen lassen . --
Aber für ganz Europa , auch für Deinen Dian , bleibt auf unserer Verwandtschaft das Sekretsinsiegel daran , merke ! "
Er mußte noch einige Fragen tun ; sie antwortete immer aufgeweckt , der Oktober , der Oktober ! bis sie auf einmal wie erwachend ausrief :
" o wie kann ich das so lustig sagen ? " aber ohne sich darüber zu erklären .
" Jetzt will ich Dich , wie ich_es bisher machte , zur Gräfin bringen , aber über einen kürzeren Weg ! " sagte sie , nahm seine Hand , führte ihn hinaus , öffnete das Zimmer gegenüber , wo Linda wohnte , und sagte : " ich stelle Dir mei einen Bruder vor . "
Hoch errötend ging ihnen die edle Gestalt entgegen und umarmte ohne ein Wort die liebe Freundin .
Als ihr Auge Albano wiederfand , wurde sie so betroffen , daß sie die Hand zurückzuziehen suchte , die er küßte ; denn sie hatte gestern kaum nur dämmernd sein schönes Auge und seine edle Stirn und den Mund der Liebe gesehen ; und dieser blühende Mensch stand , von doppelter Rührung beseelt , so hell und still und ernst vor ihr , voll edler , rechter Liebe .
Ihr Herz wäre gern an seines gefallen ; wenigstens ihre Hand gab sie ihm in seine wieder und wünschte ihm Glück zu diesem Morgen .
Die nahe Antwort : " und zum gestrigen Abend , " konnte er nicht über die Lippe bringen , aus eigener verschämter Scheu , Lob zu geben wie zu nehmen .
" Endlich ist der dritte Mann zum Reise-Kollegium gefunden ( sagte Julienne ) .
Denn Du mußt in einigen Tagen gleich fort , nach Pestiz mußt Du mit , Albano . ' ,
" Ich mit , Schwester ?
( sagt ' er ) ich wollte einen Monat bleiben , in einige Tage aber ist der Besuch des Vesuvs , Herkulanums und Neapels zusammengedrängt . "
-- Er wunderte sich nachher selber über den süßen Gehorsam unter die schönen Befehle der Liebe , da er sonst zu sagen pflegte : " befiehl mir , zu befehlen :
so gehorche ich nicht . "
-- " Ich begleite meine Freundin , ( sagte Linda , ) so gern ich nach Griechenland gegangen wäre , dem ich schon zweimal so nahe bin . "
-- " Noch in dieser Nacht fliege ' ich fort , ( sagt ' er ) ich will nur wachen , sehen , leben , lieben . "
Julienne fing schon mit Schwester-Sorgen für seine Gesundheit und seine Zwecke an -- geteilt zwischen zwei Brüder , hätte sie sich gern , wäre es nur möglich , beiden zugleich geopfert .
-- " Ischia hat der gute Mensch auch noch nicht genossen , ( sagte sie ) das muß er heute haben . "
Albano fühlte bei dieser neuen weiblichen Liebe , das Weib sei das Herz in der schönsten Gestalt .
In ihm klang ein Freudenlied :
welch ' ein Tag liegt vor dir , und welche Jahre ! --
Vom Überhang der doppelten Liebes-Blüten süß umschlungen und eingesponnen , sah er das Leben und die Erde voll Duft und Licht -- über den Morgentau der Jugend war nun eine Sonne heraufgeführt und die dunklen Tropfen strahlten durch alle Gärten hinauf und hinab .
Er warf endlich einen Blick auf den Ort , der ihn umgab ; Niobe es Gruppe , der Genius von Turin , Amor und Psyche , standen abgegossen da , aus dem Kabinette eines Künstlers in Neapel entlehnt -- die Wände waren mit seltenen Gemälden geschmückt , worunter der -- niesende Schoppe war .
Dieser allein drang mit der nordischen Vergangenheit heftig in sein erweichtes Herz und er sagte der Geliebten sein Gefühl .
" Sie ziehen ( sagte sie ) der Kunst die Freundschaft vor , denn das Porträt ist das Schlechteste in meiner Sammlung ; aber das Original verdient wohl alle Achtung . "
Sie ging ins Kabinett und holte ein Miniaturbild von sich selber , das sie nach türkischer Sitte darstellt , eingeschleiert und nur Ein Auge aufgedeckt .
Wie neben der Schleier-Dämmerung das offene Seelen-Auge lebendig blickte und traf !
Wie die Flamme ihrer Macht die Hülle der Milde durchbrannte ! --
Linda nannte den Meister des herrlichen Bildes , eben diesen Schoppe und setzte dazu :
er habe gesagt , hier müsse der Meister aus Gegengefälligkeit selber ein Werk loben , das ihn so parteiisch und kräftig lobe , wie noch kein anderes Werk von ihm .
Sie erklärte diese Verschiedenheit seines Pinsels aus einer Ursache , die er ihr selber fast wörtlich gesagt :
er habe nämlich in seiner frühesten Jugend ihre Mutter so lange geliebt , als er sie gesehen und hernach niemand weiter und darum habe er , da sie ihr ähnlich sei , sie con amore gemalt und wirklich etwas zu leisten gesucht .
" O redlicher alter Mensch ! " sagte Albano , und konnte sich kaum der Tränen aus Augen , die so oft glücklich waren , erwehren ; aber nur aus heiligem Freundschafts-Schmerz .
Denn es fuhr nun durch ihn -- wie ein Wetterstrahl durch den hellsten Himmel -- die durch alles , durch Schoppens Tagebuch und Linda's Worte und Rabettens Brief gewisse Vermutung , daß Linda die Seele sei , die der sonderbare Mensch verborgen geliebt .
Ein scharfer Schmerz schnitt eilig aber tief durch seine Stirn ; und er überwand sich bloß durch seine jetzige jüngere Fri sche des Geistes , durch neu gesammelte Kraft und Gewalt und durch den freien Gedanken , daß ein Freund dem Freunde wohl und leicht die Geliebte , aber nicht die Liebende geben und opfern könne oder dürfe .
Julienne sagte : " ein Wunder ist es nur , daß der Bruder zwischen zwei solchen Phantasten -- wie dieser Schoppe und Roquairol -- nicht selber einer geworden . "
Ein flüchtiger Krieg brach aus .
Linda sagte :
" Schoppe ist nur eine südliche Natur im Kampfe mit dem nordischen Klima . "
" Eigentlich mit dem Leben selber , " sagte Albano .
Julienne blieb dabei : " ich liebe überall Regel im Leben ; bei beiden ist man nie ruhig und à son eise , sondern nur à leur eise . "
Sie fragte ihn geradezu über Roquairol .
" Er war einmal mein Freund und ich spreche nicht mehr von ihm ; " sagte Albano , dem des zernichteten Lieblings folternde Liebe gegen Linda und selber dessen Verwandtschaft mit Liane die Zunge band .
Linda ging mit dem bloßen Urteile eines überspannten Schwächlings leicht und ohne besonderes Gedenken seiner Liebe gegen sie oder ihres Abscheus vor ihm darüber hin ; sie vergaß in der Ferne eben so kalt jeden , der ihrem Inneren widrig war , als sie in der Nähe ihn heftig davon stieß .
Julienne entfernte sich , um die Anstalten zur kleinen Tag- und Inselreise zu treffen .
Albano schickte ein Blatt an Dian als Marschroute nach Neapel ; Linda sagte über Julienne : " ein tief- und fest gegründetes Gemüt ! "
-- " Das Stamm und Zweige nur in lauter kleine duftende Blüten einhüllt , " setzt ' er hinzu .
-- " Und gerade , was sie in Büchern und Gesprächen hasset , die Poesie , die treibt sie recht in Taten .
Individualität ist überall zu schonen und zu ehren als Wurzel jedes Guten .
-- " Sie sind auch sehr gut , " setzte sie mit sanfter Stimme dazu .
" Wahrlich , jetzt bin ich_es , ( sagt ' er , ) denn ich liebe recht ; und nur ein vollendetes Wesen kann man recht lieben und ganz uneigennützig ! "
-- So muß das Sonnenbild vollendet und rund auffallen , um zu brennen .
" Oder eines , das man dafür hält ( sagte sie ) .
Ich bin was ich bin und werde schwerlich anders .
Wenn nur der Mensch einmal einen Will lehn hat , der durch das Leben geht , nicht von Minute zu Minute , von Mensch zu Menschen wechselt -- das ist die Hauptsache . "
-- " Linda , ( rief Albano , ) ich höre meine Seele -- es gibt Wörter , welche Taten sind , Ihre sind_es . "
Wenn sie so ihre Seele aussprach , verschwand vor seinem bezauberten Geiste die schöne Gestalt , wie die goldene Saite verschwindet , wenn sie zu tönen anfängt .
Von der Vergangenheit verwundet und bestraft für seine oft harte Kraft hauchte er -- ob ihn gleich jetzt das Leben , die Welt und selber das Land kühner , heller , fester und heißer gemacht -- die unisonen Äolssaiten , dieser vieltönigen Seele , nur mit leisem Atem an .
Aber wie mußte sie ein Mann bezaubern , zugleich so mächtig und so zart -- ein sanftes Sternbild aus nahen Sonnen -- ein schöner Kriegsgott mit der Lyra -- eine Sturmwolke voll Aurora -- ein mutiger , heißer Jüngling , der so redlich dachte ! --
Aber sie sagte es nicht , sondern liebte bloß wie er .
Er warf einen zufälligen Blick auf ihre kleine Tisch-Bibliothek .
" Lauter Franzosen ! " sagte sie ; er fand den Montaigne , das Leben der Guyon , den Contrat sozial und zuletzt Mdme Stael , sur l' influence des passions .
Er hatte diese gelesen und sagte , wie ihm die Artikel über die Liebe , die Parteien und die Eitelkeit unendlich gefallen und überhaupt ihr deutsches , oder spanisches Feuerherz , aber nicht ihre französische kahle Philosophie , am wenigsten ihre unmoralische Selbstmordsucht .
-- " Lieber Gott , ( rief Linda , ) ist nicht das Leben selber ein langer Selbstmord ? -- Albano , alle Männer sind doch irgendwo Pedanten , die guten in der sogenannten Moralität , und Sie besonders -- kantische Maximen , breite weite Fächer , Prinzipien müssen sie alle haben .
-- Ihr seid alle geborene Deutsche , recht deutsche Deutsche , Sie auch , Freund . Habe ich Recht ? " setzte sie sanft dazu , als begehre sie ein Ja .
" Nein !
( sagte Albano . )
Sobald einmal ein Mensch etwas recht ernstlich und ausschließend treibt und verlangt :
so heißt er ein Phantast oder Pedant . "
-- " O die ewigen Leser und Leserinnen ! " rief Julienne , hereintretend , über sein Buch in der Hand aus .
" Nie hat die Prinzessin eine Vorrede und eine Note gele sein , ( sagte Linda , ) wie ich noch keine weggelassen . " -- Weiber , die Vorreden und Noten lesen , sind bedeutende ; bei Männern wäre höchstens das Gegenteil wahr .
-- " Wir können reisen , alles ist fertig , " sagte Julienne .
112. Zykel .
Wie wehte draußen -- als sie in die festliche Welt kamen -- das kühle Himmelsblau herab statt der Erdenlüfte !
Wie glänzte die Welt und der Tag -- und die Zukunft !
Wie schäumte im Lebenskelche der Liebestrank , für jeden der drei Menschen aus zwei berauschenden Mitteln gemacht , glänzend über ! --
Sie folgten dem Wege nach dem Gipfel des Epomeo , aber in ausweichender Freiheit und in einem Wechsel der Natur , der nirgends weiter auf der Erde so ist .
Sie begegneten Tälern mit Lorbeern und Kirschen , mit Rosen und Primeln zugleich .
-- Es kamen kühle Schluchten mit reifen Orangen und Äpfeln ausgefüllt , neben heißen Felsen von Aloe und Granaten und an die Gipfel des Kirsch- und Apfelbaums rührten oben die Wein- und Orangenblüten .
-- In den blühenden Klüften schlugen sichere Nachtigallen und aus den Ritzen schossen giftlose Schlangenköpfe ans Licht -- Zuweilen kam ein Kloster in einem Zitronenwäldchen , zuweilen ein weißes Haus am Weingarten , bald eine kühle Grotte , bald ein Kohlgarten neben roten Klee , bald eine kleine Aue voll weißer Rosenblumen und Narzissen , und überall ein Mensch , der singend , tanzend und anredend vorübergieng .
-- Wechselnd deckten Höhen und Gärten das Land und das Wasser auf und zu und lange schimmerte oft das weite ferne Meer und seine Wolken-Küste wie ein zweiter Himmel durch die grünen Zweige nach . -- --
Sie kamen dem Hause des Einsiedlers auf dem Gipfel immer näher , auf bunten goldenen Schwungfedern des Lebens sich wiegend .
Sie sagten einander zuweilen ein freudiges Wort , aber nicht um sich mitzuteilen , sondern weil das Herz nicht anders konnte und ein Wort nichts war als ein freudiger Seufzer .
Sie standen endlich auf dem Erden-Thron und blickten wie von der Sonne herunter .
Rings um sie war das Meer gelagert , ins Blau des Horizonts verschmolzen -- von Kapua her zog in der der Tiefe der weiße Apennin um den Vesuv und herüber auf der langen Küste Sorrento's fort -- und vom Pausilip an verfolgten die Länder das Meer bis über Mola und Terracina -- auf der geöffneten Welt-Fläche erschien alles , die Vorgebürge , die gelben Krater-Ränder auf den Küsten und die Inseln rings umher , die der verhüllte fürchterliche Gott unter dem Meere aus seinem Feuerreich an die Sonne getrieben -- und das holde Ischia , mit seinen kleinen Städten an den Ufern und mit seinen kleinen Gärten und Kratern , stand wie ein grünendes Schiff im großen Meer und ruhte auf zahllosen Wogen .
Da verschwanden drunten die Größen der Erde , nur die Erde allein war groß und die Sonne mit ihrem Himmel war_es .
" O wie sind wir glücklich ! " sagte Albano .
Ja , ihr wart glücklich dort , wer wird es nach euch sein ? --
Sich auf dem Baum des Lebens wiegend , auf welchen schon sein Kindes-Auge so früh und sehnsüchtig geblickt , sagte er alles was ihn erhob und ergriff : " daran erkenne ' ich die Allgewaltige , zornig und flammend steigt sie aus Titan IV. L dem Meersboden herauf , pflanzt ein brennendes Land und dann teilt sie wieder lächelnd an ihre Kinder Blumen aus ; so sei der Mensch , Vulkan -- dann Blume . "
-- " Was sind dagegen ( sagte Julienne ) alle Winterlustbarkeiten des deutschen Wonnemonds !
Ist das nicht eine kleinere Schweiz nur in einem größeren Genfer_See ? "
-- Die Gräfin , durch ihr Spanien einheimischer in solchen Reizen , hielt sich meistens still .
" Der Mensch ( sagte sie ) ist die Oreade und Hamadryade oder sonst eine Gottheit und beseelt Wald und Tal und den Menschen selber beseelt wieder ein Mensch . "
Der Einsiedler erschien und sagte , ihr heraufgesandt Mal sei längst angekommen ; er lobte seine Höhe mit : " oft ( sagt ' er und machte Julienne lachen , ) raucht mein Berg wie der Vesuv und Badgäste sehen herauf und fürchten etwas , es ist aber , weil ich mein Brot hier oben backe . "
-- Sie lagerten sich im schattigen Freien .
Man mußte immer wieder auf die lieblichen verkleinerten Inseln hinabsehen , die mit ihren in Gärten gesäten Gärten , mit ihren mit Herbsten durchflochtenen Frühlingen so ganz und nahe lag , ein großer Familiengarten , wo die Menschen alle beisammen wohnen , weit nicht Länder sich mit Ländern verwirren , und die Bienen und die Lerchen fliegen nicht weit über den Garten des Meeres hinaus .
Gleich offenen stillen Blumen waren die drei Seelen neben einander , duftend fliegt der Blumenstaub hin und her , neue Blumen zu erzeugen .
Linda versank ganz in ihr großes tiefes Herz ; der Liebe ungewohnt , wollte sie sie darin anschauen und genießen , indes kein Wort Albano's ihr entfloh , denn es gehörte zur Liebe im Herzen .
Von Milde übergossen und sinnend war sie da , mit dem großen Auge halb unter dem niedergehenden Augenlid -- nach ihrer Sitte immer lange schweigend wie lange sprechend .
Wie der Diamant eben so glänzt wie der Tautropfen , nur aber mit fester Kraft und auch ohne Sonne : war ihr Herz dem weichsten in jeder weiblichen Milde und Reine gleich und übertraf es nur an Stärke .
Entzückt sah Julienne es an , wenn sie etwa -- nach einem kindlichen Vergessen Albano's , weil ihr Rede-Strom sie von einer Welt in die andere gerissen -- plötzlich und mit L 2 unbefangener Freude mit ihrer feingeformten Hand zu des Jünglings seiner zurückkehrte , dem ihr Händedruck nichts kleineres war als eine zartere Umarmung .
Sie nahmen den nähern Rückweg gegen Albano's Wohnung herab , die immer in ihrem Reben-Geniste zu ihnen heraufsah .
Man war noch so kurz bei einander -- am Morgen reiste Albano . --
Er sollte von Portici aus schreiben , ein Bote den Brief holen -- " und er bringt mir auch einen , " sagte er ; -- " gewiß nicht ! " sagte Linda .
Albano bat .
" Sie wird sich schon ändern und schreiben , " sagte Julienne .
Sie verneinte .
Allmählich liefen Schattenfurchen neben den schwarzen Lavaströmen den Berg hinab , und in den Pappeln fingen Nachtigallen schon ihre melodische Dämmerung an .
Sie kamen Albano's Hause nahe ; Dian lief entzückt der Prinzessin entgegen .
Albano bat ihn , ohne beide gefragt zu haben , eine Barke zu schaffen , damit man den Abend genieße .
Gerade zu gewaltsamen Anträgen der Freude sagen die Mädchen am liebsten das Ja .
Dian war sogleich mit einer zur Hand ; mit seiner Freude hing er schnell an jeder fremden .
Sie stiegen alle ein , und fuhren unter die Sonnenblumen , die jeder Sonnenstrahl auf die Wellen-Beete immer dichter pflanzte .
Albano vergaß -- im jetzigen Feuer , gewohnt an die Sitten des warmen Landes , wo der Liebende vor der Mutter spricht und sie von ihm mit der Tochter , wo die Liebe keinen Schleier trägt , nur der Haß und das Gesicht und wo die Myrte in jedem Sinne die Einfassung der Felder ist -- sich einen Augenblick vor Dian und nahm Linda's Hand ; schnell entriß sie ihm sie , der Mädchen Sitte treu , die den Arm verschenkt und den Finger und Fingerhut verweigert .
Aber sie sah ihn sanft an , wenn sie abgeschlagen .
Sie kamen auf ihrer Fahrt von Osten nach Norden wieder vor dem Felsen mit den Häusern und vor den Gassen der Ufer-Vorstadt vorüber .
Alles war froh und freundlich -- alles sang , was nicht schwatzte -- die Dächer waren mit Webstühlen seidener Bänder besetzt und die Weberinnen sprachen und sangen zusammen von Dach zu Dach .
Julienne konnte kaum das Auge von diesem südlichen Vereine ablassen .
Sie zogen weiter ins Meer , und die Sonne ging ihm näher zu .
Die Wellen und die Lüfte spielten mit einander , jene wehend , diese wogend -- Himmel und Meer wurden zu Einem Blau gewölbt und in ihrer Mitte schwebte , frei wie ein Geist im All , das leichte Schiff der Liebe .
-- Der Umkreis der Welt wurde ein goldener geschwollener Ährenkranz voll glühender Küsten und Inseln -- Gondeln flogen singend ins Weite und hatten schon Fackeln für die Nacht bereit -- zuweilen zog hinter ihnen ein fliegender Fisch seinen Bogen in der Luft , und Dian sang ihnen ihre bekannten vorübergleitenden Lieder nach . --
Dort segelten stolz und langsam große Schiffe her , mit rotem und blauem Helmbusch gleich dem Himmel flatternd , und als Sieger dem Hafen zu . --
Überall war Lebens-Most ausgegossen und arbeitete brausend -- So spielte eine göttliche Welt um den Menschen !
" O hier an dieser großen Stelle , ( sagte Albano , ) wo alles Platz hat , die Paradiese und die schwarzen Orkus-Ufer aus Lava -- und das weiche Meer -- und Vesuv's graues Gorgonenhaupt -- und die spielenden Menschen -- und die Blüten und alles -- hier wo man glühen muß wie eine Lava -- dürfte man da nicht sich gleich der heißen Lava umher in die Wellen begraben in seiner Glut , wenn man wüßte , es könne etwas vergehen von dieser Stunde , nur etwas von Andenken davon , oder ein Pulsschlag für ein Herz ? --
Wäre das nicht besser ? "
-- " Vielleicht " sagte Linda . --
Julienne wurde durch die weiche Freude vor das ferne Krankenbette ihres Bruders gezogen und sagte lächelnd : " kann man es nicht wie die schöne Sonne drüben machen , und unter die Wellen gehen und doch wiederkommen ? --
Schauet doch ihrem Untergange recht zu , nirgends ist er auf der Erde so . "
-- Die Sonne stand schon zu einem großen Goldschild gewachsen vom Himmel gehalten über den Ponzischen Inseln und vergoldete das Blau derselben -- die weiße Krone aus Felsen- Stacheln , Kapri , lag in Glut und von Sorrento's bis Gaeta's Küsten war den Welt- Mauern dämmerndes Gold angeflogen -- die Erde rollte mit ihrer Achse wie mit einer Spielwelle nahe an der Sonne und schlug aus ihr Strahlen und Töne -- seitwärts lagerte sich versteckt der Riesen-Bote der Nacht auf das Meer , der unendliche Schatte des Epomeo . --
Jetzt berührte die Sonne ihr Meer und ein goldener Blitz zitterte durch den nassen Äther umher -- und sie wiegte sich auf tausend feurigen Wellen-Flügeln -- und sie zuckte und hing liebsbrünstig , liebeglühend an dem Meere und das Meer sog brennend alle ihre Glut -- Da warf es , als sie vergehen wollte , die Decke eines unendlichen Glanzes über die erblassende Göttin -- --
Dann wurde es still auf der Welt -- eine bewegliche Abendröte überfloß mit Rosen-Öl alle Wogen -- die heiligen Untergangs-Inseln standen verklärt -- die fernsten Küsten traten heran und zeigten ihr Rot der Entzückung -- auf allen Höhen hingen Rosenkränze -- der Epomeo glühte bis zum Äther hinauf und auf dem ewigen Wolkenbaum , der aus dem hohlen Vesuv aufwächst , verglomm im Gipfel der letzte dünne Glanz .
Sprachlos wandten sich die Menschen von dem Westen nach dem Ufer um .
Die Schiffer fingen wieder an zu sprechen .
" Mache , ( bat Linda ihre Freundin leise , ) daß Dein Bruder sich immer nach Abend wendet . "
Sie erfüllte die Bitte , ohne deren Grund sogleich zu erraten .
Immer sah Linda in sein schön beglänztes Angesicht .
" Bitte ' ihn wieder , ( sagte sie zum zweitenmal , ) es dämmert zu sehr und meine kranken Augen sehen ohne Licht so übel . "
Es geschah nicht ; denn sie stiegen sogleich ans Ufer .
Die Erde zitterte ihnen , da sie sie betraten , als ein Sangboden der seligen Stunde nach .
Albano war in sprachloser Rührung auf das geliebte Angesicht geheftet , das er bald wieder verlassen sollte : " ich schreibe Ihnen , " sagte sie unaufgefordert mit einem so rührenden Widerrufe der vorigen Drohung , daß er sich , wäre er nicht unter fremden Augen gewesen , danktrunken auf ihre Hand , an ihr edles Herz gestürzt hätte .
Das Scheiden und das Ende eines harmonischen Tages wurde schwer , worin der Ton jeder einzelnen Minute wieder ein Dreiklang gewesen .
Jetzt schied Dian schon .
" Nicht einmal die Rosen des Abends ( sagte Julienne ) sind ohne Dornen . "
" Abgebrochen , ist überall das Beste ; wir wollen nach Hause , " sagte Linda .
Albano bat , daß er begleiten dürfe .
" Wozu ? " sagte Linda .
-- Leise setzte sie ihrer Augen wegen dabei : " ich kann Euch kaum mehr sehen -- indes kommt nur , ich höre doch . "
-- " Schöne Veränderliche ! " sagte Julienne .
" Ich verändere mich , ( sagte sie , ) aber kein Anderer -- nur bis zur Kapelle , Albano , Ihr schiffet morgen früh fort , "
-- " Nicht einmal , heute noch vielleicht , " sagte er .
Indem sie nun so langsam und immer langsamer den Berg hinangiengen und die Nachtigallen schlugen und die Myrtenblüten dufteten und die lauen Lüfte flatterten und oben die ganze zweite Welt wie eine verschleierte Nonne durch die Silber-Gitter der Sternbilder heilig schaute :
so überfloß jedes Herz von treuer Liebe , und der Bruder und die Schwester und die Geliebte nahmen wechselnd einander die Hand .
Auf einmal stand Linda an der Stelle der gestrigen Vereinigung und sagte : " hier soll Er gehen , Julienne ! " und zog schnell ihre Hand aus seiner und streichelte leicht über seine Locken und seine Wange , und dann über sein Auge und fragte : Wie ? in einen Traum verirrt .
" Gleich , ( sagte Julienne , ) aber auf den italienischen Winter muß man doch , um nur heimzukommen , gar warten , auf den Mond . "
Da fiel der Bruder der zarten Schwester , welche ihm dadurch die längere Gegenwart und der Freundin das Wiedersehen durch die stärkere Beleuchtung zubereiten wollte , an das Herz und rief mit Tränen aus : " O Schwester , wie viel hast Du nicht für mich getan , ehe ich etwas tun oder Dir danken konnte , -- Du reichst mir ja alles , jedes Glück , die höchste Seligkeit , o wie bist Du ! "
-- " Der Mond ist da !
( rief sie ) nun reise glücklich und scheide ! "
Wie ein silberner Tag war der Mond auf die Gebirge heraufgetreten und die verklärte Geliebte sah des Geliebten blühendes Angesicht wieder .
Er nahm ihre Hand und sagte : " lebe wohl , Linda ! "
-- sie sahen sich lange an , die Augen voll Seelen und sie wurden sich frem der und höher -- da drückte er , ohne zu wissen wie , die erhabene Jungfrau wie ein seliger Geist eine Frühlingssonne , sich an das Herz -- und er berührte das Heiligtum ihres Angesichts mit dem seinigen und wie Morgenröten zweier Welten schmolzen ihre Lippen zusammen .
Linda schloß die Augen und küßte zagend und nur ein einziges Leben und Glück rollte und glühte zwischen zwei Herzen und Lippen .
Julienne umschlang leise die Umarmung mit ihrer und begehrte kein anderes Glück .
Darauf schieden alle , ohne wieder zu sprechen , oder sich umzusehen .
113. Zykel .
Albano flog mit der neuen Hastigkeit , die jetzt in seinen Handlungen regierte , schon unter dem kühlen Morgenstern von dem glücklichen Boden davon .
Er sagte dem Baumeister Dian sein ganzes Glück , weil er wußte , wie sehr der Mann noch ein Jüngling für die Liebe blieb : "bravo !
( antwortete Dian . )
Wer kann ohne Liebe in Italien auskommen ?
Unser einer wenigstens nicht .
Hoffentlich ist Eure prächtige Juno gegen Euch nicht so stolz wie gegen andere Leute : dann mag es wohl ein Götterleben geben . "
In den Morgenlüften , von Sonne und Woge angestrahlt , schwebt er gleitend auf dem blauen Spiegel-Meer zwischen zwei Himmeln , und sein Auge war selig , wenn es nach dem Olymp , Epomeo , zurücksah , und war selig , wenn es wieder auf die hinauf und hinabschimmernd Küsten , auf den langen ausgelegten Markt der Erde blickte .
Als sie unter den schwimmenden Palästen , den Schiffen , vorbei an die stehenden kamen : trafen sie das Volk im Taumel eines Heiligen- Festes .
Er vergrub gezwungen den blauen Tag und das Meer in Tempeln -- in Bildersälen -- in vierten Stockwerken , wo nach der Sitte einige Große wohnten , an welche er von seinem Vater Briefe abgab -- und schöner in der unterirdischen finsteren Gasse , die sich durch den blühenden Posillipo wölbt .
Nur die Aussicht , daß er in der ersten nächsten Einsamkeit mit dem entrückten Herzen reden werde , beruhigte seinen immer aus der Ge genwart fliehenden Geist .
Abends bestiegen sie die schönste Höhe über Neapel , das Kamaldulenser Kloster , wo er unter den Freuden der Aussicht in grauer Ferne hinter dem Posillipo den hohen Epomeo stehen sah .
Er hielt sich nicht länger , sondern fing , an einer dichter umblühten Stelle , die er sich dazu aussuchte , diesen Brief an Linda an :
" Endlich , edle Seele , kann ich zu Dir reden und Deine Insel wieder schauen , wiewohl nur als eine aufgerichtete Sonnenrote Abendwolke am Horizont .
Linda , Linda , o daß ich Dich habe und hatte !
Dauert denn der zweitägige Götter- Traum noch herüber ins kalte Heute ?
Du bist jetzt so fern und stumm und ich höre kein Ja .
Als ich in Rom auf der Beterskuppel in den blauen Morgenhimmel sah und das Leben um mich brausend schwoll , wie die Lüste mich umwehten :
so war mir als müßte ich mich in ein fliegendes Königsschiff werfen und ein Ufer suchen , das unter dem tiefsten Sternbild grünt ; als müßte ich wie eine Kaskade hinabflattern durch den Himmel und mich drunten durch das steinige Leben reißen , dringend und zerstörend und tragend .
Und so ist mir jetzt wieder und noch stärker ; ich möchte zu Dir hinüberfliegen und sagen : Du bist mein Ruhm , mein Lorbeerkranz , meine Ewigkeit , aber ich muß Dich verdienen ; ich kann nichts für Dich tun , außer für mich . --
In der alten Zeit waren geliebte Jünglinge groß , Taten waren ihre Grazien und der Panzer ihr Feierkleid .
-- Heute als ich auf den Golf von Baja und auf die Ruinen hinübersah , wo die Gärten und Paläste der großen Römer noch mit Trümmern oder Namen liegen ; und als ich die alten trotzigen Riesen stehen sah mitten in Blumen und Orangen und in lauen Duftlüften , davon erquickt , aber nicht erweicht , mit der Hand den schweren Dreizack hebend , der drei Weltteile bewegte und mit der markigen Brust entgegentretend dem Winter in Norden , der Glut in Afrika und jeder Wunde :
da fragte mein ganzes Herz : bist du so ?
O Linda , kann der Mann anders sein ?
Der Löwe geht über die Erde , der Adler geht durch den Himmel und der König dieser Könige habe seine Bahn auf der Erde und in dem Himmel zugleich .
Noch war und tat ich nichts ; aber wenn noch das Leben ein leerer Nebel ist , kannst Du ihn übersteigen , oder Festgreifen und zerschlagen ?
Willst Du einmal , Du Uranide , einen Mann lieben , so trete ich vor keinem zurück .
Aber Worte sind an Taten nur Sägespäne von der Herkuleskeule , wie Schoppe sagt .
Sobald der Krieg und die Freiheit auf einander stoßen , so will ich Dich im Sturm der Zeit verdienen und Dir Taten mitbringen und die unsterbliche Liebe .
Hier stehe ich auf der göttlichen Höhe des Klostergartens und blicke in ein grünes Himmelreich ohne Gleichen hinab .
Die Sonne ist schon über den Golf hinüber und wirft ihre Rosenfeuer unter die Schiffe und ein ganzes Ufer voll Paläste und voll Menschen brennt rot -- durch die langen ausgebreiteten Straßen unter mir rollt das Festgetümmel schon herauf , und die Dächer sind voll geschmückter Menschen und voll Musik , Balkons und Gondeln erwarten die göttliche Nacht zu den Gesängen .
Und hier bin ich allein und bin doch so glücklich und sehne mich ohne den Schmerz .
Aber wäre wäre ich vor vier Tagen , Linda , wo ich Dich noch nicht kannte und noch nicht hatte , hier gestanden und hätte angesehen diesen Abend -- das goldene Meer -- das heitere Portici , das Sonne und Meer mit Flammen anspülen -- den herrlichen Vesuv mit goldgrünen Myrten umwunden und mit dem grauen Aschen-Haupt voll Sonnenglut -- und hinter mir die grüne Ebene voll Wolken aus Blütenstaub , die aus Gärten steigen und in Gärten regnen -- und den ganzen webenden Zauberkreis freudiger Kräfte , diese in Licht und Leben schwimmende Welt : -- dann , Linda , hätte ohne Dich durch die warme Seligkeit ein kalter Schmerz gezückt und im goldenen Abendlicht wären Erinnerungen mit Trauer-Larven gegangen .
O Linda , wie hast Du meine Welt gereinigt und erweitert und ich bin nun überall glücklich .
Du hast den schweren scharfen Pflug des Lebens , der mühsam an der Ernte arbeitet , in einen leichten Griffel und Pinsel verwandelt , der umherspielt bis er eine Götter-Gestalt erschafft .
Sah ' ich heute nicht jeden Tempel und jeden Hügel froher , wie von Dir vergoldet und Titan IV. M jede Schönheit , sie mochte an der Statue , auf der Leinwand , oder auf der singenden Lippe oder auf den Gipfeln blühen , prangte und duftete üppiger und dann flog ich von der kleinen Blume auf zur blühenden Linda ? --
Wie herrschet die dunkle Gewalt hinter der Wolke !
Versiegelte Befehle gibt sie uns mit , damit wir sie auf einer späten fremden Stelle erbrechen .
Gott , erst auf Ischia's Epomeo musste ich meinen öffnen , da ging ein Augenblick über das Leben und gebar die Ewigkeit , der Schmetterling brachte die Göttin !
Der Abend geht unter und ich muß schweigen .
Wüsste ich nur , wie der Deinige ist !
Mein Leben besteht jetzt aus zwei Stunden , Deinen und meinen , und ich kann nicht mehr mit mir allein leben . --
Dieser Tag sei Dir doch reich und mild entwichen und Dein Abend wie meiner !
Die Sonne rötet nur noch den Vesuv , die Inseln verglühen langsam im dunklen Meer , ich schaue nun ohne mit Dir zu sprechen , den großen Abend an , aber o Gott so anders als in Rom !
Selig werde ich mein Auge nur an Deine auslöschende Insel im Glanz-Getümmel des Abendrots heften und lange noch hinsehen , wenn schon Epomeo's Gipfel in der Nacht verwittert ; und dann werde ich heiter in das mit Lichtern umstellte Grab der Farben unter mir schauen -- frohe Gesänge werden durch die Dämmerung ziehen -- die Sterne werden liebreich schimmern -- und ich werde sagen :
" " ich bin allein und still , aber unaussprechlich selig , denn Linda hat mein Herz und ich weine nur aus Liebe , weil ich an ihres denke , " " und trunken werde ich durch den Blütenrauch des Bergs hinuntergehen . "
-- Er kam langsam nach Neapel zu seinem Freunde Dian zurück , alle Fest-Lust , die ihm begegnete , das ganze Odeum der Wonne , in welchem das klingende Rad der Leier schwindelnd umrollte , schien ihm bloß sein Nachklang zu sein , indes sonst erst den äußeren sinnlichen Saiten des Menschen die inneren nachklingen .
Er wollte nur immer weiter , und noch -- wenn es ginge -- diese Nacht auf den Weg nach dem Vesuv , für ihn gab es jetzt M 2 nur Eine Tagszeit .
Das wärmere Klima samt der Liebe und dem Mai schienen alle Frühlingswinde seiner Kräfte zu wecken , sie wehten ungestüm , ihm selber sogar bewußt ; nur vor der Geliebten war er , noch wund von der Vergangenheit , bloß ein Zephir , der die stäubende Blüte schont .
Am anderen Tage wollte er nun den Vesuv besteigen und am Morgen darauf seinen Dian in Portici erwarten , wenn er vorher auf dem Vulkan die Sonne hatte aufgehen sehen .
114. Zykel .
Seine Reise beschrieb er seiner Geliebten :
In der Hütte des Einsiedlers auf dem Vesuv .
" Warum liegt nicht der Mensch auf den Knien und betet die Welt an , die Berge , das Meer , das All ?
Wie erhebt es den Geist , daß er ist und daß er die ungeheure Welt denkt und sich ! --
O Linda , ich bin noch voll von dem Morgen ; auch wohne ich noch auf der erhabenen Hölle .
Gestern reiste ich am Morgen mit meinem Bartolomeo durch den reichen voll lehn Gartenweg nach dem heiteren Portici , das sich an den Riesen anschmiegt wie Katana an den Ätna .
Immer dieselbe große durch dies erhabene Land ziehende epische griechische Verschmelzung des Ungeheuren mit dem Heiteren , der Natur mit den Menschen , der Ewigkeit mit der Minute .
-- Landhäuser und eine lachende Ebene gegenüber der ewigen Todesfackel -- zwischen alten heiligen Tempelsäulen geht ein lustiger Tanz , der gemeine Mönch und der Fischer -- die Gluth- Blöcke des Bergs türmen sich als Schutzwehr um Weingärten und unter dem lebendigen Portici wohnt das hohle tote Herculaneum -- ins Meer sind Lavaklippen gewachsen , und in die Blumen schwarze Sturmbalken geworfen .
Das Steigen war anfangs meiner Seele Erquickung , der lange Berg wurde der vollen Wolke ein Ableiter .
Spät Nachts im ewigen Steigen kamen wir ohne Genuß der Abendsonne , durch deren roten Glanz auf der Asche wir schnell waten mußten , hier beim Einsiedler an ; der Mond war noch nicht herauf , Deine Insel noch unsichtbar .
Oft donnerte es unter dem Fußboden der Stube .
Da wurde ich auf ein Mal vom Einsiedler schön an meinen alten Schoppe erinnert , indem er mir erzählte , daß einmal ein hinkender Reisende mit einem Wolfshund hierüber gesagt : im Vesuv sei der Stall der unaufhörlich polternden Donnerpferde .
Das war nach Allem gewiß nur Schoppe .
In der Mitternacht , meine Linda , als der Mond über dem Apennin herüber war und mit einem entzückten langen Silberblick vom Himmel sah und ich an Dich dachte , stand ich auf und ging leise hinaus , um wieder zu sehen , wo Du wohnest , meine Linda .
Draußen war es überall still , ich hörte gleichsam die Erde auf ihrer Bahn im Himmel donnern -- die Schatten der Lindenbäume um mich schliefen fest auf dem grünen Rasen -- Vesuv's Rauch stieg empor in die reine Luft -- über das dampfende Meer hin glänzte wunderlich der Mond , und mühsam sucht ' und fand ich endlich den einsamen Berg Deiner Insel , hoch ins Blau gezogen , silbern blühend unter den Sternen um ihn her , eine schimmernde Tempelzinne für mein Herz .
-- " " Dort wohnt und schlummert Sie auf dem Tabor , eine Verklärte des Elysiums ! " " sagte ich mir . --
Um mich war Asche der Jahrhunderte , Stille des Sargs , und nur zuweilen ein Poltern , als werfe man auf jenen den Grabhügel -- ich war weder im Land des Todes noch der Unsterblichkeit -- Die Länder wurden Wolken -- Neapel und Portici lagen verdeckt -- das weite Himmelsblau umfing mich -- ein hoher Nachtwind bog die Rauchsäule des Vulkans nieder und führte sie wechselnd-beglänzt in langen Wolken durch den reinen Äther fort . --
Da sah ich nach Ischia , und sah gen Himmel , o Linda , ich bin aufrichtig , höre es , daß ich die fromme Liane , die Dich so unendlich liebte , bat , jetzt um Dich zu schweben und Dir das Glück zu bereiten , das sie Dir sonst so gönnte .
Auf einmal wurden die Donner des Berges ganz still , die Sterne blitzten heller ; da schauderte mich die Stille und das Leben und ich ging in die Hütte zurück , aber lange noch weint ich vor Entzückung über den bloßen Gedanken , daß Du glücklich würdest .
Der Morgen ging auf ; und mitten in seinem dunklen Winter traten wir die Reise nach der Feuer-Schlucht und Rauchpforte an .
Wie in einer abgebrannten dampfenden Stadt ging ich neben Höhlen um Höhlen , neben Bergen um Berge vorbei , und auf dem zitternden Boden einer ewig arbeitenden Pulvermühle dem Pulverturm zu .
Endlich fand ich den Schlund dieses Feuerlands , ein großes glühendes Dampf- Tal wieder mit einem Berg -- eine Landschaft von Kratern , eine Werkstätte des jüngsten Tags -- voll zerbrochener Welt-Stücken , gefrorener geborstener Höllenflüsse -- ein ungeheurer Scherbenberg der Zeit -- aber unerschöpflich , unsterblich wie ein böser Geist , und unter dem kalten reinen Himmel sich selber zwölf Donnermonate gebärend .
Dunkelröter steigt auf einmal der breite Dampf , wilder gehen die Donner in einander , heißer raucht die schwere Höllen-Wolke -- plötzlich fährt Morgenluft herein und schleppt den flammenden Vorhang den Berg hinab -- --
Da stand die helle gütige Sonne auf dem Apennin , und der Somma und Ottayano und Vesuv blühten im Friedens-Glanz und die Welt ging langsam nach der Sonne auf mit Gebirgen , Inseln und Küsten .
Der Ring der Schöpfung lag auf dem Meere vergoldet vor mir und wie die Zauberstäbe der Strahlen die Länder berührten , so fuhren sie lebendig empor . --
Und der alte Königs-Bruder des Vesuv's , der Ätna , saß auf seinem goldenen Thron und schaute über sein Land und Meer .
-- Und wie Schnee rollte von den Gebirgen der lichte Tag in das Meer herunter , in Glanz zerrinnend und floß über das weite glückliche Kampanien und in dunkle Kastanien-Täler .
-- Und die Erde wurde unabsehlich und die Sonne zog im weiten Strahlen-Netz die Süßgefangene Welt im schönsten Äther weiter .
O Linda , da prangte Deine Insel ausgebreitet , stolz gelagert im Meer mit herunterfließendem Morgenrote , ein hochmastiges Kriegsschiff -- und ein Adler , der Vogel des Donnergottes , flog in die selige Weite , als trage er mein Herz in seiner Brust zu Deinem Epomeo hin . --
O ich möchte ihm nach , sagte mein Geist . --
Der heiße Boden tat Donnerschläge und der Rauch umhüllte mich . --
Ich möchte sterben , damit ich dem Adler nachflöge und jetzt in Ischia wäre . . . .
Hier hielt die heftig erregte Seele sich innen .
Er ging oder glitt den Abhang nach Portici herab .
In einem gegenseitig vorher festgesetzten Hause glaubte er seinen Freund wiederzufinden .
Aber er fand weder Dian noch den erwarteten Brief von Linda .
Entkräftet von Gehen , Wachen und Glühen fiel er im kühlen , stillen Zimmer in einen Traumschlaf .
Da er erwachte , stand die Mitternacht des italienischen Tags um ihn , die Siesta -- alles ruhte unter dem heißen stillen Lichte -- im Himmel war keine Lerche -- die grünen Sonnenschirme neben seinem Fenster , die Fichten , standen ungeregt in der Erde und nur die Pappeln wiegten leise die Neugeborene Blüte des Weins , die in ihren Armen lag -- und der Efeu , der von Gipfeln hing , schwankte ein wenig . --
Solche Schattenzweige spielten einst in Lila in Chariton's Zimmer , als er Lianen erwartete und damals an Italien dachte . --
Der große ebene einfa che Garten von Portici nach Neapel , ein von Wellen umspültes Garten-Gewebe von Dörfern , Baumwäldchen und Landhäusern , führte sein Auge über Blüten nach seinem Paradies im Meer .
-- Diese einsame stille Zeit voll Sehnsucht erweichte unendlich sein schönes Herz .
Er endigte so den abgebrochenen Brief :
In Portici. O meine Linda !
Ich bin Dir wieder näher , aber die Ferne zwischen uns wird mir hier in der Stille so weit !
O Linda , ich liebe Dich mit Schmerzen , in der Nähe , in der Ferne -- o mit welchen verlöre ich Dich erst ? --
Warum bin ich denn Deiner Liebe so gewiß ?
Oder so ungewiß ?
Leise spricht Dein Herz zu mir .
Leise Musik und Liebe ist einer entfernten gleich , -- und die ferne auch wieder der leisen . hat mich der erhabene Säulenstuhl des Donnergottes neben mir so sehr erschüttert , oder denke ich zu lebhaft an das hohle tote Herculaneum unter mir , wo Eine Stadt Ein Sarg ist : weinend und beklommen sehe ich über das Meer an die stille Insel , worauf Du wohnst . --
O daß es so lange wird , bis wir uns sehen , daß Du nicht gleich jeden Gedanken aus meinem Herzen schöpfst und ich aus Deinem !
Warum stellt mir das Ausbleiben Deines Briefs auf einmal größere Schmerzen , ach die größten vor die Seele ?
Warum denke ich die tiefsten Schmerzensstriche auf unserer Stirn , die Runzeln des Lebens sind nur kleine Linien aus dem ungeheuren Bauriß , den der Weltgeist zieht , unbekümmert , welche Stirnen und Freuden seine Glückslinie schmerzhaft durchschneide ? --
Wenn diese Linie einmal durch unsere Liebe ginge -- O vergib den voreilenden Schmerz , in diesem Leben , dem Wechsel zwischen Strichgewittern und Sonnenblicken , ist er wohl erlaubt . . . .
Hier unterbrach ihn die Freude und Dian in Begleitung eines Ischianers , der einen Brief von Linda brachte , um seinen mitzunehmen .
Er las ihn heftig und gab seinem noch die Worte wie eine Freudenträne mit : " Übermorgen komme ich auf die Insel .
Was ist die Erde gegen ein Herz ?
Du bist mächtig , Du hältst mein ganzes blühendes Dasein em por in den Himmel und es stürzt auf Dich , wenn es stürzt .
Lebe wohl !
Ich fürchte wahrlich weder das heiße Öl noch die Flamme der Psyche . "
-- Hier ist Linda's Brief :
Wir beide leben sehr still , seit der artige Flüchtling auf Bergen und in Palästen umherschwärmt .
Wir sprachen fast zu viel von ihm und ließen uns noch dazu die schwatzende Agata holen , um gar von seiner Reise zu erfahren .
Ihre Julie ist voll Segen und Hilfe für Linda .
Noch nie sah ich eine so klare , bestimmte , scharf durchblickende und doch kalte Natur , die nur gebend liebt , mehr als liebend gibt .
Sie wird zwar nie die Schmerzen fühlen , die Venus Urania ihren Erwählten schenkt ; aber sie ist eine geborene Mutter und eine geborene Schwester ; und ich frage sie zuweilen , warum hast Du nicht alle Brüder und alle Waisen ?
Seit dem Erdbeben bin ich etwas kränklich .
Ich habe es vielleicht nicht gewohnt , zu lieben und so zu sterben .
Ich nehme ein philosophisches Buch -- denn Dichter greifen mich jetzt zu Hefe tig an -- und glaube ihm noch zu folgen , wenn ich schon längst weggeflogen bin über das Meer .
Ich lese jetzt das Leben der herrlichen Guyon , diese weiß wie man liebt -- dieser göttliche Affekt gegen das Göttliche , dieses Selbst-Verlieren in Gott , dieses ewige Leben und Bestehen in Einer großen Idee -- diese wachsende Heiligung durch die Liebe und die wachsende Liebe durch die Heiligung !
Mir entsinkt das Buch , ich schließe die Augen , ich träume und weine und liebe Dich. O Albano , komme früher .
Was willst Du jetzt an Bergen und Ruinen suchen ?
Kommen wir nicht wieder ?
Aber ihr zerstreuten Männer !
Nur die Weiber lieben , es sei Gott oder Euch leider .
Die Guyon , die heilige Therese , die etwas prosaische Bourignon , liebten Gott wie kein Mann ( außer der heilige Fénelon ) , der Mann geht mit dem höchsten Wesen nicht viel besser als mit dem schönsten um .
Albano , hast Du eine andere Sehnsucht als ich , begehrst Du mehr auf der Erde als mich , mehr im Paradies als mich :
so sage es , damit ich aufhöre und sterbe .
Wahrlich , wenn Du Deine Schwa ster umarmest :
so bin ich eifersüchtig und möchte Deine Schwester sein , und Dein Freund Schoppe und Dein Vater und alles was Du liebst , und Dein Ich , wenn Du es liebtest und Dein ganzer Himmel und Dein ganzes Du im Ich , Dein Ich im Du .
Ich will Euch einiges von meiner Geschichte erzählen .
Still ging ich lange über die Erde -- ich sah die Höfe , die Nationen und Länder und fand , daß die meisten Menschen nur Leute sind .
Was ging es mich an ?
Man sage gar von nichts , das ist bös , sondern nur , das ist dumm -- und denke nicht mehr daran .
Was ich nicht liebe , existiert für mich auch nicht und anstatt lange zu hassen oder zu verachten , habe ich_es vergessen .
Ich wurde für stolz und phantastisch gescholten und konnte es niemand recht machen .
Aber ich bewahrte und nährte mein Inneres , denn kein Ideal darf aufgegeben werden , sonst erlischt das heilige Feuer des Lebens und Gott stirbt ohne Auferstehung .
-- Ich sah die Männer und fand immer bloß den Unterschied unter ihnen , daß die einen fein , verständig und zart waren ohne Enthusiasmus und Gemüt , die anderen sehr herzlich und enthusiastisch mit bornierter Rohheit , alle aber selbstsüchtig ; wiewohl sie , wenn ihr Herz voll und nicht im Abnehmen ist , eben wie der volle Mond die wenigsten Flecken zeigen .
Neben den Lehren meiner großen Mutter , neben Ihrem großen Vater bestand Keiner .
Ihren Roquairol konnte man weder lieben noch hassen noch achten noch fürchten , wiewohl sehr nahe an alles dieses zusammen kommen .
Es machte viel auch , daß ich immer reiste ; Reisen erhält oft kälter .
Wenn ich nach der Küste sehe und denke , daß ein großer Römer bald in Baja , bald in Deutschland , bald in Gallien bald in Rom war , und daß ihm die Erde eine große Stadt wurde : so begreif ich leicht , daß ihm die Menschen zu Massen wurden .
Reisen ist Beschäftigung , was uns Weibern immer fehlet .
Die Männer haben immer zu tun und schicken die Seele auswärts , die Weiber müssen den ganzen Tag daheim bei ihrem Herzen bleiben .
In der Schweiz legte ich mir ( so wie die Prinzessin Idoine ) eine kleine Ökonomie an und ich weiß , wie man über kleine kleine Ziele , die man täglich erreicht , sich über das Hohe tröstet , das wie ein Gottes-Thron in der Höhe liegt .
Da kam ich gerade in dieser stillen Woche des Lebens an den Eissee in Montanvert .
An pittoresken Bergen , Ebenen , Klüften hatte ich mich in Spanien satt gesehen , und an Eisbergen in der Schweiz .
Aber ein Eismeer in dieser Höhe , ein einsames uraltes blaugrünes Meer von roten Felsen umstanden , eine breite Wüste voll reger aufstehender Wellen im Sturm , die ein plötzlicher Tod , ein Medusenhaupt so mitten im Leben starr und fest gemacht !
Es schlug ein Gewitter , mir sonst furchtbar , damals mit Flammen den Berg herauf , ich merkte es kaum , meine Seele hing sinnend an der Stille eines versteinerten Sturms , an der Ruhe des -- Eises !
Ich erschrak , weinte ungewöhnlich den Berg herab und in derselben Woche legte ich das ökonomische Spielwerk bei Seite und reiste fort .
Ich machte aber keine Wettergebete , sondern wohnte drunten ohne Klage in der Regenschlucht eines dunklen kalten Daseins .
Da brachte mich Titan IV. N das Schicksal auf den Epomeo und da wollten die Götter , daß es sich änderte .
Aber nun muß es so bleiben .
Wenn ein seltenes Wesen zu einem seltenen Wesen gesagt hat : Du bist_es ! so sind sie nur durch und für einander .
Die Psyche mit der Lampe wird es nicht fühlen , wenn die Lampe ihre Locken und ihre Hand und Herz ergreift und verbrennt , während sie selig den schlummernden Amor anschauet ; aber wenn der entschlüpfende heiße Öhltropfe aus der Lampe den Gott berührt und er aufwacht und ihr zornig entfliegt auf ewig -- auf ewig .
Ach du arme Psyche ! --
Was hilft dir der Tod im aufgelösten Eismeer ? -- --
Hat denn noch kein Mann den Schmerz der verlorenen Liebe empfunden , damit er wisse , wie noch tausendmal härter er eine Frau verheere ?
Welcher hat denn Treue , die rechte , die keine Tugend und keine Empfindung ist , sondern das Feuer selber , das den Kern der Existenz ewig belebt und erhält ? --
Ich bin krank , Albano , sonst weiß ich nicht , wie ich zu diesen tristen Ideen komme .
Ich bin so ruhig im Innersten ; ich habe nur die Saiten , nicht die Stimmung gezeigt .
Wir sollen nicht auf die Zukunft wirken und sehen , sondern auf die nächste Gegenwart .
Erschiene je die Zeit , -- ich habe weder Reue noch Geduld -- , je die Zeit , wo Du mich nicht mehr und recht liebtest : ach ich würde stiller , stärker , kürzer sein als jetzt , und was gibt es weiter als entweder für den Geliebten sterben oder -- durch ihn ?
Komme bald , Holder !
Es ist sehr schön um uns , es hat geregnet , alle Welt jubiliert und sieht die Sonnen-Tropfen und hat sich einen Himmels-Trank gesammelt ; auch ich habe für Dich Tassen und Vasen in der Eile hinausgestellt .
Komme , ich will Dir das Öhlblatt und den Myrtenzweig bringen und um das Haupt Rosen und Violen winden .
Komme , ich dachte sonst nicht , daß ich so oft nach dem Posillipo sehen würde . -- L. N. S.
Auch die Nebenbuhlerin sieht nach dem Posillipo und freuet sich auf Dein Wiedersehen .
Doch übereile nichts .
Adio , caro .
I. N 2 Albano fand in diesem Charakter eine stille Rechtfertigung und Erfüllung aller Forderungen , die er früher bei Lianen Leben immer an ein geliebtes Wesen machen mußte ; er nahm aber in der Unschuld seiner Liebe nicht wahr , daß gerade diesem Wesen die in seinem Briefe regierende Sehnsucht nach Krieg und Taten nicht gefallen könne .
Er besuchte nun die unterirdische Stadt in ihrem Gottesacker , gleichsam neben der Cestius- Pyramide des Vulkans .
Dian ging mit ihm das Herculaneum als ein antiquarisches Lexikon durch , um ihm die ganze Haushaltung der Alten bis zum Malen hinauf aufzublättern ; aber Albano war bewegter als sein Freund von dieser mitten in der Gegenwart wohnenden Vergangenheit , von den stillen Häusern und nächtlichen Gassen und von den häufigen Spuren der fliehenden Verzweiflung .
" Wären denn nicht diese Leute alle jetzt doch tot ohne den Vesuv ? " fragt ihn Dian heiter im heiteren Lande .
" Ich frag Euch lieber ( fuhr er fort , ) ob ein Baumeister , wenn er aus dieser Kunstkammer oder Kunststadt gekommen , in Eurem Deutschland noch viel Lust haben kann , nach der größten Ruine der Erde die erbärmlichen winzigen für Eure Fürstengärten anzugeben ? "
-- Sie sahen in einem dunklen Vorhaus eben eine irdene Maske an , die man in Gräber stellte , mit Lampen wie Augen dahinter .
Da blickte ihn Albano starr an und sagte : " sind wir nicht blitzende Larven aus Erde am Grab ? "
-- " Pfui , die häßliche Idee ! " sagte Dian .
Noch lange draußen im lebendigen Sonnenschein gingen ihm dunkle Gedanken nach , neben dem glänzenden Portici stand der Vesuv als Scheiterhaufen und der Todesengel darauf .
Er dachte an Hamiltons Weissagung , daß das schöne Ischia einst auf der Mine eines Erdbebens sterbe .
Selber Linda's Brief betrübte ihn mit dem bloßen Gemälde ihres möglichen Verlusts .
In Neapel besah er noch einige Merkwürdigkeiten ; dann schiffte er sich am anderen Morgen nach dem Eden der Wellen ein .
115. Zykel .
Und als sie sich wieder sahen und wieder faßten : waren sie entzückter und verbundener , als es jedes glückliche Herz vorausgesehen .
Linda saß still und sanft , sah den schönen Jüngling an und ließ ihn und die Schwester erzählen , die sich oft unterbrach , um beide zu küssen .
Er sprach sehr erfreuet über Linda's Brief ; Männer machen überall mehr aus dem Geschriebenen , als Weiber .
Linda sprach gleichgültig :
" Ach was !
Ist_es geschrieben und gelesen , so sei es vergessen .
In Ihren ist zuweilen auch ein nordisches Faux-brillant . "
-- " Die Gräfin ( sagte Julienne , ) lobt niemand ins Gesicht , als sich . "
Linda ertrug mit eigener Gutmütigkeit den Spott .
Albano , ihr oft gefallend und mißfällig , wo er_es nicht wußte , vergab der Liebe so leicht .
Der Freundschaft vergibt die beleidigte Eitelkeit schwerer .
" Zwar doch ! ( holte Julienne plötzlich unter dem Schleier der Lustigkeit zu einer ernsten Rede aus , ) Dein Emigrier-Projekt nach Frankreich ist ein Faux- brillant .
Kannst Du denn glauben , daß man es Dir zulässt , daß eine Prinzessin-Schwester von Hohenflies dem Bruder Pässe zu einem demokratischen Feldzuge unterschreibt ?
Nimmermehr !
Und gar kein Mensch , der Dich liebt ! "
-- Albano lächelte , wurde aber am Ende ernst .
Linda war still und senkte das Auge .
" Zeige mir ( sagte er sanft wie nur mit halbem Ernst und Scherz ) auf der Landkarte eine bessere Laufbahn ! "
-- " Einen bösern Laufgraben ?
( sagte sie spielend . )
Wohl kaum ! "
Nun schattete sie mit aristokratischen , weiblichen und fürstlichen Farben zugleich , mit dreifarbigen Farbenerden alle Flammen , Rauchwolken und Wellen ab , womit der Monte nuovo der Revolution aus dem Grunde aufgestiegen war .
Und setzte dazu : " lieber ein müßiger Graf als das ! " --
Er wurde rot .
Von jeher war ihm das weibliche Binden der männlichen Kraft , das liebende Krummschliessen zu Blumen herab , das ungerechte Umschmieden des Liebes-Rings Galeeren-Ring zum so aufschreckend und verhasset ; -- " in einer Welt , die nur eine Meßwoche und ein Maskenball ist , nicht einmal Meß- und Maskenfreiheit zu behalten , ist stark , " hatte einmal Schoppe gesagt und er nie vergessen , weil es aus seiner Seele in sie kam .
" Schwester , Du bist entweder nicht mein Bruder , oder ich Deine Schwa ster nicht , ( sagt ' er , ) sonst verständen wir uns leichter . "
Linda es Hand zuckte in seiner , und ihr Auge ging langsam zu ihm auf und schnell nieder .
-- Julienne schien vom Vorwurfe des Geschlechts betroffen zu sein .
Albano dachte an die Zeit , wo er ein Herz aus Wachs zerdrückte mit einem aus Eisen und sagte , heller und kälter :
" Julienne , ich will gern kein Nein zu Dir sagen , wenn Du es nur für kein Ja ansiehst . "
-- Er könnte , fiel ihm ein , seinen Widerspruch leicht hinter die Zukunft verstecken , da ja noch kein Krieg in Europa entschieden war ; aber er fand das nicht ehrlich und stolz genug .
-- " Quäle nicht ! " sagte Linda zu ihr .
" Ja wohl , ( sagte Julienne aufspringend , ) ich darf ja nur an das und an das denken -- was weiß ich ! " und sah sehr ernsthaft aus .
" Noch zwei Tage ( setzte sie dazu und suchte aus dem Ernst zu kommen , ) können wir auf der Insel wie Götter , ja wie Göttinnen , verleben ; wiewohl zu einem Gott taug ich allenfalls , nur zu keiner Göttin ; diese muß länger sein ; ich bin nur die Folie der Gräfin aus unendlicher Güte . "
Denn Julienne Gestalt verlor durch die Nachbarschaft der majestätischen Linda .
Aber der Krieg der liebenden Menschen hatte sich durch keinen Frieden geschlossen und blieb daher in seinen Waffen .
Wie der Vesuv glühende Steine , so wirft der Mensch seine Vorwürfe so lange in sich empor und erhebt und verschlingt sie wechselnd , bis endlich eine glücklichere Richtung sie über den Rand hinaustreibt .
In Albano arbeitete wohl die Frage , was Linda's Schweigen zum kleinen Kriege über und wider den großen bedeute ; allein er legte sie nicht vor .
Der Unabänderlichkeit seines Entschlusses sich bewußt , war er milder gegen die Schwester , die er , glaubte er , doch einmal sehr damit verwunden würde .
So war er durch den kalten und warmen Wechsel des Lebens sanft geworden , wie ein Edelstein durch schnelles Erglühen und Abkühlen sich in Arznei verwandelt .
Schnell und schön gingen die letzten Freudentage über die Insel hinüber , die nach dem Regen wie ein deutscher Garten grünte .
Die weiche kühle Luft -- die Myrten- und die Orangendüfte -- einzelne Glanzwolken am warmen Himmel -- der Zauberrauch der Küsten -- die goldene Sonne am Morgen und am Abend -- und die Liebe und die Jugend schmückten und krönten die einzige Zeit .
Hoch brannte auf der blühenden Erde die Opferflamme der Liebe in den blauen stillen Himmel .
Wie zwei Spiegel vor einander stehen und der eine den anderen und sich und die Welt abmalt und der andere alles dies und auch die Gemälde und den Maler :
so ruhten Albano und Linda vor einander , Seele in Seele ziehend und mahlend .
Wie der Montblanc herrlich sich im stillen Chedersee hinabspiegelt in einen blasseren Himmel :
so stand Albano's ganzer fester lichter Geist in Linda's ihrem .
Sie sagte :
er sei ein Redlicher und Edler zugleich und habe , was so selten sei , einen ganzen Willen ; nur wolle er , wie oft die Männer , noch mehr lieben als er liebe , und daher merke er seine stille Erbsünde vor Selbstsucht nicht genug .
Gegen nichts sträubt er sich zorniger und aufgebrachter , als gegen den letzteren Tadel und er vergab ihn niemand als der Gräfin .
Er widerlegte sie so stark er konnte ; aber ihre Meinung wurde durch die beste Vertilgung nur eine Scheinleiche und trat ihm in der nächsten Stunde wieder lebendig entgegen .
Mit sich wurde er durch sie näher bekannt als mit ihr selber .
Er nannte sie die Uranide , weil sie ihm wie der Himmel zugleich so nahe und so fern erschien ; und sie hatte nichts gegen diesen vollen Lorbeerkranz .
Es gibt eine himmlische Unergründlichkeit , die den Menschen göttlich und die Liebe gegen ihn unendlich macht ; so ließen die Alten die Freundschaft der Tochter der Nacht und des Erebus sein .
Wenn Albano so über den weiten reichen Geist Linda's hinsah -- sie , zugleich ihrer Liebe lebend , und jede fremde beschirmend und doch gleichsam vom Wissens-Durste trunken -- zugleich ein Kind , ein Mann und eine Jungfrau -- oft hart und kühn mit der Zunge , für und gegen Religion und Weiblichkeit und doch voll der zartesten kindlichsten Liebe gegen beide -- glühend zerschmelzend vor dem Geliebten und schnell erstarrend bei kaltem Anrühren -- ohne alle Ei telkeit , weil sie immer vor dem Throne einer göttlichen Idee stand und der Mensch nie eitel ist vor Gott , aber sich alles zutrauend und vor niemand demütig , ohne doch sich oder andere zu vergleichen -- voll männlicher kecker Aufrichtigkeit und voll Achtung für Gewandtheit und listigen Welt-Verstand -- so ohne Eigennutz und kindlich über Frohe froh , ohne besondere Sorge und Achtung für Menschen -- so unbeständig und unbiegsam , jenes in Wünschen , dieses im Wollen -- aber ewig ihr Auge und Leben gegen die Sonne und den Mond des geistigen Reichs , gegen Würde und Liebe gerichtet , gegen das eigene und gegen ein geliebtes Herz :
-- wenn Albano das Alles vor sich spielen und weben sah , so lebt er gleichsam auf dem einfachen , und doch unabsehlichen , dem beweglichen und doch allgewaltigen Meere , dessen Grenze bloß der klare Himmel ist , der keine hat .
An dem Himmel der drei Liebenden erschien endlich die Morgenröte des Reise-Tages .
Es wurde von beiden Freundinnen bestimmt , daß Albano sie nur bis Neapel , wo ihre Leute je rer warteten , begleiten -- dann sie in Rom einmal zufällig -- dann auf Isola bella zum letztenmal zufällig finden dürfte ; eine sehr unfreundliche Unterwürfigkeit unter den Welt- Schein , auf welche aber Linda so stark als Julienne drang und zu welcher selber Albano , durch seine Geburt mehr zum Standes-Zwange abgehärtet als ein bürgerlicher Jüngling von gleicher Seele leicht das schmerzliche Ja unter dem schweren Schleier aller Verhältnisse hergab .
Julienne entschied über alle kleineren Maßregeln ; sie war auf der ganzen Reise die Geschäftsträgerin der Gräfin gewesen , die , wie sie sagte , nicht Kopf genug habe , um sich einen Hut darauf zu kaufen , so rasch , geldvergessen und träumend sei sie .
Die Schwester war so munter und ganz hergestellt , sagte aber , alle fünf und dreißig heiße Quellen der Insel hätten nicht halb so viel für ihre Genesung getan , als eben so viele Freudentränen , die sie zum Glück vergossen habe .
Sonderbar erschien alles um sie am Reise- Morgen ; ein helles warmes Gewölk ' vertropfte silbern -- die Sonne schien zwischen zwei Bär gen darein -- die entzückten Eilender sangen ein neues Volkslied unter der Regen-Ernte oder Tropfen-Lese -- indes ihre Freunde eilig von den Wellen aus ihrem Freuden-Kreise weggezogen wurden .
Agata stand , um sich zu kühlen , mit einer Schlange in der Hand am Ufer und Albano fühlte dabei einen Schmerz , den er sich nicht zu erklären wußte .
Jetzt warf der Epomeo den Wolken-Himmel aus einander und glänzende Wolken-Stücke zogen langsam ihnen voraus , nach dem Apennin dem Norden zu , dem Wohnhimmel der Nebel und schnell und leicht glitten die Schatten des Himmels über die wimmelnden Wellenspitzen .
" Immer ( sagte Albano nach der nach Westen zurückschwimmenden Insel blickend , ) bestehe mit deinem Berg ; nie reiße ein Unglück das schönste Blatt aus dem Buche der Seligen ! "
-- " Wie wird es mit uns allen sein , ( sagte Linda , ) wenn wir einmal wiederkommen und den schönen Boden wieder suchen ? "
-- Da erblickten sie einen hochgewölbten Regenbogen , der halb auf der Insel und halb auf den Wellen stand , die ihn wie einen gewölbten bunten Wasserstrahl auf das Ufer auszuwerfen schienen .
" Wir werden ( sagte Julienne entzückt ) durch den Bogen des Friedens eingehen . "
Bei diesem Worte verschwand der Regen und der Farbenkranz ; und allein die Sonne glänzte hinter ihnen .
Durch den Fackeltanz der Wellen lief die Fahrt .
Die Fernen glänzten und dampften herrlich .
" Warum ergreifen die Fernen so mächtig die Seele , obgleich aus denselben Farben wie die Nähe gemalt ? "
-- sagte Albano .
" Das ist eben die Frage , " sagte Dian .
Gewaltig lag das Meer wie ein Ungeheuer an den Küsten über ihren ganzen Weg nach Rom hin , ausgestreckt und hob die Schuppen von Wellen auf und nieder .
Albano sagte :
" Da ich auf dem Vesuv das Gebirge ' ansah und das Meer :
so dachte ' ich daran , wie klein und falsch teilet der enge Mensch die zwei Kolossen der Erde in kleine benannte Glieder entzwei und tut als reiche nicht dasselbe Meer um die ganze Erde .
Seine Freundinnen konnten , zu innig und trübe bewegt , nichts antworten und vor den fremden Augen standen ihnen keine Worte , kaum Blicke frei .
Als Albano wieder das Schlachtfeld der Zeit , die Ruinen-Küste näher sah , die den Mann ewig fassen und heben die alten Tempel und Thermen , wie alte Schiffe auf dem Lande sterbend -- hier einen niedergedrückten Riesentempel , dort eine Stadtgasse unten auf dem Meersboden * )-- die heiligen Gedächtnissäulen und Leuchttürme voriger Größe leer und ausgelöscht neben der ewig jungen Schönheit der alten Natur :
so vergaß er die Nachbarschaft seiner eigenen Vergänglichkeit und sagte zu Linda , deren Auge er dahin gerichtet : " vielleicht errat ' ich , was Sie jetzt denken , daß die Ruinen der zwei größten Zeiten , der griechischen und römischen , uns nur an eine fremde Vergangenheit erinnern , indes andere Ruinen uns nur gleich der Musik an die eigene mahnen , das dachten Sie vielleicht . "
-- " Wir denken hier gar nichts , ( sagte Julienne , ) es ist genug , wenn wir weinen , daß wir * )
Bei Baja . wir fort müssen . "
" Wahrlich , die Prinzessin hat Recht , " sagte Linda und setzte wie unmutig über Albano und alles dazu : " und was ist das Leben weiter als eine gläserne Himmelspforte ?
Sie zeigt uns das Schönste und jedes Glück , aber sie ist doch nicht offen . "
Durch Zufälle fremder Umgebung waren sie gezwungen , sich mit kaltem Scheine zu verlassen und nach der Gewohnheit des neckenden Schicksals eine große Vergangenheit mit einer kleinen Gegenwart zu beschließen .
Albano reiste so schnell sein Sinn es vermochte über die erhabene Welt um ihn her .
Als er in Mola ankam , hörte er die seltsame Nachricht , daß man in Gaeta eine ganze lederne Kleidung mit einer Maske weit im Meere schwimmend gefunden , die des aufgefahrenen Mönchs seine gewesen sein müsse und bei welcher man nichts so unbegreiflich gefunden als die Leerheit ohne einen toten Leib . --
In Mola verduftete endlich die schöne Ischias-Insel , die hohe Himmelsburg und der steigende Pol bedeckte unter anderen südlichen Sternbildern auch dieses warme , das mit Glückssonnen Titan IV. O so lange über ihm geschimmert ; und der letzte Stern des kurzen Frühlings ging hinab .
Das ist das Leben , das ist das Glück .
Wie der spielende Mond , besteht es aus ersten und letzten Vierteln und langsam nimmt es zu und langsam ab , -- in seiner Hoffnung , in seiner Furcht -- ; ein kurzer Blitz ist der Vollmond der innersten Entzückung , eine kurze Unsichtbarkeit der Neumond der innersten Öde ; -- und immer hebt das leichte Spiel wie der Mond seinen Kreis von neuem an .
Dreißigste Jubelperiode .
Tivoli -- Streit -- Isola bella -- die Kinderstube -- die Liebe -- Abreise. 116. Zykel .
Albano trat wieder bei dem Fürsten Lauria ab , der bisher in einem solchen Zustrom neuer Begebenheiten geschwommen war , daß er die Abwesenheit kaum innen geworden und sich über die Wiederkunft wundern wollte .
Es war unterdessen der deutsche Krieg gegen Frankreich festgesetzt worden .
Diese Botschaft trug er seinem Enkel voll von der freudigen Erwartung entgegen , welche große Szenen ein solcher Kampf entfalten müsse .
Auch Albano wurde lange mit ihm von diesem hohen Strome O 2 gezogen , ehe ' er daran dachte , daß diese Nachricht anders und niederschlagender auf seine Schwester wirken würde als auf ihn .
Aber das heroische Feuer , in welches er sich mit dem politischen Lauria hineinsprach , spielte ihm einen leichten Sieg über die schwesterliche Liebe vor .
Er wollte den Freundinnen seine Ankunft sagen , als er vom Fürsten vernahm , daß beide , wie er von der Fürstin Altieri , bei der sie wohnten , gehört , schon nach Tivoli gegangen .
-- Wie glücklich reiste er , die freundliche Absicht dieser Zwischenreise erratend , aus dem von Liebe und Frühling strahlenden Rom und sah eben so heiter nach der Zukunft , wo sein Leben sich blühend auseinanderschlug , als nach Tivoli , wo er zwei Herzen an eines zu drücken hoffte .
Er fand , da er in der Stadt Tivoli ankam , die feurigen Mädchen schon entwichen nach der Kaskade .
Wie ein Mensch im Tempe-Thal oder vor dem Genfer_See nur im unachtsamen Traum am Ufer vor den Wasserbildern des Himmels und der Erde vorübergeht , weil ihn die blühenden Urbilder rings umher umfangen und entzünden : eben so glitten die Felsen der bevölkerten Landschaft und der runde Vesta's- Tempel und die in einander fließenden Täler vom römischen Tore an bis zum Tempel , diese glänzenden Reihen glitten nur als Traum- und Wasserbilder vor dem Herzen vorüber , worin eine Geliebte lebendig blühte und mit der Fülle einer Welt eine Welt verdrängte .
Er irrte unter dem Gewühle der Aussichten umher , ohne die schönste zu finden , als ihn ein kurzer blaßgelber reichgekleideter Mensch mit eingeschrumpftem Gesichte erblickte und mit dem seidenen Arm auf den Weg zur Kaskade zeigte ungefragt sagend : wenn er die Damen suche , so seien sie bei der großen Kaskade .
Albano schwieg , ging weiter , sah zwei und erkannte Linda an ihrer hohen Gestalt .
Endlich sahen , fanden , umfaßten sich die drei Menschen und der herrliche Wassersturm wehte in die Entzückung .
Linda sagte zärtliche Worte der Liebe und glaubte stumm zu sein , denn das schöne Gewitter aus Strömen zerriß die zarten Silben wie Schmetterlinge .
Sie hatten sich nicht gehört und standen , schmachtend nach ihren Lauten , umrungen von fünf Donnern , mit weinenden Augen voll Liebe und Freude vor einander .
Heilige Stelle , wo schon so viele tausend Herzen heilig brannten und selig weinten und sagen mußten : das Leben ist groß ! --
Heiter und fest glänzt in der Sonne oben die Stadt über dem Wasser-Krater dahin -- stolz schauet Vesta's zerrissener Tempel , mit Mandelblüte bekränzt , von seinem Felsen auf die Strudel nieder , die an ihm graben -- und ihm gegenüber spielet der strudelnde Anio alles auf einmal vor , was Himmel und Erde großes hat , den Regenbogen , den ewigen Blitz und den Donner , Regen , Nebel und Erdbeben .
Sie gaben sich Zeichen zu gehen und das stillere Tal zu suchen .
Wie klangen ihnen darin die Worte : Bruder , Schwester , Linda , wie neue Menschenlaute im Paradies !
Hier , ehe sie den Hügel voll neuer Wasserstürze , Blitze und Farben bestiegen , suchten sie sich ihre Reisen und ihre Nachrichten einander zu erzählen .
Julienne berichtete die frohe , ihr Bruder , der Fürst , gebe wieder Hoffnung der Genesung , seitdem er wachend , wie er beteuere , seinen toten Vater ge sehen , der ihm längeres Leben versprochen .
Die schöne Linda blühte im Paradies wie eine verhüllte Göttin , die ihren Geliebten auf der Erde lange suchte und endlich gefunden hat .
Sie nahm oft seine Hand und drückte sie wider ihre Augen und Lippen und lispelte kaum hörbar , wenn er mit ihr oder Julienne sprach :
" Lieber ! --
Freundlicher Mensch ! " --
Über die Gegend schwieg sie ; denn über jede sprach sie erst , wenn sie aus ihr gekommen war .
Julienne , über die brüderliche Genesung so froh , fing allerlei Scherze an , sagte , daß sie bedauere , aus Neapel ihrem Ludwig ein vergebliches Spezifikum gegen sein Übel gesandt zu haben und fragte endlich Albano : " kennst Du nicht einen Jüngling Namens Cardito , er will Dich kennen ? " --
Er sagte nein , erzählte aber , ein kleiner stämmiger Mensch habe ihn hier zu kennen geschienen und zur Kaskade gewiesen .
Julienne fuhr auf und sagte , es sei entschieden der Haarhaarische Prinz , der auf Luigi's Tod und Thron so boshaft hoffe , er wohne in Tivoli im Hause des Herzogs von Modena und gehe gewißlich als ihrer aller Spion umher .
Um sich selber nach diesem gehaßten Mißlaut wieder auszustemmen , setzte sie die Frage über Cardito fort und sagte : " es ist ein sehr schöner derber Korse ( der Prinz ist ja die lebendige Ungestalt ) und er kündigt Dir ganz ernsthaft den Krieg an . "
" Den soll er wahrlich haben , " sagte Albano , der nun alles begriff ; und -- alles erzählte .
Cardito war jener Korse , mit dem er früher sich über den gallischen Krieg entzweiet hatte .
" Bruder , das ist noch Dein Ernst ? " sagte Julienne mit gedehntem Akzent .
" Jetzt besonders ! " sagte er entschieden , um den Streit sogleich auszuschließen .
Heftig drückte Linda seine Hand in ihre Augen , als wolle sie sie damit bedecken .
" Nun , so verhandle Deinen Prozeß mit mir , so vernünftig Du kannst , und lasse Deine Rechtsgründe hören , aber lasse ' uns erst auf den Hügel , damit man dabei auch etwas sieht , " sagte die Schwester .
Auf dem Hügel -- vor dem Grün des blitzenden Tals , wo überall der Strom wie ein verwundeter Adler mit dem Flügel an der Erde schlug -- vor den auf die Blumen herunter blitzenden drei Kaskatellen -- fing Albano bewegt und begeistert an : " ich habe nur Einen Grund , liebe Schwester -- ich bin noch nichts -- ich bin kein Dichter , kein Künstler , kein Philosoph , sondern nichts , nämlich ein Graf .
Ich habe aber Kräfte zu manchem , warum soll ich_es nicht sagen ? --
Wahrlich wenn ein Da Vinci alles ist , oder ein Crichton , oder wenn ein Richelieu , ob er gleich den politischen Thron behauptet , doch noch den poetischen besteigen will : soll ein anderer mit kleineren Wünschen nicht entschuldigt sein ? --
Und bei Gott ! eigentlich will ein Mensch doch alles weiden , denn er kann nicht anders , er sehnet und treibt sich dazu hin und das innige versteckte Herz weint Blutstropfen , die keine Menschenhand abtrocknet , nur die hohen Eisenschranken der Notwendigkeit halten ihn auf -- Schwester , Linda , was habe ich denn noch getan auf der Erde ? "
-- " Diese Frage ; -- und diese ist genug vor Gott , " sagte Julienne , bewegt von der wundstolzen Bescheidenheit des Jünglings und von seiner schönen Stimme , welche zornig so klang wie gerührt .
" Worte ! was sind Worte ?
( sagt ' er . ) O man schämt sich wohl freilich , daß man etwas früher nur denken und sagen muß , ehe man es tut , obgleich der dürftige Mensch nicht anders kann , sondern jede Tat wie eine Statue vorher im elenden Wachs der Worte modellieren muß .
Ach , Linda , liegen hier nicht überall um uns Taten , statt der Worte und Wünsche ?
-- Habe ich nicht auch einen Arm , ein Herz , eine Geliebte , und Kräfte wie andere und soll mit einem morschen mürben spanisch- oder deutschen Grafenleben aus der Welt gehen ? --
O meine Linda , streite Du für mich ! "
" Ich bin ( sagte sie , scharf nach der großen Kaskatella blickend , die hoch aus Bäumen herniederstürmte , ) nicht von vielen oder beredten Worten und verstehe Sie auch nicht ganz .
Ich muß mir immer die Worte in Ideen und Wahrheiten übersetzen und vermag es nicht allzeit .
Bei Ihren Worten , Graf , denke ich mir gar nichts .
Wem die Liebe nicht allein genügt , der ist von ihr nicht erfüllet worden .
Freilich , so mit dem Herzen alles vergessend , wie wir , so konzentriert in Eine Idee des Lebens sind die Männer nie .
Ach und so wenig ist der Mensch dem Menschen , ein Menschen-Bild ist ihm mehr und jede kleine Zukunft ! "
" Auch Du Brutus ? " sagte Albano betroffen .
" Würden Sie ( fuhr er sich fassend fort ) dem Elysiums-Leben auf Ischia eine Ewigkeit für einen Mann geben ?
Würden Sie ihn als Jüngling ins Kloster der seligsten Ruhe schicken ?
Gewiß nur als Greis .
Jenes hieße den Baum mit dem Gipfel in die finstere Erde pflanzen . "
" Das ist wieder der Deutsche ( sagte sie ) ; nur immer recht Betriebsamkeit .
Die ruhigen Neapolitaner , die Völker am Apennin , an den Pyrenäen , am Ganges , in Tahiti , voll Genuß und Beschauung , sind diesem Spanier ein Greuel .
Ich dächte , wenn ein Mensch nur für sich etwas würde , nicht für andere ; das reichte zu .
Was große Taten sind , das kenne ich gar nicht ; ich kenne nur ein großes Leben ; denn jenen Ähnliches vermag jeder Sünder . "
-- " Wahrlich , das ist wahr ( sagt ' er ) ; es gibt nichts erbärmlicheres als einen Menschen , der sich durch dies oder das zeigen will , was ihm selber groß , selten und ohne Verhältnis zu sei einem Wesen vorkommt , und ihm daher gar nicht angehört .
Jede Natur treibt ihre eigene Frucht und kann es nicht anders ; aber ihr Kind kann ihr niemals groß erscheinen , sondern immer nur klein oder gerecht .
-- Ist es anders , so ist ihr eine ganz fremde Frucht an den Zweig gehangen . "
" Albano ! wie wahr !
Aber Ihr hattet sonst nie einen halben Willen , wie ist_es ? " sagte Linda .
" Jetzt auch nicht ! " sagte er ohne Härte .
Man ist am sanftesten , wo man am stärksten ist mit dem Entschluß .
Er suchte nun seine eigenen Worte -- das Ohl und den Wind für sein Feuer -- recht zu sparen und zu meiden ; um so mehr , weil Worte doch gegen nichts helfen sondern vielmehr das fremde Gefühl anstatt aus- nur anblasen ; wurde ' er noch der häufigen Fälle eingedenk , wo er Linda mit einem einzigen Worte bei aller Unschuld zur Flamme aufgetrieben .
Sie standen , und er schaute hin über das göttliche Land , als Linda , nach einem stummen Blicken in sein Angesicht , ungeachtet ihres scheinbar-ruhigen Philosophierens , auf einmal heftig seine Hand an faßte und rief : " Nein , Du darfst nicht , bei meiner Seligkeit , bei allen Heiligen -- bei der heiligen Jungfrau -- bei dem Allmächtigen !
-- Du darfst , Du sollst nicht ! "
Einen Raub gibt es , wogegen ewig der Mann unaufhaltsam entbrannt aufsteht und begieng' ihn eine Göttin aus Liebe und böte sie dafür eine Welt von Paradiesen , es ist der Raub seiner Freiheit und freien Entwicklung .
Ja , daß es Liebe ist , aber despotische , zugleich Freiheit übende und raubende , das erbittert ihn nur noch mehr , und aus dem Nebel des Irrtums wird später das Gewitter der Leidenschaft .
-- Linda wiederholte :
" Du darfst nicht . "
Er sah ihr bewegtes glänzendes Antlitz an , dessen südliche Heftigkeit doch mehr einem Enthusiasmus glich als einem Zorn und sagte fest : " O Linda , ich werde wohl dürfen und wollen ! "
-- " Nein , ich sage nein ! " rief sie .
-- " Bruder ! " fing die Schwester an .
" O Schwester , ( rief er , ) sprich sanft , ich bin ein Mann und habe heftige Fehler . "
Ihn zog der erhabene Krieg des Wassers mit der Erde und mit Felsen , das Durcheinanderstürmen der blitzenden Regengestirne umher wie an Flügeln in die Wirbel -- die große Kaskatella warf aus hohen Bäumen ihren Wolkenbruch heraus , und aus dem Himmel ohne Donner stäubte eine schimmernde Welt -- und in Osten zeigte sich fern das Meer im dunklen Schlaf und die untergehende Sonne drang glänzend in den Glanz herein .
" Gewiß werde ' ich sanft reden , ( sagte die Prinzessin , die viel empfindlicher und nachklingender als Linda , einige Mühe hatte , den Sprachton zu ihrem Versprechen zu stimmen .
-- )
Es braucht nichts weiter als die Betrachtung , daß unser Streit zu früh ist ; ich tue bloß die Bitte , ihn bis zum Oktober auszusetzen , und das Versprechen , daß er dann anders ausgeht . "
-- " O es sei . " sagte Albano .
Linda nickte sanft und langsam und legte wider Erwarten seine Hand mit beiden an ihr Herz und sah ihn an aus großen Augen weinend , denen sonst Feuer gewöhnlicher war als Wasser .
Ihn zerschmolz der Anblick , daß diese kräftige Natur nur Heftigkeit ohne Hassen und Zürnen hatte , und ihn erfrischte unendlich sein voriges geheimes Niederschlagen seiner auffahrenden Flammen .
Die Schwester wurde durch beide erweicht und eine Minute der zartesten Liebe umschlang bald die drei Menschen mit Einer Umarmung .
Die Hyperbeln des Zorns sind dem Menschen nie so ernst als die der Liebe , jene soll nur der andere glauben , diese glaubt er selber ; alle hatte das Aussprechen aufgeheitert .
Wenn sonst eine vergangene kalte Minute den Liebenden wie eine kalte Nacht den Bienen , noch die Blumen zuschließet , woraus sie den Honig nehmen , so war hier nach dem Sturm aus klarer blauer Luft der Himmel , reiner und stiller und die Ruhe wurde Seligkeit wie die Seligkeit Ruhe .
Durch Albano war obwohl schnell die Furie der Furcht gegangen , die ein umgekehrtes Sternrohr hält und dadurch den Menschen einen ganz fernen ausgeleerten Himmel ohne Sterne zeigt ; aber nicht so durch Linda ; sie hatte immer in Liebe und Hoffnung fortgesprochen und für ihr glühendes Herz gab es keine Stellen mit Eis. Darum war er jetzt so selig , und so beglückt vom Anschauen der kräftigen Natur !
Eine hohe lange Tal-Kette , worin Wein und Öl in Blütendüften flossen , führte alle dem großen Rom entgegen .
Eine Zeitlang durfte sie der Jüngling begleiten ; endlich musste er zu einer langen Entfernung Herz und Auge von den Geliebten reißen , als über die grünen Täler her schon die mächtige Beters-Kuppel herüberglänzte und die Zypressen , stolz nur von Zypressen umgeben , das Gold des Abends auf den Zweigen trugen , ohne sie zu regen .
Alle hatten das Auge am schönen Rom , aber ihr Herz war nur auf Isola bella , wo sie einander wiederzufinden versprachen .
117. Zykel .
Auf dem Wege nach I sola bella dachte er seiner kriegerischen Stunde mit der heftigen Linda nach und dem Charakter dieser Kriegsgöttin .
Er erschrak über die steile Höhe , über welche er sich vor wenigen Tagen so weit herübergebückt , da Linda so entschieden ist , nichts kennt als Leidenschaft oder Vernichtung .
Und doch fand er jetzt in der Abkühlung ihre gebie tende tende Forderung an seine Freiheit noch härter und sagte es sich stark , das Weib dürfe nicht das heilige Gebiet der männlichen Entfaltung einengen oder beherrschen .
Von der anderen Seite war ja alles Liebe und deren Übermaß -- und je länger er reiste und verglich , desto einsamer und dunkler wurde es auf der Stelle seines Lebens , auf welche nur sie die große Flamme warf .
Sie rückte ihm durch sein stilles Beschauen ihres Geistes im Geiste viel heller und näher als durch die Gegenwart vorher , weil jenes sie auf einmal in Harmonie , diese sie mit den einzelnen Dissonanzen ohne die Auflösung gab .
Ihre Kraft der allseitigen Unparteilichkeit für alle Charaktere war ihm an einem Weibe eben so selten als groß erschienen ; zumal da er selber diese Kraft mehr in der Achtung für sie und in dem freudigen freien Auffassen großer , exzentrischer , poetischer Erscheinungen , aber nicht aller und der platten und schlechten wirken ließ .
Gleich mächtig und gewachsen standen in ihm neben einander Liebe und Freiheit ; nur durch einen neuen Entschluß wurden sie ver Titan IV. P bunten und versöhnt , sanft zu sein , nicht bloß stark , ihr sein Freiheitsrecht und seine liebende Seele recht offen hinzulegen und das edle Wesen zu werden , das ihr gehört : bin ich es nicht , wenn ich es recht will ? sagte er .
In der höchsten Lebensfreude , in der Einigkeit mit sich und dem Schicksal , machte er seine Reise nach Isola bella so schnell , als habe er da die Geliebte schon zu finden , nicht erst zu erwarten .
Wie manches stand jetzt kleiner an seinem Wege , an das er das römische Maß und nicht das deutsche legte und wovor er nun , wie ihm sein Vater vorausgesagt , flüchtiger vorübergieng ! --
Endlich sah er die Kunst-Alpe Isola von bella in den Wellen stehen ; und landete freudig mit seinem Lehrer in dem Kindheits-Garten an , wo er so viel erwarten und mit neuen welschen Lebens-Blüten am Herzen aus dem gelobten Lande scheiden sollte .
Er wartete mehrere lange Tage , sich sehnend und bangend nach den Freundinnen , ob ihm gleich der heitere Freund immer die Geschwindigkeit seiner Reise vorrechnete .
Sein Entschluß , recht sanft zu sein , wurde immer unnötiger und unwillkürlicher .
Die Insel selber löste schon mit ihren Frühlingen aus Düften und mit dem fernen Kranz aus Alpen die Seele auf .
Im vorigen Jahre hatte er sie mehr in Blättern als in Blüten gesehen .
Es war ja sein Kindheitsland -- an vielen Plätzen an der See schimmerten ihm Sterne aus einer tiefen nachmitternächtlichen Lebens-Frühe herauf -- hier hatte er zuerst seinen Vater gefunden , und zuerst Linda's Gestalt über den Wellen gesehen -- hier findet und verliert er sie nach der längsten Trennung wieder für eine noch längere -- und hier steht er im Tore zwischen Norden und Süden .
Das freie duftende Land voll Inseln , die Himmelsleiter des Lebens steigt ihm in den Äther zurück und er geht herab in ein kaltes voll Zwang und voll Augen -- seine Liebe wird gerichtet vom Vater , sie wird angefallen vom untergegangenen Freund .
" Ihr Tage in Ischia , ( seufzte er , ) ihr Stunden auf dem Vesuv und in Tivoli , könnet ihr umkehren ? könnet ihr je wiederkommen und das unersättliche Herz von neuem P 2 überströmen , daß es trinken und sagen kann :
es ist genug ? "
Zu seinem Dian sprach er , gleichsam um sich und sein grenzenloses Sehnen zu entschuldigen , häufig von Chariton und ihren Kindern und fragt ihn , wie es seinem Herzen dabei gehe : " sprecht mir nicht so viel davon , ( sagt ' er , nach seiner Weise mehr empfindend als erratend und verratend , ) wir sind noch so häßlich weit davon -- man verdirbt sich die Reise ohne Grund -- habe ich sie alle aber . . . . nun ei Gott ! " -- --
Dann schwieg er , riß sich den Jüngling in die Arme und küßte ihn nicht .
An einem blauen frischen Morgen stand Albano noch ehe ' die Sonne am Himmel auferstanden war , auf der hohen umblühten Terrassen-Pyramide , wo er einmal im Erwachen den teuren Vater ohne Abschied hatte entfliehen sehen -- und blickte bewegt in den leeren weiten See hinab -- und an die Gipfel der Eisberge umher , welche schon im Niederscheine der hoch herabziehenden Aurora blühten -- und niemand war bei ihm als die Vergangenheit .
Er blickte auf sich und in seine Brust und dachte : welche lange schwere Zeit ist seitdem durch diese Brust gezogen !
Eine ganze Welt ist darin zum Traum geworden !
Und das Herz schlägt noch frisch und fest darin ! --
Auf einmal sah er im lichten Morgen-Rauche des See es ein Fahrzeug rudern .
Langsam , träge watet es , denn er sah es aus großer Ferne .
Endlich glitt es , flog es , das Segel blühte auf im Morgenbrande und die grünen Wellen wurden ein umspielendes Lauffeuer wie damals in Ischia um Linda's Schiff . -- --
Linda war es und die Schwester .
Sie sahen hinauf und grüßten winkend .
Er rief in eiliger Wonne :
" Dian , Dian ! " und lief die vielfachen Treppen hinab , ganz verwundert und entzückt über den ausgebreiteten Glanz , weil er unter der frohen Erscheinung den Aufgang der Sonne nicht gesehen , welche vor der Geliebten die schönen Flammen , die Morgenblumen gleichsam in den Weg des Wassers unterstreute .
" Seid Ihr_es wieder , Ihr Göttlichen ?
O sprecht , weint vor Freude , daß ich selig werde und Euch habe !
Kommt Ihr denn mit al ter rechter Liebe wieder ? " so sprach er fort in beredter Trunkenheit , aus dem langen träumenden Warten geschöpft .
Linda sah mit heimlicher Engels-Lust , mit lieblichem Widerschein in die hoch spielenden Flammen seiner Liebe ; und die Schwester genoß in süßer Regung die schöne Milde auf beider Angesicht , welche an der Kraft so bezaubert wie Mondlicht an einem Gebirge .
Reisebeschreibungen wurden von beiden Seiten angefangen , aber keine geendigt ; Tags- und Insel-Ordnungen vorgelegt , aber keine gewählt .
Julienne hielt ihm sein Wort und ihre Bedingung , daß er abends weiter ziehen müsse , ans Herz als eine kleine Kühlung gegen das Freudenfeuer darin ; traurig sah er zur freundlichen hellen Morgensonne auf , als steige sie nicht höher sondern schon tiefer .
Sie gingen nun in schönem Irren durch die Insel , überall blühte neben der Gegenwart eine stille Vergangenheit , unter der Rose ein Vergißmeinnicht .
Hier in dieser Grotte vor den aufhüpfenden Wellen hatte er einst mit seiner Schwester Severina gespielt und auf diesem Eiland wurde ihm ihr Tod verkündigt ; " Aber Julie , Du bist meine Severina und mehr " sagte er ; " ich denke ( sagte sie sanft ) eben so viel . " -- Nicht weit von der Arkade hatte er zum erstenmal in das Angesicht seines Vaters geschaut :
" o wenn findest Du aber Deinen endlich ?
Sprich darüber , gute Linda ! " sagte er .
Sie errötete und sagte : " ich werde ' ihn finden , wenn das Schicksal es zulässt . "
" Wenn aber ist das ? "
-- " Ich weiß nichts , " sagte sie zögernd sanft .
Da rührte ihn Julienne winkend an und sagte in so vielem französischen Latein , als sie zusammentreiben konnte , aber in einem gleichgültigen Ton als spreche sie vor sich selber hin : " non eam interroga amplius , nahm pater veniet ( ut dictur ) die nuptiarum * ) . "
Er blickte sie verwundert an , sie nickte sehr oft .
" Julie ist ( sagte Linda lächelnd ) wie die Weiber , so listig im Handeln als offen im Sprechen .
Ich hätte mich keinem Bruder so lange verstecken können . "
-- " Dafür ( versetzte sie ) bekamen die Geschwister einander gleich ausge * ) Frage sie nicht länger , denn ihr Vater soll , wie man sagt , an ihrem Hochzeitstage kommen . wachsen und mit allen Vollkommenheiten , und können sich leicht liebhaben , wenn andere Schwestern erst viele Jahre die Fehler des heranwachsenden Bruders zu verwinden haben . "
Jetzt kamen sie auf die Galerie zwischen Limonien-Blüthen , wo Gaspard seinem Sohne so viele Schleier und Masken um die Zukunft hängend hatte sehen lassen ; da sagte Albano mit Unwillen : " hier mußt ' ich mir viele Rätsel ankündigen lassen -- und dort ( er meinte die Stelle im Meer , wo ihm zuerst Linda's Bild auf den Wellen erschien , ) wurde sogar diese teure Gestalt nachgeäfft . "
-- " Mein Gott , ( sagte Linda heftig , ) warum es noch gar aussprechen ? o es war so schlecht , es zu tun ! "
-- " Eingebüßt aber hat doch niemand viel dabei , ( sagte scherzend Julienne , ) ausgenommen ein Paar die Herzen und ich die Anonimität ! "
" Könnten wir beide nicht antworten , Albano ? " sagte Linda leise und hob die Augen auf .
" Bei Gott ! " sagte er stark , denn ohne jene Vorspiele hätten sie sich früher gesucht und gefunden .
Unter diesen Blicken in eine seltsame mit Zukunft durchwebte Vergangenheit waren sie in den borromäischen Palast , der diesen Tag zum Glück ohne die Besitzer war , getreten ; weil Albano beide , auf Linda's Gesuch , in die Zimmer führen sollte , wo er mit Severina erzogen worden .
Der Schloßwärter wollte sie , glaubend , sie suchten nur Aussicht -- denn die Kindheitszimmer lagen im fünften Stockwerk -- auf das Dach hinaus bringen ; er beteuerte , es wären staubige Kinderstuben und seit undenklichen Jahren zugesperrt .
Mühsam drehte der Mann mit einem rostigen Schlüssel ein eingerostetes Schloß auf .
Sie traten ins bestäubte helldunkle leere hohe Zimmer , worin eine leere Wiege , ein Blumentopf mit einem gleich seiner Erde vertrockneten sinesischen Rosenstöckchen , eine Kinder-Zinn-Uhr , eine weibliche Spiel-Küche mit altmodischem Geschirr , eine gerollte glänzende Klaviersaite , ein deutscher Kalender von 1772 , viele schwarze Siegel mit bloßen antiken Köpfen , ein ausgetrockneter Lianenzweig und dergleichen verloren umher lag .
Der Mensch sieht bewegt in die tiefe Zeit hinunter , wo seine Lebensspindel fast noch nackt ohne Faden um lief ; denn sein Anfang grenzt näher als die Mitte an sein Ende , und die aus- und einschiffende Küste unseres Lebens hängt ins dunkle Meer .
Albano wurde wehmütig angeregt von der Umgebung und von dem Blicke auf das Menschenleben und auf seine eigenen grünen noch winterlich-niedrig stehenden Felder hinaus -- und von der Stätte , wo er mit einer Mutter und Schwester gelebt , die aus der Erde , ja sogar aus seiner Phantasie entwichen waren . --
Er nahm die Zinn-Uhr zu sich und sagte : " gibt es für das Alter , das keine Zeit sondern eine Ewigkeit hat , eine bessere Uhr als die mit dem Zeiger ohne Gewerk ? "
Überrascht wurde Linda als sie von einem Glaskästchen einen Vorhang wegzog und als ein engelschönes Kind von Wachs darin in die hellen Augen Licht bekam .
" Es ist die tote Severina , " sagte Albano eilig , mit dem rauhen Beiwort " tot " was Linda nicht gern litt .
Immer mehr wurde ihm in der helldunklen Stube unheimlich -- ein Sonnenstreif brannte seltsam durch das hohe Fenster herab -- beseelter auferstandener Staub spielte in ihm -- die Geister der Schwester und Lianen konnten jede Minute durch das Erdenlicht blitzen -- und entfernter standen die Gebirge draußen im Leben .
Er sah die blühende Linda an , da kam sie ihm auf einmal anders vor , fremd , überirdisch , als erscheine sie unter den Geistern und gehe wieder von hinnen .
Sie sah ihn bedeutend an mit den Worten : " hier ist es unheimlich , gehen wir ! "
" Weib , " sagte er mit starker Stimme auf deutsch , einem innerlichen Schrecken antwortend und faßte ihre Hand , " wir wollen zusammenhalten wie ein lebendiges Herz , wenn man es zerreißen will . "
Linda versetzte : " ich bleibe nicht länger Julienne ! "
Und man ging .
Auf der Schwelle kam es dem Grafen ein , in das Nebenzimmer zu schauen ; er machte es auf und fuhr zusammen , rief aber : " geht nur voraus , " und ging hinein .
Er hatte nämlich sich im Spiegel zweimal nachgespielt erblickt .
Drinnen fand er sich in einer Nische in französischer Uniform stehen in Wachs , aber schon als Jüngling , und daneben , was die Tür bedeckt hatte , seinen Vater auch als Jüngling , altmo tisch bekleidet , aber schön wie ein griechischer Gott ; das warme volle blumige Gesicht war noch nicht im starren Leben überwintert und blühte noch liebend .
Er stürzte tief ins Meer der Vergangenheit .
Die kolossalischen Statuen draußen , und die beglänzten Gebirge halten sich aus dunklen Wellen aufgerichtet und standen in tropfendem Schimmer .
Man rief draußen .
Er blickte wieder in sein Gesicht , aber zornig .
" Wozu zweimal , " sagte er und zerquetschte sein Gesicht , aber ihm war es wie Selbstmord und Betasten des Ich_es .
Die väterliche Gestalt gönnte er noch weniger der fremden unbewachten Stelle , aber sie war ihm zu heilig zur kleinsten Berührung .
Er ging zurück und schwieg über die Bilder , um nicht an Linda's Phantasie die großen widerspenstigen Flügel aufzumachen .
Der grünende , blühende , glänzende Tag verschlang bald die kalten Schatten , die von Höhen und Gräbern der Vergangenheit hereingefallen waren .
" Aber jetzt , ( sagte Albano zu Linda , ) da Sie eben aus meiner Kinderstube gekommen sind , führen Sie mich einmal in die Ihrige . "
-- " Ich will Dich nur erst bekränzen , da wir am rechten Orte sind , " sagte sie und brach und band aus dem Lorbeerwald , durch dessen Gewimmel von lichten und dunklen Wellen sie jetzt gingen , Zweige zum Kranz .
Körperliche Geschäftigkeit gab dieser Jungfrau , welche leichter Töne und Farben und Ideen verknüpfte , ein besonders rührendes Ansehen von Kindlichkeit und naiver Herablassung .
Sie flocht die Krone aber mühsam , verwechselte einmal den ähnlichen Erdbeerbaum mit dem Lorbeerbaum , tat noch einen blühenden Myrtenzweig hinein und schmückte damit sein lockiges Haar , aber sehr ernst : " der Kranz geziemt Dir ; die hohen Lorbeern oben am Gipfel wirst Du Dir schon einmal selber holen , " sagte sie .
Er glaubte , sie spiele unter dem Ernst , allein sie sah den Bekränzten freudig und prüfend an und lächelnd , aber wie eine Mutter und sagte :
-- " So ist_es recht !
Was willst Du noch ?
Ich bringe es .
Albano , ich habe in dieser Stunde eine ganz besondere und neue Liebe zu Dir , ich möchte für Dich viel tun , viel leiden .
Mein Herz ist bewegt von überschwenglicher Liebe .
Küsse mich nicht .
Ich will Dir erzählen . "
Die schöne Weiblichkeit , die den Geliebten heißer und näher liebt , wenn sie zum erstenmal sein Eigentum , seine Kindheitsörter , seine Wohnungen betreten , erfüllte unerkannt ihr starkes Herz .
Er küßte sie nicht -- er sah sie an und weinte in Liebes-Wonne -- sie neigte sich herüber und sagte , aber heiter : " ich weine sehr schwer , Lieber !
Ich will Dir das von meiner Kindheit erzählen , was Du verlangtest .
Von meinen ersten Kindheits-Plätzen ist mir wenig geblieben , vielleicht weil wir immer reisten und weil ich auch mehr nach Menschen als nach Gegenden sehe -- außer mein längster Aufenthalt in Valenzia .
-- Vom frühen habe ich wohl meine Reise-Sucht .
Am Ende liegt sie doch in mir .
Aber Ihr glaubt immer , wie die Deutschen , das zu erlernen , was Ihr eigentlich ererbt oder erschafft .
Von meiner Mutter wurde ' ich mehr als von jemand gehasst und geliebt .
Jetzt bin ich klar über sie .
Sie war ganz für die Kunst oder für die Künste geboren , ob ich wohl glaube , daß sie von den Göttern eigentlich für die Bühne ausersehen war .
Sie war alles in dieser Minute , nichts in der anderen -- Flüche und Gebete , Glaube und Unglaube , Haß und Liebe wechselten ab in dieser epischen Natur .
-- Sie hätte eine Welt verschenken und eine stehlen können .
-- Sie drückte mich einmal an ihr Herz und sagte : wärst Du nicht meine Tochter , ich würde Dich stehlen oder töten aus bloßer Liebe ; -- und das war , als ich gesagt hatte :
ich liebe die Medea mehr als Kreusa !
-- Indes war sie zu inkonsequent , um ganz geliebt zu werden ; meinen unsichtbaren Vater liebt ' ich weit mehr , ich dachte , er sei Gott der Vater .
Ich bildete mir einmal ein , er müsse in Porta Celi * ) wohnen ; stundenlang ging ich um den Totengarten des Klosters und blickte sehnsüchtig durch die Palmen über die Rosen der Gräber .
Ich hing an allem Lebendigen bis zum Schmerz ; ein sterbender Kanarienvogel machte mich einmal krank und die Totenmesse glaubte ich werde für ihn gelesen .
Auch an Gott und Geistern hing ich trunken .
Im Feuer , das ich im Dunklen einmal aus dem * )
Eine sehr schöne Kartause bei Valencia .
Zucker schlug , blitzten sie mir vorüber .
Ich habe nie gespielt , sondern früh gelesen .
Da ich sehr ernst war und meine Gestalt sich zeitig entwickelte , so wurde ich früh als eine Erwachsene behandelt und ich begehrt es auch .
Niemand war mir ernst genug , außer der Vormund , der mit heimlicher Hand meine Entwicklung regierte .
Vor Büchern und im Reisewagen da verging mein erstes Leben .
Ich beneidete die Männer um ihr Wissen und ihre Freiheit , aber sie gefielen mir nicht , die Weiber noch weniger .
Ich galt für stolz -- und früher war ich es auch -- und für phantastisch ; ich nahm es nicht übel , und sagte :
ihr habt eure Weise und ich meine . " -- -- Durch Dian und Julienne wurde die Erzählung gestört .
118. Zykel .
Die erste einsame Minute , die Albano mit seiner Schwester fand , legte er zur Nachfrage über ihre lateinische Nachricht an , daß Linda's Vater gerade an ihrem Hochzeitstage erscheinen würde ; aber sie verwies ihn auf seinen eigenen , der ihm alles über Linda's ihren sagen könne könne -- und bat ihn , " Linda zu schonen , nicht nur in ihrer Zartheit , sondern auch in ihrer eigenen Ehe-Scheu , die sehr weit gehe .
Sie konnte nicht einmal eine Freundin an den Traualtar begleiten , ( setzte Julienne dazu , ) sie nannte diesen den Richtplatz der weiblichen Freiheit , den Scheiterhaufen der schönsten freisten Liebe und sagte , das Heldengedicht der Liebe werde dann höchstens zum Schäfergedicht der Ehe .
Freilich weiß sie nicht , wohin solche Grundsätze endlich führen . "
-- " Ich hoffe auch , daß Du ihr vertrauest , " sagte Albano , sich diese Seltsamkeit anders und höher ableitend als seine strenge Schwester .
Sie brach schnell ab , um ihm noch den Rat nach Pestiz mitzugeben , die Fürstin zu fliehen , die ins Innerste hinein kalt , falsch , rach- und selbstsüchtig sei .
" Sie hat etwas und zwar viel mit Dir vor -- und ihr Haß gegen die Gräfin kommt jetzt dazu -- Linda fasset sie scharf auf , aber doch lässt sie sich aus Heftigkeit durch alle hinreissen und benutzen , die sie übersieht und voraussieht . "
Albano blieb bei seinem alten sanfteren Urteil über die Fürstin -- um so mehr , da Titan IV. Q er Julienne moralische Härte gegen jede genialische schon aus ihrem Mißurteil über Lianen kannte -- ; aber er gab ihr das leichte Wort , sie zu fliehen , ohne ihr den Grund , nämlich ihre so hart entzauberte Liebe für ihn , zu sagen .
Für sein Zartgefühl gab es keine größere Rohheit als dieses öffentliche Erbrechen und Vorlesen eines Liebesbriefs , als das männliche Auffangen und Ausrufen eines weiblichen Seufzers der Liebe durch ein Sprachrohr fürs Volk .
Alle kamen wieder zusammen -- lagerten sich auf eine Stelle , die den See und die Alpen und die Blüten-Schatten gab -- der Tag glühte sich ab und sank von Schönheit zu Schönheit zum Abend hinunter .
-- " Auf dieser feinen Insel ( sagte Dian ) fängt sich schon das nordische Wesen an und wir stehen bald zu Hause unter einem spitzen Dach . "
-- " Nun ja , ( sagte Julienne , ) aber endlich hat man es doch auch gern , wenn man wieder einen reinlichen Menschen , eine Blondine und einen Schatten sieht und ein Paar Vögel hört * ) . "
-- " An Tivoli und Ischia und den Posillipo denke ich hier nicht , ( sagte Albano , ) ich denke an meine Kindheit und an die Alpen .
-- Drüben am Ufer des Langsee's ( Lago Maggiore ) mögen sich freilich die beiden Insel-Zuckerhüte nicht zum Besten darstellen , aber dafür stellet sich hier auf dem Zuckerhut das Ufer und der See desto besser dar , und für den der auf dieser Seealpe steht , ist sie doch gemacht . "
-- " Mir ist alles gleichgültig , ( sagte Linda , ) denn ich finde mich hier ganz wohl .
Das Rezensieren schöner Gegenden ist auch ein nordisch Wesen , weil man sie da nur aus Büchern kennen kann ; der Italiener , der sie hat , genießet sie wie die Gesundheit und ist sich nur der Entbehrung bewußt ; deswegen ist er nicht einmal ein großer Landschaftsmaler . "
" Man sollte ( sagte Dian ) das prächtige Welschland noch auf der Grenze besingen , wenn man von dem Kastellan eine Gitarre bekäme . "
Er ging und brachte eine .
Nun fing er ita * )
Die Sangvögel sind in Italien selten , weil man sie für die Küche auf dem Markt verkauft . Q 2 lienisch zu improvisieren an .
Er sang : " in Apollo wurde die alte Liebe nach dem vorigen Schäferlande auf der Erde und nach der verlorenen verhüllten Daphne wieder wach -- er stieg vom Himmel , um beide zu finden -- ihm hatte Jupiter den Momus mitgegeben , der ihm das Häßliche zeigen sollte , damit er zurückfliege -- als ein schöner lächelnder Jüngling ging er über die Inseln , durch die Ruinen der Tempel , durch ewige Blüten , vor göttlichen Gemälden einer unbekannten hehren Jungfrau mit einem Kinde und vor neuen Tönen vorüber , und zog wie über die Zauberkreise einer schöneren neuen Erde .
-- Vergeblich zeigte Momus ihm die Mönche und Seeräuber , und seine von der Zeit niedergeworfenen Tempel und ließ ihn spottend Thermensäulen für Tempelsäulen nehmen -- der Gott sah hinauf zum hohen kalten Olymp und sah herab auf dies warme Land , auf diese große goldene Sonne , diese hellblauen Nächte , diese ewigblühenden Düfte , diese Zypressen , diese Myrten- und Lorbeerwälder und sagte : hier ist Elysium , nicht in der Unterwelt , nicht auf dem Olymp -- da gab ihm Momus einen Lorbeerzweig von Virgils Grabe * ) und sagte :
das ist deine Daphne .
Jetzt erzürnte sich seine große Schwester Diana , sie gab Daphnen ihre Gestalt und Kleidung , als komme sie aus den Wäldern der Pyrenäen herüber ; aber er erkannte die Geliebte und ging mit ihr in den Olympus zurück . "
-- Als Dian das sang und die Lieder mit den Saitentönen fliegen ließ , so standen hoch drüben im Himmel die ewigen Glanz-Gebürge aus Eis , von den Bergen flatterten Quellen und Schatten in den hellen See und der Abend bewegte sich entzündet und entzückt .
Da ergriff der stille Albano die Saiten , senkte das Auge in den Blitz der Gebirge ein und fing errötend an : " verweile , o Sänger , bei den hohen Geistern , die auf das Schlachtfeld zogen , tötend , sterbend -- und die aufbauten die ewigen Tempel der Menschheit -- verweile bei den reinen Demanten , die glänzend und fest unter dem Hammer des Schicksals blieben -- verweile bei der alten Zeit , bei dem Meere * ) Dian liebte den Virgil nicht .
Roms , das einen Weltteil trug und die anderen untergrub -- aber fliehe vor der Zeit , die ihren Gipfel in ihren eigenen Krater senkte .
-- Verweile , Sänger , auf der Höhe und schaue in den Garten der Welt herunter , der ein spielendes Menschenleben ist -- die Ruine wird Fels , und der Fels Ruine -- auf dem hohen Vorgebürge duftet die Blüte , unten liegt das Meer mit offenem Rachen -- über die Szylla glänzen schöne Häuser und Gassen zwischen dem Lager erschrecklicher Felsen .
-- Und der Gott fliegt über das Land , und sieht das Kind auf der Tempelsäule am Ufer und die Göttertempel voll Mönche , die Sümpfe voll namenloser Ruinen und die Küste voll Blüten und Grotten -- und die blühenden Myrten und Reben und die Feuerberge und die Inseln -- und Ischia . . . . "
Aber ihm entsank die bestürmte Gitarre und die Stimme , das Auge ging tief in den Himmel und in das Leben des Menschen ein und er entfernte sich , um das laute Herz zu stillen .
In der kühlenden Einsamkeit bemerkte er , wie weit schon die Sonne hinabgeflogen sei wie mit Amorsflügeln durch einen kälteren Himmel ; -- er kehrte schnell zurück , in der Abendröte schlug seine Scheidestunde aus .
Als er wiederkam , war Linda allein --
denn Julienne hatte seinen Dian unter dem Vorwande , das Bilderkabinett zu besehen , von den Liebenden weggezogen , denen heute ohnehin nur ein kürzester Tag des Glücks beschieden war -- und die Geliebte sah ihn bedeutend an :
" Dian sang eigentlich besser ( sagte sie ) und epischer , aber Euer lyrisches Wesen habe ich doch auch sehr lieb . "
Sie blickte ihn wieder an , dann wieder , dann in sein Auge , dann umarmte sie ihn schnell und kein Laut erklärte den plötzlichen Kuß .
" Wir wollen auf die Terrasse , " sagte sie leise .
Sie bestiegen die schöne Höhe der zehn Terrassen , welche mit Lorbeer- und Zitronenbäumen und mit Pyramiden und kolossalischen Statuen und mit der Aussicht auf das ferne von Dörfern und Alpen umzogne Ufer das Auge füllt und wo einst Albano seinen Vater hatte ' entfliehen sehen .
" Du gefällst mir immer mehr , Albano , ( sagte Linda , ) ich glaube fast , Du kannst recht lieben ; erzähle mir Deine erste Liebe , ich habe Dir auch erzählt . "
-- " O Linda , ( sagt ' er , ) wie viel begehrst Du !
Aber ich bin wahr und sage Dir alles ; Du wirst Sie lieben wie Sie Dich liebte .
-- Sieh hier Dein Bild , das Sie sterbend machte und mir gab ! "
Er reichte ihr die kleine Zeichnung und ihr Auge wurde naß .
Darauf fing er leise und feierlich das Gemälde seiner ersten Liebe an -- wie er Sie so früh noch ungesehen und in ersten Morgenstrahlen des Lebens verehrt und gesucht -- und wie er Sie fand -- und wie Sie glücklich machte und es nicht wurde -- wie sanft Sie war und er so wild und hart -- wie er seinen eigenen Ungestüm des Herzens Ihr zumutete -- wie grausam er Ihre Entsagung aufnahm und wie Sie durch ihn unterging .
Linda weinte mehr als gewöhnlich .
" O ich habe hart gehandelt , gute Linda ! " sagte er .
" Nein , ( sagte sie , ) ich weine über Euch beide . "
-- " Ich habe große Mängel , " sagte er .
" Alle vergebe ich Dir , ( sagte sie , ) wenn Du nur lieben kannst ; aber das liebliche Wesen hat auch sehr gefehlt und gegen die Liebe . "
-- Sie hielt innen , dann fragte sie leise :
" Albano , ist Sie noch in Deinem Herzen ? "
-- " Ja , Linda , " sagte er .
" O Du redlicher und treuer Mensch , ( rief sie begeistert und legte ihr Haupt an seine Brust und betete : ) heiliger Gott , gib deinen Unsterblichen alles , nur laß mir ewig dieses Menschen Brust , damit er recht geliebt wird , recht unaussprechlich und damit ich nicht untergehe ! --
Willst Du , Lieber , ( lispelte sie plötzlich und richtete sich auf , ihn anblickend mit unendlicher Liebe und Hingebung , ) daß ich in Lila wohne , so gebiete es nur . "
Dieses weibliche gehorchende Ergeben eines so freien mächtigen Geistes machte ihn sprachlos -- wie ein Adler faßte ihn die Liebesflamme und hob ihn empor -- er glühte an ihrem blühenden Angesicht und die Brautfackel der untergehenden Sonne schlug mit großen Flammen zwischen beide herein .
" Linda , ( fing er endlich mit zitternder feierlicher Stimme an , ) wenn wir es wissen könnten , daß wir uns je verließen oder verlören -- O !
Linda , ( fuhr er mühsam fort , unter seinen Tränen und Küssen , ) wenn das möglich wäre , es sei durch meine Schuld , oder durch das kalte Schicksal :
wäre ' es dann nicht schöner , wenn wir uns in dieser Minute hinunterstürzten in den See und in unserer Liebe stürben ? "
-- Die Sonnenglut brannte wie eine Aurora herein , welche Jünglinge und Jungfrauen zu den Göttern entführt ; und die Lebens-Dämmerung war zu hellem Morgenrot entzündet .
" Wenn Du das weißt , ( sagte Linda , ) so stirb jetzt mit mir . " -- --
Da weckte beide Julienne ferne Stimme -- endlich kam sie selber mit Dian zum Abschied .
Sie sahen erwachend , von der Sonne und Liebe geblendet umher und alles war verändert -- die Sonne war versunken , der weite See mit Nebel-Schatten bezogen und die Welt erkältet , nur die hohen Eisberge loderten noch rosenrot ins Blau , wie Gedächtnissäulen der flammenden Bundes-Stunde .
Vor Albano's Seele stand noch das menschentrennende Schicksal , die kalte verhüllte Felsen-Gestalt , deren Schleier auch steinern ist und den niemand hebt .
Er wollte nun durchreißen und sogleich ohne feiges Zögern in den Winter hinunter .
" O bis der Hesperus unterge gegangen , verzieh ! " lispelte Linda .
Er blieb ; aber beide hatten keine Worte mehr , nur die Augen ; die festgehaltenen Adler , die vorhin den himmlischen Venuswagen durch den Himmel gerissen , flatterten daran wild auf .
Der Abendstern ging unter ; der halbe Mond in der Himmelsmitte legte Strahlen als Zauberstäbe an die Erde an und verwandelte sie in eine heilige blasse Welt des Herzens .
" Nur noch den großen Stern lasse ' hinab " -- sagte sie und sah ihn sehnsüchtig an .
Er tat_es .
Die Nachtigallen hüpften tönend zwischen den Silberzweigen ; nur die Menschen hatten Himmel und Liebe ohne Stimme .
" Nur noch ein Sternchen ! "
bat sie ; er gehorchte , schon vom Worte gerührt ; aber sie entschied sich selber und sagte :
" Nein , gehe ! "
-- " Wir wollen , Dian ! " sagte er .
Dieser ging Liebe-schonend die Terrassen voraus hinab .
Heftig und lange lagen die beiden Geschwister einander am Herzen und wünschten sich ein heiteres unbestürmtes Wiederfinden .
Linda gab ihm nur die Hand und sagte kein Wort ; wie der stille Himmel der Nacht seine heiße Sonne bei deckt , so war ihr stammendes Herz verborgen ; und da er ging , schloß sie , ohne nachzublicken , seine Schwester an die wallende Brust .
Glanz und Nacht und Duft bestreuten die Himmelsleiter der Terrassen , die er herunter ging .
Leise flog sein Schiff durch den Sternen- und Blüten-Schnee , der auf den Wellen wehte -- die Nachtigallen der beiden Inseln klangen zusammen -- die Schiffer sangen ihnen frohe Lieder zurück -- die Orangendüfte führte der günstige Wind dem Schiffchen nach ; -- aber Albano hatte Herz und Angesicht weinend nach der versinkenden Pyramide gewandt .
Die Schwester hatte allein auf der Höhe nachgesehen , dann war auch diese verschwunden -- die Nachtigallen riefen noch leise nach -- endlich war alles verhüllt . --
Er kehrte sich um nach den blaß-schimmernden Eisgebirgen , wie nach den Leuchttürmen seiner Fahrt und vom Himmel dieses Tags war ihm nun nichts geblieben als die leitende Liebe , wie der Schiffer dem Magnete folgt , wenn die heiligen Sterne sich verborgen haben und ihn nicht mehr führen .
119. Zykel .
Albano und Dian flogen über die deutschen Gefilde freudig so manchem teuren Herzen entgegen und nichts wurde getäuscht als ihre -- Furcht vor dem Abstande ihrer Reise-Länder .
Stadt des schwarzen Lavasandes und des verbrannten Bodens hinter ihnen deckte jetzt das helle frische Grün die Ebenen und kühlte das geblendete Auge .
Die Wellen grüner Ähren-Fluren schlugen sich so lustig als die Wellen des blaugrünen Meers .
In dichteren , längeren , höheren Wäldern wehten neue Schatten , gleichsam schöne kleine Abende , die sich vor dem Tag verkrochen .
Nach dem schwarzen Grün der welschen Bäume kehrte das helle lachende der deutschen Gärten zurück ; und neue Vögel- Chöre wiegten sich in Wolken und in Wäldern und grüßten das Menschen-Herz und schickten ihm ihre leichte schuldlose Freude herab .
Von Frühling zu Frühling zog der glückliche Albano mit seinen Liebesträumen ; wie hinter ihm eine südliche Blüte fiel , so tat sich vor ihm eine nördliche auf ; und sein Reisewagen blieb auf dem bunten Wege und unter den Blüten-Schatten eines langen Gartens .
Endlich stand er vor dem Hause , wozu ihn der Garten führte , vor der Lindenstadt ; so stand er auch im vorigen Jahre auf der Höhe vor ihr , zum Wolkenzuge der Zukunft aufsehend ohne zu erraten wozu das Gewölk ' sich bilde , ob zur Aurora , oder zum Abendgewitter .
Wie viele alle Schmerzen streiften jetzt gleich Schatten von Wolken über die alte Gegend , über die Blumenbühle Höhen und über die Häuser hinüber , als er die bekannten zuweilen mit Tränen bezeichneten Wege der Vergangenheit überschaute !
Er ging jetzt , das bedacht er , seinem Vater mit der Nachricht seines neuen Glücks entgegen -- seinem abtrünnigen Freunde mit der geraubten Geliebten -- mit alter und neuer Liebe seinem wiederkehrenden Schoppe , dessen Herz und Schicksal ihm jetzt zugleich so dunkel und so wichtig waren -- und der sonderbaren Zeit und Stunde , wo die unterirdischen Wasser , deren Treiben und Rauschen er bisher so oftmals erfahren , auf einmal aufgedeckt , und mit allen Krümmungen und Quellen entblößet vor dem Tageslicht liegen sollen -- und der heiligen Stelle , wo er die Geliebte , die ihm jetzt auf dem utschen Wege und in der Nähe der vorigen Schwierigkeiten noch größer und unerreichbarer erschien , als auf dem Epomeo in der Nachbarschaft alles Erhabenen am Himmel und auf der Erde , kühn ans Herz nehmen und schließen durfte auf ewig , ohne wieder zu fragen : wirst Du mich lieben ? --
Da dachte er an ein Bild zurück , das er auf dem Vesuv * ) gefunden und sagte zu Dian : " hinter dem Menschen arbeitet und geht ein langsamer Strom , der glühend ihn verzehrt und zermalmt , wenn er ihn ergreift ; aber der Mensch schreite nur tapfer vorwärts und schaue oft rückwärts , so entkommt er unbeschädigt .
Mein geliebter Lehrer , so will ich es jetzt in mei * )
So schwer und langsam wälzt sich der breite Lavastrom herunter , daß ein Mensch vor diesem glühenden Todesfluß , der alles verschlingt , erstickt und zerschmilzt was er berührt , vorausgehen und die Zerstörung hinter sich sehen kann , ohne sich in die Gefahr einer eigenen zu setzen . einen neuen bedenklichen Verhältnissen machen ; wende Du mich aber nach der Lava um , wenn ich es in schönun _ Gegenden zuweilen vergessen sollte ! "
-- " Sprecht bessere , günstigere Worte !
( sagte Dian . )
Heil uns , die Götter sind schon gewogen ! --
Dort kommt Euer Vater den Schloßberg herauf und sieht so lustig und glücklich aus wie ich ihn nie getroffen ! "
Ein Ein und dreißigste Jubelperiode .
Pestiz -- Schoppe -- Ehescheu -- Arkadien -- Idoine -- Verwicklung. 120. Zykel .
Gaspard hatte gegen seinen Sohn die gewöhnliche vornehme Kälte der ersten Stunde , wie Briefe kälter anfangen als endigen .
Erst als dieser Morgen-Reif geschmolzen und es wärmer um ihn geworden , entdeckte ihm Albano ohne Furcht und ohne kleinmütiges Erröten mit gereifter Männlichkeit den Bund , den er mit Linda und mit sich auf ewig geschlossen und bat ihn um das dritte Ja .
" So hat es doch ( versetzte der Ritter ) der alte Zauberer am Ende noch durchgesetzt ; freilich unter dem Beistand Titan IV R einer jungen Zauberin .
Daß ich Dich in dem was Du mit ganzer Seele und auf immer ergreifest , niemals störe , das weißt Du noch vom vorigen Jahre aus einem ähnlichen Fall . "
Albano wurde über die bittere Erwähnung seiner ersten Liebe rot , hatte aber seit einem halben Jahre die Kraft gewonnen , da männlich zu schweigen , wo er sonst jugendlich sprach .
Gaspard , heute froher und gegen ihn wärmer als sonst , fuhr doch , als er dessen Empfindlichkeit bemerkte , fort :
" Ich heiss es gut !
Wie der Siegelgräber das Wappen anfangs in Wachs , und erst dann in den Edelstein sticht , so versucht der Mann das seinige in mehr als ein Herz zu graben , bis er endlich das festeste hält .
Man muß bekennen , Du hast nicht am schlimmsten ausgewählt in meiner Mündel und ich gebe gern mein Wort dazu . " -- Albano drückte die Hand , die den süßen Knoten der Liebe noch fester zog und sagte im Rausche des Danks : " auch meine Schwester fand ich , die Prinzessin , aber ich tue an Sie keine Frage wie neulich , sondern rechne auf die Zeit . "
-- " Spötter !
( sagte Gaspard und nahm , ihn abzukühlen , wie es schien den grausamen Schein an als denke er , der reine edle Sohn habe ihm mit der Erwähnung der Schwester den Spott der vielfachen Liebe zurückgeben wollen , ) schweige nur über alles im Innersten wie ich selber bisher ; und verbirg dein Wissen dem Hofe ; gib mir Dein Ehrenwort . "
Albano sagte , auch Julienne habe er es schon gegeben ; er wurde ' aber durch Gaspards ganzes Betragen auf Schlüsse zurückgetrieben , die weder seinem Vater noch Julienne Mutter sittliche Kränze aufsetzten .
Gaspard setzte noch dazu , es sei für einen Mann ein Unglück , mit phantastischen Weibern -- wie Albano schon seine Mutter kenne -- und zwar mit drei auf einmal verwickelt zu sein und riet ihm , seinen Schritt wie bisher tapfer durch alle Rätsel fort zu tun und sie ihrer eigenen Auflösung zu überlassen ; darauf legte er ihm als eine Probe der dritten Phantastin die Frage vor , ob er schon wisse , daß die Gräfin ungeachtet seiner Vormundschaft ihren lebendigen Vater noch habe , der erst an ihrem Hochzeitstage erscheinen wolle .
Er bejaht es .
Ga R 2 spart fuhr nun fort : schon dieser Grund allein --
damit Linda ihren Vater und sie alle endlich die Ruhe der Klarheit fänden -- bestimme ihn für eine frühe heimliche Verbindung beider durch den ehrlichen Spener .
Albano -- ordentlich erschreckend vor der schnellen nahen Verwandlung seliger Stunden in selige Jahre und eben so unvermögend , sich seine Titanide als Gattin zu denken wie als Kind -- antwortete bescheiden und mit uneigennütziger Rücksicht auf Linda's Ehe-Scheu : über die Zeit seines besiegelten Glücks dürfe und könne niemand entscheiden als Linda selber .
Gaspard war zufrieden : " nur um einen Aufschub halte ich bei Euch an ( fügt ' er noch bei ) ; mein Freund , der Fürst , ist seinem Ende wieder näher -- die wohltätige Wirkung , die auf ihn eine Geister-Erscheinung gemacht , hat allmählich nachgelassen , und er fürchtet täglich die Wiederkunft des Phantoms , das ihm die letzten Stunden vorauszusagen versprochen .
-- In solcher Zeit taugt mir Euer Fest nicht . --
Im Vertrauen gesagt , der arme Kranke hatte selber ein Auge auf die schöne Braut . --
Es ist doch billig , ihn mit der größten Gewißheit seines Verlustes zu verschonen .
Seinetwegen verschieb ich auch meine Abreise . "
Wie wenn ein Mensch in das junge Paradies träte und alle Vögel auf einmal , Nachtigallen und Adler und Eulen und Paradiesvögel und Geier und Lerchen umzögen ihn :
so verworren fühlte sich Albano durch diese durchkreuzende Ansichten erregt und er merkte , hierin gebe es keinen Verlaß und Vorhalt als auf sein eigenes Herz und Linda ihres .
Gaspard schien ungeduldig auf das Wiedersehen der Gräfin zu sein , die er seine einzige Freundin nannte .
" Ich glaubte leider in Rom meinem Bruder nicht , ( setzt ' er dazu , ) da er beiden Frauen in Neapel wollte begegnet sein . --
Apropos dieser ist vor einiger Zeit hier durch nach Spanien gegangen ; in Rom behauptete er , nach Griechenland zu reisen -- Du siehst , mit welcher poetischen Lust und Genialität er das reine Lügen treibt . "
Gaspard schied sehr warm von ihm mit den Worten :
" Albano , ich bin mit Dir zufrieden , ich wäre es unendlich , wenn die Reinheit des Jünglings in den Mann übergienge -- noch habe ich es nie gefunden . "
-- Albano wollte gerührt beteuern und beschwören .
" Darum ( fuhr er mit einer leichten den Eid wegtreibenden Hand-Bewegung fort ) fandest Du mich so froh über Dein Glück , denn die Fürstin , Freund , hatte mir Deine Liebe schon am Morgen verkündigt .
Nimm Dich in Acht vor ihr , denn sie hasset Dich ohne Grenzen . "
Hart und schauerlich tritt wie ein neues wunderbares Raubtier hinter dem Gitter , zum erstenmal ein rechter wenn auch waffenloser Haß vor ein gutes Herz .
Albano begehrte keine Bekräftigung und Erklärung dieser traurigen Nachricht , denn der Fürstin Liebe und Irrtum , ihre Bekanntschaft mit seiner vorigen Kälte gegen Linda , ihr stiller Ingrimm gegen diese selber , waren ja für sie Flammen genug , um daran den stärksten Gift zu kochen .
Er wohnte wieder auf des Vaters Ersuchen bei dem für ihn unbedeutend in der Tiefe liegenden D. Sphex ; und Gaspard wieder im Schloß nahe am kranken Freund .
Der Ritter stellte ihn schnell dem Hofe vor , der das Reise Braun , den schärferen Augen-Blitz und die ganze letzte Entwicklung seiner großen Gestalt schnell bemerkte und bemerken ließ .
Die Fürstin empfing ihn mit der leichtesten feinsten Kälte , gleichsam einer aqua toffana , die nur reines geschmackloses Wasser scheint .
Der Fürst saß im Krankenbette aufrecht mit verdrußlichem Gesicht vor herkulanischen Zeichnungen und ließ sich darüber von Bouverot belehren .
Wie ein Gesicht , auf welchem in den späten grauen Jahren des Lebens noch schöne Freudigkeit sich bilden kann , ein schönes Leben und schönes Herz verkündigt :
so lächelt der Heilige nie himmlischer als auf dem Krankenbette , und der Verlorene nie härter als eben da .
Albano wandte sein Auge ab vom siechen verzerrten Bruder seiner Schwester .
Schmachtend sah er nach dem vergangenen Hesperien zurück und auf die Paradieses-Pforte hin , die endlich aufgehen und Linda und die Schwester im Eden zeigen sollte .
" Es wird Dir recht sein , ( hatte Gaspard gesagt , ) daß ich es unter dem Vorwand der Krankheit Luigi's gemacht , daß beide im alten Schloß zu Li lar wohnen , wo Du sie unbemerkter sehen kannst . "
Er begegnete dem Minister Froulay , und ihm kam entgegen der Lektor ; -- mit beiden ging ein dunkles vielfaches Schatten-Gefolge von harten alten Erinnerungen mit .
Noch hatte er den Hauptmann Roquairol nicht gesehen , jetzt für ihn der Abendnebel eines untergegangenen Frühlingstags .
Er trug so schnell er konnte sein stummes Herz -- das eine Äolsharfe in der Windstille war -- nach dem kindlichen Blumenbühl , um die elterlichen Menschen zu begrüßen und die Blätter seines nächsten Seelen-Nachbars Schoppe zu lesen , nach dessen versprochener Wiederkunst er sich jetzt mehr als jemals sehnte .
121. Zykel .
Es war ein blauer frischer Sommertag , da Albano nach seinem alten Blumenbühl ging , ohne zu wissen , daß er_es gerade an dem Jakobi- oder väterlichen Geburtstag tue , den er einmal in der Kindheit mit so seltsamen Vorspielen seines Lebens verbracht .
In den alten Gärten und auf den alten Höhen umher bis nach Lilars Walde hinüber lag überall noch der junge schimmernde Tau der Kindheit unvertrocknet von der Sonne Hesperiens ; auch manche Tränentropfen standen darunter auf Blumen ; aber sein frischer genesender Geist wehrte sich jetzt gegen weiches Verschwimmen in die laue Verflossenheit , diese Lethe der Gegenwart .
Im Dorfe wurde er über ein Pferd , das man beschlug , betroffen , weil er_es an Zeuge und allem als Roquairol's Freudenpferd erkannte .
Ein Fest trug er in das Fest hinein , als er in die laute Vaters-Stube voll Geburtstagswähler trat , blühend , entwickelt , gerade , ein befestigter Mann mit entschiedenem Blick und Zug .
Rabette schrie auf -- Roquairol rief :
" Aha ! " --
und der alte Lehrer Wehmeier : " Gott und mein Herr ! " --
und seine Kindheits-Engel , die Eltern , umfaßten ihn unverändert und aus Albinens blauen Augen rannen die hellen Tropfen .
Aber verändert stand die fremde Jugend neben seiner .
Rabettens Angesicht , die vorigen vollen Wangen und blühenden Lippen waren niedergefallen und mit dem aufliegenden weiß sein Schleier überlegt und verwachsen und sie hatte zwei graue Tränen statt der Augen ; indes lächelte sie sehr .
Wie sein eigenes Gorgonenhaupt , erschien Roquairol's Gesicht blaß und hart , gleichsam auf seinen Grabstein gehauen ; nur schroffe Pfeiler standen in der Flut ohne die leichten Bogen der schönen Brücke .
Zu Albano's Blüten-Stamme sahen Albine und Rabette unverwandt hinauf , er schien ein italienisches Gewächs zu sein , ein Neapolitaner , im täglichen Bade des Golfs genervigt .
Roquairol hatte sogleich seine Rolle in der Gewalt , leichter als Albano seine Wahrheit ; er benahm sich gegen den , der ihm den Zauberstab des Lebens entzweigebrochen und als zwei Bettelstäbe hingeworfen hatte , mit der höchsten Höflichkeit , küßte ihn auf die Wange , hielt in dem leichtesten oft französischen Sprachton aus , zog die nächsten Nachrichten über Welschland ein und gab wieder die erheblichsten , so gut er sie , sagte er , für einen Mann mit hesperischem Maßstab auftreibe , aus dem Lande zum Besten .
Auch erzählte er , " daß des Ritters Bruder dagewesen , ein Mann voll Talente , zumal mimischer der Art , und von der sonderbar-heftigsten Phantasie bei der höchsten Kälte des Charakters , vielleicht aber nicht immer wahr genug . "
-- " Bei meinem Trauerspiel ( setzt ' er dazu ) wäre er Goldes wert .
Lieber Bruder , sei bei dieser Gelegenheit auch gleich eingeladen dazu ; es heißt : der Trauerspieler -- Ich gebe es bald -- Rabette kennt es . "
Sie nickte , Albano schwieg unter seiner Glut .
Unter allen Rollen gelang dem Hauptmann die eines Weltmanns am reinsten ; auch ist der Schein der Kälte leichter und wahrer als der Schein der Wärme .
Albano blieb in einem stolzen Abstande .
Der gekränkten welken Rabette gegenüber konnte Roquairol durch nichts gewinnen , auch nicht durch die Vorbitte seiner Gestalt voll zertrümmerten Lebens ; etwas auf ewig verworrenes und die Wachsflügel zu einem Klumpen gequetscht , fand Albano und ihm war hier enge wie einem , der von der hellen Welt herab auf einmal in eine niedrige feuchte Kellerhöhle kriecht .
Der Hauptmann stand auf , erinnerte noch einmal an seine Bitte für den " Trauersepie leer , " und sprengte auf dem Freudenpferde davon .
Hinter ihm schwieg jeder von ihm wie verlegen .
Die Weiber , von Albano's glänzender Gegenwart ein wenig scheu , getrauten sich nur schwer mit der alten einheimischen Vergangenheit hervor , indes der Pflegevater Wehrfritz , in seinen Meinungen und Sitten fortgewachsen , noch in das alte Geschrei der Kanarienvögel , und Hunde eingefasst , gar keine Zeit kannte , dem Pflegesohne innigen Dank für die verbindliche Erinnerung und Wahl seiner Geburtstagsfeier sagte , den Albano notwendig und vergeblich ausschlug , im vorigen Du und Vaterwesen fortfuhr , sich über die Franzosen und ihre künftigen Siege entzückte und jetzt dem älteren Pflegesohne mehr Prämien des Lobes als jemals dem jüngern bewilligte , um ihm dadurch , hoffte er , ein so großes Vergnügen zu machen wie sonst .
Der Magister unterstützte von weitem das Lob , ob er gleich nicht unterlassen konnte , sofort als sein Schüler Neapel , Baja , Cuma ausgesprochen hatte , eine Gelegenheit zu ergreifen , um Neapel , Baja , Cuma aus zusprechen .
Albano war rein , wahr , menschlich , offen und herzlich gegen alle ; Eitelkeit war nicht in seinem selbstvergessenen Stolz .
Rabette fand endlich ein Hebezeug , den glänzenden und doch trauten Bruder aus dem Gastzimmer in ihres oder sein voriges aufzuwinden , um allein zu sein an seiner Brust .
Als sie hineintraten :
so fing sie sogleich mit den Worten : " kennst Du die Stube noch , Albano ? " unendlich zu weinen an mit den so lange gesammelten Tränen ; und Albano zeigt ihr in den seinigen sein langes bisheriges Mitleiden , riß aber dadurch die ganze wundenvolle Vergangenheit auf .
Sie griff selber zum Heilmittel , zum Erzählen -- so sehr er auch vorschützte , er wisse und errate ja alles -- ; und berichtete die Augen trocknend , wie alles stehe -- und " daß Karl viel bei seiner Mutter in Arkadien sei -- daß der Minister noch gegen das einzige Kind den alten Wüterich mache und ihm nicht einen Heller mehr als sonst zuschieße , ob er gleich immer große und größere Schulden häufe , zumal seitdem keine Liane sie mehr im Stillen tilge -- daß er über all borge , nur aber von ihr nichts annehme -- daß er noch immer weiter nichts begehre und kenne als die Gräfin -- und daß Gott wisse , wohinaus das alles noch wolle . "
-- Allem Fragen zuvorkommend , setzte sie dazu : " er weiß schon jetzt alles , Dein ganzes Leben mit derselbigen Person -- er tut dabei still und lustig , aber ich kenne ihn genügsam . "
-- " Ach ! ( seufzte sie in der Jammer-Fülle ; und setzte sogleich mit derselben Stimme dazu : ) Du siehst mich an , nicht wahr , Du findest mich sehr mager gegen sonst ? "
-- " Ja wohl , Arme ! " sagte er .
" Ich trank viel Essig seinetwegen , weil Karl schlanke Taillen liebt ; und der Gram tut auch viel , " sagte sie .
Albano wollte sie trösten mit der nähern Möglichkeit einer Verbindung Karls mit ihr , seit der entschiedenen Unmöglichkeit jeder anderen und bot sich ihr gern zu jedem Vorwort und Zwangsmittel an -- ; " er ist vor Gott und uns Dein Mann , " sagte er .
" Das hat er nie ( versetzte sie errötend ) sein mögen , nämlich honett ; ich schrieb Dir ja , daß ich jetzt auch zu stolz bin dazu . " -- Nichts bestach ihn mehr als sittlicher Stolz : " so wirf ihn einmal weg auf immer ! " sagte er .-- " Ach , ( sagte sie bänglich , ) weiß ich denn , daß er kein Leid gegen sich selber vorhat ? --
Dann würfe ich mir es ewig vor . ' ' Unwillkürlich mußte er mit dieser liebenden heiligen Furcht die Härte der Fürstin vergleichen , die es so froh und stolz erzählen konnte , daß manches verliebte Leben das Opfer ihres spröden Herzens und koketten Gesichts geworden .
" Was willst Du nun tun ? " fragt er .
" Ich weine , ( sagte sie , ) ach Alban , das ist ja genug , daß Du mir Gehör und Rat gegeben ; ich bin wieder ganz heiter .
Aber werde wieder sein Freund . "
Er schwieg , über die weibliche Unart ein wenig erzürnt , die unter dem Vorwand , Rat zu suchen , nur Gehör verlangt .
" Was ist das , ( fragt ' er , ein Blatt ihr zeigend , ) das ist völlig meine Hand und ich habe es nie geschrieben ? "
-- Sie sah es an und sagte :
" Karl probiere oft so in den Händen bei ihr . "
Es wunderte ihn und er sagte : " überall nur Nachspielen und Nachmachen !
Aber wie kannst Du denken , daß ich ihm vergebe ? "
-- Einige Reise Beschreibungen auf ihrem sonst bücherarmen Nachttisch fielen ihm auf : " ich wollte doch wissen , ( sagte sie , ) wie es Dir etwan da und dort mochte ergehen und las deshalb das lange Zeug . "
-- " Du bleibst meine Schwester ! " sagte er und küßte sie herzlich .
Sie fragte ihn noch viel und zudringlich über sein neues Verhältnis , aber er eilte wortkarg mit dem vollen Herzen hinab . --
Das erste Wort drunten an den Landschaftsdirektor war die Bitte um das " deponierte Schoppische Schreiben . "
Wehrfritz brachte den im Eisenkästchen der Schuldscheine aufbewahrten breiten Brief und lieferte ihn hoffentlich , wie er sagte , richtig ab .
Kaum hielt Albano die Tränen zurück , als er die krausen aber werten Spuren der geliebten Hand , die gewißlich nie im Leben gewankt oder sich befleckt , in der seinigen hielt .
Da er nichts erbrach , so fingen sie alle gutmütig an , ihm seinen Freund Schoppe noch den Mutmaßungen und Ansichten , die sich der Mensch über jeden höheren Geist so keck und froh erlaubt , mit allen seinen Taten oder Farben vorzuschildern , als wären Taten oder Far ben ben Striche und Umriß .
Wehrfritz und Wehmeier bedauerten , daß er toll würde , wenn er es nicht schon sei .
Der Magister hielt mit seinem Hauptbeweise zurück , bis der Landschaftsdirektor die kleineren Nebenbeweise beigebracht .
Sein Leben unter diesem Schloßdache wurde ab- und aufgedeckt , aber im Guten .
Er hatte bisher -- so gingen die Berichte -- nichts Reelles oder Solides " bezweckt " .
Wehrfritz schwor , er habe selber zugesehen , daß er die Literaturzeitung so gelesen , wie sie ineinander Halbbogen-Weise steckte , und sagte , daß er_es freilich weniger der Tollheit als einer Geistes-Abwesenheit zuschreibe , weil er wisse , mit welcher Lust er immer den Reichsanzeiger -- den solcher selber für den Torschlüssel der Reichsstadt Deutschland erkläret -- in die Hand genommen und verständig durchgegangen .
Mitten in der Gesellschaft habe der Bibliothekar seine Hände angesehen mit den Worten :
da sitzt ein Herr leibhaftig und ich in ihm , wer ist aber solcher ?
-- Gearbeitet habe er sehr wenig , Bücher von Gewicht , wie H. Wehmeier wisse , selten angesehen , leichter die allerschlechtesten von Bauern , Titan IV. S z. B. ganze Traumauslegebücher .
-- Sein liebster Umgang sei ihm sein Wolfshund gewesen , mit dem er Stundenlang ordentlichen Diskurs geführt und von dessen Murren er ernsthaft behauptet , es klinge wie ein sehr ferner Donner . --
Gern sei er vor dem Spiegel gesessen und habe sich in ein langes Gespräch mit sich eingelassen ; zuweilen habe er in die camera obscura gesehen , dann schnell wieder in die Gegend , um beide zu vergleichen , und habe unoptisch genug behauptet , die laufenden regen Bilder der camera würden von der äußeren Welt vergrößert , aber täuschend nachgeäfft .
" Ein schlauer Vogel ( setzte der Direktor dazu ) blieb es bei alle dem ; verschiedene meiner Bekannten auf den benachbarten Rittersitzen ließen sich von ihm malen , weil er_es wohlfeil gab ; er wußte aber immer etwas ins Gesicht einzuschieben , daß einem die Physiognomie ganz lächerlich oder einfältig vorkam ; und das hieß er sein Schmeicheln .
Natürlich saß ihm in die Länge nichts Honettes mehr . "
" Wäre ' es mir verstattet , ( fing Wehmeier an , ) so würde ich jetzt dem H. Grafen ein Fak tum vom H. Bibliothekar mitteilen , das vielleicht , das ist wenigstens meine Meinung , so frappant ist als manches andere .
Die Schulwohnung ist , wie Sie gewiß noch wohl wissen , dicht an der Kirche . "
Darauf gab er in einer langen Erzählung diese :
Einst sei in der tiefen Mitternacht die Orgel gegangen -- Er habe an der Kirchtüre gelauscht und Schoppen deutlich einen kurzen Vers aus einem Hauptlied singen und orgeln hören -- Darauf sei dieser laut vom Chore herab und auf die Kanzel hinauf gestiegen und habe eine Kasualpredigt an sich selber mit den Worten angefangen :
mein andächtiger Zuhörer und Freund in Christo -- Im Exordium habe er das stille leider so schnell vergangene Glück vor dem Leben berührt , obwohl nicht nach rechter Homiletik , da der zweite Teil fast den Eingang repetiere -- Darauf einen Kanzelvers mit sich gesungen und aus Hiob , Cap. 3. , wo dieser die Freude des Nicht-Seins zeigt , den 26sten Vers verlesen , der so lautet : " war ich nicht glückselig ? war ich nicht fein stille ? hatte ich nicht gute Ruhe ?
Und kommt solche Unruhe " -- Vor S 2 gestellt habe er sich : die Leiden und Freuden eines Christen , im ersten Teil die Leiden , im zweiten die Freuden -- Hierauf habe er , aber auf närrische Art und Sprache , aber doch auch mit Bibelsprüchen die Not auf der Welt kurz zusammengedrängt , worunter er sehr unerwartet sonderbare Sachen , lange Predigten , die beiden Pole , häßliche Gesichter , die Komplimente , die Spieler und die Welt-Dummheit gezählt -- Darauf sei er zum Trost im zweiten Teile vorgeschritten und habe die künftigen Freuden eines Christen beschrieben , welche , wie er lästerlich gesagt , in eine Himmelfahrt ins zukünftige Nichts , in dem Tode nach dem Tode bestände , in einer ewigen Befreiung vom Ich --
Da habe er , grausend sei es zu hören gewesen , die benachbarten Toten unten in der Kirche und in der fürstlichen Gruft angeredet und gefragt :
ob sie zu klagen hätten ?
" Ersteht , ( sagt ' er , ) setzt euch in die Stühle und schlagt die Augen auf , falls sie naß sind .
Aber sie sind trockener als euer Staub .
O wie liegt die unendliche Vorwelt so still und schön gewickelt in den eigenen Schatten , auf das Bette der Selbst-Asche weich gelegt und hat nicht ein Traum-Glied mehr , in das eine Wunde geht .
Swift , alter Swift , der du sonst so sehr in der letzten Zeit nicht bei Verstande warst und an jedem Geburtstage das ganze Kapitel durchlasest , woraus der h. Text unserer Erntepredigt genommen ist , Swift , wie bist du nun so zufrieden und gänzlich hergestellt , der Haß deiner Brust ausgebrannt , die Zahlperle , dein Ich in der heißen Träne des Lebens endlich beizt und zerlassen und diese sieht allein hell da ! --
Und du hattest vor dem Küster gepredigt wie ich . "
-- Hier habe Schoppe geweint und sich über die Rührung , Gott weiß vor wem , entschuldigt -- Darauf sei er an die Nutzanwendung gegangen und habe scharf auf Besserung des Zuhörers und Predigers gedrungen , auf lautere redliche Wahrhaftigkeit , Freundestreue , stolzen Mut , bitteren Haß der Süßlichkeit , des Schlangengangs und weicher Unzucht -- Endlich habe er mit einer Bitte an Gott , daß er ihn , sollte er einmal Gesundheit oder den Verstand oder dergleichen verlieren , doch möge sterben lassen wie einen Mann , die Andacht beschlossen und sei auf einmal aus der Kirchentüre herausgefahren .
" Er brachte mich ( setzte Wehmeier dazu ) fast um meinen Verstand durch Schrecken , da er auf einmal zornig mich anfuhr : Scheinleiche , was schleichst du ums Grab ; und ich machte mich entfärbt und hurtig nach Hause , ohne ihm das Geringste darauf versetzt zu haben .
Was sagen aber der Herr Graf ? "
-- Albano schüttelte den Kopf mit Heftigkeit , ohne ein belehrendes Wort , mit Schmerz und Tränen auf dem Gesicht .
Er nahm bloß schnell von allen Abschied und bat sie um Vergebung der Eile ; -- und suchte Abend-Sonne und die Freiheit , um des edlen Menschen Brief und die Absicht seiner Reise zu lesen .
Er schlug den alten Weg nach Lila ein , wo er an der frohen südlichen Brust seines frohen Dian's wieder die südliche Heiterkeit und Gewohnheit zu finden hoffte ; denn sein Herz war durch ein Erdbeben aufgedrängt und aufgehoben , weil ihm in diesem Schoppe doch manches wilde Zeichen , gleichsam ein übermäßiges Leuchten und Blitzen dieses Gestirns , einen Untergang und jüngsten Tag zu melden schien , den er zu seinem hoch sten Schmerz dem Aufgehen des neuen Sterns der Liebe , der diese Welt anzündete , zuzuschreiben gezwungen war .
122. Zykel .
Er las folgenden Brief von Schoppe :
" Dein Schreiben , mein lieber Jüngling , kam mir richtig zu .
Ich preise Deine Tränen und Flammen , die einander wechselnd unterhalten und nicht löschen .
Werde nur etwas , auch viel , nur nicht alles , damit Du es in einer so äußerst leeren Sache wie das Leben ist -- ich möchte wissen wer_es erfunden hat -- ausdauern kannst vor Wüstenei .
Ein Homer , ein Alexander , die nun die ganze Welt erobert und unter sich haben , müssen sich oft mit den verdrießlichsten Stunden plagen , weil nun ihr Leben aus einer Braut eine Frau geworden .
So sehr ich mich dagegen verpalisadierte und mich festmachte , um nicht über Jedermann zu steigen und als das Faktotum der Welt oben zu sitzen : so kam ich doch am Ende unvermerkt und stehend in die Höhe , bloß weil unter meinem langen Besehen der ganze Erdkreis voll Schaumberge und Nebel-Riesen immer tiefer auftaute und zusammenkroch ; und schaue nun allein und trocken von meinem Berghorn herunter , ganz besetzt mit den Blutigeln des Welt- Ekels .
Bruder , es wird aber in diesem Jahre anders und ich flott .
Deswegen wird Dir hier im Februar ein langer mir ganz verdrußlicher Brief geschrieben , der Dir über meine nahe Einspinnung und Verpuppung sagt , wo und wie ; denn bin ich einmal eine glänzende Chrysolide , so kann ich mich nur schwach mehr regen und zeigen .
Ich will mich deutlicher erklären , setzen die Deutschen hinzu , wenn sie sich deutlich erklärt haben .
Es schickt und trifft sich besonders glücklich -- was ich schätze wie einer -- , daß gerade Ende des Jahrs Ende meines bisherigen väterlichen Vermögens ist und folglich , wenn Amsterdam aufhört zu zahlen , ich auch falle und nichts mehr in Händen habe als schwache chiromantische Wahrsagungen und nichts im Leibe habe außer dem Magen .
Ich wollte , ich könnte noch von meinem Nabel leben wie in meinen früheren Zeiten und mich so weich betten .
Was soll ich dann machen ?
Mich von den Herren Menschen Jahraus Jahrein beschenken zu lassen , dazu Acht ich sie nicht genug ; und die wenigen , die man etwa bei Gelegenheit achtet , sollen wieder mich zu hoch achten , es anzubieten .
Was , ein Floh soll ich sein am dünnsten goldenen Kettlein und ein Herr , der mich daran gelegt , damit ich ihm springe , aber nicht davon , zieht mich öfters auf den Arm und sagt : saug nur zu , mein Tierchen ! --
Teufel !
Frei will ich bleiben auf einer so verächtlichen Erde , -- keinen Lohn , keinen Befehl in diesem großen Bedientenzimmer erhaltend :
-- kerngesund , um kein Mitleiden und keinen Hausarzt zu erwecken -- ja wollte man mir das Herz der Gräfin Romeiro unter der Bedingung zuschlagen , es zu erknieen , so würde ich das Herz zwar annehmen und es küssen , aber gleich darauf aufstehen und davonlaufen ( entweder in die zweite oder in die neue Welt ) ehe sie Zeit hätte , sich die Sache zu rekapitulieren und mir vorzurücken .
Werden freilich etwas -- und dadurch eben so viel verdienen -- , das könnte ich ( schlägt man mir vor ) Dach versuchen , ohne sonderliche Einbuße von Freiheit und Ungleichheit .
In der Tat sehe ich hier aus meinem Zentrum an 360 Weg-Radien laufen und weiß kaum zu wählen , so daß man lieber das Zentrum zum Umkreis auszuplätten oder diesen zu jenem einzuziehen versuchen möchte , um nur fortzustehen .
Dienen , wie die Regimentsstäbe sagen , wäre freilich das nächste am Herrschen .
Du willst selber , wie Du schreibst , ins Feld .
( Deinen Brief habe ich richtig erhalten und darin Deine Scheu und Sucht recht und gut gefunden und Dich ganz . )
Und in Wahrheit , errichtete der Erzengel Michael eine heilige Legion , eine legio Fulminatrex von einigen schwachen Septuaginta gegen das gemeine Wesen der Welt , kündigte er den Riesenkrieg dem Pöbelsaufgebote an , um vier oder fünf Weltteile durch ein sechstes Weltteilchen ( auf einer Insel hätte es vielen Platz ) aus der Welt zu treiben oder in die Kerker und um alle geistige Knechte zu leiblichen zu machen : sei versichert , in diesem glücklichen Fall stellte ich mich am ersten hinter die Spitze und führte die Kanonen mit der kurzen flüchtigen Bemerkung , wie Händel zuerst Kanonen in die Musik , so brächte man hier umgewandt zuerst Musik in die Kanonen .
Kämen wir nun sämtlich zurück , wehte der heilige Landsturm wieder herwärts :
so stände Gottes Thron auf der Erde und heilige Männer gingen mit hohen Feuern in Händen hinauf , viel weniger um droben den Weltkörper zu regieren als dem Weltgeiste zu opfern .
Mit der Franzmannschaft demnach stehst Du für Deine Person , wie Du schreibst , künftig für Einen Mann .
Freilich hält mir es schwer , sonderlich von 25 Millionen zu denken , wovon zwar die Kubikwurzel frei lief und wuchs , aber Stamm und Gezweig doch Jahrhunderte lang am Sklaven-Gitter trocknete und dorrte .
Wer nicht vor der Revolution ein stiller Revolutionär war -- wie etwan Chamfort , mit dessen feuerfesten Brust ich einmal in Paris an meiner schönes Feuer schlug , oder wie Montesquieu und J. J. Rousseau -- der spreize sich mit seiner Tropfhaftigkeit nicht breit unter seine Haustür aus .
Freiheit wird wie alles Göttliche nicht gelernt und erworben , sondern angeboren .
Freilich sitzen im Frank- und Deutschreich überall junge Autoren und Musensöhne , die sich über ihren schnellen Selbst-Gehalt verwundern und erklären , nur verflucht erstaunt , daß sie nicht früher ihr Freiheitsgefühl gefühlt , weiche Schelme , die sich als ganze blasende Walfische ansehen , weil sie einiges Fischbein davon um die Rippen zu schnüren fanden -- Immer würde ich in einem Kriege , wie ihn die tote Zeit geben kann , glauben , zwar gegen Toren zu kämpfen , aber auch für Toren .
Die jetzigen , zynischen , naiven , freien Naturmenschen -- Fransen und Deutsche -- gleichen fast den nackten Honorazioren , die ich in der Pleisse , Spree und Saale sich baden sah ; sie waren , wie gesagt , sehr nackt , weiß und natürlich und Wilde , aber der schwarze Haarzopf der Kultur lag doch auffallend auf den weißen Rücken .
Einige große lange Menschen und Väter der Zeit , wie Rousseau , Diderot , Sidney , Ferguson , Plato , haben ihre abgetragenen Hosen abgelegt und diese tragen ihre Jungen nach und nennen sich , weil sie ihnen so weit , lang und offen sitzen , deswegen Ohne- Hosen .
Zwar statt des Degens , könnte ich auch sehr gut das Federmesser ergreifen und als schreibender Zäsar aufstehen , um die Welt zu besseren und ihr und sie zu nutzen .
Es wird mir denkwürdig bleiben , das Gespräch , das ich darüber mit einem berlinischen allgemeinen deutschen Bibliothekar aushielt , als wir still im Tiergarten auf- und abgiengen .
" " Jeder wuchere doch seinem Vaterland mit seinen Kenntnissen , die sonst vergraben liegen , " " sagte der deutsche Bibliothekar .
Zu einem Vaterland gehört zuvörderst einiges Land , sagte ich , der Malteser Bibliothekar aber , der hier spricht , erblickte das Licht der Welt zur See unter einem Pechfinstern Sturm .
Kenntnisse besitz ich freilich genug und weiß , daß man sie wie ein Glas voll Kuhpocken , vernünftig genommen , nur dazu hat , um sie einzuimpfen -- der Schüler seiner Seits schlingt sie wieder nur ein , um sie von sich zu geben und so gibt sich das Weitere .
So fährt das Licht , wie im Spiel " stirbt der Fuchs , so gilt es den Balg " der glimmende Span , von Hand zu Hand , bis aber doch der Span in einer -- meiner -- verlöscht und verbleibt .
" " Launig genug ! ( sagte der allgemeine Bibliothekar . )
Mit einer solchen Laune verbinden Sie nur noch Studium schlechter Menschen und guter Muster , so bilden Sie uns einen zweiten Rabener , der die Narren geißelt . " "
-- " "Herr , ( versetzt ' ich ergrimmt , ) ich würde die Weisen vorziehen und Euch den ersten Schlag versetzen .
Weise lassen sich berichten und waschen , haben überall ihr Einsehen und sind gute Narren und meine Leute ; ein Mann wie ein allgemeiner deutscher Kurschmied , der dem Musenpferd an den Puls greift , halte mir seinen vor und ich befühl ' ihn gern .
Aber der Welt-Rest , Sir ? Wer kann das Weltmeer abschäumen , wenn er ihm nicht die Ufer wegbricht ?
Ist_es nicht ein Jammer und Schade , daß alle genialische Menschen , von Plato bis zu Herder , laut und gedruckt worden und häufig gelesen und studiert vom gelehrten Pack und Packhof , ohne daß dieser sich im Geringsten ändern können ?
Bibliothekar , ruft und pfeift doch alles , was in den kritischen Hundshütten neben jenen Tempeln Wache liegt , heraus und fragt sämtliche Windspiele , Doggen und Packer , ob in ihren Seelen sich etwas anders bewege als ein potenziirter Magen , statt eines poetischen und heiligen Herzens ?
Im Bergkessel sehen sie den Wurst- und Braukessel , im Laub die Schelle der Karte und der Donner hat für sie -- als ein größerer elektrischer Funke -- einen sehr säuerlichen Geschmack , den er nachher dem März- Biere einflößet . " "
" " Spielen Sie an ? " " fragt er .
Sicher ! --
( sagt ' ich . )
Aber weiter , Bibliothekar , gesetzt wir beide wären so glücklich , uns auf dem Absatz herumzudrehen und mit Einem Umherhauchen alle Toren wie mit einem Hüttenrauche ganz verpestet umzuwehen und Maustod hinzuwerfen :
so kann ich doch nicht absehen , wo der Segen herauskommen will , weil ich außerdem daß wir noch selber neben einander stehen und auch uns anzuhauchen haben , in allen Ecken umher Weiber sitzen sehen , welche die erlegte Welt von neuem hecken .
-- Bester Püsterich * ) voll Feuer , ( fuhr ich fort , ) kann aber das sehr zum satirischen Handwerke rufen und prägen ? --
O nein !
Ächte Laune ist bei mir da , vielleicht fremde Tollheit gleichfalls , vielleicht -- aber ach wird nicht der seltsame Scherzmacher , sogar in ihrer ungemeinen Bibliothek , dem Stachelschweinmanne in London ( dem Sohne ) gleichen , der bei dem Tierhändler Brook den Dienst hatte , den Fremden im wilden Viehstand und ausländischen Tiergarten herumzuführen und der auf der Schwelle dabei anfing , daß er sich selber zeigte als Mensch betrachtet :
-- Bedenken Sie es kalt und vorher !
Noch schwinge ich meinen Satyr-Schweif ungebunden und lustig und etwan gegen eine gelegentliche Bremse ; wird mir aber ein Buch daran gebunden wie in Polen an den Kuh-Schwanz eine Wiege , so rüd * )
Oder Püster , die bekannte altdeutsche Götzenstatue voll Löcher , Flammen und Wasser . rüttelt das Tier die Wiege der Leser und gibt Lust , der Schwanz aber wird ein Knecht . " "
" " Zu solchen Bildern ( sagte der Bibliothekar ) wäre allerdings die gebildete Welt durch keinen Rabener oder Voltaire gewöhnt und ich erkenne nun selber die Satire nicht für Ihr Fach . " "
-- " " O so wahr ! " " versetzt ich und wir schieden gütlich .
-- Aber ernsthaft genommen , Bruder , was hat nun ein Mensch übrig ( sowohl an Aussichten als an Wünschen ) , dem das Säkulum so versalzen ist , wie mir und das Leben durch die Lebendigen -- den die allgemeine matte Heuchelei und die glänzende Politur des giftigsten Holzes verdrießet -- und die entsetzliche Gemeinheit des deutschen Lebenstheaters -- und die noch größere des deutschen Theater-Lebens -- und die pontinischen Sümpfe Kotzebuischer ehr- und zuchtloser Weichlichkeit , die kein heiliger Vater austrocknen und fest machen kann -- und der ermordete Stolz neben der lebendigen Eitelkeit umher , so daß ich mich , um nur Luft zu schöpfen , stundenlang zu den Spielen der Kinder und des Viehs hinstellen kann , weil Titan IV. T ich doch dabei versichert bin , daß beide nicht mit mir kokettieren sondern nichts im Sinne und liebhaben als ihr Werk -- was hat , fragt ich auf der letzten Zeile des vorigen Blattes , einer nun übrig , den wie gesagt so vielerlei anstinkt und vorzüglich noch der Punkt , daß Besserung schwer ist , aber Verschlimmerung ganz und gar nicht , weil sogar die Besten den Schlimmsten etwas weismachen und dadurch sich auch und weil sie bei ihrer verborgenen Verwünschung und Sänften- und Achselträgerei der Gegenwart wenigstens um Geld und Ehre tanzen und sich dafür gern vom festeren Pöbel brauchen lassen , als Weinfässer zu Fleischfässern -- was hat ein Mann , sage ich , Freund , in Zeiten , wo man wie jetzt im Druck , aus Schwarz zwar nicht Weiß macht , aber doch Grau und wo man , wie Katecheten sollen , gerade die Fragen auf Nein und Ja vermeidet , noch übrig außer seinem Hasse der Tyrannen und Sklaven zugleich und außer dem Zorne über die Mißhandlung sowohl als über die Mißhandelten ?
Und wozu soll sich ein Mann , dem der Panzer des Lebens an solchen Stellen dünn gearbeitet oder dünn gerieben ist , ernsthaft entschließen ?
Ich meines Orts , falls von mir die Rede ist , entschloß mich im halben Scherze zu einer dünnen hellen Anfrage für den Reichsanzeiger , die Du vielleicht schon in Rom gelesen , ohne mich eben zu erraten .
" " Allerhand Wohl zuverlässig steht gesunder Verstand u_d ( mens sana c. s. ) unter den zu würdigenden Gütern des Lebens zunächst nach einem reinen Gewissen oben an .
Ein Satz , den ich bei den Lesern dieses Blattes vorauszusetzen wage .
Was sonst hierüber noch gesagt werden kann ( sowohl von als gegen Kantner , )
[ so schreibt Campe statt Kantianer viel richtiger , ] gehört gewiß nicht hierher in ein ganz populäres Volksblatt .
Unterzeichneter dieses ist nun in dem betrübten Falle , daß er hier genötigt die Ärzte Aus- und Deutschlands befragt .
-- Mitleiden mit Leiden gebe , schicke die Antworten ein -- , wenn er ( gerade heraus vor Deutschland !! ) ganz toll T 2 werden werde , indem der Anfang davon schon einen genommen .
Das Wenn aber nicht das Ob liegt edlen Menschenfreunden zu beantworten ob .
Hier meine Gründe , Deutsche !
Abgesehen , daß mancher schon aus der Anfrage folgern könnte -- was doch wenig entscheidet -- so sind folgende Stücke bedenklich und gewiß : 1 ) des Verfassers bunter Stil selber , der weniger aus diesem Inserat ( in den überlegtesten Intervallen gemacht ) als aus der ähnlichen Schreibart eines sehr beliebten und geschmacklosen Schriftstellers zu erkennen ist , wie denn ein buntes Übermaß ganz wildfremder Bilder so gut am Kopfe wie buntes Farbenspiel am Glase , nahe Auflösung bedeuten -- 2 ) die Weissagung eines Spitzbuben * ) , an die er immerfort denkt , was schlimme Folgen haben muß -- 3 ) seine Liebe und sein Treiben Swift's , dessen Tollheit Gelehrten nicht fremd ist -- 4 ) seine gänzliche Vergeßlichkeit -- 5 ) seine häufige schlimme Ver- * ) Des Kahlkopfs , der ihm nach 14 Monaten Wahnsinn prophezeite . Wirrung geträumter Sachen mit erlebten und vice versa -- 6 ) sein Unglück , daß er nicht weiß was er schreibt bis er_es nachgelesen , weil er gegen seinen Zweck bald etwas auslässt oder bald etwas hinsetzt , wie das durchstrichen Manuskript leider am besten bezeugt -- 7 ) sein ganzes bisheriges Leben , Denken und Spaßen , was hier zu weitläufig wäre und 8 ) seine so unvernünftigen Träume .
Nun ist die Frage , wenn in solchen Verhältnissen ( schlagen nämlich keine Fieber , keine Liebschaften dazu ) vollständige Verrückung ( Idea fixa , mania , raptus ) eintritt .
Bei Swift fiel es sehr spät , im Alter , wo er ohnehin schon an und für sich halb närrisch sein mochte und nachher alles nur mehr zeigte .
Wenn man betrachtet , daß einmal der Professor Büsch ausrechnete , daß seine Augen-Schwäche sehr gut ohne seinen Schaden von Jahr zu Jahr wachsen könnte , weil die Periode seiner gänzlichen Erblindung über sein ganzes langes Leben hinausfiele bloß auf sein Grab , so sollte ich annehmen , daß meine Schwäche so stufenweise aufschwellen könnte , daß ich keine petites maisons brauchte als den Sarg sel ber ; so daß ich vorher dabei heiraten und amtieren möchte wie jeder andere rechtschaffene Mann .
Was ich hiermit bezwecke , ist bloß , mich hierüber mit irgend einem Menschenfreunde ( er sei aber philosophischer Arzt !! ) in Korrespondenz zu setzen .
Meine Adresse hat die Expedition des R. Anzeigers .
Näher bekannt mache ich mich vielleicht körperlich und bürgerlich in eben diesem Blatte auf dem Blatte , wo ich eine Gattin suche .
Pestiz , den Februar. S--s L--d , L--r , G--l , S--e . " " Albano , Du weißt , unter welchem Gebüsch mein Ernst liegt .
Der Reichs- und Schoppens- Anzeiger hat acht Gründe für die Sache , die nicht nur mein Ernst sind , sondern auch mein Spaß .
Seit der Kahlkopf mir nach einem Jahre den Aufgang meines tollen Hundssterns ansagte , sah ich immer die Aurora dieses Fix- Gestirns vor mir und sah mich daran zuletzt blind und feige ; ich muß es heraussagen .
O ich hatte im Januar , Bruder , acht furchtbare Träume hintereinander -- nach der Zahl der Gründe im Anzeiger und selber unter den ach ten Grund gehörig -- Träume , worin ein wilder Jäger des Gehirns durch den Geist jagte und ein reissender Strom voll Welten , voll Gesichter und Berge und Hände wallte -- ich will Dich nicht damit ängstigen -- Dante und sein Kopf sind Himmel dagegen .
Da würde ich verdrießlich über die Feigheit und sagte zu mir :
" "Hast bisher so lange gelebt und die reichsten Ladungen leicht ins Wasser geworfen , sogar diese und die zweite Welt , und dich von allem , und von Ruhm und von Büchern und Herzen so rein entkleidet und hast nichts behalten als dich selber , um damit frei und nackt und kalt auf der Kugel zu stehen vor der Sonne : auf einmal krümmst du dich unversehens vor dem bloßen tollen fixen Gedanken an eine tolle fixe Idee , die dir jeder Fieber-Pulsschlag , jeder Faust-Schlag , jedes Giftkorn in den Kopf graben kann und verschenkst auf einmal deine alte göttliche Freiheit -- Schoppe , ich weiß gar nicht , was ich von dir halten soll ; wer irgend etwas noch fürchtet im Universum , und wäre es die Hölle , der ist noch ein Sklave . " " --
Da ermannte sich der Mann und sagte , ich will das haben was ich fürchtete ; und Schoppe trat näher an den breiten hohen Nebel und siehe !
es war ( man hätte sich gern auf der Stelle hineingebettet , ) nur der längste Traum vor dem längsten Schlaf , mehr nicht , was sie Wahnsinn nennen .
Geht man nun auf einige Zeit z. B. in ein Irrhaus zum Scherz :
so kann man den Traum haben , lässt es sich sonst alles so dazu an wie bei Manchem .
Und dahinein will ich nun allgemach sinken , in den Traum , wo an der Zukunft die Dolchspitze abgebrochen ist und an der Vergangenheit der Rost abgewischt -- wo der Mensch ohne Störung in dem Schattenreich und dem Barataria-Eiland seiner Ideen das regierende Haus allein ist und der Johann ohne Land und er wie ein Philosoph alles macht was er denkt -- wo er auch seinen Körper aus den Wellen und Brandungen der Außenwelt zieht und Kälte , Hitze , Hunger , Nervenschwäche und Schwindsucht und Wassersucht und Armut ihn nicht mehr antasten und den Geist keine Furcht , keine Sünde , kein Irrtum im Irrhaus -- wo die 365 Träume jähr leger Nächte sich in einen einzigen , die flüchtigen Wolken in Ein großes Glut-Abendrot zusammengewebt -- --
Da sitzt etwas Böses !
Der Mensch muß im Stande sein , sich seinen Traum , seine gute fixe Idee -- denn ein hoher Ameisehaufen der grimmigsten und der liebreizendsten wimmelt vor ihm -- mit Verstand auszuklauben und zuzueignen , sonst kann er so schlimm fahren als wäre er noch bei Verstand .
Ich muß nun besonders meine Anstalten treffen , daß ich einen liebreichen favorablen Fix-Wahn finde und anerkenne , der gut mir mir umgeht .
Kann ich es dahin bringen , etwan der erste Mensch zu sein im irrigen Hause -- oder der zweite Momus -- oder der dritte Schlegel -- oder die vierte Grazie -- oder der fünfte Kartenkönig -- oder die sechste kluge Jungfrau -- oder die siebente weltliche Kür -- oder der achte Weise in Griechenland -- oder die neunte Seele in der Arche -- oder die zehnte Muse -- oder der 41ste Akademiker -- oder der 71ste Dolmetscher oder gar das Universum -- oder gar der Weltgeist selber :
so ist allerdings mein Glück gemacht und dem Lebens-Skorpion der ganze Stachel weggeschlagen .
Aber was steht nicht noch für goldenes edelsteinernes Glück offen ?
Kann ich nicht ein sehr begünstigter Liebhaber sein ; der den Sonnenkörper einer Geliebten den ganzen Tag im Himmel ziehen sieht und hinaufschauet und ruft :
ich sehe nur Dein Sonnen-Auge , aber es genügt ? --
Kann ich nicht ein Verstorbener sein , der voll Unglauben an die zweite Welt in solche gefahren ist und nun da gar nicht weiß wo er hinaus soll vor Lust ? --
O kann ich nicht -- denn der kürzere Traum und das Alter Kindern ja schon -- wieder ein unschuldiges Kind sein , das spielt und nichts weiß , das die Menschen für Eltern hält und das nun einen aus der bunten Blase des Lebens zusammengefallenen Tränentropfen vor sich stehen hat und den Tropfen wieder mit der Pfeife geschickt zum flimmernden Farben-Weltkügelchen aufbläst ?
Es ist eben Mitternacht ; ich muß jetzt in die Kirche gehen , meine Vesper-Andacht zu halten .
Drei Wochen später .
Nota bene !
Gewissermaßen war ich seit Deiner Reise verdammt unglücklich bis diesen Morgen gegen 1 Uhr ; -- um 2 Uhr faßte ich meinen Entschluß , jetzt um 5 die Feder , um 6 , wenn ich ausgetrunken und ausgeschrieben , den Reisestab , dessen Stachel nach 2 Monaten in den Pyrenäen steht .
O Himmel ! mußte etwas Gestacheltes längst neben mir stehen , was ich so lange für einen Herissohn nahm , indes es die beste Spielwalze voll Stifte ist , aus der ich nichts Geringeres ( ich drehte sie vor einigen Stunden ) haben kann als das beste Flötengedackt -- unverfälschte Sphären- und Kreismusik zu den Bravourarien der drei Männer im Feuer -- einen ganzen lebendigen Vaucansons Flötenspieler von Holz -- und unerhörte Sachen , womit die Maschine nicht sich einen Bruch bläst , sondern einigen Spitzbuben , wovon ich vorzüglich den Kahlkopf nenne ? --
O höre Jüngling !
Es geht Dich an .
Ich will Deinetwegen , was die Welt offenherzig nennt , jetzt sein , nämlich unverschämt , denn wahrlich ich decke lieber meinen Steiß als mein Herz auf und bin weniger rot .
Es gab einmal in alten Zeiten eine junge Zeit , eine voll Feuer und Rosen , wo der alte Schoppe seines Orts auch jung genug war -- wo der alerte , anschlägige Vogel leicht heraushatte , wo der Hase liegt und die Häsin -- wo der Mann sich noch mit den bekannten vier Weltteilen in Güte setzte , oder auch eben so leicht wie ein Stier , mit dem Horn nach jeder Fliege stieß -- wo er , jetzt ein Silberfasan kühler Zeit , noch als ein warmer Goldfasan im ganzen Welschland auf- und abschritt oder flog , und bald auf Buanorotti's Moos saß , bald auf dem Koliseo , bald auf dem Ätna , bald auf der Beterskuppel , und vor Lust krähte , die Flügel schlug , und gen Himmel stieg .
-- Es war nämlich dieselbe Zeit , wo der noch ungerupfte Sturmvogel einmal in Tivoli sich durch die Wasserfälle hin - und herschwang , kostbar selig war und da gelegentlich -- plötzlich -- oben -- in Vesta's Tempel -- zum erstenmal -- weiter nichts erblickte als -- die Prinzessin di Lauria , nachher , mutmaß ich , von einem Vliesritter weggeholt als sein güldenes Vlies .
Solche sehen -- sich aus einem Sturmvogel in einen Tauber an der Venus Wagen verwandeln -- von Gespann und Zügel sich abreißen -- vor jene Göttin fliegen -- sie in immer engeren Kreisen umziehen , das alles war nicht eins , sondern dreierlei .
Ich mußte erst zu einem Paradiesvogel wachsen und mich färben , um in ein Paradies zu fliegen ; ich mußte nämlich Malerei erlernen , um vor Sie zu dürfen .
Als ich endlich den Portrait-Pinsel und die Silhouetten-Schere in der Gewalt hatte und an einem Morgen mit beiden vor der Prinzessin und dem Fürsten erschien , musste ich ihn selber malen und schneiden ; seine Tochter war schon vermählet und heimlich abgereist ; denn Dein Großvater weissagt , ( anstatt wie andere ihr Treiben voraus , ) seines nur hintennach und öffnet den Mund bloß zum -- Hören .
Ich schnitt ihn schnell aus , den Mann -- packte ein -- ging in alle Welt -- nach bei nah drei Jahren stand ich auf der zehnten Terrasse der Isola bella ganz unerwartet vor der Gräfin Cesara -- Himmel und Hölle ! welch ein Weib war Deine Mutter !
Sie warf jeden in beide auf einmal , ich weiß nicht ob Deinen Vater auch .
Schreiber dieses stand in seiner letzten ornithologischen Verwandlung vor ihr , als stiller Perlhahn ( Tränen müssen die Perlen sein ) und konterfeite sie ab , nach wenigen Wochen .
Sie hatte zwei Kinder , Dich -- Deiner schon damals geschärften Bildung entsinn ich mich klar -- und Deine Schwester , die sogenannte Severina .
Dein Vater war nicht da , aber sein Wachsbild , wonach ich ihn gleich achtzehn Jahre später in Rom wieder erkannte .
Auch Deine Schwester war noch wächsern wiederholt , nur Du nicht .
Eine Dir von weitem ähnliche Wachsfigur , die Dich als einen Mann vorgaukelte , stellte der Bruder Deines Vaters , der mit da war , Dir immer als einen Flügelmann Deiner Zukunft vor , sagte , Du seiest hier im voraus kubiert und schon ins Große getrieben , von der Flasche auf das Fass gefüllt , um Dich anzufeuern , damit Du erwüchsest .
Man mußte Dir eine ähnliche Uniform , wie der Wachsmann trug , anziehen -- ich weiß nicht welche -- Du fordertest dann keck , um Deinen eigenen Mikromegas schreitend , ihn heraus , aus der Zukunft in die Gegenwart .
Jetzt weißt Du was Du geworden und magst wohl wieder und mit mehr Recht so stolz auf den Kleinen herabsehen wie der Kleine sonst zu dem Großen hinauf .
Ich wollte nie Deinem Oheim diese Maschine der geistigen Streckbarkeit gutheißen ; dabei habe ich vor allen Wachs-Marionetten einen so hassenden Schauder !
Mein einziger Zweck auf der schönen Insel war die Abreise von ihr und von der schönen Insulanerin , sobald ich diese abgemalt hätte .
Dummes Jahrhundert , sagte ich , will ich denn mehr von Dir ?
Sie saß mir gern -- wie auf einem Thron -- ich riß , halb im Gewitter halb im Regenbogen wohnhaft , sie ab und musste ihr natürlich das Bild lassen unkopiert .
Aber , Jüngling , einige Buchstaben , die meinen damaligen Namen formierten und die ich aufs Bild an der Stelle des Herzens unter die Was ser-Farben schrieb und versteckte , können für Dich ein Tetragrammaton , elf Sonntagsbuchstaben und Lesemütter ( matres lectionis ) Deines Daseins werden , falls ich glücklich nach Spanien komme und in Valencia am Bildnis die Färberei von meinen Buchstaben wegwischen und nun in dessen Herzen lesen kann : Löwenskiold .
So dänisch hieß ich damals .
Dann ist die Gräfin Linda de Romeiro ohne Gnade Deine Schwester Severina .
Gott schenke nur , daß Du sie nicht vor diesem Brief etwan gesehen hast und geheiratet ; sie soll , wie ich gestern hörte , nach Italien abgereist sein .
Denn als ich die Gräfin Linda hier zum erstenmal sah , war mir auf dem Pestizer Markt-Viereck als stände ' ich oben auf der Terrasse der Isola bella , und schaute die Alpen .
Deine Mutter , meine Jugend kaum drei Schritte vor mir !
Bei Gott , wie als wäre aus der tiefen Ferne im Pfeilerspiegel der Zeit auf einmal das weiße Rosenbild Deiner verhüllten Mutter heraufgerissen worden dicht ans Glas heran und hinge davor nun rotblühend , so so stand Linda vor mir !
Denn die göttliche Ähnlichkeit beider ist so groß !
Gar kein Arianisches Homoiouson , sondern ein ganzes orthodoxes Homousion ist hier zu glauben , würde ich Dir gerne schreiben , hättest Du sonst die nötige Kirchengeschichte dazu auf dem Lager .
Ich malte auch Linda in diesem Winter .
Was sie mir vom Charakter ihrer Mutter erzählte , war ganz dasselbe , was ich ihr hätte vom Charakter der Prinzessin di Lauria berichten können -- Linda's Vater oder Herr von Romeiro wollte nie erscheinen und doch ist er noch nicht verschwunden wie ich höre -- Linda's Mutter hieß sich eine Römerin und eine Verwandte des Fürsten di Lauria -- In Spanien , wo ich zweimal war und fragte , wollte nirgends der Nahme einer Cesara wohnen -- Trillionen Spinnenfäden der Wahrscheinlichkeit spinnen sich zum Ariadnens-Strick im Labyrinth -- Eine neue unbekannte Schwester wird Dir Titan IV. U im gotischen Hause mit Schleiern und in Spiegeln vorgeführt -- --
Und zwar wird vom redlichen Kahlkopf , -- dem fast mehr zum Christuskopf fehlt als die Locken , und den ich im Herbste einen Hund geheißen -- Dir_es vorgespiegelt aus wirklichen Spiegeln -- Gedachter Anubis- oder Kahl-Kopf stand nun ( der Himmel und der Teufel wissen am besten warum , aber ich glaube es , ) als Vater des Todes auf Isola bella , lag als Handwerksbursch am Fürstengrabe und in jedem Hinterhalt , um Dir Deine Schwester zur Frau zu geben -- -- falls ich_es litte ; aber sobald ich jetzt zugesiegelt , breche ich nach Spanien auf , und in Linda's Bilderkabinett ein , suche nach einem gewissen Bilde ihrer Mutter , dessen Stelle und Zimmer ich mir deutlich angeben lassen -- und ist es das Bild von mir :
so ist alles richtig und der Donner kann in alles schlagen -- Der Kahlkopf ist schon ein Fünfviertelsbeweis -- er gehört unter die wenigen Menschen , die schon , kaum Spinnen-dick , in ihrer Mutterleib aus Bosheit pißten -- Vielleicht treffe ich Deinen Oheim , der mich hier , wie er sagte , wieder erkannte und der wirklich nach Valencia abgereist ist * ) --
O Himmel , wenn mir_es gelänge ( aber warum nicht , da meine Zunge von Eisen bleibt und dieses Blatt in Eisen kommt , beim redlichen Wehrfritz , dessen Herz ein alter Deutscher ist , und mit Recht stellt in der Jungfer Europa Deutschland das Herz vor ? ) , ich schreibe , wenn mir_es gelänge , daß ich anbrennte an einem verfluchten Geheimnis eine Strohtür , risse alles auf , ein und weg , blinde Tore und Opfertore und ein starkes Licht fiele herein auf die tapfere Linda und den tapferen Jüngling , anleuchtend den nahen Kahlkopf ( vielleicht noch jemand ) , der eben in der Dunkelheit mit zwei langen blanken Okulir- und Schlachtmessern in die Geschwister schief herunterstechen will -- -- * )
Der Oheim hatte wieder gelogen , denn er war , wie man aus diesem Bande weiß , vorher nach Rom gegangen , wo er dem Ritter und der Fürstin die Pestizer Briefe übergeben . U 2 Wenn mir das einmal gelänge , nämlich im Erntemonat -- denn da käme ich in Pestiz wieder an und hätte das Bildnis in der Tasche -- und ich hätte mich und zwei Unschuldige tapfer gerächt an Schuldigen : dann würde ich mir es für sehr erlaubt halten , an meinen Kopf zu greifen und zu sagen : à bas , gare , Kopf weg !
Wozu gewiß , da ja von keiner dummen Abtreibung des Leibes durch ein Werter-Pulver die Rede ist , sondern nur vom Vorsatze , das was Sachverständige meinen Verstand nennen , gelegentlich zu verlieren -- meine Freunde stimmen müßten , weil sie mich noch hätten ( der Körper wird dabei anbehalten ) obwohl als das Nachtstück eines Menschen , weil ich dann einen vernünftigen Diskurs so gut über alles ( nur den Fix-Wahn greife keiner an ) führen wollte als einer und dabei einen gesitteten guten Spaß ( wahrlich die wahre Würze ) einzustreuen gewiß nicht vergäße und weil der Staat mich Tag und Nacht gerüstet und gesattelt finden sollte , ihm nach dem Beispiele der Berliner Irrhäusler , die einmal beim Feuer im Haus am besten löschten und retteten , zu dienen und zu Hilfe und zu Passe zu kommen , wenn die dunklen Intervalle seiner anderen Staatsdiener nicht anders auszufüllen wären als mit unseren hellen .
Lebe wohl !
Ich breche auf .
Die Welt lacht mich heiter an .
In Spanien finde ich ein Stück Jugend wieder -- wie in diesem Schreiben .
Schoppe .
Apropos !
Stieß Dir der Kahlkopf nirgends auf ? --
Ich kann Dir nicht sagen , wie ich täglich jetzt arbeite , um mir vor dem Wünsche , ihn künftig in der Tollheit niederzustoßen , wahren Abscheu und Greuel im Voraus einzuprägen und eigen zu machen , damit nachher die etwaige Tat mir nicht als eine Spätfrucht des vorigen vernünftigen moralischen Zustandes könne herüber zugerechnet werden in den anderen .
Vernichte diesen Brief !
Als Albano die feurigen Augen von dem Briefe aufhob , stand er vor Lila unter einem hochgewölbten Triumphbogen und die Sonne ging in Pracht hinter dem Elysium unter .
" Kennst Du mich nicht ? " fragte leise neben ihm Linda in Reisekleidern weinend in heller Liebe und Wonne -- und Julienne drängte sich , beiden Vorsicht zuwinkend , aus dem Eingangsgebüsch des Flötentals hervor und rief zum listigen Scheine :
" Linda , Linda , hörst Du denn die Flöten nicht ? "
-- Und Albano hatte den schweren Brief vergessen .
123. Zykel .
Wie ein schnell mit hundert Flügeln aufrauschendes Konzert , so schlug die schnelle Gegenwart alter Liebe und Freude über den verlassenen , um den Freund bekümmerten Jüngling in schönen Fluchen zusammen ; und von der Entzückung getroffen , sah er Linda wieder wie auf Ischia ; aber diese sah ihn wieder wie in einem anderen Elysium , sie war weicher , zarter , heißer , eingedenk seiner Vergangenheit in diesem Garten .
Sie wollte gar nichts von ihrer eigenen Reise , Geschichte erzählen oder hören .
Albano bedeckte sein Geheimnis von Schoppe mit mächtiger aber zitternder Brust ; nur seinem Vater brannte ' er sie aufzutun .
Unaufhörlich hielt er sich die Unmöglichkeit einer Verwandtschaft vor und die Leichtigkeit , daß Schoppe die angebliche Schwester mit der wahren , mit Julienne , Gewächs le ; noch diesen Abend wollte er den Vater fragen .
Er gab ihr das Ja desselben zu ihrem Bunde mit großer Freude , aber nicht mit der größten , weil Schoppe's Brief nachtönte .
Julienne nahm es wahr , daß nur eine Kaskatella statt der Kaskade heute aus ihm komme und suchte ihn lustig-listig auszuholen , indem sie ihn leicht durch das ganze wichtige Personale seiner und ihrer Bekanntschaft durchantworten ließ .
Sie hatte einige Neigung , am Theatervorhang zu weben und zu malen oder auch ein Souffleurloch in ihn zu stechen .
Sie fing die Fragen von Idoine an , -- welche kurz nach seiner Ankunft ihren Rückweg aus der Stadt genommen -- und hörte mit ihnen bei Schoppen auf , -- nach dessen Reise-Ziele sie forschte -- ; aber Albano hatte jene nicht gesehen , dieser , sagte er , habe es ihm allein vertraut .
Eine schöne , unbiegsame Marmorader der Festigkeit lief durch sein Wesen .
Linda es schwarzes Auge war ein offenes treues deutsches und sah ihn nur an , um ihn zu lieben .
Aus dem Flötental kam der Rest der Gesellschaft , der Lektor u. a. ; Julienne nötigte die Liebenden zur Scheidung , und sagte : " hier ist kein Ischia ; ohne mich könnt ihr euch hier im Schloß gar nicht sehen ; ich werde Dir_es durch Deinen Vater allzeit sagen lassen , wenn ich da bin . "
Als er allein stand in Lila , mit dem schweren Gedanken an Schoppe und Linda , und er die anmutigen Gegenden und Stellen schöner Stunden übersah : so kam ihm auf einmal vor als verziehe sich in der Dämmerung das Elysium wie ein reizendes Gesicht zu einem Hohn über ihn und über das Leben -- kleine boshafte Feen sitzen an den kleinen Kinder-Tischchen als wären sie sanfte Kinder und sähen sehr gern Menschen und Menschenlust -- sie fahren auf als wilde Jägerinnen und rennen durch die Blüten -- tausend Hände wenden den Garten mit Blütenbäumen um und richten sein schwarzes finsteres Wurzeln-Dickigt wie Gipfel im Himmel auf -- aus den Zweigen blicken Gor gonenhäupter und oben im Donnerhäuschen weint und lacht es unaufhörlich -- nichts ist schön und sanft als der tapfere große Tartarus .
Indes ging Albano , da es der kürzere Weg zu seinem Vater war , hart und zornig durch den Garten , über die Schwanenbrücke , vor dem Traum-Tempel , vor Charitons Häuschen , vor den Rosenlauben vorbei und über die Wald-Brücke ; und kam bald im Fürstenschlosse bei seinem Vater an , der eben vom kranken Luigi zurückgekommen .
Mit ironischer Mine erzählte ihm dieser , wie der Patient von neuem schwelle , bloß weil er fürchte der tote Vater , der ihn zum zweitenmal als Zeichen des Todes zu erscheinen versprochen , gebe das Zeichen und hole ihn darauf .
Nun erzählte Albano , ohne allen Eingang und ohne Erwähnung von Schoppen und von dessen Verhältnissen , die Hypothese der seltsamsten Verwandtschaft , ohne etwa ausforschende lange Fragen oder auch nur die kurze schnelle : " ist Linda meine Schwester ? " zu tun aus Achtung für den Vater .
Dieser hörte ihn ruhig aus : " je der Mensch ( sagt ' er erzürnt ) hat eine Regen- Ecke seines Lebens , aus der ihm das schlimme Wetter nachzieht ; die meinige ist die Geheimnisträgerei .
Von wem hast Du die neueste ? "
-- " Darüber muß ich schweigen aus Pflicht , " versetzt ' er .
" In diesem Falle ( sagte Gaspard ) hättest Du besser ganz geschwiegen ; wer den kleinsten Teil eines Geheimnisses hingibt , hat den anderen nicht mehr in der Gewalt .
Wie viel glaubst Du , daß ich von der Sache weiß ? "
-- " Ach was kann ich glauben ? " sagte Albano .
" Dachtest Du an meine Erlaubnis Deiner Verbindung mit der Gräfin ? " sagte zorniger Gaspard .
" Sollt ' ich denn schweigen , und entwickelte sich nicht am Ende aus allen Geheimnissen die Schwester Julienne ? " --
Hier sah ihn Gaspard scharf an und fragte : " kannst Du auf das ernste Wort eines Mannes vertrauen , ohne zu wanken , zu irren , wie auch der Schein dagegen rede ? "
" Ich kann_es , " sagte Albano .
" Die Gräfin ist Deine Schwester nicht ; vertraue mir ! " sagte Gaspard .
-- " Vater ich tue es !
( sagte Albano ganz freudig ) und nun kein Wort weiter darüber . "
Aber der ruhigere Alte fuhr fort und sagte , dieser neue Irrtum veranlasse ihn , jetzt ernstlich bei Linda auf ein Ja zur schnellen Verbindung zu dringen , weil der Vater derselben , vielleicht der geheime bisherige Wundertäter , seine Erscheinung durchaus an einen Hochzeittag gebunden .
Noch einmal ließ er den Sohn seinen Wunsch nach dem Wege merken , auf welchem er zu jener Hypothese gekommen ; aber umsonst , die heilige Freundschaft konnte nicht entheiligt oder verlassen werden , und seine Brust schloß wie der dunkle Fels um den hellen Kristall , sich mächtig um sein offenes Herz .
So schied er warm und glücklich vom schweigenden Vater .
-- In der harten Stunde des Briefs hatte er nur eine künstliche Felsenpartie des Lebens überstiegen , und die bunten Gärten lagen wieder da bis an den Horizont ; -- doch der vergebliche mühvolle Irrtum seines Schoppe und dessen von Hassen und Lieben verheerter Geist , der sich sogar im Ton des Briefes niederzubeugen schien , und die Zukunft eines Wahnsinns gingen wie ein fernes Leichenge läute in seiner schönen Gegend klagend und das glückliche Herz wurde voll und still .
124. Zykel .
Bald darauf ließ die gütige Schwester Albano's an der Spieluhr seines Glücks , deren Wächterin sie war , wieder eine hesperische Stunde schlagen und spielen , wo das ganze Leben hinauf und hinab mittönte und sich aushellte und wo nun wie in der Schweiz , wenn eine Wolke sich öffnet , auf einmal Höhen , Eisberge , Berghörner aus dem Himmel blicken .
Er sah seine Linda wieder , aber in neuem Licht , glühend , aber wie eine Rose vor dem glühenden Abendrot ; ihr Lieben war ein weiches stilles Flammen , nicht ein Hüpfen irrer stechender Funken .
Er schloß , daß sein wortfester Vater die Bitte um eine priesterliche Verbindung ihr schon getan und sogar ihre Bejahung bekommen .
Julienne sagte ihm , sie wolle ihn den nächsten Abend um 6 Uhr auf dem väterlichen Zimmer sprechen ; das macht ' ihn noch gewisser und froher .
Mit neuen noch zarter anbetenden Gefühlen schied er von Linda ; die Göttin war eine Heilige geworden .
Als er den anderen Tag ins väterliche Zimmer kam : fand er niemand darin als Julienne .
Sie küßte ihn kurz und kaum , um schnell mit ihren Nachrichten fertig zu werden , da ihre Abwesenheit auf so viele Minuten eingeschlossen war als die Fürstin brauchte , um vom Krankenbette des Mannes in das Zimmer der Prinzessin zu kommen .
" Sie heiratet Dich nicht , ( fing sie leise an , ) so sehr und so fein auch Dein Vater ihr bei dem ersten Empfang nach der Reise die Freude über das neue Glück seines Sohnes ausdrückte , für das er nun bloß nichts mehr zu wünschen brauchte , sagte er , als das Siegel der Fortdauer -- Es war noch feiner versilbert und vergoldet , ich weiß es nicht mehr . --
Darauf erwiderte sie in ihrer Sprache , die ich nie behalte , ihr und Dein Wille wären das rechte Siegel , jedes andere politische drücke Ketten und Sklaven auf dem schönsten Leben aus . "
-- Hart wurde Albano von einer offenen Weigerung verletzt , die ihn bisher als eine stille und als Philosophie auftretende nur wie wesenloser Schatte unberührt umflossen hatte .
" Das war nicht recht ; spät konnte sie sagen , aber nicht nie " sagte er empfindlich .
-- " Gemäßigt , Freund , ( sagte Julienne , ) daeauf erinnerte sie Dein Vater freundlich an die bedingte Erscheinung des ihrigen , indem er sagte , daß er sehr wünschen müsse , ihr Glück aus seinen Händen in nähere zu übergeben .
Keine künstliche Bedingung darf einen Willen zwingen oder vernichten , sagte sie .
Dein Vater fuhr ruhig fort und setzte dazu , er habe den schönsten Lebensplan für Euch beide in diesem Falle entworfen ; im anderen aber stehe seine Einwilligung in die Liebe nur so lange offen , als sein Hiersein , das mit dem Tode seines Freundes endige .
Dann ging er gelassen fort wie die Männer pflegen , wenn sie uns recht entrüstet haben . "
" Hesperien , Hesperien !
( rief Albano zornig . )
Linda verdoppelte doch ihr Nein ? "
-- " O leider !
Aber Bruder ? " fragte staunend Julienne .
" Lasse mich , ( versetzt ' er , ) ist es denn nicht ungerecht , dieses elterliche Antasten der schönsten zartesten Saiten , deren Klang und Schwung sie auf einmal töten , um einen neuen aus ihnen zu rupfen ?
Ist_es denn nicht sündlich , Göttergeschen ke zu Staats-Zöllen und Partie-Geldern , ja wohl Partie-Geldern herabzuziehen ? --
Gute Linda , nun stehen wir wieder auf dem Boden , wo man die Blumen der Liebe zu Heu anschlägt -- und wo es im Paradies keine andere Bäume gibt als Grenzbäume .
-- Nein , freies Wesen , durch mich sollst Du nie aufhören , es zu sein ! " --
Julienne trat einige Schritte zurück , sagte : " ich will Dich nur auslachen , " tat es und setzte ernst dazu :
" Sie also , willst Du , soll Dir den Tag anberaumen , wo der alte Vater sichtbar werden soll ? "
-- " Das folge gar nicht , " sagte er .
Sie bemerkte ruhig , daß immer ein hitziger Mann über die Hitze des anderen klage und daß Albano schon in der Ruhe zu strenge auf fremdes und eigenes Recht dringe ; daß solche Leute dann in der Leidenschaft etwas über das Recht hinaus verlangten , wie ein Stift , der in der Uhr zu genau passet , erwärmt sie durch seine Größe anhält .
Jetzt bat sie ihn liebreich , das Auseinanderzupfen des " ganzen Wirrwarrs " bloß ihren Fingern zu überlassen und sanft und still zu bleiben , damit nicht noch mehr Leute , etwa gar ihre " belle-soeur " zwischen ihren Bund sich drängten .
Albano nahm es freundlich an , bat sie aber ernst , nur keine Plane zu machen , weil er zu ehrlich dazu gegen Linda sein und ihr sogleich das ganze Wort der Charade sagen würde .
Sie entdeckte ihm , sie habe weiter keinen zu etwas gemacht als zu einem frohen Tage für morgen , den nämlich , mit Linda die Prinzessin Idoine in Arkadien zu besuchen , der sie außer dem Besuch noch größere Dinge schuldig sei , besonders ihr halbes Herz :
" Du reitest uns zufällig nach und triffst uns mitten im Schäferleben an ( setzte sie dazu ) , und überraschest Deine Linda . "
-- Er sagte sehr entschieden Nein ; weil er vor Idoinens Ähnlichkeit mit Lianen -- ob er gleich nur wußte daß Liane jene im Traum-Tempel vorgespielt , noch nicht aber , daß Idoine diese vor seinem Krankenbette nachgebildet -- und vor der Gegenwart der Ministerin die Flucht aus Scheu sowohl der bitteren Erinnerungen als der süßen nahm , welchen beiden Roquairol in solchem Falle nachgezogen wäre .
Julienne wandte bos Haft Haft ein : " fürchte nur nichts für die Prinzessin ; sie mußte , um vom verhaßten Bräutigam nur loszukommen , allen Ihrigen eidlich angeloben , nie einen unter ihrem Stande zu wählen -- und das hält sie , sogar bei Dir . " --
Er beantwortete den Scherz bloß mit der ernsten Wiederholung des Neins .
Nun so bestehe sie darauf , versetzte sie , daß er ihnen beiden wenigstens auf halbem Weg entgegenkomme und sie im " Prinzengarten " -- einem von Luigi als Erbprinz angelegten und auf dem Fürstenstuhle vergessenen Park -- erwarte .
Das ergriff er sehr freudig .
Sie fragte scheidend noch scherzhaft : " wer hat Dich von neuem mit einer Schwester beschenkt ? "
Er sagte : " das konnte mein Vater nicht von mir erfahren . "
-- " Bruder , ( sagte sie sanft , ) ein Herr war_es , der Prinzessinnen leicht für Gräfinnen nimmt und der nächstens noch toller zu werden glaubt als er schon ist -- Dein Schoppe " und flog davon .
125. Zykel .
Am Morgen darauf fuhren beide Freundinnen nach Arkadien .
Julienne -- obwohl bei Titan IV. X trübte durch ihren kränkeren Bruder -- erheiterte sich durch das Vertrauen auf einen Plan auf , den sie ungeachtet ihrer Versicherung zum Glücke des gesunden entworfen , um ihn in Arkadien auszuführen .
Sie verbarg öfters , wie andere hinter den schwarzen Trauerfächern der Trauer und Empfindung , so hinter den heiteren Putzfächern des Lachens , der den Zuschauern die bemalte Seite zukehrte , ihren Kopf mit seinen Entwürfen ; unter Lachen und Weinen ging und dachte sie diesen nach .
So hatte sie an Albano die Bitte , Idoine mit zu besuchen , nur aus Schein und in der Gewißheit getan , daß er sie abschlage oder im Falle er komme , daß es dann Idoine tue ; denn sie wußte aus Idoinens Besuchen im vorigen Winter , daß diese an den von ihr hergestellten schönen Fiberkranken häufig in Gesprächen gedacht und daß sie jetzt vor seiner Ankunft geflohen war , um nicht über seine helle liebende Gegenwart , die ihr am leichtesten durch die Fürstin bekannt geworden , als ein Gewölk aus der Vergangenheit hereinzuziehen voll trüber Ähnlichkeiten .
Julienne hatte sogar erfahren , daß die Fürstin sie umsonst länger halten und aufbewahren wollen , um vielleicht den Jüngling durch sie zu erinnern , zu schrecken , zu ändern , oder zu strafen .
Julienne Liebe gegen die Prinzessin wäre durch jene zarte Flucht vor Albano vielleicht so warm geworden als die gegen Linda war , wenn eben diese Liebe nicht dazwischen gestanden hätte ; wenigstens hatte ihr diese schöne Flucht ein ungemessenes Vertrauen -- was eben das rechte und einzige ist -- auf die Prinzessin gegeben .
Der Reisetag war ein schöner Ernte-Morgen voll bevölkerter Kornfluren , voll Kühle und Tau und Luft .
Linda freute sich kindlich auf Idoine , und sagte die Gründe in frohem Tone : " zuerst weil sie Deinem Bruder das Leben gerettet -- und weil sie doch wußte , was sie wollte und darauf mutig beharrte und sich nicht wie andere Prinzessinnen zum Opfer des Thrones verhandelte -- und weil sie die deutscheste Französin ist , die ich kenne , außer der Mdm .
Necker -- Ja mir gehört sie ordentlich mit aller schönen Jugend unter die alten Frauen , und diese suchte ich von jeher vor , denn es ist X 2 doch etwas von ihnen zu lernen . Dich liebt sie sehr , mich glaube ich weniger , einem so reizenden Mittelding von Nonne und Ehefrau schein ich zu weltlich , ob es gleich nicht ist . "
Beide kamen im schönen Zauberdorfe -- als schon die netten Kinder sich zur Ährenlese verbündeten und die Wagen schon den Sammlern der Garben entgegenfuhren -- Nachmittags vor dem Mittagsessen an .
Idoinens Bruder , der künftige Erbfürst von Hohenflies , -- der Zwerg in Tivoli -- sah aus dem Fenster und Julienne bedauerte fast die Reise .
Idoine flog ihr entgegen und drückte sie herzlich an die Brust .
Als Julienne dieses große blaue Auge und jeden verklärten Zug der Gestalt , die einst ihr Bruder so selig und schmerzlich geliebt , vor und auf ihrem Angesicht hatte :
so glaubte sie jetzt , da sie seine Schwester geworden , gleichsam als seine Stellvertreterelen die Liebe der Stellvertreterin Lianen zu empfangen ; und sie mußte , wie allzeit seit diesem Tode bei dem ersten Empfange , innig weinen .
Linda wurde von der Prinzessin mit einer so tiefen Zärtlichkeit empfangen , daß sich Ju Line wunderte , da sonst beide in einem Wechsel von Kälte und Liebe lebten .
Die Ministerin Froulay stand da , von der Trauer so alt , kalt , still und höflich , so kalt gegen die Zeit und die Menschen , ( ausgenommen das Ebenbild ihrer Tochter ) besonders gegen Linda , deren kecker , entschiedener , philosophischer Ton ihr unweiblich und eine Drommete an zwei Frauen- Lippen zu sein schien .
Der künftige Erbprinz von Hohenflies entfernte sich zum Glücke bald von einem so unbequemen Ort , wo er auf einem Schiffbruchsbrett , statt in einer Gondel fuhr .
Nachdem er Julienne mit Anteil um das Befinden ihres Bruders , seines jetzigen Vorfahrers , gefragt -- und sie und Linda an ihre und seine welsche Reise erinnert hatte :
so würde ' er über Julienne Kaltsinn und über die moralischen Gespräche der Weiber und über einen gewissen sittlichen Gewitterdruck -- den Lüstlinge bei Weibern empfinden , wo alles Rauhe , die Gelbsucht , die Anmaßung als Mißton schreit -- , und über die allgemeine plagende Heuchelei -- wofür er sogleich alles nehmen mußte -- , so verdrießlich und verstimmt , daß er leicht aufbrach und dieses Schäferleben um den einzigen Wolf verkürzte , der darin schlich .
Lüstlinge halten es unter vielen edlen Frauen , gedrückt von deren vielseitigen scharfen Beobachtungen , nie lange aus , obwohl leichter bei einer allein , weil sie diese zu verstricken hoffen .
Was ihm am wehesten tat , war , daß er sie alle für Heuchlerinnen erklären mußte .
Er fand keine gute Weiber , weil er keine glaubte ; da man sie glauben muß , um sie da zu sehen wo sie sind ; so wie die Tugend üben , um sie zu kennen , nicht umgekehrt .
Mit ihm schien eine schwarze Wolke aus diesem Eden und Äther wegzuziehen .
Die Ministerin erhielt eine Karte von ihrem Sohne Roquairol , der eben angekommen , und ging auch -- zu Julienne Freude , die an ihr ein kleines Hindernis ihres Bekehrungsplans für Linda fand , weil diese die Ministerin für eine einseitige , enge , bängliche , unnachgiebige Natur ansah .
Idoine bat die beiden Jungfrauen , ihr kleines Reich mit ihr zu bereisen .
Sie gingen hinab ins reine weite Dorf .
Auf den Trep pen begegneten ihnen heitere dienstgefällige Gesichter .
Aus den fernen Zimmern des Schlosses hörte man bald Singen bald Blasen .
Wie am Vogel sich das glänzende Gefieder schnell und glatt in- und auseinander schiebt :
so bewegten um Idoine sich alle Geschäfte ; ihre ökonomische Maschine war keine plumpe knarrende Turmuhr , sondern eine spielende Bilderuhr , welche hinter Töne die Stunden , hinter Bilder die Räder versteckt .
In einem Wiesengarten spielten die jüngsten Kinder wild durch einander .
Herrnhutische und Holländische Reinlichkeit hatten das Dorf zu einer glatten hellen Putzbude gewaschen und gemalt .
Neu und blank hing der Eimer über dem Brunnen -- unter der Linden-Rotunda des Dorfs war die Erden-Diele sauber gekehrt -- überall sah man reine , ganze , schöne Kleider und freudige Augen -- und Idoine zeigte unter der fremden Heiterkeit bedeutenden Ernst in den Blicken , womit sie ihr Arkadien Blume nach Blume prüfte .
Sie führte ihre Freundinnen über die verschiedenen Sonntags-Tanzplätze der verschied einen Alter , vor dem Hause des Amtmanns vorüber , worin die Ministerin wohnte und jetzt , zu Julienne Furcht , ihr Sohn war -- in die helle schmucklose Kirche .
Bald kamen ihr der Pfarrer und Amtmann , für welche das Vorübergehen ein Wink gewesen , in die Kirche nach und holten von ihr Aufträge ; beide waren junge schöne Männer mit offener Stirn und ein wenig Jugendstolz .
-- Als man aus der Kirche war , sagte sie : durch diese jungen Männer regiere sie über den Ort und sie selber lenke sie sanft ; nur junge seien mit Haß und Mut gegen den Schlendrian und mit Enthusiasmus und Glauben ausgerüstet .
Sie setzte scherzhaft dazu , nichts beherrsche sie als eine Schule von Mädchen , an der ihr mehr gelegen sei als an der anderen , weil Erziehung Angewöhnung sei und diese ein Mädchen mehr als ein Knabe brauche , dem die Welt doch keine lasse ; und sie habe einigen Hang eine la Bonne zu sein , weil sie es schon als Mädchen oft bei ihren Schwestern habe sein müssen .
Sie führte beide darauf in mehrere Heus chen ; überall fanden sie ausgeweißte geordnete Zimmer , Blumen und Weinreben an Fenstern , schöne Weiber und Kinder , und bald eine Flöte , bald eine Violine , und nirgends ein spinnendes Kind .
In allen hatte sie Aufträge zu geben und was bloßer Spaziergang schien , war auch Geschäft .
Sie zeigte einen scharfen Durchblick durch Menschen und ihr verwachsenes Treiben und einen Geschäftsverstand , der das Allgemeine und Besondere zugleich besaß und verknüpfte : " ich wünschte freilich auch ( sagte sie ) nur Freuden und Spiele um mich ; aber ohne Arbeit und Ernst verdirbt das Beste in der Welt ; nicht einmal ein rechtes Spiel ist möglich ohne rechten Ernst . "
-- Linda lobte sie , daß sie alle an Musik gewöhnte , diesen rechten Mondschein in jedem Lebens-Dunkel ; " ohne Poesie und Kunst ( setzte sie dazu ) vermoose und verholze der Geist im irdischen Klima . "
-- " O was wäre ohne Töne der meinige ? " sagte Idoine feurig .
Linda fragte nach dem Bürgerrechte in diesem heiteren Staate .
" Meistens bekamen es Schweizerfamilien , ( sagte Idoine , ) die ich an Ort und Stelle selber kennen lernte auf meiner Reise .
Nach den Französinnen stelle ich sogleich meine Schweizer . "
-- Julienne versetzte :
" Sie sagen mir Rätsel vor . "
Sie löste ihr sie , und Linda , die kurz nach ihr in Frankreich gewesen , bestätigte es , daß da unter den Weibern von gewissem höheren Ton , zu denen kein Crebillon je hinaufgekommen , eine in Deutschland ungewöhnliche Ausbildung der zartesten Sittlichkeit , beinahe Heiligkeit gegolten .
" Nur ( setzte Linda hinzu ) hatten sie in der Sittlichkeit wie in der Kunst , Vorurteile des feinen Geschmacks und mehr Zartheit als Genie . "
-- Sie gingen zum Dorfe hinaus , der schönsten Abendsonne entgegen ; auf den Bergen antworteten sich Alphörner , und im Tale gingen heitere Greise zu leichten Geschäften .
Diese grüßte Idoine mit besonderer Liebe , weil es , sagte sie , nichts schöneres gebe als Heiterkeit auf einem alten Gesicht , und unter Landleuten sei sie immer das Zeichen eines wohl und fromm geführten Lebens .
Linda öffnete ihr Herz der goldenen Gegenwart und sagte : " wie müßte dies alles in ei einem Gedicht erfreuen !
Aber ich weiß nicht , was ich dagegen habe , daß es nun so in der wirklichen Wirklichkeit da ist ? "
-- " Was hat Ihnen ( sagte Idoine scherzend ) diese genommen oder getan ?
Ich liebe sie , wo sind Sie für uns denn anders zu finden als in der Wirklichkeit ? "
-- " Ich ( sagte Julienne ) denke an etwas ganz anderes , man schämt sich hier , daß man noch so wenig tat bei allem Wollen .
Vom Wollen zum Tun ist es hier doch weit ( fügte sie dazu , indem sie den kleinen Finger aufs Herz aufsetzte und die Hand vergeblich nach dem Kopf ausspannte ) .
Idoine , sagen Sie mir , wie kann man denn ans Große und Kleine zugleich denken ? "
-- " Wenn man ans Größte zuerst denkt ( sagte sie ) .
Wenn man in die Sonne hineinsieht , wird der Staub und die Mücke am sichtbarsten .
Gott ist ja unser aller Sonne . "
Die Erden-Sonne stand ihnen jetzt tief auf einer unabsehlichen Ebene unter milden Rosen des Himmels entgegen -- eine ferne Windmühle schlug breit durch die schöne Purpur- Glut -- an den Bergabhängen sangen Kein der neben den geweideten Herden und ihre kleineren Geschwister spielten bewacht -- die Abendglocke , welche in Arkadien allzeit unter dem Scheiden der Sonne gezogen wurde , wiegte Sonne und Erde mit ihren Tönen ein -- nicht nur jugendlich , sogar kindlich lag das sanfte Dörfchen und seine Welt um sie her -- kein Sturm , dachte man , kann hereingreifen in dies sanfte Land , kein Winter im schweren Eispanzer hereinschreiten , hier ziehen nur , dachte man , Frühlingswinde und Rosenwolken , keine Regen fallen als Frühregen und keine Blätter als der Blüten ihre , nur Staub aus Blumen kann steigen und den Regenbogen halten nur Vergißmeinnicht und Maiblumen auf ihren blau und weißen Blättchen -- die Gegend und alles und das Leben schienen hier nur eine unaufhörliche Morgendämmerung zu sein , so frisch und neu , voll Ahnung und Gegenwart ohne Glut und Glanz , und mit einigen Sternen über dem Morgenrot .
Kinder mit Ähren-Sträußen in der Hand saßen auf fremden Wagen voll Garben und fuhren stolz herein .
Idoine hing mit inniger Liebe , als wäre alles neu durch diesen Abend , an den doppelten Gruppen .
" Nur der Landmann allein ist so glücklich , ( sagte sie , ) daß er in allen arkadischen Verhältnissen seiner Kindheit fortlebt .
Der Greis sieht nichts um sich als Gerätschaften und Arbeiten , die er auch als Kind gesehen und getrieben .
Endlich geht er jenen Garten drüben hinauf und schläft aus . "
-- Sie zeigte auf den Gottesacker am Berge , der ein wahrer Garten mit Blumenbeeten und einer Mauer aus Fruchtbäumen war .
Julienne blickte erschüttert hin , sie sah den schwarzen Vorhang zittern , hinter welchen ihr kranker Bruder bald getrieben wurde .
Mit durchsichtigem Abend-Goldstaub war der Garten überweht -- der laute Tag war gedämpft und das Leben friedlich , Öhlzweige und ihre Blüten sanken aus dem stillen Himmel langsam nieder .
-- " Dort ist der einzige Ort , ( sagte Idoine , ) wo der Mensch mit sich und anderen einen ewigen Frieden schließet , sagte so schön zu mir ein französischer Geistlicher . "
-- " Solchen christ-katholischen Jam Mehrgedanken ( versetzte Linda ) bin ich so Gram wie den Geistlichen selber .
Wir können so wenig eine Unsterblichkeit erleben als eine Vernichtung . "
-- " Ich verstehe das nicht , ( sagte Julienne , ) -- ach Idoine , wenn es nun keine Unsterblichkeit gäbe , was täten Sie ? "
-- " J' aimerois " * ) sagte sie leise zu ihr .
Plötzlich wurde vor ihnen wie aus weiter Ferne gesungen : " Freut " -- dann spät " Euch des " -- endlich " Lebens "
-- " Das ist aus dem Gottesacker das Echo , " sagte Idoine und suchte zur Rückkehr zu bereden .
" Echo und Mondschein und Gottesacker zusammen ( fuhr sie scherzend fort ) sind wohl zu stark für Frauenherzen . "
-- Dabei berührte sie ihr Auge mit einem Wink an Julienne , gleichsam als tue es ihr weh , daß die Gräfin nur hinter dem Nebel ihrer Augen den schönen Abend von Fernen stehen sehe .
" Die Singstimme klingt mir so bekannt , " sagte Linda .
" Roquairol ist es , nichts weiter , wollen wir * )
Ich würde lieben . fort ! " sagte Julienne ; aber Linda bat zu bleiben und Idoine willigte höflich ein .
Nun gab das Echo -- das Mondlicht des Klangs -- wieder Töne wie Totenlieder aus dem Toten-Chor ; und es war als sängen die vereinigten Schatten sie in ihrer stillen Wache unter der Erde nach , als regte sich der Leichenschleier auf der weißen Lippe und aus den letzten Höhlen tönte ein hohles Leben wieder .
Das Singen hörte auf , Alphörner fingen auf den Bergen an .
Da ging wieder das Nachspiel des Tonspiels feurig herüber als spielten die Abgeschiedenen noch hinter der Brustwehr des Grabhügels und kleideten sich ein in Nachklänge .
Alle Menschen tragen Tote oder Sterbende in der Brust ; auch die drei Jungfrauen ; Töne sind schimmernd zurückflatternde Gewänder der Vergangenheit und erregen damit das Herz zu sehr .
Sie weinten , und keine konnte sagen , ob trübe oder froh .
Die bisher so gemäßigte Idoine ergriff Linda's Hand und legte sie sanft an ihr Herz und ließ sie wieder sinken .
Sie kehrten schweigend und einig um .
Idoine behielt Linda an der Hand .
Die unterirdischen Wasser der Toten-Echos und Alphörner rauschten ihnen nach , obwohl ferner .
Julienne entging es nicht , wie sehr Idoine ihr Gesicht , bloß um es ihr mit den großen Tropfen in den großen Augen zu entziehen , immer der dicht verschleierten Linda zuwandte ; und sie schloß daraus , daß Idoine vieles wisse und kenne und die Braut des Jünglings ehre , dem sie durch ihre schöne Ähnlichkeit das frohe Leben zurückgegeben .
" Was haben wir nun davon ?
( sagte Idoine spät und nahe am Dorfe . )
Wir sehen_es voraus , daß wir zu weich würden und geben uns doch hin .
Darum nennen uns eben die Männer schwach .
Sie bereiten sich auf ihre Zukunft durch lauter Abhärtungen vor , und nur wir uns durch lauter Erweichungen . "
-- -- " Was soll man denn machen , ( sagte Julienne , ) in Flüsse springen , auf Berge , auf Pferde und so weiter ? "
-- " Nein , ( sagte Idoine , ) denn ich sehe es an meinen Bäuerinnen ; sie leiden an Nerven bei aller Muskel-Arbeit so gut wie andere -- Mit dem Geiste , glaube ich , müßten wir wir alle mehr tun und suchen ; aber wir lassen immer nur die Finger und Augen sich üben und regen , das Herz selber weiß nichts davon und tut dabei was es will , es träumt , weint , blutet , hüpft --
Ein wenig Philosophieren wäre uns dienlich ; aber so geben wir uns allen Gefühlen gebunden dahin und wenn wir denken , ist es bloß , um ihnen noch gar zu helfen . "
-- Sie kamen ins Dorf zurück , es war voll geschäftigen Abendlärms , Kinder tanzten Idoinen entgegen , von den Höhen klangen Alphörner herein und aus den Häusern Flöten und Lieder heraus .
Idoine gab heiter Abendbefehle .
" Wie doch ( sagte sie ) die äußere Ruhe so leicht die innere aufhebt .
Ein beschäftigtes Herz ist wie ein umgeschwungenes Gefäß mit Wasser ; man halte ' es still , so fließet es über . "
Julienne hatte schon einigemal , aber vergeblich , nach dem Steuerruder der Zeit und Rede gehascht , um ihren Plan zu vollführen ; jetzt da sie Linda's Schweigen , Rührung und Träumen bemerkte , glaubte sie die lange erwartete günstige Stunde zu treffen , wo einige Worte , die Idoine über die Ehe ausstreute , in Linda einen Titan IV. Y aufgeweichten Boden für ihre Wurzeln finden würden .
Durch die leichte Wendung eines Lobs , das sie Idoinen über ihren mutigen Widerstand gegen das Schiffziehen in einer verhaßten Fürsten-Ehe und über den Gewinn eines ewigen Jugendlebens gab , brachte sie die Gräfin dazu , ihren ketzerischen Haß gegen die Ehe zu offenbaren und zu sagen , daß diese die Blume mit einem scharfen Eisenringe an ihren Stab peinlich gefangen lege -- daß Liebe ohne Freiheit und aus Pflicht nichts sei als Heuchelei und Haß -- und daß das Handeln nach der sogenannten Moral so viel sei als wenn einer nach der Logik , die er vor sich hätte , denken oder dichten wollte und daß die Energie , der Wille , das Herz der Liebe etwas Höheres sei als Moral und Logik .
Jetzt kam ein Briefchen von der Ministerin , worin sie ihre heutige Abwesenheit mit dem zu traurigen Abschiede entschuldigte , den ihr Sohn diesen Abend so sonderbar und wie auf immer von ihr genommen .
So viele stille Gedanken auch diese Nachricht in Julienne und Linda nachließ :
Idoine kam durch sie nicht aus der lebhaften Bewegung , worein die vorige Rede sie gesetzt , sondern mit einem edlen Zürnen , das aus der schönen Jungfrau einen schönen Jüngling machte und ihr Minervens Helm aufsetzte , erklärte sie der hohen Gegnerin , die weniger durch fremde Heftigkeit als durch fremde Gesinnung aufzureizen war , diesen Krieg : gewiß sei nur ihre Abneigung gegen die " Priester " an der zweiten Abneigung gegen die Ehe schuld -- sei denn das Eheband etwas anders als ewige Liebe , und halte sich nicht jede rechte für eine ewige ? --
eine Liebe , die einmal zu sterben glaube , sei schon tot und die ewig zu leben fürchte , fürchte umsonst -- wenn sogar Freunde am Altare verbunden würden , wie irgendwo geschehen soll * ) , sie würden höchstens sich nur noch heiliger binden und lieben -- man zähle eben so viele wo nicht mehrere unglückliche Liebeshändel als unglückliche Ehen -- man könne zwar eine Mutter , aber nicht ein Vater sein ohne die Ehe und dieser müsse jene * )
Bei den Morlacken. S.
Sitten der Mohrlacken .
Aus d. Italien .
1775. Y 2 und sich durch die Sitte ehren -- " ich bin eine Deutsche ( beschloß sie ) und achte die alten Ritterfrauen , meine Ahnen , hoch , selig ist eine Frau wie eine Elisabeth und ein Mann wie Götz von Berlichingen , in ihrer heiligen Ehe . "
-- -- Auf einmal fand sie sich selber überrascht von ihrem Feuer und ihrem Strome : " ich bin ja ( setzte sie lächelnd hinzu ) eine pedantische Predigerswitwe geworden ; das macht , ich bin die höchste Obrigkeit von dem Dörfchen , und lasse , da fast in jeder Hütte eine glückliche Widerlegung der Ehelosigkeit wohnt , ungern andere Meinungen hier aufkommen . "
" O , Mädchen ( sagte Julienne lustig , weil sie Linda ernst sah , ) sprechen immer mitunter ein wenig von Liebe und Ehe ; sie ziehen sich gern aus einem Brautkranz Blumen . "
" Daraus , wissen Sie , könnte ich mir wohl keine nehmen " sagte Idoine , auf das eidliche Versprechen anspielend , welches sie ihren über ihre enthusiastische Kühnheit argwöhnischen Eltern geben müssen , nie unter ihrem Fürstenstande zu heiraten , was ihr nach ihrer Schar fen Gesinnung und Lage so viel hieß als Ehelosigkeit .
-- " Recht hatten Sie indes , ( verfolgte Julienne und wollte scherzhaft bleiben , ) die Liebe ohne Ehe gleicht einem Zugvogel , der sich auf einen Mastbaum setzt , der selber zieht , ich lobe mir einen hübschen grünen Wurzelbaum , der da bleibt und ein Nest annimmt . "
-- Wider ihre Gewohnheit lachte Linda darüber nicht , sondern ging allein , ohne ein Wort zu sagen , in den Garten und Mondschein hinunter .
" Die Gräfin ( sagte Idoine zur Freundin , bekümmert über die Bedeutung des stummen Ernstes , ) hat uns , hoffe ich , nicht mißverstanden . "
-- " Nein , ( sagte Julienne mit freudigen Mienen über den errungenen Eindruck , den die Rede auf Linda gemacht , ) sie hat die seltenste Gabe , zu verstehen , und das häufigste Unglück , nicht verstanden zu weiden . "
-- " Das ist immer beisammen , " sagte sie , sann nach , sah Julienne an , endlich sagte sie : " ich muß ganz wahr sein , ich wußte der Gräfin Verhältnis durch meine Schwester -- Freundin , ist Er ihrer ganz wert ? "
Eine Frage , deren Quelle die P.inzessinn nur in rachsüchtigen Einflößungen der Fürstin suchen konnte .
" Ganz ! " antwortete sie stark .
" Ihnen glaube ich gern , " versetzte Idoine , mit den Lauten eilend , aber mit Blicken ruhend .
Sie sah die Schwester Albano's immer länger an -- die großen blauen Augen schimmerten stärker -- Minervens Helm war vom jungfräulichen Haupte abgehoben -- das sanfte Angesicht erschien lieblich , ruhig , klar , nicht stärker bewegt als es ein Gebet vor Gott erlaubt , und so wenig begehrend wie eine Verklärte , und doch immer himmlischer glänzend -- Julienne schönes Herz stürmte auf , sie sah Liane wieder , als sei sie vom Himmel gekommen , den geliebten Menschen an einem neuen Herzen einzusegnen ; -- sie sagte mit Tränen :
" Du , Du hast Ihm einst den Frieden gegeben . "
-- Idoine wurde überrascht -- aus ihren hellen Augen drangen zwei Tränen -- mit Nachdruck antwortete sie : " gegeben " -- erschrocken und heftig drückte sie sich an die Freundin -- sagte : " ich liebte Sie schon lange " und weiter sprachen sie nichts .
Schnell faßte sie sich , -- erinnerte Julienne an Linda's Nachtblindheit -- und bat sie geradezu , ihr als ihre Freundin nachzugehen , ob sie gleich selber gern ihr dieses Verdienst abstehlen würde , wenn sie dürfte .
Julienne eilte in den Garten , fühlte es aber nach , daß Idoine ihr Du nicht erwidert hatte .
Idoine mied das weibliche Du ; ungleich den Orientalerinnen , welche vor Verwandten den Schleier weglassen , nahm sie wie ihre Französinnen , sogar in die Herzlichkeit die zarten Gesetze der Politesse herüber .
Julienne fand ihre Freundin im Garten in einer dunklen Laube still , mit tief gesenkten Augen , in Träume eingegraben .
Linda fuhr auf :
" Sie liebt Ihn !
( sagte sie mit Schmerz und Feuer ) Höre es , Julienne , Sie I -- Diese konnte ihr über das Aussprechen einer Wahrheit , mit der sie gerade aus Idoinens Armen gekommen war , nichts als ihr Erschrecken zeigen ; aber Linda nahm es für Erstaunen und fuhr fort : " bei Gott ! --
Mein Blick hat sie aufgehascht .
O sonst war sie weit nicht so lebhaft und ernst und rührbar und weich -- Ihre innerste Bewegung bei meinem Erblicken -- und ihr Weinen bei Roquairol's Stimme , weil sie seiner gleicht -- und ihre lange feurige Hochzeitpredigt -- Und die Seelenblicke auf mich -- o hat sie Ihn denn nicht im großen herrlichen Augenblick gesehen , da der Blühende weinend kniete und das göttliche Haupt gen Himmel hob und die Verklärte und den Frieden herunterrief ? --
O daß sie es nur wagte , ihm beides vorzuspielen !
Und kann sie das vergessen ? "
-- Julienne kam endlich zum Worte : " so setze ' es denn ; ist Idoine aber nicht edel und fromm ? "
-- " Ich habe nichts wider sie und nichts für sie ( antwortete Linda ) .
Wenn aber Er sie nun sieht , wenn er die Fromme noch einmal der Verstorbenen ähnlich findet , wenn die ganze erste Liebe umkehrt und über die zweite triumphiert ?
... Bei Gott !
Nein , ( setzte sie stolz und stark dazu , ) nein , das dulde ich nicht ; bitten will ich nicht , weinen nicht , oder resignieren , um ihn aber kämpfen will ich . --
Bin ich nicht auch schön ?
Ich bin schöner , und mein Geist ist kühner geschaffen für seinen .
Was kann sie geben , was ich ihm nicht dreifach biete ?
Ich will es ihm geben , mein Glück , mein Dasein , auch meine Freiheit , ich kann ihn so gut heiraten wie sie , ich will_es . . . . O sprich , Julienne !
Aber Du bist eine kalte Deutsche und ihr heimlich zugetan aus gleicher Gottesfurcht .
O Gott , Julienne , bin ich denn schön ?
Beteuer es mir doch .
Bin ich der Verklärten gar nicht ähnlich ?
Sähe ich nur so aus wie er es gerade wollte !
Warum war ich nicht seine erste Liebe , und seine Liane und wäre auch gestorben ? --
Gute Julienne , warum sprichst Du nicht ? "
-- " Lasse mich nur sprechen " sagte diese , wiewohl nicht ganz wahr .
Sie war ergriffen und gestraft von Linda's treffender Wahrheit und vom eigenen Bewußtsein , daß sie einen Plan , Linda's Vorurteile gegen die Ehe aufzulösen , angelegt , dessen Hilfsmittel ihr von Linda gerade als Rechtfertigungen der Eifersucht vorgezählt worden ; und daß sie einen Felsen auf der Spitze eines Felsen in Bewegung und in den Fall gebracht , den sie nun nicht mehr regieren konnte .
Auch war sie betäubt , ja erzürnt von einem ihr fremden Ungestüm der Liebe , vor welchem sie den verhaßten Trost gar nicht aussprechen durfte , daß Albano stets nach der Pflicht der Treue handeln würde .
-- Schön war sie überrascht von der geglückten Bekehrung zum Trauungs-Ja .
Mit einiger Ungewißheit des Erfolgs bei Linda , die durch das Mondlicht und die ferne milde Bergmusik nur stürmischer geworden , fuhr sie fort : " ich wollte Dich nicht gern unterbrechen mit dem Lobe Deines Entschlusses zur Ehe -- Unrecht hast Du sonst in allen Stücken .
Freilich ist Sie jetzt ernster ; aber sie stand am Sterbebette ihres Ebenbildes und sah sich in Lianen erbleichen -- das mäßigt sehr .
Ihn anlangend : so , hätte Er Dich früher gesehen .... "
" Sah er nicht früh das Bild auf dem Logomaggiore , aber unähnlich wie er sagt ? "
-- " So will ich Dir es denn gestehen , Wilde , ( versetzte Julienne , ) weil man Dich nicht überraschen soll , daß ich ihn gestern gebeten , mit zur Prinzessin zu reisen und daß er eben aus Rücksicht und Kälte gegen alle Ähnlichkeiten mir es derb abgeschlagen ; aber morgen erwartet er uns im Prinzengarten . "
Verändert -- weich -- mit verklärten Augen sagte Linda mit gesunkener Stimme : " mein Freund liebt mich so sehr ? --
Ich liebe ihn aber auch sehr , den Reinen .
Morgen will ich zu ihm sagen , nimm meine Freiheit und bleibe ewig bei mir .
Vom Altare ziehen wir davon , meine Julienne , Du und er und ich nach Valencia , nach Isola bella oder wohin er will und bleiben beisammen .
Du guter Mond und Musik !
Wie die Töne und die Strahlen so kindlich mit einander spielen !
-- Umarme mich , meine Geliebte , vergib , daß Linda unartig gewesen ! " --
Hier war der Sturm des Herzens in süßes Weinen zergangen .
So wird in den Ländern unter der scheitel-rechten Sonne täglich der blaue Himmel Donner , Sturm und schwarzer Regen , und täglich geht die Sonne wieder blau und golden unter .
Julienne versetzte bloß :
" Schön ! nun wollen wir hinauf ! " , weniger als sie zu schnellen Übergängen fähig .
Als sie oben die stille , helle , nichts begehrende Idoine wieder sah -- die fest und heiter Handelnde -- klagenlos und hoffnungslos -- nur den Ährenkranz der Taten , nie den blumigen Brautkranz tragend -- so viele weiße Blüten zu ihren Füßen , die zu keinem Kranz und Gewinde zusammengehen -- ihre helle reine Seele einem hellen reinen Tone gleich , der seinen Reiz durch nasse wolkige Luft ungetrübt und ungebrochen trägt :
so fühlte sie , Idoine sei ihr schwesterlicher verwandt als Linda , jene sei ihr ein Ideal und Sternbild in ihrem Himmel über ihr , diese ein fremdes , das fern und unsichtbar in einer zweiten Halbkugel des Himmels glänzt ; aber in ihr wirkte die weibliche Kraft , fortzulieben fast bis in den Haß hinein , stärker als in irgend einer Frau und sie blieb der alten Freundin getreu .
Idoine gehörte unter die weiblichen Seelen , die dem Monde ähnlich sind ; blaß und matt muß er am prächtigen Abendhimmel , den Glanz und brennende Wolken schmücken , stehen und kann auf der Erde keinen einzigen Schatten verdrängen , und steigt mit unsichtbaren Strahlen , aber das fremde Licht verblicht und seines wächst aus dem Schatten auf , bis zuletzt sein überirdischer Glanz die Erden-Nacht umzieht und in eine zweite Welt umkleidet und alle Herzen lieben ihn weinend und die Nachtigallen singen in seinen Strahlen .
Alles war nun bestimmt und geendigt .
Linda hielt sich in ihrer Ferne und bloß aus Gesetz der geselligen Artigkeit , das sie niemals übertrat .
Idoine zog sich , eine Veränderung erratend , aus der vorigen Nähe sanft zurück .
Früh am dunklen Morgen schieden sie , aber Julienne sagte es ihrer Freundin nicht , daß sie Idoinen , als sie von einander gingen , sich mit nassen Augen hatte wenden sehen .
126. Zykel .
Albano hatte während Linda's Abwesenheit von Roquairol die Bitte bekommen , nur jetzt nicht lange zu verreisen , damit er in einigen Tagen sein Trauerspiel " den Trauerspieler " noch sehen könne .
Gaspard , den er unwillig über Linda's Ehescheu antraf , gab ihm ein sonderbares Kartenblatt für Linda mit , worauf von ihrem unsichtbaren Vater nichts stand als dies :
Ich genehmige Deine Liebe .
Ich erwarte , daß Du sie besiegelst , damit ich meine Tochter endlich umarme .
Der Zukünftige .
So viele fremde wichtige Wünsche , die mit dem seinigen zusammenflossen , hielten nun von seinem zarten Ehrgefühl den Verdacht der Selbstsucht und Zudringlichkeit ab , wenn er sie um das schönste Fest seines Lebens bat .
Er machte seinen Vater sehr zufrieden durch diesen Entschluß zu bitten .
Gaspard teilt ihm geheime Kriegsnachrichten mit und sagte ihm scherzend , nun sei es bald Zeit , daß er für seine Freunde , die Neufranken , fechten helfe .
Albano sagte , es sei sogar sein Ernst .
Das höre er gern von einem Jüngling -- sagte Gaspard -- der Krieg bilde für Geschäfte und das Recht oder Unrecht desselben tue nichts zur Sache und gehe andere an , die ihn erklären .
Albano machte seine Reise froh durch Erinnerung , noch froher durch Hoffnung .
Er hatte jetzt den Mut , sich den Tag auszudenken , wo Linda , eine Königin , in die glänzende Krone ihres Geistes den weichen Brautkranz schmiegt -- wo diese Sonne als eine Luna auf geht -- wo ein Vater , den der seinige liebt , das hohe Fest unterbricht durch ein höchstes -- und wo einmal zwei Menschen zu sich sagen dürfen : nun lieben wir uns ewig . --
So beglückt und mit einer unendlichen Liebe und sonnenwarmen Seele kam er im Prinzengarten an .
Überall kam er viel zu früh nach seiner leidenschaftlichen Pünktlichkeit .
Niemand war noch da als zwei -- Abreisende , Roquairol und die Fürstin .
Beide sah man jetzt oft und so öffentlich beisammen , daß das Scheinen Absicht schien .
Roquairol ging ihm höflich entgegen und erinnerte ihn an das erhaltene Billet : " das ist der Schauplatz , Lieber , ( sagt ' er ) wo ich nächstens spiele , die meisten Zurüstungen habe ich schon getroffen , besonders heute .
Meine treffliche Fürstin hat mir diesen Platz vergönnt . "
-- " Sie kommen doch auch ? " sagte diese zu Albano freundlich .
" Ich habe es ihm schon versprochen " , sagte Albano , den mitten in seinem Frühling zwei Eiskeller anwehten .
Das Fräulein v. Haltermann allein zeigt ihm großen entschiedenen Zorn .
" Gehen wir zu meiner Schwester vorher ? " fragte Roquairol die Fürstin unter dem Wegführen .
Albano verstand das nicht .
Die Fürstin nickte .
Sie nahmen von ihm Abschied . Fräulein v. Haltermann schien ihn zu vergessen .
Sie entflogen , hielten oben auf einem von der ganzen blühenden Gegend umrungenen Berge neben einem Blumengärtchen still und rollten dann hinunter .
Der Himmelswagen mit den geliebten Mädchen kam jetzt in den französischen Prinzengarten herein .
Feurig drückten sich Albano und Linda einander an die Herzen , die sie sich -- gleichsam zum zweitenmal für einander geschaffen und geschmückt durch das Schicksal -- mit neuen Hoffnungen und Welten heute noch einmal täuschend geben wollten ! --
Alles war so glänzend um sie her , alles neu , selten , ruhig , die ganze Welt ein Garten voll hoher flatternder Springbrunnen , welche vor der Sonne glanztrunken ihre Bogen durch einander warfen ! --
Julienne zog ihn bei Seite , um ihm Linda's schönen Entschluß zu sagen ; aber er kam ihr mit der Nachricht des seinigen zuvor .
Sie bestärkte ihn durch die ihrige , ent zückt zückt über das seltene Getriebe zusammengreifend Glücksräder .
Als Albano wieder bei der Braut war , und sie bei ihm , fühlten sie eine neue Wärme des Herzens , -- keine von einer ausbrennenden dumpfen Glutkohle , die am Ende schwarz zerbröckelt , sondern die einer höheren Sonne , die aus lauten Flammen stille Strahlen macht und die die Menschen mit einem warmen milden Frühlingstag umgibt .
Albano schob nicht auf und leitete nicht ein , sondern er gab ihr das Blatt ihres Vaters hin und sagte unter dem Lesen mit bebender Stimme :
" Dein Vater bittet mit mir und für mich . " -- Linda's Tränen stürzten -- der Jüngling zitterte -- Julienne rief :
" Linda , sieh wie er Dich liebt ! ' -- Albano nahm sie an sein Herz -- Linda stammelte : " so nimm sie denn hin , meine liebe Freiheit und bleibe bei mir " -- " bis zu meiner letzten Stunde " ( sagt ' er ) -- " und bis zu meiner und gehst in keinen Krieg " -- sagte sie zärtlich-leise -- er drückte sie bestürzt und stark ans Herz -- " nicht wahr , Du versprichst es mein Lieber ? " wiederholte sie .
-- Titan IV. Z " O , Du Göttliche , denke jetzt an etwas Schöneres " sagte er .
-- " Nur ja , Albano , ja ? " fuhr sie fort .
-- " Alles wird sich durch unsere Liebe lösen " sagte er .
-- " Ja ? Sage nur Ja ! "
bat sie -- er schwieg -- sie erschrak :
" Ja ? " sagte sie stärker .
-- " O Linda , Linda ! " stammelte er -- sie entsanken einander aus den Armen -- " ich kann nicht " sagte er -- " Menschen versteht Euch " sagte Julienne -- " Albano sprich Dein Wort " sagte Linda hart .
-- " Ich habe keines " sagte er .
Linda erhob sich beleidigt und sagte : " ich bin auch stolz -- ich fahre jetzt Julienne . "
Kein Bitten der Schwester konnte die Staunende oder den Staunenden schmelzen .
Der Zorn , mit seinem Sprachrohr und Hörrohr , sprach und hörte alles zu stark .
Die Gräfin ging fort und befahl anzuspannen .
" O ihr Leute , und Du Hartnäckiger , ( sagte Julienne ) gehe ihr doch nach und stille sie . "
Aber der empfindlichen Sinnpflanze seiner Ehre waren jetzt Blätter zerquetscht ; das ihm neue Auffahren , der Schlagregen ihres Zorns hatte ihn erschüttert ; er fragte nach nichts .
" Schau hinauf zu jenem Garten , ( sagte die Schwester außer sich , ) dort liegt Deine erste Braut begraben und schone die zweite ! "
-- Das wirkte gerade das Gegenteil : " Liane ( sagt ' er kalt ) wäre nicht so gewesen ; begleite nur die Gräfin ! "
" O die Männer ! " rief sie und ging .
Bald darauf sah er beide davon fahren .
Allmahlig zerstob das wilde Heer des Zorns .
Aber er hatte , fühlte er , nicht anders gekonnt .
Er war ihr , sie ihm mit solcher neuen Zärtlichkeit entgegengereist -- keines wußte von der fremden -- und der unbegreifliche Kontrast entrüstete darum beide so sehr -- Er haßte schon an anderen Menschen das Bitten , wie viel mehr an sich selber , und nie war er vermögend , einen Menschen , der ihn verkannte , zurecht zu weisen .
Er sah jetzt um sich , alle prangenden Springbrunnen der Freude waren plötzlich niedergefallen , die Lüfte verödet und das Wasser murmelte in den Tiefen .
Er ritt hinauf zum Garten , wo Lianen Grab sein sollte .
Nur Blumenbeete , einen Lindenbaum mit einer Zirkelbank sah er darin , aber kein Grab .
Betäubt Z 2 und verworren blickte er hinein und in den glänzenden Gegenden umher .
Verstockt -- tränenlos -- mit einem im zurückgetriebenen Strom der Liebe erstickenden Herzen -- hinschauend in die weite Zukunft , die zwischen Bergen in krumme Täler ging und sich versteckte , ritt er düster nach Hause .
Hier traf er folgendes Blatt von Schoppe an , das der vorauseilende Oheim bei ihm abgegeben :
" Es ist richtig -- Ich fand das bewußte Porträt -- Ich bringe es in der Jagdtasche mit -- In wenigen Wochen oder Tagen komme ich -- Den Kahlkopf habe ich angetroffen , und hinlänglich totgemacht --
Ich bin sehr bei Sinnen .
Dein seltsamer Oheim reiste lange mit mir. S. "
Zwei und dreißigste Jubelperiode .
Roquairol .
127 . Zykel .
Linda hatte den ganzen Tag darauf in schweigendem Seelenschmerze zugebracht über den Geliebten , der ihr , wie einst Liane ihm , nicht im ganzen lebendigen Feuer der Liebe zu leben schien wie sie -- sie war lange von der Fürstin umlagert und dann durch sie Julienne für eine Lustreise beraubt worden , die ihr nur die Nachricht zuwerfen konnte , daß Albano diesen Tag auch einen Ausflug gemacht , um Schoppen früher zu umarmen -- sie war still geblieben nach ihrem Grundsatze , daß der weibliche Stolz hier Schweigen , Ruhe und sogar Ver- gegessen gebiete : -- als sie Abends durch das blinde Mädchen aus Blumenbühl , das sie in ihre Dienste genommen , folgenden Brief erhielt :
" Du Meine !
Sei es wieder !
Ich will noch sterben , aber für Dich , nicht für ein Volk auf dem Schlachtfeld .
Vergib das Gestern und beglücke das Heute .
Ich habe meinen Vorsatz einer Entgegenreise wieder aufgegeben , um Dir heute noch an das Herz zu stürzen und Deinen Himmel auszuschöpfen und meinen zu füllen .
Ich kann nicht warten bis Julienne wiederkommt ; mein Herz brennt nach Dir .
Morgen muß ich ohnehin im Prinzengarten sein , wo Roquairol seinen Trauerspieler endlich gibt .
Komme diesen Abend -- ich flehe Dich bei unserer Liebe an -- um 8 Uhr entweder , wenn es hell ist , in die Tartarus-Höhle , deren Totengräber-Putz und Orkus-Ameublement Dir gewiß nur lächerlich sein wird , oder wenn es wolkig ist , in das Ende des Flötentals .
Dein blindes Mädchen nimmst Du nur mit .
Du kennst ja das Spionanwesen , das gerade uns umstellt .
Ich erwarte und begehre keine Antwort von Dir , sondern Schlags acht Uhr schleiche ich durch das Elysium , um zu sehen , wo die Göttin steht , der Himmel , die Sonne , die Seligkeit , Du .
Dein Albano . "
Wie durch einen Wetterstrahl des Himmels war ihr ganzes Wesen geschmolzen zu weicher seliger Glut ; denn sie glaubte der Handschrift , daß das Blatt von Albano sei -- so unerwartet ihr auch an ihm eine so schnelle Umkehrung erschien -- ; ob es gleich von Roquairol geschrieben war .
Lasst uns zurückgehen bis an die finstere Quelle des reißenden Höllenflusses , der seinen eiskalten Arm nach der Unschuld und nach dem Himmel ausstreckt .
Roquairol war im Winter bei allen Fehlschlagungen seiner unbändigen Wünsche ziemlich glücklich und gut geblieben ; der Abendstern der Liebe , ob er wohl für ihn mehr ab- als zunahm , stand doch noch nicht unter dem Horizont , sondern nur unter Gewölk .
Aber sobald Linda mit Julienne abgereist war -- und zwar , wie er sogleich erriet und früh erfuhr -- nach Italien :
so bewegte sich ein neuer Sturm durch sein Leben , der ihm die letzten Blüten abriß und mit dem lange gelegenen Staub verfinsterte , weil er nun , wie er Albano selber vorausgesagt , das Netz zu diesem und der Gräfin im Strome heraufkommen sah , das beide eng gefangen nahm .
Das fressende Gift der Viel- Liebhaberei und Vielgötterei lief wieder heiß in allen Adern seines Herzens um -- : er machte wilden Aufwand , Spiele , Schulden , so weit es nur ging -- setzte Glück und Leben auf die Waage -- warf seinen eisernen Körper dem Tode zu , der ihn nicht sogleich zerschlagen konnte -- und berauschte sich in der Wildentrauer um sein gemordetes Leben und Hoffen im Leichentrunk der Schwelgerei ; ein Bund , den Wollust und Verzweiflung schon oft auf der Erde mit einander auf Kriegsschauplätzen und in großen Städten geschlossen haben .
Nur etwas hielt den Hauptmann noch aufrecht , die Erwartung , daß A ! bano in seiner Ferne von Linda beharre , und die , daß diese wiederkomme .
Jetzt kam die Fürstin zurück , noch mit allem frischen Hasse gegen den kalten Albano , für dessen " dupe " sie sich hielt .
Roquairol bewog leicht seinen Vater , ihn ihr näh her zu bringen , da er bei ihr über Albano und alles Nachrichten zu finden hoffte .
Er wurde ihr bald durch die ähnliche Stimme und die vorige Freundschaft gegen ihren Feind bedeutend , und noch mehr durch seine seltene Gewandtheit , einer Frau immer das zu sein , was sie gerade begehrte .
Da sie alle seine früheren Verhältnisse und Wünsche schon längst gekannt :
so warf sie , sobald ihre Fernschreiber von Albano ihr die Nachricht von seiner neuen Liebe gegeben , ihm leicht die Erwähnung davon hin .
Trotz der warmen Rolle , die Roquairol gegen sie zu spielen hatte , wurde er doch vor ihr wüthendblaß , atemlos , bebend und starrend im Abwechsele , " ist es so ? " fragt er leise -- sie zeigt ihm einen Brief -- " Fürstin , ( sagte er wütend ihre Hand an seine Lippen fortpressend , ) Du hattest Recht , vergib mir nun alles . "
Wie groß er von Albano gedacht , sah er erst jetzt aus seiner Verwunderung über das Natürlichste von der Welt .
Nie hasset das Herz bitterer als wenn es den Gegenstand , den es vorher unter dem Hassen achten mußte , nun ohne Achten hassen muß ; so wie aus demselben Grunde den schlimmen Menschen die Heuchelei des anderen weit tiefer und eigennütziger entrüstet als den frommen .
Roquairol glaubte jetzt , den stolzen Freund recht anfeinden zu dürfen ; er wurde aus einer deutschen Ruine eine welsche voll Skorpionen .
Die Fürstin wurde das heiße Klima , das die Skorpionen erst recht vergiftet .
Sie erzahlte ihm , wie Albano sie so lange zu gewinnen und auf seine tiefen Mienen zu locken gesucht , bloß um bei deren Aufspringen den Genuß der Kälte und des Hohns zu haben und wie er so gleichgültig vom Hauptmann gesprochen , ohne ihn nur des Hasses zu würdigen .
Die Fürstin erlaubte dem Hauptmann eine Stufe noch der anderen an ihrem Throne hinaufzugehen , bis er keine mehr hatte als ihre eigene Person .
Sie gab ihm auch die letzte Stufe unter der Bedingung Preis , sie zu rächen .
Er sagte , er räche sie und sich , denn Albano habe feierlich in dem Tartarus der Gräfin für ihn entsagt .
So schienen beide ihre wahre Liebe unter die Larve der Rache zu steh Ken , die Fürstin ihre für den Hauptmann , er seine für Linda .
Sie brachte ihm einen Plan immer dichter vor das Auge , den er nicht erblickte , so sehr sie ihn reizte durch die Bemerkung , daß Albano ein größerer Weiber-Liebling sei und sein werde als man bisher noch dachte , daß sogar ihre fromme besonnene Schwester Idoine nach ihren stillen Fragen in Briefen und nach anderen Zeichen fast beides durch ihn verloren , was sie ihm am Krankenbette wiedergegeben , Gesundheit und Friede und daß er nie hoffen solle , die Gräfin je abtrünnig zu sehen oder auch zu machen .
Endlich sagte sie langsam das fürchterliche Wort :
" Roquairol , Sie haben Seine Stimme und Sie hat abends kein Auge . "
-- " Himmel und Hölle ! " rief er aus , wechselnd rot und blaß und zugleich in Himmel und Hölle sehend , deren Türen vor ihm aufsprangen .
" Va ! " setzte er schnell dazu , ohne die schwarze Tiefe dieses weißschäumenden Meers noch durchdrungen zu haben .
Die Fürstin umarmt ihn feurig , er sie noch feuriger .
" In einer poeti schen Dichtung ( sagt ' er ) wäre mir Dein Gedanke leicht gekommen , aber in der Wirklichkeit habe ich keine List ! "-- " O Schalk ! " sagte sie .
So früh und so lange er nur durfte , sagte er Du , weil er das Herz kannte , besonders das weibliche . -- Bald darauf , als sie noch offenherziger gegen einander gewesen waren , sagte sie : " bleibt Sie unschuldig bei Ihnen , so haben Sie niemand beleidigt und niemand hat verloren ; bleibt Sie es nicht , so war Sie es entweder nicht , oder sie verdiente die Probe und Strafe , getäuscht zu werden . "
-- " Ja , das ist göttlich -- das gehört in den herrlichen Trauerspieler kurz vor dem Ende " sagte er , wollte sich aber nicht darüber erklären .
Jetzt kam Ziel und Mittelpunkt in die wilden Kreise seines Treibens .
Er zerlegte kalt Albano's Briefe der Liebe in große und kleine Buchstaben , bloß um sie pünktlich nachzumachen ; daher fand einmal Albano bei Rabatten seine Handschrift ohne seine Gedanken .
Er fragte Rabatten alle kleine Verhältnisse Albano's ab , um seine Rolle bis ins Kleinste auszuarbeiten ; und eben so las er alle italie Nische Reisebeschreibungen , um mit Linda über jede schöne Stelle frei zu sprechen , wo er als Schein-Albano mit ihr das hesperische Leben genossen .
Es kitzelte ihn , so mit der Flamme in der Brust und mit dem kalten Eislicht im Kopfe einmal alle theatralischen Zurüstungen und Verwicklungen , so wie sonst für die Bühne , jetzt für das Leben anzulegen und besonnen zu regieren .
Er sah Albano von der Reise kommen , der ihn stolz behandelte -- er sah die blühende Göttin in Lila gehen -- er hörte durch die Spionen der Fürstin von ihrer Verbindung : hoch ging sein totes Meer in schweren Wellen und suchte die Opfer aus ihrem Fluge bis vom Himmel herabzuziehen .
Unmittelbar nach dem Trauerspiel , das er mit Linda zu spielen vorhatte , sollte sein eigenes im Prinzengarten kommen , das er von Zeit zu Zeit zu geben versprach und verschob ; er mußte lange harren und spähen bis eine Zeit erschien , in welche so viele Zähne eines doppelten Maschinenwerks zugleich eingreifen konnten .
Endlich erschien die Zeit und er schrieb das oben mitgeteilte Blatt an Linda .
Alles war berechnet und abgetan und jede Hilfe des Zufalls in den Plan gewebt .
Sein Trauerspiel war von seinen Bekannten längst eingelernt , obwohl niemals einprobirt , weil er , wie er sagte , die Mitspieler selber mit seiner Rolle mitten im Spiele überraschen wollte .
Die Freude , die er von jeher hatte , Abschied zu nehmen , -- weil ihn hier die Rührung zugleich durch Kürze und Stärke erquickte -- machte er sich bei so vielen als ihn liebten .
Von Rabette schied er so stürmisch-weich , daß sie erschrocken zu ihm sagte :
" Karl , das bedeutet doch nichts Böses ? "
-- " Jetzt ist alles böse an mir " sagte er .
Durch Verwendung der Fürstin waren für sein Trauerspiel auf den nächsten Tag die bedeutendsten Zuschauer geworben , auch Gaspard und Julienne samt dem Hof .
Das Geheimnis zog an ; auch der Fürstin war seine Rolle verdeckt .
Nur seinen Vater , der dem Hof gern folgen wollte , strich er aus der Zahl durch einen großen Zorn , worein er ihn setzte , weil er ihn mit keiner anderen als dieser Dornhecke ab zuhalten wußte .
Seine Mutter und Rabette hatte er beschworen bei ihrem Glück , bei seinem Glück , keine Zuschauerinnen seines Spiels zu werden .
Ein neuer Wind des Zufalls war ihm zum Heben seiner Flugmaschine durch den seltsamen Bruder des Ritters gekommen , der mit solcher Freude von der eisernen Maske seiner tragischen Maske hörte , daß er mit dem Antrag zu ihm kam , er wolle ihm einen neuen wunderbaren Spieler zuführen .
" Alles ist besetzt " sagte der Dichter .
" Man mache ein Chor zwischen den Akten und gebe es Einem " , sagte der Spanier .
Roquairol fragte nach dem Namen des Spielers .
Der Spanier führte ihn in seinen Gasthof ; innen im Zimmer rief schon eine tierisch-dumpfe Stimme : " kommst Du denn schon wieder , mein Herr ? " sie fanden darin nur eine schwarze Dohle .
" Man stelle den Vogel auf das Theater , er sei das Chor , er sage in halbem Gesang mezza voce bloß zwei , drei Zeilen her , die Wirkung wird kommen , " sagte der Spanier .
Roquairol staunte über die langen Sprüche der Dohle .
Der Spanier erbat sich einen längeren von ihm , um ihn ihr vor seinen Ohren einzulernen .
Roquairol gab ihm den : im Leben wohnt Täuschung , nicht auf der Bühne .
Der Spanier sagte anfangs bloß ein Wort zum Nachsprechen vor , dann wieder eins , wiederholte es dreimal , sagte dann mit den Fingern den Vogel ermunternd : " allons Diablesse ! " und das Tier stotterte dumpf die ganze Zeile her .
Roquairol fand in dieser komischen Tier-Larve etwas Fürchterliches , und nahm den Vorschlag , einige Chorzeilen zu dichten und dem Vogel anzuvertrauen , unter einer eigenen Bedingung an , -- daß nämlich der Spanier seinen Neffen Albano den Abend vorher von Pestiz entferne unter irgend einem Vorwand und dann mit ihm im Prinzengarten erscheine .
Der Spanier sagte :
" Herr Hauptmann , ich brauche keinen Vorwand , ich habe Wahrheit !
Ich werde mit ihm seinem Freund Schoppe entgegenreisen , er will morgen abends kommen ; auch dieser wird mit zusehen . "
-- Albano konnte in seiner verworrenen Stimmung gegen Linda und in der erwartungsvol lehn lehn gegen Schoppe nichts so leicht annehmen als einen kleinen Reiseplan , um diesen geliebten Schoppe früher an der Brust zu haben .
Julienne wurde in Gegenwart des kranken Fürsten von der Fürstin gebeten , sie zu Idoine zu begleiten , die ihrer auf halbem Wege in einem Grenzschloß wartete , und den anderen Tag in den Prinzengarten zurückzugehen .
Sie weigerte sich .
Der kranke angestiftete Bruder tat die von ihm erbetenen Bitten dazu .
Die Schwester erfüllte sie .
Nun war alles für den Abend , woran Roquairol Linda sehen wollte , berichtigt --
So glimmen Nachts in den Scheuern eines schuldlosen Dörfchens die eingelegten Brände -- der Sturmwind brauset um die müden schlafenden Einwohner -- die Räuber stehen auf den Bergen im Abendnebel und schauen wartend herab , wenn die Feuerschwerter der Flammen auf allen Seiten durch die Nebel glänzen und mit ihnen rauben und morden werden , um zu ihnen herabzukommen .
128. Zykel .
Linda las das Blatt unzählige Mal , weinte Titan IV. A a vor süßer Liebe und dachte nicht daran , zu -- vergeben .
Dieses Wehen der Liebe , das alle Blumen beugt und keine pflückt , hatte sie schon so lange gewünscht ; und jetzt auf einmal nach der nebligen Windstille des Herzens , ging es lebendig und frisch durch den Garten ihres Lebens .
Sie konnte schwer acht Uhr erwarten .
Sie half sich über die Zeit hinweg durch Wählen des Putzes , der zuletzt ganz in dem Schleier , Hute , Kleide und allem bestand , was sie getragen , als sie ihren Geliebten zum erstenmal auf lschia gefunden .
Sie steckte die Paradieses- oder Orangenblüten , die Zeiger jener Zeit und Welt , an ihr klopfendes Herz und ging zur bestimmten Stunde , mit dem blinden Mädchen am Arme , in den Garten hinunter .
Sowohl aus Haß gegen den Tartarus als aus Willigkeit gegen den Brief nahm sie den Weg ins Flötental .
Die Nacht war finster für ihr Auge und das blinde Mädchen wurde ihre Führerin .
Oben auf dem Lilarsberg mit dem Altare stand wie der böse Geist auf der Zinne des Paradieses , Roquairol und blickte scharf in den Garten herab , um Linda und ihren Weg zu finden .
Sein Freudenpferd war unten im tiefen Gebüsch an ausländische Gewächse angebunden .
Voll Ergrimmung sah er noch Dian und Chariton mit den Kindern in dem Garten gehen ; und oben im Donnerhäuschen ein kleines Licht .
Er verfluchte jede störende Seele , weil er entschlossen war , heute im Notfall jeden Stürmer seines Himmels zu ermorden .
Endlich sah er Linda's lange rote Gestalt gegen das Flötental zugehen und das Schwellen- Gebüsch aufziehen und dahinter verschwinden .
Er eilte den langen Schneckenberg herab , warm wie eine vergiftete Leiche .
Hinter sich hörte er im langen Busch-Gewinde jemand nacheilen -- er entbrannte und zog seinen Stockdegen , den er nebst einem Taschenpistole bei sich hatte -- endlich sah er eine häßliche Gestalt , einem bösen Geiste ähnlich , die ihm nachrannte -- sie packte ihn -- es war der Fürstin langarmiger Affe -- Er durchstach ihn auf der Stelle , um nicht von ihm verfolgt zu werden .
Unten im freien Garten ging er langsam , A a 2 um keinen Verdacht zu wecken .
Er schlich leise wie der Tod , der auf dem Donnerwagen einer Wolke ungehört durch Lüfte über den Blütenbaum zieht , worunter eine Jungfrau lehnt , und versteckte den mörderischen Wetterstrahl in seine Brust .
Er öffnete das hohe Pforten-Gesträuch des Flötentals ; alles war darin still und dunkel ; nur hoch im Himmel ging ein seltsamer brausender Sturm und jagte die Wolken-Herde , aber auf der Erde war es leise und kein Blatt bewegte sich .
" Ist jemand da ? " fragte die blinde Türhüterin .
" Guten Abend , Mädchen ! " sagte Roquairol , um durch seinen Sprachton für Albano zu gelten .
Tief im engeren laubigen Tale sang Linda leise ein altes spanisches Lied aus ihrer Kinderzeit .
Endlich wurde sie erblickt -- die Riesenschlange tat den giftigen Sprung nach der süßen Gestalt und sie wurde tausendfach umwunden .
Er hing an ihr sprachlos -- atemlos -- die Wolke seines Lebens brach -- Tränen der Glut und Pein und Wonne rannen brennend fort -- alle Arme , worein der Strom seiner Liebe bisher seicht umhergelaufen war , schossen brausend zusammen und faßten und trugen Eine Gestalt -- -- " Weine nicht , mein guter Mensch , wir lieben uns ja immer wieder , " sagte Linda und die zarte schöne Lippe gab ihm den ersten innigen Kuß .
Da kreiste das Feuerrad der Entzückung mit ihm reissend um und um den darauf geflochtenen Kopf wehten die Flammen-Kreise hoch auf .
Aus Furcht , erblickt zu werden , wenn er erblicke und aus Lust hatte er die Augen geschlossen , jetzt tat er sie auf , -- so nahe an sich und in seinen Armen sah er nun die hohe Gestalt , das stolze blühende Antlitz und die feuchten warmen Liebes-Augen .
" Du Himmlische , ( sagt ' er , ) töte mich in dieser Stunde , damit ich sterbe im Himmel .
Wie will ich nachher noch leben ? --
Könnte ich meine Seele in meine Tränen gießen und mein Leben in Deines , und wäre dann nicht mehr ! "
" Albano , ( sagte sie ) warum bist Du heute so anders , so traurig und weich ? "
-- " Nenne mich ( sagt ' er ) lieber bei Deinem Namen , wie die Liebenden auf Tahiti die Na men tauschen .
-- Vielleicht habe ich auch etwas getrunken -- aber ich bereue ja das Gestern -- und ich liebe Dich ja neu .
Ach , Du , liebst Du denn auch mein Inneres , Linda ? "
" Süßer Jüngling , kann ich es denn jetzt nicht ewig lieben ? --
Ich bleibe ja bei Dir und Du bei mir . "
" Ach Du kennst mich nicht .
Wenn weiß es denn der Mensch , daß gerade Er , gerade dieses Ich gemeint und geliebt werde ?
Nur Gestalten werden umfasset , nur Hüllen umarmt , wer drückt denn ein Ich ans Ich ? --
Gott etwa .
-- " Und ich Dich " -- sagte Linda .
" O Linda , liebst Du mich fort in meinem Grabe , wenn die Spreu des Lebens verflogen ist -- liebst Du mich fort in meiner Hölle , wenn ich Dich aus Liebe gegen Dich belogen habe ?
Ist denn Liebe die Entschuldigung der Liebe ? "
-- " Ich liebe Dich fort , wenn Du mich liebst .
Bist Du die Giftblume , so bin ich die Biene und sterbe in dem süßen Kelch . "
Die Braut sank an seinen Hals .
Er um klammerte sie heftig -- und wurde immer ähnlicher dem Gletscher , der durch Wärme weiter rückt und schmelzend verheert .
Um ihn zogen die Freuden mit glänzenden , mit himmlischen Gesichtern , zeigten ihm aber in den Händen Furienmasken .
" Du willst sterben aus Liebe ; ich bin schon gestorben aus Liebe -- O Du weißt nicht , wie lange ich Dich schon liebte ! " antwortete er .
" Glühender ( sagte sie ) denke an diese Nacht , wenn Du einst Idoinen siehst ! "
-- " So sehe ich nur meine aufgestandene Schwester " sagte er , aber sogleich über die entfahrene Wahrheit erschreckend .
" Man steht ( setzt ' er eilig dazu ) das auferstandene Herculaneum , aber man wohnt im blühenden Portici darüber ; ich und Du sahen im Baja-Golf unter dem Meer die versunkenen Bogen und Tore und wir schifften nach lebendigen Städten weiter .
-- Ist mir doch auch Roquairol in so manchem so ähnlich und liebt Dich so sehr und so lange und starb auch einmal wie Liane ? "
-- " Aber diesen hatte ich nie geliebt und nun bin ich Deine ewige Braut . "
" Der arme Mensch !
Aber ich tat , glaube ich , doch nicht Recht , da ich einst in der Tartarushöhle Dir Ungesehenen im Voraus entsagte aus Liebe gegen den Freund . "
" Gewiß nicht ; aber wie kommen wir beide auf dieses unheimliche Wesen ? " sagte sie küssend .
" Heimlich möchte ' ich es eher nennen " versetzt er , entbrennend in hassender Liebe , im Zwiespalt der Rache und Lust und entschlossen , nun den Leichenschleier über ihre ganze Zukunft zu weben Er schlug die schwarzen Adlerschwingen um das Opfer , und erstickte und erweckte Küsse , er riß die Orangenblüten von ihrer Brust und warf sie zurück .
" Liebe ist Leben und Sterben und Himmel und Hölle , ( sagt ' er , ) Liebe ist Mord und Glut und Tod und Schmerz und Lust -- Kaligula wollte seine Zäsonia foltern lassen , um nur von ihr zu wissen , warum er sie so liebe -- ich wäre das auch im Stand . "
" Göttlicher Albano ! trinke nicht mehr so !
Du bist zu ungestüm , Deine Augenbraunen stürmen sogar mit -- wie bist Du denn ? "
" Alles auf einmal , wie ein Gewitter , voll Glut -- und mein Himmel ist hell durch den Blitz -- und ich werfe kalten Hagel -- und eine Zerstörung nach der anderen und es regnet warm auf die Blumen -- und Himmel und Erde verknüpft ein stiller Bogen des Friedens . "
Jetzt sah er am Himmel die Sturmwolken wie Sturmvögel zwischen den Sternen und neben dem zornigen Blutauge des Mars schon heller fliegen ; der Mond , der ihn verjagte und verriet , warf bald das Richter-Auge eines Gottes auf ihn .
Im Hohne gegen das Schicksal riß er auf für seine küssende Wut den Nonnenschleier und Heiligenglanz ihrer jungfräulichen Brust .
Fern stand der Leuchtturm des Gewissens von dicken Wolken umzogen .
Linda weinte zitternd und glühend an seiner Brust .
" Sei mein guter Genius , Albano ! " sagte sie .
-- " Und Dein böser ; aber nenne mich nur ein einzigesmal Karl " sagte er voll Wut .
" O heiße denn Karl , aber bleibe mein voriger Albano , mein heiliger Albano ! " sagte sie .
-- Plötzlich fingen im Tal die Flöten an , die der fromme Vater zu seinen Abendgebeten spielen ließ .
Wie Töne auf dem Schlachtfeld , riefen sie den Mord heran -- da schmolz Linda's goldener Thron des Glücks und Lebens glühend nieder und sie sank herab und das weiße Brautkleid ihrer Unschuld wurde zerrissen und zu Asche .
" Nun die Deinige bis in meinen Tod ! " sagte sie leise mit Tränenströmen .
" Nur bis in meinen " sagte er und weinte jetzt weich mit den weinenden Flöten .
An der goldenen Kugel auf dem Berge glomm schon der Mond , der wie ein bewaffneter Komet , wie ein einäugiger Riese heraufdrang , den Sünder aus seinem Eden zu jagen .
" Bleibe bis der Mond kommt , damit ich in Dein Angesicht sehe " bat sie .
" Nein , Du Göttliche , mein Freudenpferd wiehert schon , die Todesfackel brennt herab in meine Hand " sagte er tragisch-leise .
Der Sturm war vom Himmel auf die Erde gezogen ; sie fragte : " der Sturm ist so laut , was sagtest Du , Schöner ? " --
Er küßte wild ihre Lippe und ihren Busen wieder ; er konnte nicht gehen , er konnte nicht bleiben : " gehe morgen nicht ( sagt ' er ) in den Trauerspieler , ich flehe Dich , das Ende , höre ich , ist zu erschütternd . "
" Ich liebe ohnehin dergleichen nie .
O bleibe , bleibe länger , ich sehe Dich ja morgen wieder nicht . "
Er preßte sie an sich -- deckte ihre Augen mit seinem Angesicht zu -- das Gorgonenhaupt des Mondes wurde schon in den Morgen heraufgehoben -- er ließ das Leben los , wenn er sie entließ -- und doch zehrte jedes gestammelte Wort der Liebe an der kurzen Zeit .
Der Sturm arbeitete in den gerissenen Bäumen und die Flötentöne schlüpften wie Schmetterlinge , wie schuldlose Kinder unter dem großen Flügel weg .
Roquairol , wie betäubt von solcher Gegenwart , war nahe daran zu sagen : sieh ' mich an , ich bin Roquairol ; aber der Gedanke stellte sich schnell dazwischen : " das verdient sie nicht um Dich ; nein , sie erfahre ' es erst in der Zeit , wo man den Menschen alles vergibt . "
-- Noch einmal heftig hielt er sie an sich gedrückt , das Mondlicht fiel schon auf beide herein , er wiederholte tausend Worte der Liebe und Scheidung , stieß sie zurück , fuhr schnell um und schritt in Albano's Kleidung durch das Tal hindurch .
" Gute Nacht , Mädchen " sagte er vorübergehend zur Blinden .
Linda sang nicht wieder wie vorhin .
Die Sterne sahen ihn an , die Sturmwinde redeten ihn an -- die Freuden gingen neben ihm , hatten aber die Furienmasken nun auf den Gesichtern -- aus dem Himmel griff ein Arm herab , aus der Hölle griff ein Arm herauf und beide wollten ihn fassen , um ihn auseinander zu reißen -- " nun , nun , ( sagt ' er , ) ich war wohl glücklich , aber ich hätte es noch mehr sein können , wäre ich Ihr verdammter Albano gewesen " -- und schwang sich auf sein Freudenpferd und jagte noch in der Nacht nach dem Prinzengarten .
129. Zykel .
Albano und sein Oheim zogen dem angekündigten Schoppe von Dorf zu Dorf weiter entgegen ; der Oheim schob die Hoffnung wie einen Horizont immer vor ihnen voraus ; einmal abends glaubte der Graf , Schoppe's Stimme nahe neben sich zu hören -- umsonst , der geliebte Mensch kam noch nicht an sein Herz und schmachtend sah Albano die Wolken im Himmel auf dem Weg herziehen , den sein Teurer unter ihnen auf der Erde nahm .
Der Oheim erzählte ihm lange von einem geheimen Kummer , der den Bibliothekar oft niederdrücke , und von dessen Ansatz zur Tollheit , der ihn auch früher von ihm weggetrieben , weil er unter allen Menschen keine so fürchte als tolle .
Von Romeiro's Porträt schien er nichts zu wissen .
Albano schwieg verdrießlich , weil der Spanier unter die unleidlichen Menschen gehörte , die mit glattem festen Gesicht und mit zugeschraubter gehelmter Seele den fremden Widerspruch , ohne eigenen Widerspruch , ohne Echo , ohne Spiegel und Änderung um sich flattern lassen können und für welche die fremde Rede nur ein stiller Tau ist , dessen Fallen keinen Stein aushöhlt .
Dazu kam Albano's Erbitterung gegen dessen neue Unwahrhaftigkeit über Schoppens Nähe und gegen sein eigenes Unvermögen , eine Stunde lang alles ungläubig anzuhören , was ein Lügner sagt .
" Schoppe ist auf mein Wort durch einen anderen Weg schon im Prinzengarten " sagte endlich der Spanier ganz munter , und riet umzukehren an , im warmen Genusse seiner frechen kalten Kraft , jeden der ihm nicht huldigte , zwischen scharfe langsame Eisfelder zu pressen .
Sie kamen vor dem Prinzengarten unter lauter Wagen an , aus welchen die Zuschauer des heutigen Spielfestes ausstiegen .
Albano fand schon unter jenen seinen Vater , die Fürstin und Julienne ; und unter den Mitspielern Bouverot , seinen alten Exerzizienmeister Falterle und die gelbgekleidete Kaufmannsfrau in rotem Schaul , die einmal weniger in als an Roquairol's Herzen gewesen , und diesen selber .
Der Hauptmann trat vor aller Welt sofort den bekannten Albano an und sagte mit gesuchter Leichtigkeit , das Spiel beginne bald , nur Dian mit seiner Frau werde noch erwartet .
Dian , überall leicht beweglich , am meisten durch eine Bitte , konnte einer für die Kunst am wenigsten widerstehen ; durch ihn wurde bald auch Chariton für das Spiel gewonnen , aber nicht ohne den Umstand , daß sie im Stücke eine Geliebte gegen niemand als ihren Gemahl zu spielen hatte .
Als Roquairol mit Albano sprach , so wurde seinem Gesicht so wie einem geschwollenen oder gefrorenen das leichte Lächeln schwer und das Aufheben des Augenlieds ; und innen drückte ein strafender beugender Geist den seinigen vor dem frohen reinen Freunde zur Erde , aus dessen Frühling er die helle Sonne weggerissen und geworfen und dem er eine ewige Pestwolke über das Leben gehangen .
Unter dem Getümmel der Gartenreden und im fruchtlosen Wünsche , der Schwester Julienne drei sanfte Worte für die ihm so lange verdeckte Linda mitzugeben , sah Albano den Wagen der Gräfin auf die Höhe an Lianen letzten Garten rollen , da halten , und sie und Dian und Chariton aussteigen .
Da kannte er weiter nichts als den Flug zur entbehrten Geliebten , der sich vor den vielen Augen leichte in die Sehnsucht nach Dian einkleidete ; und jetzt fragt er im Durst der Liebe nach gar keinem Auge .
" Ach da bin ich doch ! " sagte Linda und ging ihm entgegen , mit den weichen Rebenschlingen zarter Blicke sich in seine verwebend -- so scheu und so liebevoll -- und das Abendrot der Verschämtheit zog , wie Frühlingsröte in der Nacht , um ihren Himmel und der weiße Mond der Unschuld stand mitten darin ! --
Albano zerging vom Tauwind dieser Verzeihung , warf sich seine süße Freude an ihrer Umkehrung als selbstsüchtigen Stolz über sein Siegen vor und konnte in der schönen Verwirrung des Glücks kaum das süße Staunen regieren und das aufgelöste Herz , das vor ihr zerrinnen wollte wie ein Gewitter in Abendtau .
Er legte in sein Auge die Seele und gab sie der Geliebten .
Vor Chariton musste er sich verhüllen .
Zu Dian und Linda sagte er , als sie in die hinuntersteigende Sonne sahen , bloß das Wort : Ischia !
" Da liegt nun freilich , lieber Anastasius ( sagte Chariton zu Dian , ) meine gute Fräulein Liane begraben und man weiß nicht eigentlich wo im Garten , denn man sieht ja nichts als Blumen und Blumen ; sie hat es aber so bestellt . "
-- " Das ist sehr betrübt und hübsch , ( sagte Dian , ) aber lasse es , -- weg bleibt weg , Chariton ! " und führte sie seitwärts von den Liebenden schonend .
An Albano , der nichts über überhörte und übersah , war die Erschütterung davon so sichtbar .
Auch Linda nahm sie wahr .
" Sprich nur aus Dein Weh , ( sagte sie , ) ich liebe sie ja auch . "
-- " Ich denke an die Lebendigen ( sagt ' er , sich zusammenfassend und blickte scheu nicht auf den Blumengarten , sondern auf die sonnentrunkene Abendgegend , ) -- kann man denn genug auf der Erde vergeben und erraten ? --
Linda , o wie vergibst Du mir heute ! "
" Freund , ( sagte sie , ) wenn Ihr sündigt , sollt Ihr Vergebung empfangen ; aber bis dahin seid noch still ! "
Er sah sie bedeutend an : " hast Du nicht schon vergeben und ich noch nicht ? --
Aber wüßtest Du , wie ich in diesen Tagen auf dem Weg zu meinem Schoppe innigst bei Dir lebte und die göttliche Vergangenheit in die Zukunft brachte -- ach , kann ich Dir denn alles sagen an diesem Orte ? " --
Zum Glück hörte sie -- gleich anderen Frauen , weniger auf Worte als auf Minen , Winke und Taten merkend -- mehr mit dem geistigen als leiblichen Ohr und trat nicht in den so nahe aufgesperrten Abgrund seiner Worte .
So Spiel Titan IV. B b ten jetzt beide , wie Kinder , neben der kalten mit Donner durchzogenen Gewitterstange , aus welcher bei der kleinsten nähern Nähe die blitzende Sense des Todes fährt .
Beide gaukelten neben dem Gewitter fort .
Die Sonne zog neben dem kleinen Berge und ebenen Blumen-Grabe , mit ihren Flammen in die fernen Ebenen hinein .
Aus dem tiefen Prinzengarten flatterten Töne durch die langen Abendstrahlen herauf und vergötterten die goldene Gegend . --
Die Töne waren einsame Schwingen , die sich ihr Herz suchten und dann an ihm weiter flogen -- und die liebenden Herzen wurden voll Flügel -- Die Strahlen sanken , die Töne stiegen --
Um Linda und Albano lag ein goldener Kreis aus Gärten und Bergen und grünen Tiefen und jede Blume schwankte reich unter dem letzten Gold und wurde die Wiege des Auges , die Wiege des Herzens -- Die Liebenden blickten sich und die Erde begeistert an , die glänzende Welt erschien ihnen nur im Zauberspiegel ihrer Herzen und beide selber waren darin leuchtende schwebende Bilder .
" Linda , ich will sanfter werden , ( sagt ' er , ) bei der Heiligen schwöre ich_es , in deren Garten wir stehen ! "
-- " Werde ' es , Lieber , in Lila warst Du es eben nicht ! " sagte sie .
Er verstand es von dem Sturme gegen Liane : " verhülle dies Andenken in Deine Liebe ! " sagte er errötend .
Sie sah ihn jungfräulich an , ihr Inneres war jungfräulich geblieben und unschuldig ; wie die Pfirsich sich rot und glühend der Sonne zukehrt , aber in den Blättern das zarte Weiß erhält .
Ihr Auge trank aus seinem , seines trank aus ihrem , der Himmel vermischte sich mit ihrem Himmel , die Purpursonne schimmerte aus dem warmen Liebestau der Liebesaugen zurück .
" O dürfte ich Dich jetzt küssen ! " sagte Albano .
" Ach dürftest Du es ! " sagte Linda .
" So golden ging einst die Sonne auf dem Meere unter ! " sagte er .
-- " Und nachher gaben wir uns den ersten Kuß ! " sagte sie .
-- " Wir wollen uns jetzt viel öfter sehen " sagte er .
" Ja wohl , und länger am Tage , Nachts habe ich Arme ja kein Auge .
Nun geht mir dort schon mein Auge unter " sagte sie , als die Sonne versank .
Es w__ ein guter , sanfter Geist , oder Lia B b 2 nens ihrer -- jener , der den Menschen nur an der Dämmerung in die Nacht führt , der uns mildernde Tränen in den Jammer und in die Entzückung gießet und der dem Abendstern der Liebe die kurze Bahn nicht überwölkt -- Dieser Geist war es , welcher ihre Zungen und Ohren vor dem schrecklichen Laute bewahrte , der auf einmal den goldenen Abendkreis in eine ringsumher aufbrennende Hölle aufgerissen hätte .
" Wer kommt dort so eilig ? " sagte Linda .
" Mein Feind " sagte Albano .
Roquairol hatte ihn vermisset und Linda's Ankunft vernommen ; in der Höllenangst , daß sich an diesem Abende vor ihnen der gestrige aufdecke , eilte er unter dem Vorwande , Dian zum Spielen und Albano zum Hören zu holen , den Berg heran .
Wie ein Zentaur , halb Mensch , halb Wild , trat er mit verworrenem dumpfen Kriege seines ganzen Wesens unter die melodischen Seelen und Freuden .
Aber kaum daß er an ihnen die Weihe der Entzückung wahrnahm und die schwarze Decke noch auf seinem Morde festliegen sah :
so lichtete sich in ihm der grimmige Geist der Eifersucht auf : " sie ist nun meine Verlobte " sagte er sich ; und die Sonnenfinsternis verworrener Reue wurde vom Gewitter des Unmuts verdeckt .
Linda , über seine Stimmenähnlichkeit zürnend aus innerem Schauder , stand vor ihm wie ein Diamant , hell , glänzend , hart und schneidend , Albano aber sanft , im Nachtönen der Harmonie , auf dem Gottesacker der Schwester dieses Bruders und in einiger Verwirrung .
In Roquairol schlich wieder der gestrige unreine Argwohn herum , daß vielleicht Albano und Linda nicht mehr unschuldig sein .
Zornig bat er heute Linda , sein Trauerspiel mit anzusehen .
" Sie sagten mir ( sagte sie zu Albano ) es schließe so tragisch , ich bin davon keine Freundin . "
-- " Er kennt es gar nicht , " sagte Roquairol .
" Nein " , sagte Albano .
-- Wie die Schlange sah er auf das Paradies der ersten Menschen herab , sich froh bewußt , daß er ihnen vom Baume seines Erkenntnisses den Apfel reichen konnte , der sie sogleich daraus verjagte .
" Zudem ( fügte sie dazu ) sehe ich abends schlecht oder gar nicht . "
Roquairol stellte sich fremde dabei , scherzte über den Gewinn , den er als erster Liebhaber dabei habe , wenn sie ihn nur höre und bat Dian , mitzubitten .
Nicht angeborene , sondern erworbene Kälte ist der höchsten Falschheit mächtig , jene nur der Verstellung , diese auch noch der Anstellung , weil sie zugleich alle Wege und Mittel des Feuers kennt und nützt und sich auf dem Glatteis durch die Asche voriger Glut fest macht .
Da endlich Albano ihr selber anriet , an der tragischen Freude Teil zu nehmen , und ihren Freunden und Freundinnen drunten die schöne , reine ihrer Gegenwart zu gönnen :
so willigte sie ein , verwundert über den Widerruf .
Sie nahm Chariton in ihren Wagen .
Die Männer gingen voraus .
Unterwegs sagte Roquairol zu Dian , der im Stücke Albano's Rolle zu spielen hatte : " sobald ich im vierten Akte gesagt habe : auch die geistige Liebe geht der sinnlichen entgegen und kommt wie ein Seefahrer , auf dem Wege nach Osten endlich doch in den Ländern des Untergangs an : so fallen Sie ein . "
-- Dian lachte und sagte : " ich Fall ' ein .
In Italien aber fängt die Fahrt gleich südlicher und westlicher an . "
Albano schwieg verdrießlich und bereute , daß er Linda zu diesem ungewissen Feste bereden helfen .
Die Fürstin warf einige schnelle Blicke der Verachtung auf die betrogene Linda , und diese antwortete darauf mit gleichen ; ausgezeichnete Weiber verraten ihr Geschlecht am meisten im feindlichen Zusammenstoßen mit ausgezeichneten .
130. Zykel .
Die meisten Zuschauer waren anfangs mehr der Zuschauer und Spieler wegen als des Spieles halber gekommen ; aber bald wurden sie vom Geheimnis und der seltsamen Bühne selber angezogen .
Die Bühne war auf der sogenannten Schlummerinsel des Prinzengartens , welche mit einer wilden dicken Vermischung von Blumen , Gebüschen und hohen Bäumen zugedeckt war .
Ihre Morgenseite zeigte einen offenen freien Vorgrund , auf welchem gespielt werden sollte , mit einer weißen Sphinx auf einem leeren Grabmal tiefer im Grün .
Die Kulissen waren die dunklen Laubpartien ; Parterre und Logen das jenseitige Ufer , das von der Insel sich durch einen See abtrennte , der so breit war als ein mäßiges Schiff .
An zwei Bäume der beiden Ufer gebunden hing in die Mitte des Sees wie eine Laterne , der Käfig der Dohle oder des Chors herab , um ihre dumpfe Stimme den Zuschauern zu nähern .
" Ich bin in der Tat neugierig , ( sagte der Ritter zu seinem Sohne , ) woher Er das Tragische nehmen wird . "
-- " Doch !
( sagte Roquairol , der bisher schweigend und unruhig und auf den Boden schauend auf- und abgegangen war . )
Nur muß ich allgemein um Vergebung des Aufschubs ersuchen .
Da ich im fünften Akte den Mond anrede , so kann ich den wahren sehr gut brauchen , wenn ich nur gerade so anfange , daß sein Aufgang mit der letzten Szene zusammentrifft . "
Endlich stieg er blaß werdend in den Charons-Nachen , wie er sagte , und fuhr allein hinüber .
Dann schifften die übrigen Spieler nach einander fort .
Alle verloren sich hinter die Bäume .
Nun hob sich hinten in den zuglaubten Abend-Ländern der Insel die ewige Ouvertüre aus Mozarts Don Juan wie ein unsichtbares Geisterreich , langsam und groß in die Lüfte .
" Diablesse ! " rief darauf der Bruder des Ritters zur Dohle und klatschte dabei zum Zeichen in die Hände .
" Macht auf den Sarg ( begann dumpf das Tier , begleitet von einzelnen lugubern Tönen des Orchesters ) auf dem Gottesacker und zeigt zum letztenmal die Leichenbrust und Sein trockenes Augenlid und dann drückt ihn zu auf immer . "
Jetzt traten Lilia ( Chariton ) und Carlos ( Dian ) heraus , zwei Liebende noch in der ersten Zeit der ersten Liebe -- noch kein trüber Tränenregen schwemmte den goldenen Morgentau -- sie sind sich so treu .
Lilia freuet sich mit ihm , daß jetzt ihr Bruder Hiort von seinen Reisen kommt und seinen Jugendfreund Carlos als ihren ewigen findet .
" Vielleicht ist er auch recht glücklich " sagte Lilia .
" O so gewiß , ( sagte Carlos , ) er ist ja sonst alles . "
Zuweilen schwiegen beide im frohen Anblicken , dann gingen Töne aus dem verhüllten Abend der Insel und trugen die stumme Wonne in den Äther und zeigten sie ihnen schwebend und verklärt .
Unter den Zuschauern breitete sich eine süße Teilnahme an Dians und Charitons zartem aber mit südlicher Glut verwebtem Nachspielen ihrer schönen Wirklichkeit aus ; man hörte und sah die Griechen . --
Auf einmal entfloh Lilia hinter die Blumen-Gebüsche ; denn ihr Feind Saläre , Carlos Vater , kam , von Bouverot gespielt .
Saläre verkündigte dem Sohne zürnend die Ankunft seiner Braut Athenais .
Carlos offenbarte ihm jetzt das Geheimnis seiner früheren Liebe und zeigte sich gewaffnet gegen eine ganze Zukunft .
Saläre rief erbittert : " wäre Sie doch nicht schön , damit ich Dich zwänge und strafte !
Aber Du wirst Sie sehen und mir gehorchen , und ich werde Dich doch hassen . "
Carlos versetzte :
" Vater , ich habe schon Lilia gesehen . "
-- Saläre ging mit zornigen Wiederholungen ab und Carlos wünschte jetzt noch heftiger Hiorts Wiederkehr , um mit ihm die Schwester leichter zu entführen durch dessen Bereden und Begleiten zugleich .
Hier schloß sich der erste Akt .
Der Bruder des Ritters rief zur Dohle :
" Diablesse ! " und scharrte zum Zeichen mit dem Fuße .
" Erscheine blasser Mann ( sprach das Tier ) , die Uhr wiegt die Zeit , Mensch des Jammers , Lande auf der stillen Insel an ! "
Hiort trat blaß geschminkt hervor mit offener Brust , blickte das Grabmal an und sagte aus innerster Seele : " endlich ! "
Die Musik spielte einen Tanz .
" Ja wohl Schlummerinsel -- unser Tag endigt mit Schlaf , " setzte er dazu .
Jetzt kam sein Carlos : " Hiort bist Du tot ? " rief er im Schrecken über die Leiche .
" Ich bin nur bleich , " sagte er .
" O wie kommst Du so aus der schönen bunten Erde zurück ! " sagte Carlos .
" Ausgeschöpft Karl -- mit todtgebohrnen Hoffnungen -- meine Gegenwart ist von der Vergangenheit enterbt -- das Sinnenlaub ist gefallen -- nicht einmal die schöne Natur mag ich mehr und Wolken wie Gebirge sind mir lieber als wahre Gebirge -- ich habe das bittere Unkraut auf dem Leben recht abgeerntet -- Und doch muß ich in dieser leeren Brust einen Würgengel herumtragen , der ewig gräbt und schreibt , und jeder Buchstabe ist eine Wunde -- Rate nicht !
Sie nennen_es das Gewissen .
Aber ein wenig Schlaftrunk her auf der Schlafinsel , Karl ! "
Man brachte Wein .
Er erzählte nun dem Freunde sein Leben -- seine Fehler , worunter er auch den aufführte , den er eben fortsetzte , das Trinken -- seine sich wiedergebärende Eitelkeit sogar mit ihrem Selbst-Geständnis -- seine Weiber-Siege , die ihn zu einem Magnet-Berge voll angeflogener Nägel zerfallener Schiffe machten -- seinen Hang , wie Kardan Freunde zu beleidigen , ein eigenes oder fremdes Glück zu unterbrechen , wie schon als Kind den Prediger , oder im schönsten Spiel das Klavier zu zerschlagen , und in einem Enthusiasmus das Frechste zu denken -- " Sonst hatte ich doch noch zwei Ich_es , eines das versprach und log , eines , das dem anderen glaubte ; jetzt lügen sie beide einander an und keines glaubt . "
Carlos antwortete : " schrecklich ! --
Aber Deine Trauer ist ja selber Hilfe und Gabe " -- " Ach was !
( versetzt ' er . )
Der Mensch verdammt weniger das Schlimme als die vergangene Lage , worin er_es beging , indes er es in einer frischen wieder neu und süß findet und fortliebt . --
Was dort kalt liegt , das ist mein Bild ( indem er auf die Sphinx zeigte ) , das bewegt sich lebendig in meiner blutigen Brust -- hilf mir , ziehe das reißende Untier heraus ! "
-- Albano ergrimmte im Innersten über die frevelnde Wiederholung jener bekennenden zärtlichen Nacht mit ihm * ) .
" Er ist frech genug ( sagte leise Gaspard zu Albano ) , weil er , wie ich höre , wirklich sich selber spielen soll ; aber da er sich so sieht , ist er doch besser als er sich sieht . "
-- " O ( sagte Albano ) , so dachte ich sonst !
Aber ist denn das Schauen auf den schlechten Zustand ein guter ?
Ist er nicht desto schlechter , daß er dieses Bewußtsein erträgt und wird desto schwächer , daß er einen unheilbaren Krebsschaden an sich wachsen sieht ?
Das Höchste hat er ohnehin verloren , die Unschuld . "
-- " Eine flüchtige Wiegen-Tugend ! --
Ein helles , keckes reflektieren hat er doch "
* ) Titan II .
Seite 30 etc. sagte Gaspard .
" Nur weichliche , ehrlose , zweideutige , vielseitige Mattigkeit des Herzens hat er ; spricht von Kraft und kann nicht die dünnste Lust-Schlinge zerreißen " sagte Albano .
" Karl , ( sagte Hiort weich als antwortete er jenen , ) ja , noch Eine Hilfe gibt_es .
Wenn am Leben eine frische Farbe nach der anderen verschießet -- wenn das Dasein nun nichts wird , kein Lust- kein Trauer-Spiel , nur ein fades Schau-Spiel : so ist dem Menschen noch ein Himmel offen , der ihn aufnimmt , die Liebe .
Schließet sich dieser zu , so ist er ewig verdammt .
Carlos , mein Carlos , ich könnte noch glücklich werden -- denn ich habe Athenais gesehen -- aber ich kann noch unglücklicher werden , denn sie liebt mich nicht .
In meinem Herzen liegt dieser prangende , aber scharf fortschneidende Diamant , an dem es blutet so oft es schlägt . "
-- Überall ließ jetzt Roquairol Linda's Bild mitspielen .
Hier brachte anfangs Carlos den Freund mit der Nachricht in Aufruhr , daß Athenais von seinem Vater zu seiner Braut erlesen sei und bald komme ; aber er stillte ihn , da seine Schwester Lilia erschien , indem er schnell ihre Hand nahm und sagte : " nur diese liebe ich . "
-- Sie sprachen über die Hindernisse von Seiten des alten Saläre , den Carlos ein Eisfeld nannte , das unter keiner Sonne trüge und nicht anzubauen wäre .
" Stehe mir bei , Karl , ( sagte Hiort , ) denke was Du mir geschrieben : wie zwei Ströme wollen wir uns vereinigen und mit einander wachsen und tragen und eintrocknen * ) . " --
So verständigten , verketteten und erhoben die drei Menschen sich einander wechselseitig , alle hatten Ein Ziel , das gemeinschaftliche Glück .
-- Carlos beschwor ewigen Widerstand gegen seinen Vater , Hiort den Schutz seiner Schwester und rief :
" Endlich gießet das leere Füllhorn der Zeit , das bisher nichts gab als Klänge , wieder Blumen aus --
O die Weiber !
Wie gemein und alltäglich sind fast alle Männer !
Aber fast jede Frau ist neu ! "
-- Lächelnd sagte Gaspard : " das Umgekehrte sagen die Weiber * )
Eine Stelle aus Albano's Brief an Roquairol .
Titan I. S. 468. von uns und sich . "
-- Froh und friedlich schloß der zweite Akt .
" Diablesse ! " rief der Spanier und streckte seine Rechte hoch in die Luft .
" Flüchtig ( fing die schwarze Dohle unter Tönen an ) ist der Mensch , flüchtiger ist sein Glück , aber früher stirbt der Freund mit seinem Wort . "
-- Der dritte Akt drang sofort nach und hob durch die ununterbrochene Fortsetzung des Kunst- Zaubers -- welche jedem Schauspiel und jedem gelesenen Kunstwerk gebührte -- alles prosaische kalte Erstaunen auf , sogar das über das wunderbare Sprechen der Dohle auf dem See .
Eine große schöne stolze Frau erschien -- Athenais , ( von der Kaufmannsfrau , Roquairol's Nebengeliebte , gespielt ) voll Hoffnung auf ihre alte Freundin Lilia , die sich " die kleine Athenais " nannte , und süß nachträumend den Traum der vorigen Zeiten .
Lilia sinkt in ihre Arme mit doppelten Tränen ; in ihrer Hand trägt Athenais ja drei Himmel und drei Höllen .
" Wie schön kommst Du wieder ! --
Mein armer Bruder ! " sagte Lilia leise .
-- " Nenne ihn nicht , nicht , ( sagte sie stolz , ) er kann für mich sterben , aber ich kann nicht für ihn leben . "
-- Hier fliegt Carlos herein zu seiner Lilia -- erstarrt im Fluge -- fasset sich und nähert sich Lilia .
Diese sagt : " Graf Saläre -- Athenais " -- er wurde blaß , diese rot .
Eine peinliche enge Verwirrung verstrickte sie drei ; jeder Honigtropfen wurde aus einer Dornhecke geholt .
Lilia wird schaudernd immer stärker Athenais plötzlichen Sieg über ihr Glück und Lieben gewahr .
Athenais ging ab .
Beide Liebende sehen sich lange zitternd an : " habe ' ich Recht ? " fragt Lilia .
" Hab ' ich Schuld ? " sagt Carlos .
" Nein , ( sagt sie , ) denn Du bist ein Mensch und , was noch schlimmer , ein Mann . "
-- " Was soll ich denn tun ? " versetzt Carlos .
" Du sollst ( sagte sie feierlich ) nach einem Jahr in einen Garten auf einer Höhe gehen und Dich umsehen und mich suchen im Garten -- im Garten -- unter den Beeten -- tief unter Einem -- ich weiß nicht wie tief " -- Sie eilte wie wahnsinnig davon und sang : " vorüber , vorüber , das Lieben und Leben ! "
Carlos stand einige Minuten mit dem will Titan I V C c den Blick am Boden und sagte dumpf :
" Du tust , Gott ! " und ging ab -- begegnete seinem Freund , der ungestüm und froh ausrief :
" Sie ist da ! "
-- eilte aber stolz weiter und rief nur zurück : " jetzt nicht , Hiort ! "
Zu diesem kam weinend Lilia und führte ihn fort :
" Komme , ( sagte sie , ) sieh das Grabmal nicht an , wir sind beide zu unglücklich . "
Da trat der alte Saläre auf mit Athenais -- vergriff sich zwischen Eis und Brand und nahm seine kalte Münze für warme -- lobte männlich sie , und väterlich den Sohn -- und sagte wie in einem Schauspiel :
da kommt er selber .
" Hier stelle ich Dir , Sohn , ( sagt ' er , ) Dein Glück vor , wenn Du es verdienen kannst . "
Carlos hatte Lilia's Herz verloren -- der Wunsch des Vaters , die Macht der Schönheit , die Allmacht der liebenden Schönheit standen vor ihm , seine Sehnsucht und der Gedanke der Grausamkeit gegen diese Göttin , und endlich eine Welt in ihm , die so nahe an ihrer Sonne stand , siegten über eine doppelte Treue -- er sank aufs Knie vor ihr und sagte : " ich bin schuldlos , wenn ich glücklich bin . "
-- Das Paar geht auf der einen Seite ab ; Saläre auf der anderen und trifft auf Lilia , deren Hand er mit den Worten nimmt :
" Sie als eine Freundin meines Hauses und Sohnes nehmen gewiß den innigsten Anteil an dem neuesten Glück desselben durch Athenais . "
-- So schloß sich der dritte Akt , der Albano durch ungerechte alles verdrehende Anspielungen mit dem erbitterten Wünsche des Endes entflammte und füllte , bloß um Roquairol über dieses meuchelmörderische Zücken des tragischen Dolchs zur Rede zu stellen .
" Der Patron ( sagte lachend Gaspard ) glaubt mich auch hereinzumahlen ; ich wünsche aber , daß er derbere Farben nehme . "
Ehe der vierte Akt sich anfing , hob der Spanier die Linke empor und die schwarze Dohle sprach sogleich : " die Sünde straft die Sünde und den Feind der Feind ; zaumlos ist die Liebe , zaumlos auch die Rache -- Seht , nun kommt der Mensch , den sie nicht mehr lieben und bringt seine Wunden mit und seinen Zorn . "
Hiort stand da , wie vor seinem Grab , das seinen Kopf niederzog -- unendlich wie C c 2 nennt und trinkend -- sanfte Abend-Töne der Musik verschmolzen mit dem aufgelösten Leben :
-- " ach so ist_es !
( rief er aus tiefer , schmerzender Brust . )
Wirf sie nur endlich weg , die zwei letzten Rosen des Lebens * )-- zu viele Bienen und Stacheln stecken in ihnen -- sie ziehen dein Blut und geben dir Gift --
O wie ich liebte !
Allmächtiger droben , wie ich liebte !
Ach nicht Dich ! --
Und nun so stehe ich leer und arm und kalt , nichts , nichts ist mir geblieben , kein einziges Herz , nicht mein eigenes -- das ist schon hinunter ins Grab -- Der Docht ist aus meinem Leben gezogen und es rinnt dunkel hin --
O ihr Menschen , ihr dummen Menschen , warum glaubt ihr denn , daß es noch Liebe gebe hienieden ?
Schauet mich an , ich habe keine -- Wohl ein luftiges Farbenband der Liebe , ein Regenbogen zieht sich hin und stellt sich fest herüber unter uns wankende Wolken , als binde und trage er sie -- Spaßhaft ! er ist auch Wolke , und lauter Fall -- anfangs glänzen bunte Freudentropfen , dann schlagen schwarze ! "
-- * ) Liebe und Freundschaft .
Er schwieg -- ging langsam auf und ab -- sah ernst einem Waffen- und Larventanz innerer Gespenster zu -- stand still --
Die Schatten schwarzer Taten spielten durch einander um ihn -- plötzlich fuhr er auf , ein Wetterstrahl eines Gedankens hatte in sein Herz geschlagen -- er lief auf und ab , schrie : " Töne her , gräbliche Töne her ! " --
und die Hochzeitmusik aus Don Juan , die ihn bisher begleitet hatte , erhob das Zetergeschrei des Schreckens -- " göttlich ! " sagte er und nur einzelne Worte , nur Tigerflecken erschienen verschwindend am vorübergehenden Untier -- " teuflisch ! -- das Rosen-Sein , das Blüten-Sein -- nun ja ! -- -- ich wickle mich selber in die Lauwine und rolle hinunter -- und dann sterbe ich schön auf meiner Schlummerinsel " beschloß er sanft und matt .
" O Lilia ! gewähre mir Eine Bitte ! " rief er der kommenden Schwester entgegen .
" Jede , die mich nicht am Sterben hindert " sagte sie .
Er legte ihr die Bitte vor : sie sollte ihre Freundin Athenais in die " Nachtlaube " der Insel jetzt Nachts unter dem Vorwand bei reden , daß ihr Bräutigam Carlos ihr zwei Geheimnisse über Lilia noch heute zeigen wolle -- " ich habe ( setzt ' er dazu ) Carlos Stimme , mit ihr sage ich ihr mein liebendes Herz und dann , wenn sie mich liebt , nenne ich mich Hiort . "
-- " Ist Deine Bitte Wahrheit ? " fragte die Schwester .
" So wahr ich morgen noch leben will , " sagte er .
" So ist sie bald erfüllt , denn Athenais erwartet mich eben in der Nachtlaube -- komme mir nur nach sieben Minuten nach . "
Sie ging ; er sah ihr nach und sprach mit sich :
" eile , bestelle den Himmel !
Schöne Schlummerinsel , zugleich die Schlafstätte für das Brautgemach und für den ewigen Schlaf --
O wie wenige Minuten stehen zwischen mir und ihrem Herzen ! "
-- " Du bist doch da ? " sagte er und sah nach seiner Pistole .
-- " Jetzt ( rief er feierlich im Abgehen ) ist_es Zeit zur helldunklen Tat , dann wird das Leichentuch darüber geworfen " und ging schnell ins Laub hinein .
Der Spanier warf einen Zweig ins Wasser und die schwarze Dohle sprach leise : " still ist das Glück , still ist der Tod . "
" Der Mensch ( sagte Gaspard ) hat etwas im ganzen Spiele wie wahren Ernst , ich stehe nicht dafür , daß er sich nicht wirklich vor uns allen totschießet . "
-- " Unmöglich , ( sagte Albano erschreckend , ) zu einer solchen Wirklichkeit hat er keine Kraft ; " indes vermochte er doch sich selber nicht recht von dieser bangen Möglichkeit loszubringen .
Verstört , ungestüm , mit losem Haar kam Hiort zurück und sagte leise : " es ist geschehen .
-- Ich war selig -- niemand wird es nach mir . "
-- " Bei der Gelben und jetzt in der Nacht stehe ich für nichts , " sagte Gaspard .
Albano errötete über die freche Vermutung verschämt und noch mehr über Roquairols Frevel erzürnt , im Spiele die geheiligte Geliebte zu entehren und zu entführen .
" Töne her , aber weiche , gute " rief er und ließ sich vom Zephir der Harmonie umwehen und trank unaufhörlich " Leichentrunk " oder Wein ; beides zum Verdrusse des Ritters , der das Trinken verabscheute und die Musik vermied , weil diese oder beide weich machten .
Er legte sich auf den Rasen und die Pistole neben sich und sagte stammelnd : " so liege ' ich denn in der warmen Asche meines aufgebrannten Lebens -- und meine kalte kommt dazu --
( Er legte seine Doppellorgnette an die Augen fest und blickte funkelnd hinüber zu Linda )
Ich habe sie am Herzen gehabt , die göttliche Schönheit , meine ewige Liebe ; meine Tulpe , die sich nun am Abend über der Biene schließet , damit sie im Blumenkelche sterbe -- auf den Rasen meines Abends ruhe ich und sterbe ich -- Ich schaue die Holde noch selig an --
Ich kann nicht bereuen -- Vergib nur , armer Carlos , ich streiche die Schuld mit Blut durch , aber mit Buße-Tränen kann ich nicht -- Sollte sich am Ufer der Ewigkeit das , was die Zeit an diesem Ufer abspült , wieder anlegen :
so habe ich es dort schlimm , ich kann mich dort so wenig ändern als hier . "
-- Jetzt geschah in der Stadt ein Kanonenschuß , um einen Deserteur anzukündigen .
Er nahm seine Pistole in die Hand : " ja ja , ein Schuß bedeutet einen Flüchtling , -- auch aus der Welt -- O wenn hebt sich die scharfe Si chel * ) am Morgen und zerschneidet das Leben !
Ich bin so müde . "
Er sah nach dem Morgenhimmel , aber ein Gewitter , das schon leise donnerte , überzog die Pforte des Monds .
Er lächelte bitter :
" Auch diese kleine letzte Freude mißgönnt mir das Geschick !
Ich soll den Mond nicht mehr sehen -- Nun , ich werde wohl höher kommen als er und sein Gewitter -- Nur werden mir meine lieben Zuschauer und Zuhörer des Todes durch den Regen vertrieben -- Ja ! bist du aus , so bin ich aus ! "
Er zeigte auf die Flasche .
" Wilde , gräßliche Töne aus der Tiefe herauf ! --
Mein blutiges Brautkleid her !
Es ist Zeit , die abgehende Freude wirft einen langen , wachsenden Schatten hinter sich . "
Albano und Julienne erkannten erstarrend im kleinen Rocke , den man ihm brachte , den mit Blut bespritzten , den er auf der Redoute getragen , wo er als Knabe sich vor Linda ermorden wollen .
" Sie sollen es auf meine kalte Brust legen " sagte * )
Der Mond . er , da er_es von Falterle empfing .
Der Donner zog näher , die Blitze wurden glühender und ans Gewitter wuchs eine Wolke nach der anderen .
Er trank die Gläser schnell .
" Schaden kann es mir jetzt nichts , ( sagte er , ) auch der Blitz nicht sonderlich , ob ich gleich unter Bäumen liege -- in dieser Röhre steckt ein Blitz gegen alle Blitze , ein rechter Gewitterableiter . "
-- Das eilende Wetter drängte ihn der Zuschauer wegen zum Ziel und er wurde zornig empört vom Spotte des Zufalls über seine theatralischen Zurüstungen .
" Nichts ist lustiger und passender als dies Gewitter , ( sagte Gaspard , ) indes scheint ihn das Reden und Warten ziemlich zu ergötzen . "
Die anderen Zuschauer wurden von der Szene gepeinigt und doch riß sich keiner los .
Den Mitspielern war befohlen , den Schuß als das Merkwort zu nehmen und nicht früher zu kommen .
Er sagte : " die Todesschlange klappert in der Nähe -- dort auf der Zukunft schwimmt die Leiche heran " -- Man hörte , daß er durch einander sprach und aus dem Stegreif , vom Gewitter gequält .
Er sah die Pistole an : " dein Aufblick ! so ist der Blick des Lebens getan und wieder unter dem Augenlid -- Ein Funke , ein einziger Funke , so ist der Theatervorhang hinaufgelodert und ich sehe die Zuschauer stehen , die Geister -- oder auch nichts und den weiten Äther der Welt füllt die ewige schwere Wolke -- So stehe ich denn am toten Meer der Ewigkeit , so schwarz , still , weit , tief liegt es unter mir , ein Schritt und ich bin drinnen und sinke ewig --
Meinetwegen !
Ich schwamm ja vor der Geburt auch drinnen . -- --
Nun nun -- ( sagt ' er , indem es tröpfelte und er nahm das letzte Glas , ) der Regen will den armen Erkaltenden erkälten -- Spielt jetzt etwas Sanftes , Schönes , ihr guten Leute ! "
-- Darauf spannte er den Hahn des Gewehrs , stand auf , sagte weinend : " lebe wohl , schönes und hartes Leben ! --
Ihr paar schönen Gestirne , die ihr oben noch niederblickt , möge ich euch näher kommen -- Du heilige Erde , du wirst noch oft beben , aber der nicht mehr mit , der in dir schläft -- Und ihr guten fernen Menschen , die ihr mich liebtet , und ihr nahen , die ich so liebte , es gehe euch besser als mir und verdammt mich nicht zu hart , ich strafe mich ja selber und Gott richtet mich sogleich -- Lebe wohl , mein lieber beleidigter aber sehr harter Albano , und Du , Du bis in den Tod heiß geliebte Linda , verzeihet mir und beweinet mich ! "
-- " Liane , lebst Du noch , so stehe Deinem Bruder in der letzten Stunde bei und bitte bei Gott für mich . "
Hier drückte er schnell das Gewehr an der Stirn ab und stürzte hin , einiges Blut floß aus dem zerspalteten Kopfe und er atmete noch einmal und dann nicht mehr .
Bouverot flog nach seiner Rolle heraus und fing sie an :
" eben , mein lieber Hiort , besinnt sich mein Carlos ; " aber er fuhr zurück vor der Leiche , stammelte : " mais ! --
Mon dieu !
il s' est tue re vera -- diable , il est mort --
Oh qui me payera ? "
* )-- Linda sank ohnmächtig an Julienne Busen und diese * )
Aber ! --
Gott , er hat sich re vera umgebracht -- Teufel , er ist tot ! --
O wer wird mich bezahlen ? stammelte :
" o der Sünder und Selbstmörder ! "
-- Die Fürstin rief erzürnt :
" Oh le traitre ! "
-- Albano schrie : " ach Karl !
Karl ! " und stürzte in den See und schwamm hinüber -- warf sich über die zertrümmerte Gestalt -- und jammerte weinend :
" o hätte ich das gewußt !
-- Bruder und Schwester tot -- und ich bin schuld -- o ! wäre ich unglücklich geblieben -- ach mein Karl , Karl vergib --
Ich war nicht Dein Feind -- wie er jammervoll zerworfen da liegt , der große Tempel ! "
-- " Sei doch ruhiger , ( sagte Gaspard -- der endlich im Kahne herübergekommen war und der mit einer anatomischen Kälte und Neugier jede Verstümmlung ertrug -- ) er hatte auch seine Regimentsschulden und fürchtete die Untersuchung bei einer neuen Regierung -- Jetzt kann man doch Respekt vor ihm haben , er hat seinen Charakter wirklich durchgefühlt . "
Albano richtete sich auf und sagte in der Taubheit der Qual : " wer sprach das ?
Ihr , jammervoller Bouverot , Ihr kennt nur Schulden ! "
" Monsieur le Comte ! " sagte dieser trotzig .
" Ich sagte es , " sagte Gaspard zum Sohn .
-- " O mein Dian , ( rief Albano und streckte die Hand nach diesem aus , der seine weinende Chariton selber weinend hielt , ) komme Du her , laß uns ihn verbinden , es kann ja helfen . "
Zur bestürzten Fürstin , welche an ihrem Ufer blieb , trat der Kunstrat Fraischdörfer mit den Worten , die ableiten sollten : " von der bloßen Seite der Kunst genommen , wäre die Frage , ob man diese Situation nicht mit Effekt entlehnte .
Man müßte wie im genialischen Hamlet ein Schauspiel ins Schauspiel flechten und in jenem den scheinbaren Tod zum wahren machen ; freilich wäre es dann nur Schein des Scheins , spielende Realität in reellem Spiel und tausendfacher , wunderbarer Reflex ! --
Aber wie es jetzt regnet ! "
-- Der Fürstin wurde von ihrer Haltermann etwas ins Ohr gesagt -- sie fuhr auf , mit Armen und Tönen :
" Oh monstre ! homicide !
Mein armer , unschuldiger Gibbon !
-- Du Untier ! "
-- Den Affen-Mord hatte sie gehört und schied untröstlich .
Auf einmal trat ins tiefe Blau der entblößte Mond und jeder merkte ihn , aber das Regnen vorher halte niemand außer Fraischdörfer wahrgenommen .
Albano sah nun die toten Augen und weißen , starren Lippen recht deutlich :
" nein , sie regen sich nicht " sagte er .
Da klang es wie aus Roquairol's Brust und eisernem Mund : " seid still , ich werde gerichtet ! "
Und sogleich fing , die Dohle als Schluß- Chor des letzten Aktes an : " der Arme ruht nun fest und Ihr könnt ihn zudecken ! "
-- Gaspard sah seinen Bruder sehr ernst an :
" Bei Gott !
( erwiderte dieser ) so steht in seinem Stück . "
Der ganze Sternenhimmel klärte sich auf .
Die Gesellschaft fuhr nach Hause .
Albano und Dian mit Chariton blieben bei der Leiche .
Drei und dreißigste Jubelperiode .
Albano und Linda -- Schoppe und das Porträt -- das Wachskabinett -- das Dual -- das Tollhaus -- Leibgeber. 131. Zykel .
Albano wollte am Tage darauf sich einkerkern , bitter weinen und büßen , und sich nicht erquicken durch den Sonnenschein der Liebe ; aber er fand abends folgendes von unbekannter Hand geschriebene Blatt auf seinem Tisch : " Herr Graf !
Man benachrichtigt Sie hiermit , daß Freitags Nachts , da Sie verreiset waren , der seel. Hauptmann R. v. Froulay Ihre Rolle bei der Gräfin Romeiro durch alle Akte durch im Flötental gespielt .
Sie müssen müssen sich der Nebenbuhler wegen eine andere Stimme und der Gräfin Nachts Augen schaffen , wiewohl es dieser nicht so ganz unangenehm sein mag , sich auf diese Weise öfters in Ihnen zu täuschen .
Leben Sie wohl und künftig ein wenig bescheidener ! "
Bleich starrte er das Totengerippe an , das zwei Riesenhände gewaltsam aus blühenden jugendlichen Gliedern auf einmal herausgezogen emporhielten .
Aber das Feuer der Pein schoß schnell wieder auf und erleuchtete den Jammer rings umher .
Mit schmerzlicher Gewalt , mit blutigen Armen mußte sein Geist den felsenschweren Gedanken , den Leichenstein seines Lebens hin und her werfen , um zu prüfen , ob er sich einfüge in die Totengruft : -- in Roquairol's ganzes Spiel und Ende und Leben griff der Jammergedanke so fassend ein -- aber wieder nicht in Linda's Charakter und in den göttlichen Augenblick , den er mit ihr in Lianen letztem Garten zugebracht -- und doch wieder sehr in ihre schnelle Versöhnung und in einzelne Worte -- und gleichwohl war vielleicht dieses vergiftete Blatt nur eine Frucht der rachsüchtigen Titan IV. D d Fürstin , von deren Zorn über Roquairol's eigenen und Affen-Mord ihm Dian erzählet hatte .
So schmerzlich bewegte er sich auf seinen Wunden hin und her und entschloß sich , noch diesen Abend Linda aufzusuchen , wo sie auch sei : als er von ihr dieses Briefchen bekam : " Komme doch diesen Abend zu mir ins Elysium ; er wird gewiß heiter sein .
Jetzt lade ich ein wie Du neulich .
Du sollst mich auf die schönen Berge führen , und es soll mir genug sein , wenn Du nur sehen und genießen kannst .
Julienne brauchen wir immer weniger .
Dein Vater dringt auf unsere Verbindung durch Vorschläge , die Du heute hören und wägen sollst .
-- Komme unausbleiblich ! --
In meinem Herzen stehen noch so viele scharfe Tränen über das böse Trauerspiel .
Du mußt sie verwandeln in andere , Du Geliebter !
Die Blinde . "
Er lachte über das Verwandeln ; " in gefrorene eher , " sagte er .
Die heiße Liebe war ihm ein heftiger Kuß in die Wunde .
Er ging nach Lila , dumpf , hastig , tief in einen roten Mantel gewickelt wie gegen böses Wetter , -- blind und taub gegen sich und die Welt -- und wie ein Mensch , der stirbt , den Augenblick erwartend , wo er entweder vernichtet hinabraucht oder neu belebt in göttliche Welten hinein fliegt .
Als er Lila betrat , verzerrte sich der Garten nicht wie neulich sondern er verschwand ihm bloß .
Er ging nahe an einigen vermummten Leuten vorüber , die ein Grab zu machen schienen :
" Unrecht ist es doch , ( sagte einer davon , ) er gehört auf den Anger wie jedes Vieh . "
Albano blickte hin , sah eine bedeckte Leiche , glaubte schaudernd , es sei der Selbstmörder , bis er den zweiten Gräber sagen hörte : " ein Affe , Peter , wenn er vornehm gehalten wird , in Kleidern , sieht reputierlicher aus als mancher Mensch , und ich glaube , er stände auch wieder von Toten auf , wenn man ihn nur ordentlich taufte . "
-- Eben da ihm der Gibbon der Fürstin , der hier begraben wurde , wieder jenen gewittervollen Freitag vor die Seele zog : erblickte er Linda , unweit des Traumtempels am Arme D d 2 einer sehenden Kammerfrau .
Sie grüßte ihn , nach ihrer Weise vor anderen , nur leicht , sagte zur Frau :
" Justa , bleibe nur hier im Traumtempel , ich gehe hier auf und ab . "
Durch diese Einschränkung auf die Perspektive des Traumtempels schloß sie jedes schöne sichtbare Zeichen der Liebe aus und Albano kannte an ihr schon jene stille Zufriedenheit mit der bloßen Gegenwart des Geliebten so wie zuweilen die Wildheit ihres süßen Mundes .
Als er sie zitternd berührte und nahe neben sich wiedersah :
so überfiel ihn dieses Wesen voll Macht mit der ganzen göttlichen Vergangenheit .
Aber er verzögerte nicht die Frage der Hölle :
" Linda , wer war Freitag Abends bei Dir ? "
" Niemand , Guter ; wenn ? " versetzte sie .
-- " Im Flötental " -- stammelte er .
" Mein blindes Mädchen " antwortete sie ruhig .
-- " Wer noch ? " fragte er .
-- " Gott !
Dein Ton ängstigt mich ; ( sagte sie , ) Roquairol brachte in jener Nacht den Affen um .
Ist er Dir begegnet ? "
-- " O schrecklicher Mörder !
-- Mir ?
( rief er . )
Ich war verreiset die ganze Nacht , ich war mit Dir in keinem Flötental " -- -- " Sprich aus , Mensch , ( rief Linda , ihn an beiden Händen mit Heftigkeit ergreifend , ) schriebst Du mir nicht die rückgängige Reise und kamst ? "
-- " Nichts , nichts , ( sagt ' er , ) lauter Höllenlüge .
Das tote Ungeheuer Roquairol brauchte meine Stimme -- Deine Augen -- und so ist es -- sage das Übrige . "
-- " Jesus Maria ! " schrie sie von der Schlagflut getroffen , worein die schwarze Wolke zerriß -- und griff mit beiden Armen durch die Laubzweige des Laubengangs und preßte sie an sich und sagte bittend : " Ach Albano , Du bist gewiß bei mir gewesen . "
" Nein , bei dem Allmächtigen nicht ! --
Sage das Übrige , " sagte er .
-- " Weiche auf ewig von mir , ich bin seine Witwe ! " sagte sie feierlich .
-- " Das bleibst Du , " sagte er hart und rief Justa aus dem Traumtempel .
" So lebt er fort , Dein Schmerz , mein Schmerz , ich sehe Dich nie mehr .
Ich will Lebewohl zu Dir sagen .
Sage Du keines zu mir ! "
Sie schwieg und er ging .
Justa kam , und er hörte sie noch in der Laube beten : " Laß , o Gott , mir diese Finsternis morgen , verschone mit deinem Tageslicht die schwarze Witwe ! "
Das Mädchen weckte sie auf , nahm sie an der Hand und sie freute sich am Arm derselben ihrer Nachtblindheit .
Albano ging in die Nacht .
Auf einmal stand er wie hinaufgetragen auf einer jähen Felsenpize , unten schlug ein schäumender Strom .
Er kehrte sich um und sagte : " du irrest dich , böser Genius ; mich ekelt des Selbstmords , er ist zu leicht und gehört für Affen-Mörder -- aber es gibt etwas Besseres , und du sollst mich begleiten . "
Er verirrte sich -- konnte den Weg zur Stadt nicht finden -- glaubte wieder in Lila zu sein und trieb sich bange umher ohne Ausweg , bis er zuletzt ermüdet niedergezogen in den Arm des Schlummers sank .
Als er erwachte am Morgen : war er im Prinzengarten und die Schlummerinsel wehte mit ihren Gipfeln vor ihm .
Eine jähe Felsenspitze über einem reißenden Strom gab es in der ganzen Landschaft nicht .
Er sah den Himmel an und den Tag und sein Herz .
" Ja , so ist denn das Leben und die Liebe ( sagt ' er ) !
Ein gutes , rechtes Feuerwerk , besonders wenn man eine Linda durch viele Zurüstungen haben soll !
Lange steht es da mit einem bunten hohen Schaugerüst , voll Statuen , mit kleineren Gebäuden , Säulen und wunderlich und verspricht noch mehr als es schon verkleidet und verrät -- Dann kommt die Nacht in Jschia , ein Funke springt , die Formen reißen , es schweben weiße , helle Palläste und Pyramiden und eine hängende Sonnenstadt am Himmel -- in der Nachtluft entfaltet sich gewaltig eine rege fliegende Welt zwischen den Sternen und füllt das Auge und das arme Herz und der glückliche Geist , selber ein Feuer zwischen Himmel und Erde , schwebt mit -- --
Einen ganzen Augenblick lang , dann wird es wieder Nacht und Wüste und am Morgen steht das Gerüst da , dumm und schwarz . " -- 132. Zykel .
" Krieg " -- dies Wort allein gab Albano Frieden ; Wissenschaft und Dichtkunst steckten ihm ihre Blumen nur in seine tiefen Wunden .
Er rüstete sich zur Reise nach Frankreich .
Nur et was verschob noch den Aufbruch , Schoppens Ausbleiben , den er mit seinen Rätseln erwarten mußte und , wo möglich , mit entführen wollte .
Er hielt sich den ganzen Tag in Wäldern auf , um seinem Vater und Julienne und jedem zu entgehen .
Linda es unglückliche Nacht wurde tief in seine Brust hinabgesenkt , und nur er allein sah hinunter , kein Fremder .
Er wünschte , daß sie selber gegen Julienne schweige , weil diese nach ihren frommen weiblichen Ordensregeln hiergegen keine Nachsicht kannte .
In seiner Seele hatte jetzt die erste eifersüchtige Aufbrausung einem schmerzlichen Mitleiden mit der betrogenen Linda , deren heiliger Tempel ausgeraubt da stand , Platz gemacht .
Was ihn unleidlich schmerzte , war das Gefühl der Demütigung , mit welchem die schöne Stolze nun , wie er glaubte , an ihn denken mußte , und das er bei seiner jetzigen bitteren Verachtung Roquairol's desto stärker annahm .
" Nie , nie , wenn sie auch meine Schwester würde , dürfen wir uns mehr erblicken ; ich kann sie wohl blutend vor mir sehen , aber nicht gebeugt , " sagte er sich .
Zuweilen überfiel ihn ein kalter Grimm gegen das Verhängnis , das immer mit einem schnellen Wirbelwind zwischen seine Umarmungen fuhr und alles auseinander drängte -- bald ein Zorn gegen Linda , die nicht wie eine Liane gehandelt hatte und die den Irrtum der Verwechslung durch ihren Grundsatz , der Liebe alles zu vergeben , selber mit verschuldete -- bald inniges Mitleiden , da sie ohne alle geistige Ähnlichkeiten nicht hätte verwechseln können , wie ihm das heimliche Gericht des Gewissens sagte , und da sie nun allein dafür büßte , daß sie ihm , ihm sich opfern wollte .
Unaussprechlich haßte er den toten Verführer , weil durch seine Tat sein Tod nur zu einer feigen Flucht geworden war .
Den armen Deserteur , dessen Entwischen unter dem Trauerspiel laut geworden , sah er gefangen vor sich vorüber führen ; aber der Hauptmann desselben war auf immer der Rache entronnen .
Nach einigen Tagen wurden ihm Papiere von dem Toten zugestellt ; aber er sah sie voll Abscheu nicht an .
Sie enthielten Rechtfertigungen und zugleich Nach-Sünden .
Roquairol hatte nach der Freuden-Nacht den ganzen Morgen lm Prinzengarten schreibend verlebt , um die Erinnerung zu kolorieren , die allein ihn , schrieb er , belohnet und beredet habe , daß er nicht schon in der Nacht den fünften Lebens-Akt ausgespielt .
Der Lektor gab in Albano's Abwesenheit kleine Briefe von Julienne ab , worin sie ihn um seine Erscheinung bat und ihm Ort und Zeit im Schloß bestimmte , wohin sie aus Lila gezogen war .
Er kam nicht .
Sein Vater schien sich nichts um ihn zu bekümmern .
Zuweilen kam ihm vor , als wenn ferne Spür-Menschen ihn in weiten Kreisen umschlichen .
Einst stand er abends noch unten an einem Waldhügel , als er oben einen herausschreitend Wolf erblickte -- der Wolf sah ihn , sprang zu ihm herunter und wurde Schoppe's Wolfhund -- bald trat oben sein Freund selber mit einem alten Manne aus den Bäumen heraus -- erblickte ihn , gab dem Manne schnell Geld und ging langsamer zu ihm herunter als er zu ihm hinauf .
" Ei , einen guten Abend , Albano , " sagte Schoppe mit der alten Kälte , womit er sprach , wenn er nicht schrieb , und lächelte dabei , aber mit so vielen Linien , daß er Albano ganz fremd erschien .
Albano preßte ihn heftig ans Herz und verwandelte die heissen Worte , die jener nicht liebte , in heiße Tränen .
Es war ein alter Stern aus dem Frühlingsmorgen , wo seine Liane noch lebte und liebte ; er ging ihm unter an einem Grabe in jener Reise-Nacht ; jetzt ging er auf und Albano war wieder unglücklich .
Schoppe besah mit sichtbarem Wohlbehagen Albano's gereifte Gestalt und zog gleichsam dessen schimmernde Flügel auseinander :
" Du hast Dich ( sagt ' er ) recht gut gestreckt und angefärbt -- hast Mai und August auf Einem Ast , wie ein Pomeranzenbaum . "
Albano hatte keine Freude darüber : " erzähle mir nur Dein Leben , mein Bruder , " sagte er .
-- " Ich dächte , Du erst Deines , ich bin müde bis zur Dummheit " sagte Schoppe , indem er sich setzte und seine Jagdtasche aufschnallte .
" Künftig ( versetzte Albano ) .
Was Du brauchst , will ich Dir sagen -- ich bekam Deine Briefe -- ich liebte wirklich die Bewußte -- ein Unglück trennte uns -- ich bin unschuldig , und sie ist groß -- o Gott , sei heute damit zufrieden ! "
Nie konnte er seinen Freunden Schmerzen klagen ; noch weniger jetzt das Unglück einer Geliebten entblößen .
" Noch länger , ( versetzte Schoppe , ) nur sage , setzt es neues Elend , wenn ich die Beweise für eure Schwester- und Bruderschaft aus Spanien mitbringe und auspacke ? "
-- " Nein , ( sagte Albano , ) ich brauche über keine Vergangenheit zu erschrecken . "
-- " Du gehst noch nach Frankreich ? " fragte Schoppe .
" Morgen , wenn Du mitgehst , " versetzte Albano .
" Allerdings als Deine Feldpredigerei -- Nicht aus Mangel an Kunstgeist , wie Du aus Rom schreibst , sondern aus Überfluß daran gehst Du unter die Soldaten .
Ich sähe es gern , wenn Du bedächtest , daß auch Dante , Zäsar , Cervantes , Horaz vorher dienten , ehe sie kostbar schrieben -- nur Studenten Kehrens um und dichten etwas Kurzes und Gutes und nehmen später Dienste .
-- Auf meine Reise zu kommen , so kostet mich schon viel , nämlich Zeit , wenn ich Dir erzähle , daß ich Deinen närrischen Oheim mit einem Wagen Gepäck im Neste Ondres anderthalb Posten von Bayonne ertappte .
Ich gestand ihm , ich ginge nach Valencia , um die dasigen Seidenstrumpfwürkerstühle zu zergliedern , meinen Tropfen Eis und eine Westentasche voll Valenz-Mandeln dabei zu genießen und die wenigen Professoren zu besuchen , die bessere Kompendien für 3000 Realen geliefert * ) .
Er komme vor mir gewiß an , sagte er .
Wir bestellten uns in Einen Gasthof in Valencia .
Mir war an ihm gelegen , da er mich am leichtesten einführen konnte in Romeiro's Haus .
Aber ich paßte da 14 Tage umsonst auf ihn . --
Bei dem Haushofmeister fand ich kein Gehör , ob ich ihm gleich seinen dummen Schatten fünfmal mit der Bitte ausschnitt , einem reisenden Maler das Bilderkabinett aufzusperren , wo ich das mütterliche Bild der Gräfin suchte .
* )
So viel bekommt jeder Professor Preis-Geld für jede bessere Grammatik und jedes bessere Kompendium ; so für jede Dissertation 50 Dukaten u. s. w. Tychsens Zusätze zu Bourgoings Reise .
2. B .
Jetzt war ich halb und halb entschlossen , schwanger zu werden und in diesem Habit alles für meine Sehnsucht zu fordern , was selber der spanische König keiner Schwangeren abschlägt * ) .
In Italien hat man das Kind auf dem Arm , um zu erbitten ; in Spanien braucht_es diese Sichtbarkeit nicht einmal .
Aber zum Glück kam der Oheim .
Die Bilderkabinetsthür wurde aufgetan .
Ich machte mich ans Kopieren , -- eines dummen Küchenstücks -- und schaute überall nach meinem Insel-Portrait .
Aber nichts war zu sehen --
( Hier zog er ein hölzernes Futteral aus der Jagdtasche und legte es vor sich und fuhr fort ) : bis ich es sah zuletzt -- ein Bild lehnte auf der Diele an der Wand , mir die Winter- und Hinterseite zuweisend -- -- es war mein Pinsel- Kind und seine Zurücksetzung ging mich an -- verdrießlich und ruhig steckt ich es bei -- und schnappte im Küchenstück mitten in einem * )
Eine verlangte z. B. den König zu sehen ; er trat so lange auf den Balkon heraus , bis sie befriedigt war . halben Iltis ab -- -- Sieh das Bildnis an ! "
-- Er zog den Futteral-Deckel davon ab -- und Linda strahlte seinen Freund mit einem Strom von Geist und Reizen an , nur in ältere Tracht gehüllt .
Albano konnte kaum stammeln vor Bewegung : " das wäre meines Vaters Gemahlin und meine teure Mutter ?
Und Du weißt gewiß , daß dieses hier das Bild ist , das Du auf Jsola bella von ihr gemacht ? "
-- " Eben tue ich es dar ! " ( sagte er und scheuerte an einer Rose des Bildes auf der Stelle des Herzens . )
Mein damaliger Paphos-Name Löwenskiould steckt sub rosa und wird gleich vorkommen .
Hätte ich ihn schon unterwegs aufgekratzt , so hättet Ihr geglaubt , ich hätte mich erst unterwegs hineingeschrieben . "
-- Wie vor einer schreibenden Geisterhand schauderte Albano zurück , als wirklich ein L und ö unter der Rose vortraten : " weiter schab ' ich ( sagte Schoppe ) nicht vor , das Übrige heb' ich Ihr auf . "
Albano goß nun vor seinem biederen Herzensfreund sein Herz aus ; ihm durfte er sa gen und einwenden , daß Julienne seine Schwester sei -- " wogegen ich gar nichts habe " sagte Schoppe -- und daß Gaspard eine künftige Heirat zwischen ihm und Linda genehmigt habe : " es ist kein Ausweg , ( setzt ' er dazu , ) ist sie seine Tochter , so bin ich nicht sein Sohn -- ich kann sein heiliges Ehrenwort unmöglich zur Lüge machen -- und Gott ! in welchen ungeheuren Lasterpfuhl müßte man dann schauen . "
-- " Anlangend das Wort und den Pfuhl , ( sagte Schoppe ganz kalt , ) so lassen sich , wiewohl ich überflüssig doch mit Deinem Vater vorher aus der Sache spreche und vorher mit der Gräfin , wahrscheinliche Beweise führen , daß der Kahlkopf , der wie er mir selber beichtete , Deines Vaters Meßhelfer , Braut- und Bärenführer gewesen , kein Mann von den frischesten Sitten war , sondern daß er -- obwohl sonst in viele Sättel gerecht , den moralischen ausgenommen -- seine Stunden und Jahrhunderte hatte , wo er als ein solcher Hund und Strauchdieb handelte , daß mein Hund da ein Monatsheiliger gegen ihn ist und ein Kirchenvater .
Ich hätte ihm nur das Le beschlicht beschlicht nicht ausblasen sollen , das freilich mehr stank als glomm . "
Albano konnte ihm seinen Schauder über die Tat nicht verhehlen .
" Ich kann nichts bereuen , höre " sagte Schoppe und berichtete dieses : " Schon in Valencia erzählte mir Dein Oheim , daß er in Madrid einen Kerl so und so -- ganz wie der Kahlkopf -- angetroffen , der ein Wachsfigurenkabinett von lauter Tollen anführe und herumzeige ; oft spreche das ganze Kabinett und er sitze selber mit darin als Wachs und helfe reden -- Dein abergläubiger Oheim warb und lieh ihm Geister dazu und machte böse und fürchterliche Sachen daraus . "
" Einst in einer Posada hörte ich im Schlafzimmer neben dem meinigen allerlei Stimmen durch einander murmeln und sagen :
" " Schoppe kommt auch zu uns . " "
Ich stand auf , das fremde Zimmer war zugeschlossen .
Ich höre es wieder , das teuflische :
" " Schoppe kommt auch herein . " "
Meine Stube hatte einen Erker , aus dem konnte ich durch das nahe Fenster in die Murmel-Stube bei dem Mondlicht sehen .
In Graus und kraus saß sämtliches Wachs Titan IV. E e drinnen und ließ sich hören , der wächserne Kahlkopf mitten darunter , ich suchte aber den lebendigen auf .
Die Wachs-Bestien wechseln gegen einander ihre fixen Ideen aus und mich wechseln sie ein -- " " dort guckt unser Ehrenmitglied herein " " sagte der Wachs-Kahle .
-- Bei Gott !
ich muß kurz sein , mir brennt das Blut wieder durchs Herz .
-- Ich wüte , hole Geschoß und ersuche Gott um ein verträgliches Gemüt , das nachgibt .
Zum Unglück merke ich hinten in einer mondleeren Ecke neben einem Vater des Todes und einer Schwangeren von Wachs einen schwarzen Mantel , der sich legt und aus welchem der lebendige Tongeber , der Kahlkopf , guckt .
" " Schwarzer Bauchsprachmeister , ( rief ich , ) schweige um Gotteswillen , ich sehe Dich dort hinten und schieße hinein . " " -- Ich hielt_es für Bauchsprache . "
" Jetzt fing erst das Tollhaus recht an , ich hörte es lachen -- mich hineinrufen und einen Kameraden und Klubesten mich betiteln -- " " Präses , ( sagt ' ich , ) ich bin bekanntlich ein Mensch und sehe Dich ganz deutlich " " -- Es half nichts , der wächserne Kahlkopf versetzte vielmehr :
" " dort sitzt ja Bruder Schoppe schon " " und ich sah wirklich auch mich bossiert und poussiert dort .
-- " " Hier ist er auch zu haben , " " rief ich grimmig und schoß auf den Logenmeister hin , der blutend umstürzte . "
" Ich machte mich in dieser Stunde davon . --
Dem Oheim kam ich später in den Wurf für kurze Zeit ; er scheuet Tolle und wollte mich aus Furcht , ich schlage selber dahinein , nicht lange haben .
Er befragte mich , ob mir der Wachsfiguren-Direktor des fahrenden Tollhauses aufgestoßen ; ich konnte ihm nur wenig anvertrauen -- behalt es allein . "
-- " Du bist ein wilder , treuer Mensch , ( sagte Albano mit so innigem Wunsch , ihn zu umarmen , ) Du tust viel für andere und bist doch viel für Dich .
Ich kann Dich nun nicht mehr lassen .
Meine vorige Lebens-Insel mit allen Blumen steht tief unter Wasser ; und ich muß mich ins unendliche Weltmeer werfen ; gib mir Deine Hand und schwimme mit .
Wir reisen morgen nach Frankreich ! "
-- " Morgen ?
( sagte Schoppe . )
Ja wohl ! E e 2 so gehe ich heute abends zur Gräfin und dann zu Don Cesara . "
-- " Sage ' ihr ( bat Albano ) , daß ich sie auch als Bruder , wenn ich es würde , nicht besuche , nicht aus Kälte sondern weil ich ihr großes Gemüt verehre , sage ihrs -- und Gott helfe Dir . "
Albano wollte gehen und ihn allein ins nahe Lila wandern lassen .
" Nein , begleitet mich , mein Herr ; ( sagte Schoppe ungestüm ) ich habe den alten Kerl abgedankt droben im Wald durch redliche Auszahlung des Geleite-Geldes -- und wäre jetzt allein vis-à-vis vis de moi . "
" Ich verstehe Dich nicht , ( sagte Albano , ) wovor scheuest Du Dich ? "
-- " Albano ( sagte er leise und wichtig und seine sonst geraden Blicke schlugen scheu seitwärts und seinen lächelnden Mund umzingelten unzählige große Faltenkreise , ) der Ich könnte kommen , ja ja ! "
Verwundert und fragend , wer das sei , blickte ihm Albano ins Gesicht .
" Verflucht , ( sagte Schoppe , ) ich errate Euch ganz gut , Ihr haltet mich nicht für Achtels so vernünftig als Euch selber , sondern für toll .
Wolf , komme herauf !
Du Bestie warst häufig auf einsamen Wegen und Stegen mein Schirmvoigt und Teufelsbanner gegen den Ich. -- Herr , wer Fichten und seinen Generalvikar und Gehirndiener Schelling so oft aus Spaß gelesen wie ich , der macht endlich Ernst genug daraus .
Das Ich setzt Sich und den Ich samt jenem Rest , den mehrere die Welt nennen .
Wenn Philosophen etwas , z. B. eine Idee oder sich aus sich ableiten , so leiten sie , ist sonst was an ihnen , das restierende Universum auch so ab , sie sind ganz jener Betrunkene Kerl , der sein Wasser in einen Springbrunnen hinein ließ und die ganze Nacht davor stehen blieb , weil er kein Aufhören hörte , und mithin alles , was er fort vernahm , auf seine Rechnung schrieb -- Das Ich denkt Sich , es ist also Subjekt und zugleich der Lagerplatz von beiden -- Sapperment , es gibt ein empirisches und ein reines Ich -- die letzte Phrase , die der wahnsinnige Swift nach Sheridan und Oxford kurz vor seinem Tode sagte , hieß :
ich bin ich -- Philosophisch genug ! "
-- " Und was schließest Du Furchtbares aus allem ? " sagte Albano mit innigster Trauer .
" Alles kann ich leiden , ( sagte Schoppe , ) nur nicht den Mich , den reinen , intellektuellen Mich , den Gott der Götter --
Wie oft habe ich nicht schon meinen Namen verändert wie mein Namens- und Taten-Vetter Scioppius oder Schoppe und wurde jährlich ein Anderer , aber noch setzt mir der reine Ich merkbar nach .
Man sieht das am besten auf Reisen , wenn man seine Beine anschauet und sie schreiten sieht und hört und dann fragt , wer marschiert doch da unten so mit ? --
Ewig redet er ja mit mir ; sollte er einmal leibhaftig vor mir auffahren ; dann wäre ich nicht der letzte , der schwach würde und totenblaß .
Freilich braucht kein Hund Zahnpulver .
Aber Kinder sollte man schminken , es stände und ginge .
Ich für meinen Teil beobachte das Zeitalter so so und lächle , weil ich nichts sage ; man bricht Menschen wie Servietten auf Tellern in schönste , Vieleste Formen , zu Schlafmützen , zu Pyramiden , zu Kreuzschnäbeln , Sapperment , Albano , zu was denn nicht ?
Aber die Folge , Bruder ? --
O Himmel die Folge ?
Ich sage nichts , verflucht , ich bin mausstill wie wenige -- aber Zeiten können kommen , wo et wa ein Herr anmerkt , Menschen und Musiknoten , Musiknoten und Menschen , kurz und gut und schlecht , bald ist bei beiden der Kopf oben , bald der Schwanz , wenn_es nämlich schnell gehen soll .
Das sind Gleichnisse , ich weiß wohl , Bester , aber die Bäcker kündigen das weiche Gebäck durch steinernes oder tönernes im Laden an , Menschen indes ihre härtesten Sachen , worunter das Herz gehört , durch ihre weichsten , wozu Worte gehören . "
Stumm auf diese Ströme führte Albano ihn an der Hand nach Lila vor Linda's Wohnung .
Alles war an dieser ohne Licht und schwarz .
" Sprich droben sanft Dein Wort , mein Schoppe , und morgen ziehen wir weiter ! " sagte sehr leise unten Albano scheidend und ließ ihn ins finstere Trauerschloß allein hinaufgehen .
-- " Welch eine Gegenwart ! " sagte Albano auf dem Rückweg durch den Garten .
133. Zykel .
Lange erwartete Albano seinen Freund am anderen Tag , niemand erschien , kein Mensch wußte von ihm .
Am zweiten Morgen lief das Gerücht , die Gräfin sei in der Nacht und Gaspard am Morgen abgereist .
" Hat Schoppe beide durch Wahrheit fortgetrieben ? " fragt er sich verlassen und allein .
Vergeblich spürte er Schoppen mehrere Tage nach ; nicht einmal gesehen war er worden .
" Auch Du , lieber Schoppe ! " sagte er und schauderte über die Grausamkeit des Schicksals gegen sich .
Als er so über sich und die stille dunkle Wüste seines Lebens hinsah :
so war ihm auf einmal , als würde sein Leben plötzlich erleuchtet und ein Sonnenblick fiele auf den ganzen Wasserspiegel der verflossenen dunklen Zeit ; es sprach in ihm : " was ist denn da gewesen ?
Menschen -- Träume -- blaue Tage -- schwarze Nächte -- Ohne mich hergeflogen , ohne mich fortgeflogen , wie fliegender Sommer , den die Menschenhand weder spinnen noch befestigen kann .
Was ist da geblieben ?
Ein weites Weh über das ganze Herz -- aber das Herz auch --
Es ist freilich leer , aber fest -- unzerrüttet -- heiß -- Die Geliebten sind verloren , nicht die Liebe , die Blüten sind herunter , nicht die Zweige --
Ich will ja noch , wünsche noch , die Vergangenheit hat mir die Zukunft nicht gestohlen -- Noch habe ich die Arme zum Umfassen , und die Hand , um sie ans Schwert zu legen , und das Auge zum Schauen der Welt -- --
Aber was untergegangen ist , wird wieder kommen und wieder fliehen und nur das wird Dir treu bleiben , was verlassen wird , -- Du allein .
-- Freiheit ist die frohe Ewigkeit , Unglück für den Sklaven ist Feuersbrunst im Kerker -- -- Nein , ich will sein , nicht haben ; Wie , kann der heilige Sturm der Töne nur ein Stäubchen rücken , indes die roh ' bewegte Luft Aschenberge versetzt ?
Nur wo gleiche Töne und Saiten und Herzen wohnen , da bewegen sie sanft und ungesehen .
So klinge nur fort , frommes Saitenspiel des Herzens , aber wolle nichts ändern an der rohen , schweren Welt , die nur den Winden gehört und gehorcht , nicht den Tönen . "
Hier fand ihn der Lektor Augusti , der mündlich von der Prinzessin Julienne inständige Bitten brachte , mit ihm in Gaspards Zimmer zu gehen , wo sie ihm die wichtigsten Worte über Schoppen zu sagen habe .
Er ging leicht mit ; über das bedeckte Schicksal seines Schoppe erwartete er am ersten bei ihr Auf Schluß ; auch sah er aus der kühnen Wahl des Boten , wie wichtig der armen Schwester seine Erscheinung sei .
In Gaspards Zimmer verließ ihn Augusti schnell , um ihn anzukündigen und -- allein zu lassen .
In seinem Leben ging jetzt ein langer Donner ; kam er vom Himmel , von einem Strome , oder nur von einer Mühle , das wusste er noch nicht .
Julienne stürzte weinend herein , konnte nicht sprechen vor heftigem Herzen :
" Du gehst fort ? " fragte sie .
" Ja ! " sagte er und bat sie sehr , weniger heftig zu sein ; denn er wußte , wie leicht ihn fremder Ungestüm ansteckte , da er ohne Zorn nicht einmal lange Schach spielen oder fechten konnte .
Sie flehte ihn noch heftiger , nur zu bleiben , bis Gaspard wieder komme .
-- " Kommt er wieder ? " fragte Albano .
" Wie anders ?
Aber die Unwürdige nicht " sagte sie . --
( versetzt ' er ernst , ) o sei nicht so hart gegen Sie wie das Schicksal -- und lasse mich schweigen ! "
-- " Ich hasse jetzt alle Männer und Dich auch ( sagte sie ) .
Das kommt aus poetischen Gemütern heraus . --
O welche rechtschaffene Braut hätte sich so leicht von einem solchen Selbstmörder verblenden lassen , welche ? --
Aber ich sehe , Du weißt nicht alles . "
-- " Dient es aber zu was ? " fragte er .
-- Sie fing , verwundert über diese Frage , ohne Antwort die Erzählung an .
Am Tage , wo Albano Schoppen gefunden , wollte Julienne ihre Freundin Linda , die sie seit dem Abende des Trauerspiels nicht gesehen , wieder besuchen .
Alle Zimmer in Lila waren dicht verhangen gegen den Tag .
Julienne fand sie in der Finsternis sitzend , mit niedergesenkten , halboffenen Augen , äußerlich sehr ruhig .
Nur in langen Zwischenräumen fiel eine kleine Träne aus den Augen heraus .
Der reißende Strom ging hoch über die Räder ihres Lebens und sie standen tief unter ihm still .
" Bist Du es , Julienne ?
( sagte sie sanft . )
Verzeih die Finsternis ; Nacht ist für meine Augen jetzt Grün .
Es tut mir weh , etwas zu sehen . "
Die Brautfackel ihres Daseins war ausgelöscht , nun wollte sie Nacht zur Nacht .
Julienne tat bange Fragen der Verwunderung ; sie gab keine Antwort darauf .
" Ist es ein Unglück zwischen Dir und meinem Bruder ? " fragte Julienne , in welcher die Verwandtschaft immer wärmer sorgte als die Freundschaft .
" Erwarte nur den Ritter , ( antwortete sie , ) ich habe ihn herbitten lassen . "
Er trat eben herein .
Sie bat ihn , sich in diese kurze Nacht zu fügen .
Nach einigem Schweigen stand sie stolz vom Stuhle auf , die schwarzgekleidete lange Gestalt hob vor dem Ritter , den sie nicht sah , die großen Augen gen Himmel , ihr stolzes Leben , bis jetzt ins Leichentuch gewickelt , schlug das Tuch zurück und stand blühend von Toten auf und sie redete den Ritter an : " verehrter Gaspard , Sie versprachen es mir , so wie auch mein Vater , daß dieser an meinem Hochzeitstage mir erscheinen werde .
Der Tag ist vorbei .
-- Ich bin eine Witwe .
Nun erschein er mir . "
Hier unterbrach sie der Ritter : " vorbei ? --
O , ganz recht !
Ist er denn etwas gescheuteres und sittlicheres als ein Mensch ? " --
und spottete wider seine Weise zornig-aufglühend , weil er glaubte , voa Albano , dem er so lange vertrauet , sei die Rede .
" Sie verkennen mich , ( sagte Linda , ) ich spreche von einem Verstorbenen . "
Vor Julienne fuhr plötzlich Roquairol's Schatte , ferne Anklänge der Fürstin hatten ihn eingeläutet :
" Allmächtiger Gott , ( schrie sie auf , ) des verfluchten Selbstmörders Spiel hat Wahrheit ? "
-- " Er spielte , was geschah , ( sagte Linda ruhig . )
Wir brechen ab .
Ich reise .
Ich verlange nichts als meinen Vater . "
-- Hier hielt Gaspard den von Starrsucht versteinerten Arm wie von einem gezückten Dolch bewaffnet , gegen die Gräfin -- die Finsternis machte die Erscheinung schwärzer und wilder -- aber er brach das Eis des Todes wieder mit kalten Händen entzwei und bewegte sich und antwortete mit gelähmter Zunge :
" Teufel und Gott !
Der Vater ist da ! --
Der wird alles so nehmen -- wie es ist -- Weiß Er es ? "
-- " Wer ? " ( fragte Linda . )
-- " Und was beschloß Er ? --
Himmel !
Albano nämlich . "
-- Gaspard hatte in der Leidenschaft zugleich Cromwell's Blödsinn der Zunge und dessen Schlausinn der Taten ; und blieb daher jeder Aufwallung , sogar der liebenden so Gram und fern wie " der Dummheit , die ihm ( wie er sagte ) noch viel verhaßter sei als das gerade Laster . "
-- " Ich weiß nicht ( sagte Linda . )
Ich gehöre allein dem Toten an , der zweimal für mich gestorben ist .
Sagt das meinem Vater .
O ich wäre ihm längst nachgefolgt , dem Ungeheuren , ins tiefe Reich ; ich stände nicht hier vor dem kalten bösen Tadel oder der christlichen Verwunderung , da es noch Dolche gegen das Leben gibt ! --
Aber ich bin Mutter und darum lebe ich ! "
-- " Noch diesen Abend sehe ich Sie wieder " sagte Gaspard gefasst und eilte hinweg .
" Ich glaube , liebe Julienne , ( sagte Linda , ) jetzt verstehen wir uns nicht mehr so recht , wenigstens nicht bis zum höchsten Punkte , so wie wir früher über Ihre belle-soeur differierten , und Sie an Ihr die Koketterie , ich aber gerade die Prüderie groß und unsittlich fand . "-- " Das ist wohl wahr , ( sagte Julienne kalt , ) Sie sind so wahrhaftig poetisch , ich bin so prosaisch und altfromm .
Ein Ungeheuer darum zu lieben , weil es mich so grausam betrügt wie seine Regimentskasse oder weil es sich genialisch so viele Freiheit lässt als sei einem Regimente , oder weil es nach seinem Tode noch Rollen für die übrigen Schauspieler nachlässt oder Briefe an mich Betrogene " -- -- " Tat er das ? " fragte Albano .
-- " Sie pries es sogar als genialisch an ihm , ( versetzte Julienne . )
-- Einen Solchen zu lieben , sagte ich , oder solche Leute , die ihn lieben , dazu finde ich in mir kein Herz .
Leben Sie denn so wohl als es gehen mag . "
Linda antwortete : " ich hasse alle Wünsche ; " gab ihr die Hand , drückte sie nicht , schwieg still und sah in ihre Nacht .
Sie wußte wenig vom leichten und schlafen Abschied der verlorenen Freundin .
Noch in derselben Nacht reiste Linda , nachdem sie ganz allein lange mit dem Ritter gesprochen , in einem Wagen ohne Fackeln , in ihre Schleier gehüllt , ganz einsam ab und niemand wußte , ob sie geweint oder nicht .
Als Albano seine Schwester aufgehört hatte , sagte er mit sanfter , bewegter Stimme : " schließe Frieden mit der Vergangenheit , sie kann der Mensch nicht stürmen .
Der großen Unglücklichen lasse die Nacht , in die sie selber hineingezogen ist .
-- Weswegen wolltest Du mich aber so eifrig zu Dir haben ?
Besonders weißt Du etwas von meinem Schoppe , so fleh ich darum . "
-- " Ich antworte Dir ; ( sagte sie weinend und verwundert , ) aber Bruder , beteuere , daß Deine Stille nicht wieder der Vorhang eines neuen Unglücks ist -- Ich kenne Euch Männer darin , man sollte Euch alle hassen und ich tue es auch . "
-- " Ich habe nichts Trübes vor , vor Gott bezeug ich es .
Ihr Weiber , die ihr eure Hölle erst ausgießen wollt mit Tränen und ausblasen mit Seufzern , begreift nicht , daß oft eine einzige Stunde Denken dem Manne einen Stab oder Flügel geben kann , der ihn auf einmal aus der Hölle hebt und dann mag sie Fortbrennen . "
-- " So zeige mir ( sagte sie weinerlich-komisch ) Deinen Flügel . "
-- " Daß ich ( versetzt ' er ) nicht auf Menschen baue , sondern auf den Gott in mir und über mir .
Der fremde Efeu geht um uns herum , an uns herauf , steht als ein zweiter Gipfel neben unserem und der ist dadurch verdorrt .
Die Geister sollen neben einander , nicht auf einander wachsen .
Wir sollten lieben wie Gott , als Unvergängliche die Vergänglichen . "
-- " Recht " Recht gut , ( sagte sie , ) wenn es Dir nur Ruhe schafft .
Was Deinen armen Schoppe betrifft , so ist er zur Strafe ins Tollhaus gesteckt , aber höre erst ordentlich .
Er kramte ein Märchen von einer zweiten Schwester von Dir bei Deinem ohnehin durch so vieles gereizten Vater aus .
Man konnte ihm diese neue Verstandes-Verwirrung hingehen lassen ; aber Dein Oheim wurde gerufen , der ihm ins Gesicht sagte , er habe den Kahlkopf ermordet ; und ihm wurde stolz die Wahl zwischen Gefängnis und Irrhaus gelassen ; so begab er sich in dieses .
Bleibe , bleibe !
Das Wichtigste kommt .
Wie ich auch von ihm denke , ich sehe , er ist Dein redlicher Freund ; und frei heraus zu reden , sogar Linda legte noch vor der Abreise eine Vorbitte im letzten Blatte an mich für ihn ein .
Nicht bloß die närrische Reise nach Spanien machte er für Dich , auch Deine Kur ; vielleicht bist Du ihm das Leben schuldig .
Mich wundert , daß ich oder irgend jemand es Dir noch nicht gesagt . "
Sie fing nun an mit Idoinens mildtätigem festen Charakter , mit ihrem Arkadien und Titan IV. F f mit dem letzten Tage , da sie bei ihr gelebt und ihr in die helle Seele geblickt .
Sie kam dann an sein Fieber- und Trauerbette neben Lianen Bahre und auf des alten Schoppe Reden und Laufen und auf seinen schönen Sieg , da er die verklärte Liane endlich in Idoinens Gestalt vor sein Auge gebracht , damit sie das Heil-Wort sage : habe Frieden .
Jetzt war er in Sturm und Julienne in Frieden : " darum ( fuhr sie fort ) halte ich es für Pflicht , mich Deines Freundes ein wenig anzunehmen .
Der arme Teufel ist unschuldig -- durch Gewissensbisse und selber durch seinen jetzigen Ort kann er das , was er von Verstand noch hat , vollends verlieren -- ganz unschuldig sage ich ; denn Dein Oheim , den ich längst hasse und der nur erst vor kurzem , aber vergeblich versuchte , meinem kranken Bruder geistermäßig und mordmäßig zu erscheinen -- er hätte es auch bei Lianen wohl getan , wenn sie es erlebt hätte -- dieser Mensch ist -- warum darf ich es nicht ruchbar machen , da sich alles geändert und umgeworfen -- eine und eben dieselbe Person mit dem Kahlkopf und ein Bauchredner -- Bruder !? "
Aber Albano war ihr schon entflogen .
134. Zykel .
Albano wollte seinen Freund früher befreien als rächen ; daher wollte er erst zu Schoppe eilen und dann zum Oheim .
Aber als er an des letzteren erleuchteten Zimmern vorübergieng , erfaßte ihn ein plötzlicher Zorn und er mußte hinauf .
Der lange , hagere Oheim ging dem aufgebrachten Jüngling mit der Dohle auf der Hand langsam entgegen .
Albano warf ihm ohne Umstände seine Doppel-Rolle , sein himmelschreiendes Zerstören Schoppens und die Blendwerke gegen ihn selber mit Flammenaugen vor und forderte Antwort und Rache .
" Ja , ja , ( sagte der Spanier seine Diablesse streichelnd , ) ich habe die Pistolen -- ich habe keine Zeit , keine Zeit Reden . "
-- " Sie müssen sie haben " sagte Albano .
" Ich habe keine deo patre et filio et spiritu sancto testibus ; es ist bald zwischen 11 und 12 und der Finstere steht hier . "
-- " Himmel ! wozu diese F f 2 einfältige tragische Szenerie ?
O Gott , ist es denn nicht möglich , daß Ihr einmal ein Mensch seid , ( sagte Albano , mit Grausen in seine Gesichtshaut blickend , die durchaus nicht freudig und nicht liebend aussehen konnte , ) daß Ihr erschrecken , erröten , bereuen , Euch erfreuen könnt ? --
Was wußten Sie von meinem Schoppe , da Sie sich einst im Keller bei Ratto als Kahlkopf anstellten , als wüßten Sie eine fürchterliche Tat von ihm ? "
-- " Niemand braucht etwas zu wissen , ( versetzt ' er , ) man sagt zum Menschen :
ich kenne Deine verruchte Tat , der Mensch denkt zurück , er findet so eine . "
-- " Aber was hatte er Ihnen getan ? " fragte Albano erschüttert .
Er versetzte trocken :
" Er hat zu mir gesagt : Du Hund ! --
Es schlägt 11 Uhr , ich sage nichts mehr als was ich will . "
Hier brachte der Spanier zwei Pistolen und einen Sack , wies ihm , daß sie nicht geladen wären , bat , eine zu laden ( er gab ihm Pulver und Blei ) , aber die andere nicht .
" In den Sack , jede in den Sack , ( sagt ' er , ) wir losen ! "
Je kühner , je besser , dachte Albano .
Der Spanier rüttelte beide um , und ersuchte Albano , mit dem Fuße auf eine zu treten zum Wahlzeichen .
Es geschah .
" Wir schießen zugleich , ( sagte der Oheim , ) sobald es die zwei Viertel ausschlägt . "
-- " Nein , ( sagte Albano , ) schießet bei dem ersten Schlag , ich bei dem zweiten . "
-- " Warum nicht ? " versetzte jener Sie stellten sich in den entgegengesetzten Zimmer-Winkeln einander gegenüber -- mit den Pistolen in den Händen den Schlag halb zwölf Uhr erwartend .
Der Spanier machte im stummen Horchen die Augen zu .
Als Albano in dieses geschlossene Büsten-Gesicht sah , kam ihm vor , als könne an einem solchen Wesen gar keine Sünde begangen werden , geschweige ein Totschlag .
Plötzlich murmelten im leisen Zimmer fünf Stimmen durcheinander , als kämen sie von den alten Philosophen-Büsten an den Wänden ; der Vater des Todes , der Kahlkopf , die Dohle schienen zu reden und eine unbekannte Stimme als sei es der sogenannte Finstere .
Sie sagten unter einander :
" Finsterer , nicht wahr , ich habe keine Wahrheit gesagt ? --
Ich bringe fünf Tränen , aber kalte -- Ich trage die Räder des Leichenwagens auf dem Kopf -- Ich führe das Panthertier am Strick -- Ich schneide es los -- Ich zeige mit dem weißen Finger auf Ihn -- Ich bringe den Nebel -- Ich bringe den kältesten Frost -- Ich bringe das Schreckliche . "
-- Hier tat es den ersten Glockenschlag und der Spanier schoß ab -- bei dem zweiten feuerte Albano -- beide standen unverwundet da ; Pulverdampf zog umher , aber eine Zersplitterung erschien nirgends , als sei die Kugel nur eine mit Quecksilber gefüllte gläserne gewesen .
Mit grimmiger Verachtung sah ihn Albano wegen der vorigen Stimmen an : " ich mußte , " sagte der Oheim .
Plötzlich brach der Lektor atemlos herein , den Julienne abgeschickt , um einen wahrscheinlichen Zweikampf zu hindern .
" Graf !
( stammelte er ) ist etwas geschehen ? "
-- " Es muß ( versetzte der Oheim ) in der Nähe etwas geben , der Dampf zog herein ; wir wollten uns eben zur guten Nacht umarmen . "
Er klingelte und befahl dem Bedienten , den Wirt zu befragen , wer so spät noch abfeuere .
Albano staunte und konnte scheidend nur sagen : " es sei !
Aber fürchtet den Wahnsinnigen , den ich loskette ! "
-- " Ach tut es nicht ! " sagte der Spanier und schien zu fürchten .
Augusti begleitete ihn auf die Gasse und ließ ihn nur nach dem Ehrenworte los , nicht wieder hinauf zu gehen .
Albano aber flog noch in der späten Nacht dem Hause des Jammers und dem gekränkten Herzen zu .
135. Zykel .
Kaum hatte Albano dem Irrhaus-Inspektor , einem jungen glatten roten Männchen , seinen Namen , den dieser schon kannte , und sein Gesuch um Schoppe's Freiheit samt seiner Bürgschaft für ihn bekannt gemacht :
so lächelte der Inspektor ungemein vergnügt ihn an und sagte : " still beobachte ' ich seit Jahren das ganze Haus -- die kleinsten Züge hasch ' ich für ein künftiges philosophisches Publikum ; und so legte ich es sehr ernsthaft auch auf Hrn. Schoppen an .
Aber nie , mein Herr Graf , nie ertappt ich ihn über einem Zuge , der Tollheit versprochen hätte ; alle meine englischen und deutschen Werke darüber liest er vielmehr und bespricht sich m mir über die Heilanstalten in Irrenanstalten .
Ein Fichtianer kann er sein ( aus seinem Ich schließe ich es ) und ein Humorist auch ; ist nun aber eines von beiden schon schwer von Verrückung zu trennen , wie viel mehr ihre Einigung !
Mit welcher Freude über das Zusammentreffen unserer Beobachtungen ich Ihnen hier den Schlüssel zu seiner Stube gebe , das denken Sie sich selber ! "
-- " Wenn er kein Narr ist , ( sagte seine Frau , ) warum zerschlägt er denn alle Spiegel ? "
" Eben darum ( versetzte der Inspektor ) , ist er aber einer , so ist Dein Mann ein noch größerer . "
Keine Tür öffnete Albano je beklommener als die zu Schoppens kleinem Zimmerchen .
" Ich hole Dich ab , mein Bruder , " rief er sogleich , um sich und ihm Schamröte zu ersparen ; aber als er den alten Löwen näher sah , fand er ihn in dieser Fanggrube ganz verwandelt , nicht zahm , kriechend , wedelnd , aber entzweigeschlagen und mit zerbrochenen Tatzen auf die Erde gedrückt ; -- die Anklage des Mords , die er rechtschaffen eingeräumt , verbunden mit Gaspards unbarmherziger Verurteilung , hat ten seine stolze freie Brust mit giftiger Scham gefüllt und zerfressen .
" Es geht mir hier wohl , nur verspür ich mich unpäßlich ; " sagte Schoppe mit glanzlosem Auge und tonloser Stimme .
Albano konnte die Tränen nicht verbergen , er schlang sich um den Kranken und sagte : " großmütiger Mensch , Du gabst mir einst in meiner Krankheit Genesung und Heil zurück und ich wußte es nicht und dankte Dir nicht , gehe mit mir , ich muß Dich in der Deinigen pflegen , Dich heilen und trösten wie ich kann , dann reisen wir . "
" Glaubst Du , mein Kriton , ( versetzte er , durch den Balsam seines wunden Stolzes gestärkt , ) daß ich etwan kein Socrates bin , sondern wirklich herausgehe aus meinem torre del filosofo ?
Ein Ehrenwort ist eine dicke Kette . "
-- " Erzähle mir alles , verschone niemand ; aber ich sage Dir darauf eine Neuigkeit , an der sogleich Deine Kette schmilzt " sagte Albano .
" Ei ! --
Indessen ist der Ort hier seines Orts gut genug , wie gesagt ein torre del filosofo , Quai de Voltaire und Shakespeare's Streat und wie man sonst sagen mag und soll -- Auch höre ich immer Nachts einen oder den anderen Mann neben mir an spechen ; und so fürchte ich gar nicht , daß der Ich kommt .
Ich werfe täglich fünf Brotkügelchen ; bilden sie ein Kreuz , so bedeutet es -- denke was Du willst -- daß ich mir noch nicht erscheine -- Sie machen aber immer eines .
Ich bin hier in diesem Anticyra über so manches Wahnbild so beruhigt worden -- auch durch jene Bücher -- sieh sie an , lauter Traktate über den Wahnsinn -- daß ich , wenn es auch meinen Mordian * ) eben so wenig ansteckt wie mich , gern hier gewesen sein will .
Mein Umgang ist freilich nicht ohne Gefahr , es ist das Inspektorats-Ehepaar , ( ein Reim ) die beide das hiesige Kerkerfieber tüchtig weghaben .
Der Mann hat sich -- und dadurch der Frau -- die fixe Idee in den Kopf gesetzt , er sei unser zeitiger Inspektor und habe aufzuhelfen , aufzusehen und treffliche Bücher zu lesen , die in sein Amt einschlagen -- jene Traktate sind vom Narren -- Vermutlich hat er draußen in der Stadt seine Inspektorats-Idee zu breit vor * ) seinen Hund . gucken lassen , und das medizinische Kollegium steckte ihn mit seiner brauchbaren Idee herein , weil sie am Ende doch jeder Inspektor zum amtieren haben muß , er sei toll oder nicht .
Unter allen hier im Hause gefallen wir uns beide am meisten .
Er sondierte mich zu meinem Vorteil ; und ich kann ihn sehr brauchen zur Freiheit , nur greif ich seinen faulen fixen Fleck nicht an .
Bloß einen Abendsegen -- weil sie kein Gebetbuch haben -- improvisier ich oft beiden vor und flechte in den Segen Winke , die kurmäßig für das Paar sein könnten , wenn es wollte .
So wandeln wir beide in den Irrgängen dieses Irrgartens vor den Patienten vorbei -- hinter ihm , dem unheilbaren Hob von allen , gehe ich ganz tolerant -- im Kränzchen herrscht allgemeine Polemik und Skepsis wie in keinem anderen Universitätsgebäude -- --
Es ist zum Tollwerden , sagt er leise zu mir , es ist zum Tollsein , sagt man in diesem Palais d'egalite , versetz ich -- Ich schneide ihm die Patienten in Schatten aus für sein Manuskript -- Wie die Kinder noch etwas haben , das ihnen selber kindisch vorkommt , so haben die Tollen etwas , das ihnen selber toll erscheint -- Deutlicher aber werde ich ihm nie und halte schärferen Spaß an mich .
Ach was ist der Mensch , zumal ein gescheiter und wie dünn sind seine Stecken und Stäbe ! -- -- Rührt Dich etwas an mir , Albano ?
Etwan mein dummes blasses Gesicht ? "
Aber Albano konnte es ihm unmöglich gestehen , daß dieser umgebrochene edle Mensch mit seinen Täuschungen und sogar mit seinem Stiele , dessen Flügel auch gerädert waren , ihm die Tränen in die Augen treibe , sondern er sagte bloß : " ach ich denke ' an vieles ; aber erzähle doch endlich , Lieber ! "
-- Schoppe hatte es aber schon wieder vergessen , was er erzählen sollte ; Albano nannte den Ablauf der Portrait-Geschichte bei der Gräfin und jener fing an :
" Die Prinzessin Julienne sprang eben in ihren Wagen , als ich das blinde Mädchen die Treppen hinaufführte , um sagen zu lassen , Bibliothekar Schoppe sei aus Spanien da .
Ich wurde in ein verfinstertes Gemach gelassen , worin ich ruhig auf und abging , auf Leute passend , bis die Gräfin mich grüßte aus dem Dunklen .
" " Die Finsternis ( sagt ' ich ) ist mir bei dem Lichte , das ich zu geben habe , erwünscht , nur möchte ich lieber irisch oder lettisch oder spanisch sprechen , weil ich nicht weiß , wer mich behorcht . " " -- " " Spanisch ! " " sagte sie ernst .
Ich erzählte ihr , ich hätte Deine Mutter gekannt und gemalt und so weiter und meinen Namen ins Bildnis eingeschwärzt -- lange darauf , neulich im Herbste , hätte ich Sie selber auf hiesigem Marktplatz angetroffen und für das Spiegelbild Deiner Mutter genommen , so ähnlich sei sie ihrer eigenen -- " " Ich weiß nicht , fuhr sie hier mit hitzigem Stolz zwischen meine Narration , in wiefern Ihre Geheimnisse zu meinen werden können . " "
-- " "Dadurch , ( sagt ' ich ernst , ) daß Sie mich nach Licht klingeln lassen ; denn ich halte das Porträt der Frau von Cesara und von Romeiro , zweier Namen Einer Person , hier in der Hand . " "
Sie faßte nichts , fragte nichts und ich sollte nicht klingeln .
Ich bekannte ihr , daß ich mich genötigt sähe , mit der rhetorischen Schach-Figur mich zu decken , die man Alge mein die Wiederholung der Erzählung nennte ; und griff zur Figur .
Aber sobald ich darin wieder auf Deinen Namen kam , sagte sie :
" " ich hätte vermutlich ganz aufgehobene Verhältnisse im Sinne " "
-- " " nein , ( sagt ' ich , ) ein ewiges und hergestelltes habe ich darin , auch seinen Gruß voll innigster Achtung mit . " " -- Der Gruß schien ihr empfindlich zu fallen , gleichsam als halte man sie einer solchen Versicherung für bedürftig , und sie bat mich , Dich lieber wegzulassen .
" " Himmel ! er ist Ihr Bruder , und hier habe ich das Porträt Ihrer Mutter aus Valencia gestohlen bei mir , und nur kein Licht ! " "
" Da wurde Licht gefordert .
Als die Flamme die lange treffliche Gestalt in Gold einfaßte , sagte ich geradezu bei mir selber :
" " sie war es so gut wert als der Bruder , daß man den langen Weg nach beider Stammbaum zog , denn sie ist nicht ohne ihre Annehmlichkeiten . " " -- Albano , wäre ich ihr Bruder , wie Du die Ehre hast , mein Blut müßte , wenn sie eine Gondel aber keinen Paradiesesfluß dazu hätte , für sie schiffbar sein , ich trüge sie auf den Hän den nicht nur , sondern wie ein Äquilibrist , auf Nase und Mund , die Leidliche !
Kaum sah sie das Bild , so rief sie :
" " Mutter , Mutter ! " " und fuhr immer über die Augen , klagend , daß sie jetzt noch schlechter wären als sonst .
Ich hob wieder das Schaben an und grub endlich vor ihren Augen meinen ganzen Namen Löwenskiould aus , sogar mit dem Beisatz , der mir entfallen war : liebt sehr . "
" " Der Maler hieß so ?
( fragte sie . )
Sie sind_es ? --
Sie liebten auch ? " " -- " " Schönheit ist eine Klippe , ( versetzt ' ich ernst , ) an der denn ein und der andere Mann zu scheitern sucht , weil sie voll Perlen und Austern sitzt . " "
Freundlich bat sie mich um die deutlichste Wiederholung der Wiederholung , sie wolle besser aufmerken ; Hören und Denken werde ihr jetzt so schwer als leben .
Albano , Ihr hättet mich mit mehr Vorkenntnissen zu ihr abschicken sollen .
So aber wurde ich halb verwirrt und neblig und als ihr unter meiner Schilderei der Langsee-Insel etwas Nasses aus den Augen sprang , sank ich in den Tropfen hinein und ersoff beinahe darin und wurde erst spät von mir ins Leben gerieben .
Endes meiner Rede stand sie langsam auf , faltete die Hände und betete mit Weinen , als wenn sie dankte :
" "o Gott , o Gott !
Du hast mich geschont ! " "
-- Was ich doch nicht ganz verstehe . "
Albano Verstands wohl , daß sie dem Schicksal für die zufällige Verspätung Schoppens dankte , welche sie mit der kurzen aber furchtbaren Verwandlung Roquairol's in einen Bruder verschonet hatte .
" Sie brach darauf in zu vielen Dank gegen den Maler , Räuber und Lieferanten des gemalten Geburtsscheins aus .
Wem das Herz wie ein Arm eingeschlafen und schwer und fühllos zu bewegen ist , dem durch- und überläuft das erwachende Glied sehr närrisch , wenn er es regt :
" " weniger ( sagt ' ich ) konnte ich nicht tun für den H. Bruder ; die Sonnenseite ist dann die Mondseite , " " -- Sie sprang auf Deinen Vater über und fragte , da er sogleich komme , ob sie oder ob ich ihm diese Rätsel vorlegen sollte .
" "Oder lieber beide ! " " versetzt ' ich kaum , da trat er wild ein . "
" Nun ist Gaspard freilich und entschieden Dein Dir und der Schwester angeborener Va ter ter -- und kindliche Liebe gegen ihn ist Dir nie zu verdenken ; -- aber wenn ich zu Dir sagen wollte , er sei kein Bär , kein Nashorn , kein Währ- und anderer Wolf , so täte ich_es mehr aus seltener Politesse .
Er schnaubte mir einen guten Abend zu , ich ihm .
Viele Menschen gleichen dem Glas , glatt und geschliffen und stumpf so lange als man sie nicht zerbricht , dann verflucht schneidend und jeder Splitter sticht .
Die Sache würde ihm vorgehalten und das mitgebrachte Gesichtsstück .
Wärst Du weitläufiger mit ihm verwandt , so ließ ich mich heraus .
Denn sein Gesicht wurde vom Nordschein des Grimms überzogen , aus den Augen flogen mir gelbe Wespen zu , gerade Linien fuhren auf seiner Gewitterstirn wie elektrische Spieße auf , besonders zwei steilrechte Unglückslinien .
Aber wie gesagt bist Du meines Wissens sein Sohn .
" " Mein Freund , ( donnert ' er los , ) mit welchem Rechte stehlet Ihr denn Gemälde ? " "
-- " " Das sollte mir ( versetzt ' ich sanft ) schwer anzusagen fallen ; aber ein Unvermögen habe ich , einem ungerechten Truge zuzu schauen , ich fahre drein . " "
" " Gräfin , ( sagt Titan IV. G g er dampfend , ) in drei Minuten sollen Sie diesen Herrn genau kennen . " " O nein , nein !
Er brauchte ein anderes Wort als Herr , aber ich greife ihn einmal dafür an die Brust und ständen wir auf den höchsten Stufen des Gottes- Thrones und rängen im Glanz . "
-- " Schoppe ! " sagte Albano :
" Erhitze mich nicht ! " versetzte Schoppe und fuhr fort : " Er klingelte -- ein Bedienter flog mit einer Karte -- wir alle schwiegen -- " " Nachsicht , Gräfin , ( sagt ' er , ) nur auf eine Minute lang ! " " -- Er gab ihr darauf einige elende Hof-Novitäten , sie aber blickte schweigend zur Erde .
Da kam Dein langer Oheim , nickte 16mal mit dem kleinen Kopf , denn das hält er für eine Verbeugung -- und trat weit von mir weg .
" " Bruder , sage bloß , was hat dieser Herr da hinter Valencia getan ? " " -- " " Umgebracht , umgebracht , " " sagte er schnell .
" " Unter welchen Umständen ? " " fragte Dein Vater .
Hier fing er an , die kleinsten bei meinem Notschuß auf den Kahlkopf so unbegreiflich-scharf vorzulegen , daß ich sagte :
" " das ist wahr ! " " -- und selber fortfuhr und immer fragte :
" " nicht so ? " " -- und er hurtig nickte -- bis ich am Ende war , dann fragt ich : " " aber Spaniard , sagt es bei Gott ! woher wisset Ihr es denn ? " "
" " Von mir " " antwortete eine fremde , dumpfe Stimme , ganz wie des Kahlkopfs seine . "
" Das Herz wurde mir kalt wie eine Hundsschnauze und die Zunge voll Stein .
" " Als convictus und confessus ( fing Dein Vater an ) könnet Ihr Euch nun leicht Euer Schicksal prophezeien . . " "
-- " "Freilich , ( murmelte der Oheim , packte sein Schnupftuch aus und ein , faßte das Gemälde an und legte es weg , ) prophezeien , prophezeien . " " -- " " Inzwischen ( fuhr Dein Vater fort ) bleibt es Euch freigestellt , ob Ihr bis zu näherer Untersuchung statt des Gefängnisses , das Euch für den Mord und Diebstahl gehört , den gelinderen Ort , das Irrhaus , das Euch für Eure Reise gebührt , erwählen wollt ; wählt Ihr nicht , so wähl ich . " "
-- " " Ins Tollhaus , ins Tollhaus , ( rief ich , ) wahrer Geselligkeit wegen , auf meine Ehre -- Aber ich frage nach nichts , auf dem Waschzettel meines Gewissens steht kein Mord -- Brennt Ihr G g 2 Euch nur weiß und rein -- Euer Sonnen- und Ehrenwagen geht bis an den Radnagel in Kot -- Gräfin , lasst Euch doch alles bestens aufklären und denkt unaufhörlich an mich , um einen Vater zu bekommen , freilich dem Landesvater der Studenten gleich , der in einem Loch durch den Hut besteht . " "
-- " "Tritt weiter weg , ( sagte Dein Vater zu Deinem Oheim , ) die Tollheit ist ausgebrochen . " "
Da tat der Hase achtzehn Sätze über Schwellen und Treppen hinüber .
Ich vollzog mein eigenes Marsch- und Sitzreglement .
Dein Vater wedelte mir noch mit einem leckenden Flammenblick nach ; ich lud Gift in mein Auge und sah ihn unter der Türe davon niederstürzen . "
-- -- Albano fuhr zusammen , fragte nach dem Wie .
Da schwieg Schoppe , sann lange und sagte betrübt : " das hat mir wohl freilich nur geträumt , aber so meng ich jetzt den Traum ins Wahre und umgekehrt .
Ich sollte mehr über Schoppe gerührt sein -- er ist doch ein Greis und Greise weinen gleich dem Eulenspiegel , wenn es bergab geht . "
-- " Ich will Dich nun trösten , mein Freund , ( sagte Albano mit zerrissener Brust , ) ich will einen Irrtum von Deinem treuen Herzen nehmen und dann gehst Du gewiß mit mir ; dieser Kahlkopf , unser Spötter und Gaukler , ist nach dem heiligen Wort meiner Schwester eine und dieselbe Person mit meinem Oheim , und ist ein Bauchredner . "
Lange stand Schoppe wie tot als habe er nicht gehört , plötzlich stürzte er mit aufblühendem Gesicht , mit funkelnden Augen auf die Knie und stammelte :
" Himmel !
Himmel !
Verrücke mich ! --
Das Weitere tue ich -- -- "
Hier machte er eine böse abwürgende Bewegung mit den Händen und sagte erstarkt : " ich kann Dir folgen . "
Jetzt konnte er das wirklich , vorher aber kaum stehen .
Und so führte Albano den unglücklichen gereizten Freund betrübt in seine eigene Wohnung .
136 Zykel .
Albano wandte nun alles an , was Freundschaft im Vermögen hat , den edlen Kranken wieder innerlich und äußerlich aufzurichten und zu verjüngen .
Besonders suchte er den Steg , worüber alle seine Saiten gezogen waren und den der Ritter und sein Bruder vor Linda umgerissen hatten , wieder aufzustellen , nämlich sein stolzes Bewußtsein , das an der grausamen Demütigung so sehr danieder lag .
Wie nur reine Bruder-Achtung und heiliges Anbeten einer göttlichen Reliquie einen wunden Stolz sanft erwärmen und beleben kann , so versucht es der biedere Albano .
Allein ohne Genugtuung am Spanier , dem Anstifter des Unheils und dem Verführer des Ritters , laufe , wie Schoppe selber sagte , sein Rückgrad nie wieder steilrecht und sein Rückenmark bleibe gebogen .
Nur Albano's Duell mit dem Oheim war frisches Wasser für ihn ; es mußte ihm mehrmals erzählt werden .
Sein durstiger Wunsch war , so gesund zu werden als er zum Kriege mit dem Spanier brauchte und dann als ein Toller ihm die Beichte aller Streiche und Gauklereien auf einem Sterbebette , worauf er ihn zu legen dachte , abzupressen : " dann ( setzt ' er jedesmal lächelnd hinzu ) kann es mir wohl egal sein , ob die Welt rund wird oder eckig und nach Frankreich ist mein erster Schritt . "
Albano mußte dieses griechische Feuer des Zorns , das am Ende zur stärkenden Kur des durch Demütigung erfrorenen Körpers wirkte , immer tiefer unter sich brennen lassen , da jedes Löschen es nur nährte ; nur mußt ' er wachen , daß er keine freie einsame Minute bekäme , um brennend zu entspringen und den Spanier aufzusuchen .
Albano wich Tag und Nacht nicht von seinem Kanapee-Lager , auch aus anderen Gründen .
Denn war Schoppe einsam und sein Mordian schlief , ( den er niemals weckte , weil der Hund , sagte er , offenbar träume und da in idealischen Welten fliege und schnuppere , wovon auf den Gassen der wirklichen kaum eine Schatten-Spur zu wittern sei , ) war er also allein mit dem stillen Tier ( denn wacht ' es , so hatte er Gesellschaft genug ) und sein Blick fiel zufällig auf seine Beine oder Hände :
so fuhr seine kalte Furcht über ihn her , daß er sich erscheinen und den Ich sehen könne .
Der Spiegel mußte verhangen werden , damit er sich nicht fände .
Seine Nächte waren ohne Schlaf , aber die Träume gingen nackt und keck um ihn .
Albano opferte ihm leicht seine gesunden Nächte , konnte aber doch nicht alle Träume des Freundes , diese Gespenster , die sonst vor Lebendigen entfliegen und einsinken , von dannen treiben .
Sie schlichen und blickten in Winkel- Schatten der Stube . -- Einst gegen Mitternacht war Albano hinausgegangen und traf wiederkommend ihn an , wie er eben mit einer Hand die andere fing und sagte : " wen habe ich da , Mensch ? "
-- " O guter , bester Schoppe , ( rief Albano halbzürnend , ) solche grundlose Spiele !
Eben so gut könnte ein Finger den anderen fassen ! "
-- " Ja freilich , " versetzt ' er .
" Aber höre ( sagt ' er leise , und kauerte sich , bückte den Kopf und wies mit dem rechlen Zeigefinger über die Nase hin in die Höhe ) , Du nanntest mich Schoppe -- so heiße ich nicht , aber ich darf meinen Namen nicht aussprechen , der Ich , der mich so lange sucht , hört es und fährt her -- Ein langer Leichenstein liegt auf dem Namen .
Schoppe oder Scioppius konnte ich mich sehr wohl nennen , weil mein vielnamiger Namensvetter und Namensvater ( im Bayle steht alles ) sich selber bald so bald so hieß , bald Junipere d' Amone , bald Denig Vargas , oder Grosippe , oder Krigsöder , Sotelo , bald Hai .
-- Daß der Mann noch wirklicher Titular-Fürst von Athen und Herzog von Theben war durch ottomannische Kanzlei und Gnade , muß ich ganz zu vergessen scheinen , wenn ich Malteser-Bibliothekar bleiben will .
In der Tat trat ich sonst in Gasthöfe noch mit manchem Namen ein , der dem nachsetzenden Ich prächtig mitspielte und vormachte , z. B. Löwenskiould , Leibgeber , Graul , Schoppe ohnehin , Mordian ( den ich meinem Hund schenkte ) , Sakramentierer und einmal huleu -- manche kann ich ganz vergessen haben -- Der wahre ist ( sagte er scheu lispelnd ) ein ß oder S -- s * ) --
Gib mir eine dritte Hand her -- Aus Totenkleidern wird der * ) S -- s , heißt Siebenkäs .
Aus den Blumen- , Frucht- und Dornenstücken ist bekannt , daß Schoppe früher Siebenkäs sich genannt --
Dann diesen Namen an seinen ihm bis zum Nahme herausgeschnitten und ich liege darin schon unter dem Grabe .
-- " " Ich bin ich " " das waren zwar des alten hübschen Swifts Endworte , der sonst wenig sagte in seiner so langen Tollheit -- Ich möchte es aber nicht wagen , so bei mir zu sein --
Nun , getrost , die unendliche Weisheit hat alles geschaffen , auch Tollheit in Menge .
-- Aber Gott gebe nur , daß Gott selber niemals zu sich sagt : Ich !
Das Universum zitterte auseinander , glaube ich , denn Gott findet keine dritte Hand . "
Albano schauderte über den Sinn des Unsinns -- Schoppe schien Eis -- dann warf er sich plötzlich an die Bruder-Brust -- beide sprachen nichts über die Sache -- und Albano fing heitere Schilderungen vom glücklichen Hesperien an .
So brachte er pflegend , schonend , liebkosend , geduldig und einsam die Tage , die er * ) * ) Gesichte ähnlichen Freund Leibgeber abgegeben , von dem er den seinigen angenommen -- und daß der Freund sich zum Schein ein Grabmal als Siebenkäs errichten lassen . gern zu seiner Flucht aus Deutschland verwendet hätte , mit dem kranken Freunde zu ; und liebte ihn immer heftiger , je mehr er für ihn tat und ausstand .
Er wollte es durchaus vom Schicksal nicht leiden , daß eine solche Welt voll Ideen ihrem Erdbrand und ein so freies Herz voll Redlichkeit dem letzten Schlage näher komme .
Schoppe hatte in des Jünglings Herzen sogar noch ein größeres Reich als Dian ; denn er nahm das Leben freier , tiefer , größer , mutiger ; und wenn Dians Lebensgesetz Schönheit war , so hieß seines Freiheit und er ging , wie unser Sonnensystem , nach dem Gestirne des Herkules zu .
Aller Bitten ungeachtet nahm er keine Heilmittel vom D. Sphex ; denn er habe schon , sagte er , sich einem alten bekannten Praktiker und Kreisphysikus anvertrauet , der Zeit .
Er verstattete Sphexen gern , ein Rezept aufzusetzen , es zu bringen , sah es willig durch , disputierte über den Inhalt , merkte an , es sei leichter ein Gesundheitsrat zu sein als einen Gesundheitsrat zu geben , und er sehe wohl , daß er seinen Zustand treffe , weil er ihn schwächend bei handle , was bei Wahnsinnigen das Erste sei ; aber er setzte dazu , er begehre eben keine Vernunft , sondern nur ein Paar tapfere Schenkel zum Gehen und Stehen und ein Paar gefüllte Arme zum Zuschlagen und übrigens sei er ihm Gram , weil er Hunde zerschneide .
Auch Albano nahm zuletzt an , habe Schoppe nur Muskelkräfte zu einer geselligen Reise mit ihm wiedergewonnen , so fliehe der Wahnsinns-Traum , worein ihn die ungesellige gewiegt , leicht von selber hinweg .
Immer fuhr er den Arzt am meisten an .
Einst sagte dieser : " folgen Sie wenn nicht mir , doch Ihrem zweiten Ich " und zeigte auf Albano .
" Zum Teufel , ( versetzt ' er , ) mein zweites Ich , das möget Ihr selber sein -- ich scheue mich genug davor -- aber der da ist gewiß , das verhoff ich , kaum mein sechstes , zwanzigstes oder dergleichen Ich . "
-- Indes blieb Sphex bei der Meinung , seine sthenische Schlaflosigkeit , die wechselnd die Tochter und die Mutter seiner Fieberbilder , zumal des Kahlkopfs sei , versperre die Kur und müsse schwächend bezwungen werden .
Als einstmals Dian , der seinen Freund Albano oft besuchte , dies vernahm , fragte er , warum man ihn nicht geradezu mit der Nachricht , der Spanier sei aus Furcht vor ihm abgereist , etwan nach Frankreich , täuschen und heilen wolle .
Albano versetzte : " wahrlich ich wollte es gern sagen , aber ich kann es nicht , ich könnte eben so gut Gott oder mir eine Lüge sagen wollen . "
-- " Einbildungen !
( sagte Dian ) ich sage es ihm selber . "
-- " Wessen ich mir auch gleich vom Spaniard versehen habe , " versetzte Schoppe auf die offizinelle Rezept-Lüge .
Als Dian fortgegangen war , fragt er Albano : " Sitz ' ich jetzt nicht viel kühler und eisiger da ?
Und zwar seit der Kahlkopf in Frankreich ist , bin ich fast so ein neuer Mensch .
Freilich lüge ich , aber Dian log früher . "
Endlich entschloß sich der Arzt , ihm geradezu einen Schlaftrunk in sein Getränk zu mischen .
Albano erlaubte es .
Schoppe bekam ihn ; glühte und phantasierte einige Minuten lang , endlich stieg der Nebel des Schlafs und überdeckte bald den Kranken .
Albano besuchte da nach langer Zeit das Grün der Erde und das Blau des Himmels wieder und seinen Dian in Lila .
Wie viel war seitdem verändert , durch einander , über einander gestürzt !
Wie viele Blätter waren wieder Knospen geworden !
Und mancher Schaum des Lebens , der weiß und zart und leicht ihn sonst erfreuet hatte , erkältete setzt als graues , schweres Wasser seine Brust , und er hatte außer seinen Lebensmut fast wenig behalten .
Bei Dian hörte er von neuen Veränderungen , von des Fürsten nahem Sterben , von Idoinens nahem Kommen zur Schwester vor der Trauer .
Wie wunderbar-verstört schlug seine Seele aus ihrem Winter-Schlafe in den warmen Sonnenschein , den dieses Ebenbild Lianen um sein Leben legte , die Augen auf ! --
In mancher stillen Nacht neben Schoppens Geister-Lager war ihm schon , seitdem Julienne ihn zum erstenmal die Erscheinung dieses Friedensengels ohne den Schleier sehen lassen , die vorige Zeit und Liebe wie ein Himmel ferner Sterne wieder aufgegangen , und in dem Helldunkel der von Schlaf entkleideten Träume sah er auf dem Meere der Zeit eine ferne , ferne Insel -- hinter sich , oder vor sich , wusste er nicht -- , wo eine weiße abgewandte Gestalt Lianen gleich oder ähnlich schwebte und als Nachhall sang -- Jetzt dicht nach dem Sterbemonat des Bruders folgte der Sterbemonat der Schwester Liane .
Wäre es möglich , daß die Überirdische aus dem stillen Spiegel der zweiten Welt und aus dessen unabsehlichen Fernen herausträte wieder in den irdischen Luftzug und nach der Verklärung wieder verkörpert hier ginge ?
Aber die Freundschaft forderte Raum für ihre Schmerzen und diese Wolken-Bilder wurden bald von ihr bedeckt oder umgestürzt .
Er war nicht im Stande , so sehr er es auch wünschte , von Schoppe eine Beschreibung jener Heilungs-Nacht zu fordern , ja nur zu leiden , worin Idoine Liane gewesen ; und doch war diese Gestalt der einzige lebendig-spielende Juwel im Totenring an dem Skelett der harten Zeit , das vor ihm stand .
Welche Tage !
Was ihm die Gräber nicht wegschlangen , hatte die Erde dahin genommen und Gaspard , sonst sein hoher Vater auf einem reinen Thron des Himmels , war nun seiner Phantasie mit fürchterlichen Höllen- Kräften und Waffen nach unten erschienen , auf einem Throne des Abgrunds sitzend .
-- Desto milder umfloß ihn nun , als er in Dians Hause war , die stillere Gegenwart , der Gedanke des ruhenden Freundes , der Anblick des nahen Traum-Tempels , wo Liane einmal Idoine gewesen , und die Verkündigung , daß das Ebenbild der Geliebten nahe .
Er malte sich den süßen und bitteren Schrecken ihrer Erscheinung vor ihm ; denn wie in dem Strome die hinübergebogen Blume nicht nur ihr Bild , auch ihren Schatten entwirft , so ist sie Lianen schönes Bild und Schatten zugleich -- und in der Lebendigen würde ihm eine Verlorene und eine Verklärte zugleich erscheinen .
Unter diesem träumerischen Helldunkel und Abendrot , aus Vergangenheit und Zukunft zusammengeflossen , kam er in sein Haus zurück .
Ein scharfer Blitzstrahl schlug weiß über das träumerische Rot , sein Schoppe war nach wenigen Minuten des Zwangschlafs wild aufgefahren und wahnsinnig entsprungen , niemand wußte wußte wohin .
Der Arzt kam und sagte entscheidend , entweder habe er sich ins Wasser gestürzt oder jeden anderen , er sei wild dahin gerannt und habe noch seinen Stockdegen mitgenommen . Titan IV. H h. Vier und dreißigste Jubelperiode .
Schoppe's Entdeckungen -- Liane -- die Kreuzkapelle -- Schoppe und der Ich und der Oheim .
137. Zykel .
Da Schoppe seinen großen Degenstock mitgenommen :
so vermutete Albano , daß er als Würgengel zum Spanier gegangen .
Er eilte in den Gasthof des Oheims .
Ein Bedienter sagte ihm , ein Rotmantel mit einem dicken Stocke sei da gewesen und habe vor den Herrn gewollt , aber man habe ihn auf des letzteren Befehl ins Schloß geschickt , unterdessen sei der Herr nach dem Prinzengarten abgereist , um dem starken Bruder entgegen zu gehen .
Al bano fragte :
" Wer ist der starke Bruder ? "
" Deren Herr Vater , " versetzte der Bediente .
Albano eilte auf das Schloß .
Hier war laufende Verwirrung um das Krankenbette des Fürsten , der es bald mit dem Paradebette zu vertauschen drohte .
Eilige Diener begegneten ihm .
Einer konnte ihm sagen , er habe einen Rotmantel ins große Spiegelzimmer gehen sehen .
Albano trat hinein , es war leer , aber voll seltsamer Spuren .
Ein großer Spiegel lag auf der Erde , eine Tapetentür dahinter stand offen , ein offenes Souvenir , Räder und weibliche Kleidungsstücke waren um einen wächsernen alten Kopf verstreuet .
Ihm war als sehe er etwas was er schon gesehen und konnte sich es doch nicht nennen .
Plötzlich erblickte er in einem Eckspiegel tief hinter seinem jungen Gesicht sich noch einmal , aber mit Alter bedeckt , und dem wächsernen Kopfe ähnlich .
Er blickte sich um , ein erhobener Spiegel-Zylinder schloß ihm gleichsam die Zeit auf und er sah in ihrer Tiefe sein graues Alter .
Schauernd verließ er das sonderbare Gemach .
Eine Kammerfrau Julienne stieß ihm H h. 2 auf , sie konnte ihm sagen , daß sie den " Schatten-Schneider " im roten Mantel mit einem Perspektive in der Hand über den Schloßhof habe hinausgehen sehen .
Er eilte nach , da kam ihm Augusti unter dem Tore entgegen mit der Bitte des Fürsten , ihn noch einmal zu besuchen ; " jetzt unmöglich , ich muß erst den wahnsinnigen Schoppe wieder haben " versetzt ' er .
In seiner Brust lebte nur der Freund ; auch nahm er den Fürsten nur für die Maske seiner sprechsüchtigen Schwester .
" Ich sah ihn auf dem Wege nach Blumenbühl " sagte der Lektor .
Er flog davon .
Am Tore wurde Augusti's Nachricht von der Wache bestätigt .
Auf der Blumenbühle Straße begegnete ihm der Wagen des Hofpredigers Spener , der zum Fürsten fuhr .
Albano fragte nach Schoppe .
Spener berichtete , er habe mit ihm , da er vor einem einzelnen Hause einer kranken alten Beichttochter wegen , eine Stunde lang geholten , viel gesprochen , ihn gesund , ungemein vernünftig , nur älter und zurückhaltender als gewöhnlich gefunden .
Auf die Frage nach seinem Wege , versetzte der Hofprediger :
er sei nach der Stadt .
Das schien ihm unmöglich , aber Spener's Leute bestätigten es vom Grünrock .
Albano sprach von einem roten Mantel , alle und Spener blieben bei dem grünen Rock .
Er kehrte wieder um in sein eigenes Haus , wo vielleicht ihn selber , dachte er , Schoppe suche und erwarte .
Der Leibeigene des Doktors , der hagere Malz , sprang ihm mit der Nachricht entgegen , Herr v. Augusti habe ihn eben gesucht und der kranke Herr sei zum alten Tor hinaus spazieren gegangen in einem neuen grünen Rock .
Es war die Straße nach dem Prinzengarten , die er nach Albano's Vermutung gewiß genommen , sobald ihm des Spaniers gleiche kund geworden .
Draußen wurde sie durch Falterle bestätigt , welcher erzählte , er habe bei dem Ausritt ihn eingeholt und sogleich befragt : " wohin so eilig , Herr Bibliothekar ? " darauf sei er still gestanden , habe ihn ernsthaft angesehen und die Antwort gegeben : " wer sind Sie ?
Sie irren sich " und sei fortgegangen .
Albano fragte nach der Kleidung : " in grüner " , versetzte Falterle .
Jetzt war sein Weg entschie den .
Der müßige Reiter konnte sogar bekräftigen , daß der Oheim früher denselben genommen .
Spät abends kam Albano im Prinzengarten an .
Er sah einige Wagen an dem Hofe des kleinen Gartenschlosses .
Endlich begegneten ihm Leute seines Vaters , die ihm sagen konnten , Schoppe sei ruhig , froh und lange in dem Garten mit einem Herrn von Hasenreffer aus Haarhaar umhergegangen und mit ihm nach der Stadt gefahren .
" An einem Menschen hat er doch wieder einen Schutzgeist und Wärter " dachte Albano und der kalte Regen , der ihn bisher quälte , war weggezogen , obgleich der Himmel noch trübe blieb .
Er wich mit seinem angegriffenen Herzen , das in dieser Landschaft nur von einem dunklen Horizont umgeben war , jeder Gesellschaft und dem Lustschloß aus .
Fern vorübergehend wagt er es , einen traurigen Blick auf die Schlummerinsel zu werfen , wo Roquairol's Grabhügel , wie ein ausgebrannter Vulkan , neben der weißen Sphinx zu sehen war .
" Still liegt endlich das unbändige Schwungrad um , aus dem Strom der Zeit gehoben , nur mit dem Grabe schloß sich der Janustempel deines Lebens zu , du gequälter und quälender Geist , " dachte Abano voll Mitleiden , denn er hatte den Toten sonst so sehr geliebt .
Droben auf dem Gartenberg mit einem Lindenbaum ruhte seine sanfte Schwester , der freundliche , liebliche Friedensengel mitten im Kriegsgetümmel des Lebens , Sie der ewige Friede , wie Er der ewige Krieg .
Er beschloß hinauf zu gehen und allein oben bei der Himmelsbraut zu sein und auf dem den Blumen geweihten Boden das Beet aufzusuchen , unter welchen ihre Blumen-Asche sich vor den Stürmen zugedeckt .
Da er den Vorsatz nur dachte , so drangen Tränenströme wie Schmerzen aus seinen Augen ; denn die bisherigen Nachtwachen und Sorgen hatten ihn träumerisch-aufgelöst und so manches Unglück in so kurzer Zeit dazu , das ihm das schöne feste Leben von einem Ende zum anderen mit giftigem Stachel und Zahn durchgraben hatte .
A !s er in der noch mondlosen aber sternreichen Dämmerung , worin nur der Abendstern der Mond war , gleichsam ein kleinerer Spie gell der Sonne , den Hügel hinaufgieng : sah er aus dem Prinzengarten ein Paar graugekleidete Menschen heftig winken , als wollten sie ihm den Gang verbieten .
Er ging unbekümmert weiter , ja er wußte nicht einmal , ob nicht sein vom Wachen glühendes und von Lebens-Stößen erschüttertes Gehirn ihm diese Gestalten wie aus einem Hohlspiegel vorflattern lasse .
Wie in einen griechischen dachlosen Tempel , trat er in den heiligen Kloster-Garten der stillen Nonne , worin der Lindenbaum laut sprach und die stillen Blumen wie Kinder über der Ruhenden spielten und sich neigten und wiegten .
Hoch und weit gingen die Sternenbogen wie schimmernde Ehrenbogen über die kleine Erdenstelle her , über den geheiligten Ort , wo sich Lianen Hülle , das kleine Licht- und Rosenwölkchen , niedergesenkt , als es den Engel nicht mehr zu tragen hatte , der in den Äther gegangen war und aller Wolken nicht mehr bedurfte .
Plötzlich erblickte der schaudernde Albano Lianen weiße Gestalt an die Linde gelehnt und gegen den Abendstern und die Abend röte gewandt ; lange schaute er an der seitwärts gekehrten Gestalt die himmlisch-herabsteigende Antlitz-Linie an , womit Liane so oft als eine Heilige unbewußt neben ihm gestanden -- noch glaubte er , ein Traum , der Proteus der menschlichen Vergangenheit , ziehe das Luftbild aus dem Himmel hernieder und spiele es vor und er erwartete das Vergehen .
Es blieb , aber ruhig und stumm .
Hinkniend , wie vor der offenen Pforte des weiten langen Himmels voll Verklärung und Gottheit , und aufgerissen aus den Erden-Tälern , rief er aus :
" Erscheinung , kommst Du von Gott , bist Du Liane ? " und ihm war als sterbe ' er .
Schnell blickte die weiße Gestalt sich um und sah den Jüngling , sie stand langsam auf und sagte : " ich heiße Idoine , ich bin unschuldig an der harten Täuschung , sehr unglücklicher Jüngling . "
-- Da bedeckte er seine Augen , aus schnellem Schmerz über die Wiederkehr der schweren kalten Wirklichkeit .
Darauf sah er die schöne Jungfrau wieder an und sein ganzes Wesen zitterte vor ihrer verklärten Ähnlichkeit mit der Toten , so lächelte sonst Lianen zarter Mund im Lieben und Trauern , so öffnete sich ihr mildes Auge , so ging ihr feines Haar um das blendendweiße , gefällige Angesicht , so war ihr ganzes schönes Gemüt und Leben aufrichtig in ihr Antlitz gemalt -- Nur stand Idoine größer da , wie eine Auferstandene , stolzer und länger ihre Gestalt , blasser ihre Farbe , denkender die jungfräuliche Stirn .
Sie konnte , da er sie so schweigend und vergleichend anblickte , sich der Rührung über den getäuschten Unglücklichen nicht erwehren und sie weinte , und er auch .
" Betrüb ' ich Sie auch ? " sagte er in höchster Bewegung .
Mit dem Sprachtone der Jungfrau , die unter den Blumen lag , sagte unschuldig Idoine : " ich weine nur , daß ich nicht Liane bin . "
Schnell setzte sie hinzu : " ach diese Stelle ist so heilig , und doch ist_es der Mensch nicht genug . "
-- Er verstand ihre Selbst-Rüge nicht .
Ehrfurcht und Offenherzigkeit und Begeisterung bemächtigten sich seiner , das Leben stand glänzend aus der engen , bangen Wirklichkeit auf , wie aus einem Sarg , der Himmel sank näher herzu mit hohen Ster einen und beide standen mitten unter ihnen :
" Edle Fürstin , ( sagt ' er , ) hier entschuldigen wir uns beide nicht -- Die heilige Stelle nimmt , wie eine zweite Welt , das Fremdsein weg -- Idoine ich weiß es , daß Sie mir einst den Frieden gegeben und vor der verborgenen Hülle des Geistes , in dessen Sinne Sie sprachen , danke ich Ihnen hier . "
Idoine antwortete : " ich tat es , ohne Sie zu kennen und darum konnte ich mir den kurzen Gebrauch oder Mißbrauch einer entfliehenden Ähnlichkeit erlauben .
Hätte es von mir abgehangen , so hätte ich Sie nie mit einer so unbedeutenden , wie eine äußere ist , doch so schmerzlich erinnert .
Aber ihr Herz verdient Ihr Andenken und Ihre Trauer .
Man schrieb mir , Sie wären nicht mehr in Lindenstadt . "
-- Sie suchte jetzt zum Fortgehen zu eilen .
" In einigen Tagen ( antwortete er ) werde ich auch reisen .
Ich suche Trost im Kriege gegen den Frieden des Grabes und der Wüste , der mein Leben stille macht . "
-- " Ernste Tätigkeit , glauben Sie mir , söhnet zuletzt immer mit dem Leben aus " sagte Idoine , aber die ruhigen Wor te wurden von einer bebenden Stimme getragen , denn durch Hilfe ihrer Schwester hatte sie das ganze graue Regenland seiner Gegenwart vor das Auge bekommen und ihr Herz war voll tiefen Mitleidens gegen die Menschen .
Er sah sie hier scharf an , ihre Nonnen-Augenlieder , die immer unter dem Sprechen sich über die ganzen großen Augen niedersenkten , machten sie einer entschlummerten Heiligen so ähnlich ; -- er wurde von ihren letzten Worten an ihr fruchttragendes Leben in Arkadien erinnert , wo der bunte Blütenstaub ihrer Ideen und Träume , ungleich dem schweren toten Goldstaub des bloßen Reichtums , leicht im heiteren Leben flatternd , unbemerkt belebend , endlich feste Wälder und Gärten auf der Erde ausbreitete -- alles in ihm liebte sie und rief : nur sie könnte deine letzte wie deine erste Liebe sein -- und sein ganzes Herz , durch Wunden offen , war der stillen Seele aufgetan .
Aber ein ernster , harter Geist schloß es wieder zu :
" Unglücklicher , liebe keine mehr , denn ein dunkler Würgengel geht hinter Deiner Liebe mit dem Schwert , und welche Rosenlippe Du an Dich drückst , diese berührt er mit der scharfen Schneide oder mit der Giftspitze , und dann vergeht oder verblutet sie . "
-- Er sah schon den Glanz dieses Schwerts im langen Dunkel ziehen ; denn Idoine hatte das Gelübde getan , nie unter ihrem Fürstenstande die Hand zum Bunde der Liebe zu reichen .
So standen beide geschieden neben einander in Einem Himmel , eine Sonne und ein Mond , durch eine Erde getrennt .
Sie beschleunigte ihre Entfernung .
Albano hielt es nicht für recht , sie zu begleiten , da er jetzt erriet , daß die graugekleideten Menschen , die ihm zurückgewinkt , ihre Bedienten gewesen , die ihr Einsamkeit zusichern sollen .
Sie reichte ihm an der Gartentür die Hand und sagte : " leben Sie glücklicher , lieber Graf ; einst hoffe ich Sie so glücklich wieder zu finden als Sie sich machen sollen . "
Die Berührung der Hand wie einer himmlischen , die sich aus den Wolken gibt , durchströmte ihn mit einem verklärten Feuer jener Welt , wo Auferstandene leicht und schimmernd schweben und die hohe Ehrfurcht gebende Gestalt begeisterte sein Herz ; -- er konnte nicht sagen , was er in sich besiege und bedecke , aber auch kein anderes kaltes verkleidetes Wort ; -- er kniete nieder , drückte ihre Hand an die Brust , sah weinend an den Sternenhimmel und sagte bloß :
" Frieden , Allgütiger ! "
-- Idoine wandte sich eilig ab und ging nach einigen schnellen Schritten langsam den kleinen Hügel in den Prinzengarten hinunter .
Nach wenigen Minuten sah er die Fackeln ihres Wagens durch die Nacht fliegen , in der sie gern zu reisen wagte .
Um den Hügel war es dunkel , die Abendröte und der Abendstern waren untergegangen , die Erde wurde ein Rauch und Schutt der Nacht , am Horizont baute ein Trauergerüst von Wolken sich auf .
Aber in Albano war etwas unbegreiflich Freudiges , ein lichter Punkt in der Finsternis des Herzens .
Und als er den Leucht-Atom anschaute , breitete er sich aus , wurde ein Glanz , eine Welt , eine unendliche Sonne .
Jetzt erkannt er es , es war die rechte unendliche und göttliche Liebe , welche schweigen kann und leiden , weil sie nur Ein Glück kennt , aber nicht das eigene .
Er war erfreuet über das Überhüllen feiner Brust und über seinen Entschluß , sie nicht wieder zu sehen in der Stadt .
" So still ( sagt ' er halb betend halb sprechend ) will ich Sie ewig lieben -- ihre Ruhe , ihr Glück , ihr schönes Streben bleibe mir heilig und ihre Gestalt mir verdeckt und fern wie die ihrer Himmels- Schwester -- Aber wenn die Schlacht für das Recht anfängt und die Töne neben den Fahnen in die Höhe wehen und das Herz eifriger schlägt , um stärker zu bluten , dann ziehe dein Bild , o Idoine , mir im Himmel voran und ich streite für dich ; und wenn im Getümmel ein unbekannter Würgengel die giftige Schneide über die Brust zieht :
so will ich im ermattenden Herzen dich festhalten bis mir die Erde vergeht . "
Er sah sich nach diesem Gebete heiter um auf dem Gottesacker des jungfräulichen Herzens , er fühlte , Liane allein dürfe es wissen und sie werde ihn segnen .
138. Zykel .
Albano konnte in einer Gegend , in welcher die einzelnen Säulen und Bogen des zehr störten Sonnentempels seiner Jugend umherlagen , keine Nacht zubringen :
sondern er begab sich traurig-träumend auf den Weg zur Stadt .
Unterwegs fand er den Landschafts- Direktor Wehrfritz zu Pferd , der ihn suchte .
" Herr Sohn , ( sagt ' er , ) es sind mir von Deinem intimen Freunde , Herrn Schoppe , die wichtigsten Sachen zu Händen gestellt worden , die ich nur in Deine eigenen wieder auszuhändigen habe , was ich denn hiermit eilig tue .
Denn Muße habe ich bei Gott wenig , der Fürst ist diesen Abend mit Tod abgegangen vor Schreck , weil jemand sagte , sein alter Vater , der ihm zum Todes-Anzeichen soll zum zweitenmal zu erscheinen versprochen haben , sei im Spiegelzimmer zu sehen , was aber nur , höre ich , was von Wachs gewesen .
Es sind die Sachen , die ich auszuliefern habe , erstlich ein Perspektiv , womit Du Deine Mutter und Schwester gemalt sehen wirst ( ich bediene mich mit Fleiß Herrn Schoppens eigener Ausdrücke ) , zweitens ein geschriebenes Paket , addressirt an : Albano , erzogen bei Wehrfritz , das noch halb in einer zerschlagenen schwarzen Marmor stufe stufe steckt und drittens Dein Porträt . "
Das Porträt stellte Albano im jetzigen Alter dar , fand man -- so viel die Sterne zu sehen gönnten -- , indes er sich doch nie malen lassen .
Die schwarze Marmorstufe und das Perspektiv brachten ihm die Prophezeiung seines Vaters auf Isola bella * ) vor die Seele : ihm werde in einem Bilderkabinett eine weibliche Gestalt aus der Wand entgegen treten und ihm einen Ort aufschreiben , wo er die schwarze Stufe und vorher einen zeigen , wo er das Perspektiv zu finden habe , dessen Okularglas ihm aus dem alten Bilde seiner Schwester ein junges kenntliches und dessen Objektivglas aus dem jungen Bilde seiner Mutter ein altes kenntliches machen werde .
Albano tat ängstliche Fragen nach Schoppe und der Fundgeschichte der seltsamen Fracht .
" Mit H. Schoppe geht es gut genug , ( antwortete Wehrfritz , ) er muß hier in der Nähe sein mit einem fremden Herrn . "
Albano fragte nach seiner Kleidung ; diese wurde zu seinem * ) Titan I. Band S. 58 u. s. w. Titan IV. I i Erstaunen wieder aus einer grünen zur roten .
Kaum hatte Wehrfritz die wunderbare Geschichte , wie Schoppe jene Wunderdinge überkam , zu geben angefangen :
so unterbrach Albano , der daraus die Auflösung der väterlichen Prophezeiung abnahm , vor Erwartung den Bericht mit der Bitte , ihn zu der nahen Kreuzkapelle zu begleiten , um welche mehrere Laternen standen .
Er hatte beide Medaillons immer bei sich , und war jetzt so begierig , das Angesicht seiner Mutter durch das Objektivglas zu sehen so wie das Papier zu lesen .
Bei der äußersten Laterne hielten sie , Albano nahm das Medaillon der veralteten Gestalt hervor , worunter stand : nous nous verrons un jour , mon frere , er besah es durch das Okularglas : siehe , das alte Gesicht war das junge seiner Julienne .
Vertrauend und ungestüm hielt er das altmachende Glas ans junge Bild , worunter stand : nous ne nous verrons jamais . mon fils , -- ein freundliches aus einem langen Leben herüberlächelnd altes Gesicht erschien , dessen erblicktes Urbild ihm in einer tiefen , dunklen Erinnerung lag aber namenlos ; von Linda's Mutter hatte es indes keinen Zug .
Auf einmal hörte er eine bekannte Stimme : " Eco Eco ! --
Mein Neveu , mein Herr ! "
Es war Albano's Oheim , der den schwarzgekleideten , wehklagenden Schoppe zu ziehen schien und weinerlich den Neffen anredete : " ach , Neveu !
O ich sage die Wahrheit , nur Wahrheit pour jamais . "
Er sah lachend aus und glaubte zu weinen .
Der Schwarzrock trat näher , wurde ein Grünrock und sagte : " Herr Graf , täuschen Sie sich keine Minute , unsere Bekanntschaft beginnt mit einem gemeinschaftlichen Verlust . "
-- " Mein Schoppe , ( sagte Albano erschüttert , ) kennst Du mich nicht mehr ? "
-- " O wäre ich es jetzt !
Ich heiße Siebenkäs , " versetzte der Grünrock und hob jammernd die Hände in die Höhe .
" Er liegt aber da in der Kapelle , ( sagte der Spanier , ) ich will alles so wahrhaftig erzählen , daß es schön ist .
Ich glaube nicht , daß der Finstere kommt . " -- Albano warf einen Blick in die Kapelle und mit einem Schrei des Schmerzens stürzte er danieder .
I i 2 139 Zykel .
Schoppens Geschichte war nach Wehrfritzen und des Oheims Aussagen diese :
er war aus dem Notschlummer glühend aufgefahren , auf dem schnaubenden Streitroß der Rachsucht gegen den Spanier wurde er fortgerissen .
Im Gasthofe des letzteren wies ihn der Bediente mit einer Lüge nach dem Schlosse .
Hier gelangt er , im verworrenen Getümmel um den leidenden Fürsten , ungefragt , ungesehen in das Spiegelzimmer , wo er einmal die Gräfin Linda um Idoinens Friedenswort für den wahnsinnigen Freund gebeten hatte .
Als der Zylinder-Spiegel , der die langen Jahre des Alters auf das junge Gesicht gräbt und Moos und Schutt der Zeit darauf schüttet , ihm sein Bild vermooset und verrast entgegen warf , sagte er : " ho ho , der alte Ich steckt wo in der Nähe " und schaute grimmig umher .
Aus den Spiegeln der Spiegel sah er ein Ichs-Volk blicken .
Er sprang auf einen Stuhl , um einen langen Spiegel loszumachen .
Indem er den Nagel desselben rückte , schlug in der Wand eine Uhr zwölfmal .
Hier fiel ihm die Weissagung Gaspards ein , die sein Freund ihm auvertrauet hatte , und alle Regeln , die diesem zur Lösung der Rätsel vorgeschrieben waren .
In der Weissagung war zwar die Rede von einem Bilderkabinette , aber ein Spiegelzimmer ist auch eines , nur flüssiger und tiefer hinter der Wand .
Er nahm ( folgsam den von Gaspard gegebenen Regeln ) den Spiegel herab , -- fand und öffnete die Tapetentür in der Größe des Spiegels -- die hölzerne weibliche Gestalt mit dem offenen Souvenir in der Linken und dem Krayon in der Rechten saß dahinter -- er drückte ( nach der Vorschrift ) den Ring am linken Mittelfinger -- die Gestalt stand , innen rollend , auf -- trat in das Zimmer hinaus -- hielt an der entgegengesetzten Wand still , zeichnete daran mit dem Krayon in der Hand eine Linie herab , er zog die Wandleiste auf -- das Perspektiv und der wächserne Abdruck des Sargschlüssels lagen in einem Fach dahinter --
Jetzt drückte er den Ringfinger , die Figur setzte den Krayon aufs Souvenir und schrieb : Sohn , gehe in die Fürstengruft in der Blumenbühle Kirche und öffne den Sarg der Fürstin Eleonore , so findest Du die schwarze Stufe .
-- Wenn das geschehen , hatte der Ritter zu Albano gesagt , und die Marmorstufe doch nicht im Sarge gefunden sei :
so soll er den dritten Ring am Ohrfinger drücken , worauf etwas geschehe was er selber nicht vorauswisse .
Schoppe versuchte vorher , ehe er in die Blumenbühle Kirche ging , den Druck dieses Fingers -- die Figur blieb stehen -- aber innen fing es zu rollen an -- die Arme dehnten sich aus und fielen ab -- Räder rollten heraus -- endlich zerlegte sich die ganze Gestalt durch einen mechanischen Selbstmord und ein alter Kopf von Wachs erschien .
Hier ging Schoppe davon , um nach Blumenbühl zu laufen und aus der Gruft die Leuchte für dieses Nachtstück zu holen .
Eben waren Mittags Kirche und Gruft -- vielleicht weil man dem neuen sterbenden Höhlen-Gast Raum vorbereitete -- offen gelassen .
Ohne erst den wächsernen Schlüssel in einen eisernen zu verwandeln , erbrach er ungestüm mit einem Arbeitseisen den Sarg und holte die Marmorstu fe und Albano's Porträt schnell heraus .
Er zerschlug jene hinter einem Busch .
Als er die Aufschrift las , untersucht er nicht weiter ; er eilte in Albano's Haus , um alles zu übergeben .
Beide aber suchten sich wechselseitig umsonst .
Indes traf er den rechtschaffenen Wehrfritz an , durch welchen allein er eine so wichtige Beute abschicken konnte ; er selber war jetzt dem Todfeinde , dem Spanier , auf der Spur und keine Gewalt konnte ihn aus der zornigen Jagdbahn treiben .
Bei Sonnenuntergang erblickte Schoppe den Spanier , der aus dem Prinzengarten dem Ebenbilde Siebenkäs entfliehend , ihm in die Hände gelaufen kam -- Er erstarrte vor des Wahnsinnigen Anblick , rief : " Herr und Gott , seid Ihr hinter mir und vor mir ? seid Ihr rot und grün " -- und stürzte seitwärts in die alte Kreuzkapelle hinein , um die heil. Jungfrau kniend anzurufen .
Schoppe spannte seine Konturschwingen aus , schoß hinzu und schlug sie vor der Kapelle zusammen : " drehe Dich um , Spaniard , ich fresse Dich von vorne " sagte er .
" Heilige Mutter Gottes , hilf mir , -- guter böser Geist , stehe mir bei , o Finsterer ! " betete der Kahlkopf .
-- " Rutsche herum , Spitzbube , ohne weiteren Spaß , " sagte Schoppe , indem er mit dem gezogenen Stockdegen in der Luft von hinten ein Hufeisen vor dessen Gesicht beschrieb .
Er drehte sich elend auf den Knien herum und der Kopf hing schlaff vom Halse herab .
Schoppe fing an : " nun habe ich Dich , Missetäter , Du betest mich ohne Nutzen auf den Knien an -- ich habe das Richtschwert -- toll bin ich auch -- in wenigen Minuten , wenn wir uns ausgesprochen haben , steche ich gegenwärtigen Stockdegen in Dich -- denn ich bin ein Toller voll fixer Ideen . "
-- " Ach Herr , ( versetzte der Kahlkopf , )
Ihr seid gewiß sehr verständig und bei Verstand und bei sich , ich bitte zu leben , es ist so große Todsünde das Totmachen . "
-- Schoppe versetzte : " von meinem Verstande ein andermal !
In effigie habe ich Dich schon erschossen , nun will ich die Todsünde und den Gewissensbiß nicht umsonst herumtragen , sondern mich in natura dazu tun , Du Seelen- Henker , Du Herz-Trepan ! "
" Schoppe , Schoppe ! " rief es jetzt einige Mal von Fernen mit Albano's Stimme .
Er sah sich schnell um , nichts war zu sehen .
" Guter Schoppe , ( fuhr es fort , ) lasse meinen Oheim gehen ! "
Jetzt entbrannte Schoppe und hob den Dolch zum Stich :
" Du gar zu versteinerter Bauchredner !
Sollte man nicht gleich ins Zeug hineinstechen wie in ein blessiertes Pferd ?
Siehst Du denn nicht den höllischen verdammten Mord und Totschlag vor der Nase , Deinen Pestwagen schon angespannt , das ausgepolsterte Gerippe des Todes in mein Fleisch gesteckt und jetzt die Sense heben ? --
Beichte , Spaniard , um Jesus Willen , beichte , Fliege , ehe ich Spieße , steche !
Etwas präkavierst Du Dich doch damit vor den Teufeln in der Hölle ; bist sonst drüben ein ganz ruinierter Mann . "
" Wo sitzt der Pater ?
Ich beichte ja wohl . " sagte der Spanier .
" Hier steht Dein Galgenpater , schau die Schur " , sagte Schoppe , vom gebückten tonsurierten Kopf den Hut abschüttelnd .
" Hört meine Beichte ! --
Aber Nachts leidet es der Finstere nicht , daß ich die Wahr heit sage -- er kommt gewiß , er holt mich , Vater , räuchert mich , wässert mich ein gegen den Teufel . "
" Stief-Beichtsohn und Dieb , bin ich Dir nicht Beichtpaters und Beichtvaters genug , der Dich schon einwässern wird ?
Sage nur , Hund , alles , ich absolviere Dich und schlage Dich dann tot zur Pönitenz .
-- Sage an , Du Krönungsmünze des Teufels , bist Du nicht der Kahlkopf , und der Vater des Todes und der Mönch zugleich , dessen Figur voll Gas in Mola gen Himmel fuhr , und hattest Bauchrednerei und Wachsbilderei und einige Spitzbüberei bei der Hand ? "
" Ja , Vater , Bauchrednerja und Wachsbildnerie und den Spitzbuben .
Aber der böse Geist war überall dabei , ich sagte oft nichts , und es wurde doch gesagt und die Gestalten liefen . "
-- " Mordian , ( sagte Schoppe darüber ergrimmt , ) fasse den Hund ! --
Noch lügst Du , Du Kloake ins Paradies gegraben , noch ins Ohr der großen Parze hinein , Du mimische Mumie , Dein Totenkopf ohne Lippe und Zunge regt sich noch zur Lüge ?
O Gott , was sind Deine Menschen ! "
" O Pater , nicht Lügen !
Aber der Finstere will sie Nachts , ich habe einen Bund mit ihm angestiftet -- Ich habe ihn heute abends gesehen , er sah wie Ihr aus und grün -- O Maria , o Pater , ich habe die Wahrheit gesagt , dort kommt er grün -- o Pater , o Maria , und hat Eure Gestalt und ein feuriges Auge in der Hand -- -- "
" Niemand hat meine Gestalt , ( sagte Schoppe erschüttert , ) als der Ich . "
" O umguck' !
Der böse Geist kommt zu mir -- absolviere -- Stich -- ich will wegsterben ! "
-- Schoppe schaute sich endlich um .
Der schreitende Abguß seiner Gestalt bewegte sich her -- das Feuerauge in der Hand stieg in das Gesicht -- die Ichs-Larve war grün gekleidet -- " Böser Geist , ich bin doch in der Ohrenbeichte , Du kannst nicht her , ich bin heilig " rief der Spanier und faßte Schoppen .
Ihn faßte der Hund .
Schoppe starrte die grüne Gestalt an -- der Degen entfiel ihm .
" Mein Schoppe , ( rief sie , ) ich suche Dich , kennst Du mich nicht ? "
" Lange genug !
Du bist der alte Ich -- nur her mit Deinem Gesicht an mein's und mache das dumme Sein kalt " rief Schoppe mit letzter Manns-Kraft .
" Ich bin Siebenkäs , " sagte das Ebenbild zärtlich und trat ganz nahe .
-- " Ich auch , Ich gleich Ich " sagte er noch leise , aber dann brach der überwältigte Mensch zusammen und dieser reinigende Sturm wurde ein seufzendes , stilles Lüftchen .
Mit weiß werdendem Gesicht , krampfhaft sich selber die starren Augen zuziehend stürzte er um , die spielenden Finger schienen den Hund noch anzulocken und die Lippen wollten sich zu einem Spottwort spitzen , das sie nicht sagten -- Sein Freund Siebenkäs , der nichts erraten konnte , hob weinend die kalte , festgeschlossene Hand an sein Herz , an seinen Mund und rief : " Bruder , blicke auf , Dein alter Freund aus Vaduz steht ja neben Dir und sieht Dich in der Todes Not , er sagt Dir tausend Lebewohl , Lebewohl ! "
-- Das schien durch die dem Leben noch offenen Ohren ins brechende Herz noch süße Töne der alten lieben Zeit und heitere Träume der ewigen Liebe zu führen -- Der Mund fing ein kleines Lächeln an , von Lust und Tod zugleich gezogen -- die breite Brust stieg noch einmal voll auf zu einem frohen Seufzer -- es war der letzte des Lebens und lächelnd blieb der Verstorbene auf der Erde zurück .
Nun hast Du hienieden geendigt , strenger , fester Geist , und in das letzte Abend-Gewitter auf Deiner Brust quoll noch eine sanfte , spielende Sonne und füllte es mit Rosen und Gold .
Die Erdkugel und alles Irdische , woraus die flüchtigen Welten sich formen , war Dir ja viel zu klein und leicht .
Denn etwas höheres als das Leben suchtest Du hinter dem Leben , nicht Dein Ich , keinen Sterblichen , nicht einen Unsterblichen , sondern den Ewigen , den All-Ersten , den Gott . -- --
Das hiesige Scheinen war Dir so gleichgültig , das böse wie das gute .
Nun ruhst Du im rech ten Sein , der Tod hat vom dunklen Herzen die ganze schwüle Lebens-Wolke weggezogen , und das ewige Licht steht unbedeckt , das Du so lange suchtest ; und Du , sein Strahl , wohnst wieder im Feuer .
Fünf und dreißigste Jubelperiode .
Siebenkäs -- Beichte des Oheims -- Brief von Albano's Mutter -- Das Krone-Rennen -- Echo und Schwanengesang der Geschichte .
140. Zykel .
Lange lag Albano im einsamen finsteren Abgrund , bis endlich Licht die Schlucht und die grüne Höhe erleuchtete , von welcher er herunter stürzte .
Das sonst Lebensfarbige männliche Gesicht des Freundes lag weiß vor ihm , der rote Mantel erhöhte noch den Leichenschnee .
Der Hund lag mit dem Kopfe auf der Brust , als wolle er sie wärmen und schützen .
Als Albano den nackten Degen sah : blickte er im Kreise umher , schauderte vor dem kalten Oheim , vor dem lebendigen Bruderbild des Toten und vor dem ersten Argwohn zwischen fremden und Selbstmord und fragte leise : " wie starb er ? "
-- " Durch mich , ( sagte Siebenkäs , ) an unserer Ähnlichkeit , er glaubte sich zu sehen , wie dieser Herr hier versichert . "
Der Oheim erzählte einige Punkte , Albano kehrte Ohr und Auge von ihm ab ; aber in den warmen Widerschein der befreundeten Gestalt senkte er den Blick , dem das Tageslicht der Freundschaft untergegangen war .
Siebenkäs schien sich in einer seltenen männlichen Haltung zu behaupten .
Auch Albano , der jüngere Freund , verbarg seinen Jammer , daß er so viel verloren und daß nun sein Waisen-Herz ausgesetzt sei wie ein hilfloses Kind in die Wüste des Lebens .
Wehrfritz fragte ihn , ob er ihm ein Pferd zur Reise in die Stadt noch schicken solle ?
" Mir ?
Ich jemals mehr in die Stadt ?
( fragte Albano . )
Nein , guter Vater , ich und Schoppe gehen heute in den Prinzengarten . "
Er entsetzte sich vor der bloßen schwarzen Kirchhofs- Landschaft der Stadt , wo einmal ein goldener Sonnenschein und Laubengänge und Himmels Pforten Pforten voll Blumengewinde für ihn geblüht hatten .
O der junge Honig der Liebe , der alte Wein der Freundschaft , beide waren ja vom Schicksal in Gräber gegossen ! --
Der Tote wurde in das neue Schloß des Prinzengartens gebracht .
Nur Albano und Siebenkäs folgten ihm nach .
Als sie allein waren , sah Albano erst , daß der Freund seines Freundes bebe und wanke und daß bis jetzt nur der Geist den Körper getragen .
" Nun wir beide ( sagte Albano ) dürfen vor einander trauern ; aber nur Ihnen glaube ich .
Gott wie war denn sein Ende ? "
Siebenkäs ließ vor ihm die letzten Mienen und Laute des Armen vorübergehen .
" O Gott , ( sagte Albano , ) er starb nicht leicht , wenn der Wahnsinn der Monate zu Einer Minute wurde -- reißend mußte der Höllenfluß sein , der ein so festes Leben wegriß . "
-- Siebenkäs nahm schwer den Glauben an dessen Wahnsinn an , weil der Tote so oft in seinen schönsten Momenten auf ähnliche Weise verkannt worden ; aber Albano überwand ihn endlich .
Er erzählte weiter , daß er auf der Heimreise begriffen gewesen , als ihn Titan IV. K k die wiederholte Verwechslung seiner Person mit dem Toten auf die Vermutung geleitet , hier müsse sein lang entbehrter Leibgeber wandeln , wiewohl er vor der ersten Erscheinung und Vergleichung sich fast fürchten müssen : " denn , H. Graf , ( sagt ' er , ) Jahre und Geschäfte , juristische vollends , ach das Leben selber ziehen den Menschen immer weiter herab , anfangs aus dem Äther in die Luft , dann aus der Luft auf der Erde -- Wird er mich kennen ? sagte ich .
Ich bin ja nicht mehr der ich war und die physiognomische Ähnlichkeit möchte wohl die einzige und festeste noch geblieben sein .
Aber auch diese war vergangen ; der Selige sieht noch aus wie vor 10 Jahren .
O nur eine freie Seele wird nicht alt ! --
Herr Graf , ich war sonst ein Mann , der einen und den anderen Spaß mit dem Leben trieb und mit dem Tode auch und ich konnte ausrufen : Himmel ! wenn die Hölle aufging und derlei mehr -- -- Ach Leibgeber , Leibgeber !
Die Zeit hat weiche , kleine Wellen , aber am Ende wird doch der eckigste , schärfste Kiesel darin glatt und stumpf . "
-- " Zählen Sie mir jede Kleinigkeit seiner Vorzeit , ( bat Albano , ) jeden Tautropfen aus seinem Morgenrote zu , er war so karg mit seiner dunklen Geschichte ! "
-- " Und das gegen jeden ( sagte der Fremde ) .
So viel will ich Ihnen einmal aus wahren an Ort und Stelle gesammelten Datis beweisen , daß er ein Holländer ist wie Hemsterhuis und eigentlich Kees heißt wie Vaillants Affe , woran er Sieben oder Seven gesetzt ; denn Siebenkäs ist sein erster Nahme .
Aus der Amsterdamer Bank bezog er seine Intraden .
An jedem Neujahrsabend verbrannt er die Papiere des vorigen Jahrs ; und wie seine clavis Leibgeberiana bekannt geworden , begreif ich noch nicht . " -- Darauf erzählte er ihren ersten Namen-Wechsel , wo Schoppe von ihm den Namen Leibgeber annahm , dann jede Stunde und Tat seines treuen Herzens gegen den vorigen Armen- Advokaten , dann ihren zweiten Namentausch , wo Siebenkäs sich namentlich begraben ließ und als Leibgeber fortfuhr , und ihren ewigen Abschied in einem voigtländischen Dorf .
Als Siebenkäs hier stand bei der Erze K k 2 Lunge , faßte er die kalte Hand mit den Worten :
" Schoppe , ich dachte , ich fände Dich erst bei Gott ! " und neigte sich weinend über den Toten .
-- Albano ließ seine Tränen stürzen und nahm die zweite tote Hand und sagte : " wir fassen treue , reine , tapfere Hände . "
-- " Treue , reine , tapfere , ( wiederholte Siebenkäs und sagte mit einem Schoppischen Lächeln : ) sein Hund sieht zu und bezeugt es einmal . "
Aber er wurde von der Bewegung blaß und sah jetzt ganz wie der Tote aus .
Da berührten er und Albano sinkend sich auf dem kalten Gesicht und Albano sagte : " sei auch mein Freund , Lebendiger , wir können uns lieben , weil er uns liebte .
-- Blasser , Deine Gestalt sei das Siegel meiner Liebe gegen Deinen alten Freund . "
Albano riß jetzt das Fenster auf und zeigte ihm ein Grab in Osten und eines in Süden neben dem offenen dritten in der Nacht und sagte : " so weint ' ich dreimal über das Leben . "
-- Siebenkäs drückte ihm die Hand und sagte bloß : " die Parzen und Furien ziehen auch mit verbundenen Händen um das Leben , wie die Grazien und die Sirenen . "
Er sah den seltenen schönen feurigen Jüngling mit innigster Liebe an ; aber Albano , der nur wenig geliebt zu sein voraussetzte und den die Feuerzeichen eines Dians und Roquairol's verwöhnt , wusste es nicht , wie sehr er das ruhigere Herz gewonnen hatte .
141. Zykel .
Am Morgen kehrte mehr Sonne und Kraft in Albano's Brust zurück .
Er mußte nun in der plattgedrückten Ebene seines Lebens sich den Berg selber vorheben .
Nur Pestiz wieder zu sehen , wo alle Turniergenossen seiner glänzenden Tage verschwunden waren , den einzigen Dian ausgenommen , verabscheute er ; " hat dieser sein Grab auf der Brust , so zieh ich und scheide von niemand " sagte er .
Da langte der verhaßte Oheim mit den Wagen voll Zauberstäbe an und sagte weinerlich , er gehe ins Kartäuser-Kloster , büße für viele Sünden , und er wolle vorher dem Neffen gern alles erklären , sowohl mit Worten als mit den Wagen , was er begehre .
" Ich glaube Euch nichts " sagte Albano .
" Jetzt darf ich alle Wahrheit sagen , denn der Finstere tut mir nichts , ich denke , Cousin ( versetzte der Spanier ) -- ist der da ( setzt ' er leise mit einem scheuen Blick auf Siebenkäs dazu ) nicht der Finstere , Cousin ? "
Albano wollte nichts wissen und hören .
Siebenkäs fragt ihn , wer der Finstere sei .
" Es sei der unendliche Mann , ( begann er , ) sehr schwarz und finster , und sei zum erstenmal vor ihn geschritten über das Meer her , als er an der Küste stand vor einem Nebel -- Nachts habe er ihn oft rufen hören und zuweilen habe er seine Bauchreden wiederholt -- er sei ihm sogleich erschienen mit einer Hand voll Drohungen , sobald er nach Sonnenuntergang viele Wahrheiten gesagt , daher habe er sich in der Kreuzkapelle vor dem gegenwärtigen Herrn sehr gefürchtet -- aber jetzt , seitdem er sich ohne allen Schaden in der Kapelle bekehret habe , sage er den ganzen Tag Wahrheiten und im Kartäuser-Kloster gedenke ' er_es noch mehr . "
" In Klöstern wohnen sie sonst eben nicht , daher wird glaube ich eben das Gelübde des Schweigens gefordert , das immer der Wahrheit zuträglicher ist als dessen Bruch " versetzte Siebenkäs .
" O Ketzer , Ketzer ! " rief der Spanier so unerwartet zornig , daß Albano durch diese Menschlichkeit auf einmal von dessen jetziger Wahrhaftigkeit Pfänder bekam , so wie von dessen engerem Geistes-Umfang .
Nun erst fragt er ihn über die Erde und den Samen aus , die er bisher gebraucht , um seine schnellen Wunderblumen vorzutreiben .
Er ließ auf diese Frage einen Kasten herauftragen .
" Fragt " sagte er .
" Wie stieg aus dem Lago Maggiore Romeiro's Gestalt ? " sagte Albano .
Der Oheim schloß auf , zeigte eine Wachsfigur und sagte : " es war nur ihre Mutter . "
Albano schauderte vor dieser nahen Nebensonne seiner untergegangenen Sonne und vor der Vermutung der Verwandtschaft , die ihm Schoppe eingeflößt : " bin ich ihr verwandt ? " fragt er schnell .
Der Oheim versetzte bestürzt : " es wird wohl anders sein . "
Albano fragte nach dem himmelfahrenden Mönch in Mola : " er oben mit Gas gefüllt , ich unten an der Mauer stand , " sagte der Oheim .
Albano wollte nichts weiter wissen ; im Kasten waren noch Hör- und Sprachröhre , eine Gesichtshaut , blaues Glas , durch welches die Landschaften beschneiet erscheinen , seidene Blumen mit Pulver von einem endormeur u. s. w. ; Albano wollte nichts mehr sehen .
" Böses Wesen !
wer stiftete Dich dazu an ? " fragte Albano .
" Der starke Bruder , ( sagte der Oheim , denn so nannte er den Ritter gewöhnlich , ) er gab mir zu leben und er wollte mich totschießen ; denn er lacht sehr , wenn die Menschen sehr hübsch betrogen werden . "
-- " O keinen Laut darüber ( rief Albano peinlich , dem der Zorn gegen den Ritter alle Adern mit Tränen-Feuer und Gift ausspritzte ) --
Unglücklicher ! wie wurdest Du der ? "
-- " So ?
Bin ich unglücklich ? " fragt er eiskalt .
Er berichtete -- aber abgebrochen und verworren , welches ihm in jeder Sprache in seiner eigenen Rolle begegnete , indes er in fremdem Namen , z.B. des Kahlkopfs , gut und lange sprechen konnte -- :
er habe ein schwarz-graues und ein blaues Auge , seit der Mannbarkeit einen verborgenen Kahlkopf , und ein besonde res Gedächtnis und habe daher Schauspieler werden wollen ; weil er nichts zu tun gehabt , denn er sei nie verliebt gewesen ; aber so lange er nicht improvisiert , sei es nicht gegangen .
-- Den Joseph Clark , der alle Verwachsene nachmachen können , und den Betrüger Price , der in dreifacher Person herumgegangen , habe er immer im Sinne gehabt --
Da sei ihm der Finstere Abends wieder in einem Nebel des Ufers über dem Wasser entgegengetreten und habe wie aus dem Bauche gemurmelt :
" Peppo , Peppo !
* ) schluck das wahre Wort zurück , ich will das andere schon aussprechen " -- Und von dieser Stunde an habe er die Bauchsprache gekonnt -- Er habe damit Tote und Stumme und Sprachmaschinen und Papageien und Schlafende und fremde Leute ins Theater , gut reden lassen , aber niemand in der Kirche , und das habe ihn wohl ergötzt -- Ein unaufhörliches Echo habe er oft auf Felsen gegeben , so daß die Menschen gar nicht wußten , wenn sie fortgehen sollten .
Er habe * ) Josephchen . auch einmal ein ganzes Schlachtfeld voll Toter untereinander reden lassen , in allen Sprachen , zum Erstaunen des alten Generals .
" Wo war das ? " fragte Siebenkäs .
-- Der Spanier kam zu sich und versetzte : " ich weiß es nicht ; ist es denn wahr ?
Omnes , homines sunt mendaces , sagt die heil. Schrift . "
-- " So wenig wahr ( sagte Albano ) als Euer finsterer Geist ! "
-- " O Maria , nein ( sagt ' er entschieden , ) -- wenn ich etwas weissagte , so machte er ja , daß es doch eintraf ; dann erschien er mir und sagte : siehst Du , Peppo , aber sage nur keine Wahrheit !
-- Und in der Nacht , da ich neben Euch nach Lila ging , ging , er unten im Tale als ein Mensch durch die Luft hin . "
-- " Das sah ich auch , ( sagte Albano , ) er schwebte weiter ohne sich zu regen . "
-- " Das war bloß einer ( sagte Siebenkäs lächelnd ) der in einem fortschwimmenden Kahne mit versteckten Beinen stand und nichts weiter . "
-- Da blickte der Spanier dieses Ebenbild der Leiche mit dem alten Grausen an , womit er es bisher heimlich für den finsteren Geist selber gehalten , murmelte Albano ins Ohr : " sieh , dieses Wesen weiß es " und sagte zur Entchsuldigung der Wahrheiten : " die Sonne ist noch nicht untergegangen " und eilte , ohne auf Menschen-Bitten zu hören , deren Kraft ihm nie bekannt geworden , ohne Leid und Freude davon , um noch vor Sonnenuntergang ins nahe Kartäuser-Kloster einzutreten .
Alles Trugs-Geräte hatte er stehen lassen .
" Ein fürchterlicher Mensch !
( sagte Siebenkäs . )
Als er vorhin einmal sich über etwas freuen wollte , sah er aus als greif ihm ein Schmerz über das Gesicht -- Und daß er so dünn und hager dasteht , und seitab blickt und die Silben verschluckt ! --
Ich weiß gewiß , er könnte töten , ohne die Miene zu ändern , nicht einmal zum Zorn . "
-- " O , er ist der finstere Geist , den er sieht -- zitieren Sie ihn nicht ! " sagte Albano , in eine ganz neue Welt wegeilend , die jetzt plötzlich vor seinen Geist gezogen war .
142. Zykel .
Er dachte nämlich an das bisher vom Nebel des Schmerzens verdeckte Papier , das Schoppe aus der Fürstengruft geholt und an das Mutterbild , das er unter dem Okularglas hatte finden sollen .
Ehe er anfing zu lesen , legte er das Bild unter dem Glase dem Fremden vor , ob er es etwan zufällig kenne .
" Sehr !
Es ist die verstorbene Fürstin , Eleonore , so weit ein Kupferstich vor dem Landes-Gesangbuch Ähnlichkeiten vorauszusetzen verstattet ; denn sie selber sah ich nie . "
Bewegt zog Albano das Papier aus der zerbrochenen Marmorkapsel , aber er wurde es noch mehr , da er die Unterschrift " Eleonore " und Folgendes in französischer Sprache las :
" Mein Sohn !
Heute habe ich Dich nach langen Zeiten wieder gesehen * ) in Deinem B. ( Blumenbühl ) ; mein Herz ist voll Freude und Sorge und Dein schönes Bild schwebet vor meinen weinenden Augen .
Warum darf ich Dich nicht um mich haben und täglich anblicken ?
Wie bin ich gebunden und geängstigt !
Aber von jeher schmiedete ich mir Fesseln und erbat andere , mich da * ) S. 245 im I. Band des Titans . mit zu binden .
Höre Deine eigene Geschichte aus dem Munde Deiner Mutter an ; sie wird Dir aus einem anderen nicht lieber und wahrhafter kommen .
Ich und der Fürst lebten lange in einer unfruchtbaren Ehe , welche unserem Vetter in Hh .
( Haarhaar ) immer lebhafter mit der Hoffnung der Sukzession schmeichelte .
Spät vernichtete sie ihnen Dein Bruder L. ( Luigi ) .
Man konnte uns das kaum vergeben .
Der Graf C. ( Cesara ) bewahrt die Beweise einiger schwarzen Handlungen ( de quelques noirceurs ) , die Deinen armen ohnehin schwächlichen Bruder das Leben kosten sollten .
Dein Vater war eben mit mir in Rom , als wir es erfuhren .
" Man wird doch endlich über uns siegen " , sagte Dein Vater .
In Rom lernten wir den Fürsten di Lauria kennen , der seine schöne Tochter dem Grafen C. ( Cesara ) nicht eher geben wollte , bis er Ritter des goldenen Vlies-Ordens geworden wäre .
Der Fürst wirkte ihm diesen Orden am kaiserlichen Hofe aus .
Dafür glaubte die Cesara mir sehr dankbar sein zu müssen , une femme fort decidee , se repliante sur elle même , son Individuallite exageratrice perca à travers ses vertus et ses vices et son sexe .
Wir lernten uns lieben .
Ihr romantischer Geist teilte sich dem meinigen mit , besonders in dem romantischen Lande .
Dazu half mit , daß ich und sie uns im rechten Zustande der weiblichen Schwärmerei zugleich befanden , nämlich der Hoffnung zu gebären .
Sie kam nieder mit einem wunderschönen ihr ganz ähnlichen Mädchen , Severina oder wie man sie nachher nannte Linda .
Hier machten wir den seltsamen Vertrag , daß wir , wenn ich einen Sohn gebäre , austauschen wollten ; ich konnte ohne Gefahr eine Tochter erziehen , und bei ihr konnte mein Sohn ohne diejenige aufwachsen , die Deinem Bruder bei mir schon gedroht hatte .
Auch sagte sie , ich könne besser eine Tochter , sie einen Sohn leiten , da sie ihr Geschlecht wenig achte .
Der Graf war es gern zufrieden , der Hh .
Hof hatte ihm kurz vorher die älteste Prinzessin , um die er geworben , unter dem spöttischen Vorwande ihrer noch kindischen Jugend , abgeschlagen , und er aus Rache beleidigter Ehre und verletzter Eitelkeit , denn er war der schönste Mann und aller Siege gewohnt , war zu allen Maßregeln und Kämpfen gegen den stolzen Hof bereit .
Nur der Fürst billigte es nicht , er fand eine Erziehung außer Landes u. s. w. ganz zweideutig und mißlich .
Aber wir Weiber verwebten uns eben desto tiefer in unsere romantische Idee .
Zwei Tage darauf gebar ich Dich und -- Julienne zugleich .
Auf diesen reichen Zufall hatte niemand gerechnet .
Hier warf sich vieles ganz anders und leichter sogar .
" Ich behalte ( sagt ' ich zur Gräfin ) meine Tochter , Du behältst die Deinige ; über Albano ( so soll er heißen ) entscheide der Fürst . "
Dein Vater erlaubte es , daß Du zwar als Sohn des Geafen , aber unter seinen Augen , bei dem rechtschaffenen W. ( Wehrfritz ) , erzogen würdest .
Indes traf er Vorkehrungen , deren guten Wert ich damals im phantastischen Rausche der Freundschaft nicht ganz abzuwägen im Stande war .
Jetzt wundere ich mich nur , daß ich damals so mutig war .
Die Dokumente Deiner Abstammung wurden nicht nur dreimal gemacht -- ich , der Graf , und der Hofprediger Spener wurden in deren Besitz gesetzt -- sondern später wurdest Du auch dem Kaiser Joseph II. als unser Fürstensohn präsentiert , und sein gütiges Blatt , das ich einst Deinen Geschwistern vertraue , entscheidet allein genug .
Der Graf nahm jetzt selber am Geheimnis tätigen Teil , indem er -- sei es aus Liebe für seine Tochter , sei es aus dem Wünsche einer geschärfteren Rache am Hh .
Hofe -- als Lohn des Anteils verlangte , daß einst Du und Linda ein Paar werden möchten .
Hier trat wieder die Gräfin mit ihren Wundern und Phantasieren ein : " Linda wird mir gewiß ähnlich an Gemüt , wie sie jetzt es ist an Gestalt -- Gewalt bewegt sie dann nie -- aber Magie des Herzens , der Feenwelt , Reiz des Wunders mag sie ziehen und schmelzen und binden . "
Ich weiß ihre eigenen Worte .
Ein sonderbarer Zauberplan wurde dann entworfen , dessen Grenzen der Graf durch die Abhängigkeit , worin sein tausendkünstlerischer Bruder sich zu allem Dingen ließ , noch mehr erweiterte , so wie er den Plan dadurch annehmlicher machte . --
Linda Linda wird lange vorher , ehe ' Du dies gelesen , Dir erschienen , ihr Nahme genannt , Deine Geburt geheimnisvoll verkündigt sein -- -- Möge , möge Dein Geist sich in alles wohl finden und möge das schwere Spiel Dir Gewinn auf seinen aufgeschlagenen Blättern reichen ! --
Ich bin bange , wie soll ich es nicht sein ? --
O welche Nachrichten habe ich nicht eben aus Italien durch den Grafen empfangen , vor denen nun alle meine Hoffnungen auf meinen Ludwig ( Luigi ) auf einmal erlöschen !
Gesiegt hätte nun Hh .
( Haarhaar ) durch den bösen B. ( Bouverot ) , wenn Du nicht lebtest .
Und ich muß so froh sein , daß Du diesen giftigen Einflüssen entzogen lebst -- Ja es scheint , als habe der Graf die Zernichtung Deines Bruders absichtlich gern geschehen lassen , um desto stärker mit Deiner Auferstehung zu schrecken .
Doch will ich ihm nicht Unrecht tun .
Aber wem soll eine Mutter am Hofe vertrauen und mißtrauen ?
Und welche Gefahr ist größer ? --
Drei Jahre lang mußtest Du des Scheines wegen auf Isola bella mit Deiner scheinbaren Zwillingsschwester Severina , obwohl unter den Titan IV. L l Augen des Fürsten , bleiben , indes ich mit Julienne nach Deutschland zurückging .
Länger aber durfte es nicht dauern , so gern es Deine Pflegemutter gesehen hätte ; Du wurdest Deinem Vater zu ähnlich .
Diese Ähnlichkeit kostete mich manche Träne -- denn darum durftest Du nie aus B. nach P. ( Pestiz ) , so lange der Fürst noch Jugendzüge trug -- sogar die Porträts seiner Jugendgestalt mußt ' ich darum allmählich wegstehlen und sie dem treuen Spener zu bewahren geben -- ja dieser gelehrte Mann sagte mir , daß ein erhobener Spiegel , der junge Gesichter zu alten formte , bei Seite zu bringen sei , weil Du sogleich als der alte Fürst daständest , wenn Du hineinsähest -- O , da mein guter , frommer Fürst in seinen matten Tagen allerlei unbewußt ausplauderte und mich über das sichere Schicksal des wichtigen Geheimnisses immer sorglicher machte : wie erschrak ich , als er einstens am Morgen ( zum Glück war nur Spener und eine gewisse Tochter des Ministers v. Fr. dabei , eine sanfte , fromme Seele ) geradezu und freudig sagte : " unser lieber Sohn , Eleonore , war gestern Nachts oben am Altar , er wird gewiß ein frommer Mensch , er kniete und betete schön , und ich sagte ihm nur , denn ich wollte mich nicht dekuvrieren , nach Haus , nach Haus , mein Freund , es donnert schon nahe . "
* )
Ich weiß , daß verschiedene über einen natürlichen Sohn des Fürsten schon Winke fallen ließen .
Die Gräfin C. ( Cesara ) ging nun mit S. ( Severina ) nach V. ( Valencia ) ab ; gab sich aber vorher den Namen R. ( Romeiro ) und der Tochter den Namen L. ( Linda . )
Der Prinz di Lauria mußte der Erbschaft wegen mit seiner Einwilligung in dieses Spiel gezogen werden .
Durch diesen Namen-Wechsel konnte alles so dicht zugehüllt werden , als es jetzt noch steht .
Neun Jahre darauf starb die edle R. ( Romeiro ) und der Graf hatte unter dem Vorrecht eines Vormunds die Tochter allein in seinem Schutze und in seiner Vorsorge .
Ich sah sie kurz nach dem Tode der Mutter hier ** ) ; entfaltet sich die Blume ganz aus * ) 1. Band des Titans , S. 239. ** )
1. Bd. S. 173. L l 2 dieser vollen Knospe , so gehört sie als die vollste Rose an Dein Herz .
Möge nur das Geisterspiel , das ich der Gräfin zu leichtsinnig zugeschworen , ohne Unglück vorüberziehen ! --
Sollte ich vor dem Fürsten auf das Sterbebette kommen , so muß ich noch Deine Schwester und Deinen Bruder in das Geheimnis ziehen , um ganz gesichert meine Augen zu schließen .
Ach ich werde es nicht erleben , daß ich Dich öffentlich als meinen Sohn in meine Arme schließen darf !
Die Ahnungen meiner Hinfälligkeit kommen immer häufiger .
Es gehe Dir wohl , teures Kind !
Werde fromm und redlich wie Dein Vater !
Gott lenke alle unsere schwachen Hilfsmittel zum Besten !
Deine treue Mutter Eleonore. N. S.
Noch sehr wichtige Geheimnisse kann ich nicht dem Papier vertrauen , sondern sterbend wird sie mein Mund in das Herz Deiner Schwester niederlegen .
Lebe wohl !
Lebe wohl ! " 143. Zykel .
Albano stand lange sprachlos , schaute gen Himmel , ließ das Blatt fallen und faltete die Hände , und sagte :
" Du schickst den Frieden -- ich soll nicht den Krieg -- wohlan , ich habe mein Los ! "
Lebenslust , neue Kräfte und Plane , Freude am Throne , wo nur die geistige Anstrengung gilt wie auf dem Schlachtfelde mehr die körperliche , die Bilder neuer Eltern und Verhältnisse und Unwille gegen die Vergangenheit stürmten durcheinander in seinem Geist .
Er riß sich von seinem ganzen vorigen Leben los , die Seile des bisherigen Totengeläutes waren entzwei , er mußte , um die Euridice aus dem Orkus zu gewinnen , wie Orpheus das Zurückschauen auf den vergangenen Weg vermeiden .
Er enthüllte dem neuen Freunde alles , denn er Kämpfe , sagte er , nunmehr öffentlich auf freier offener Bahn um sein bisher verstecktes Recht und reise sogleich in die Stadt .
Unter dem Erzählen erzürnte ihn das lange gewagte Spiel mit seinen heiligsten Verhältnissen und Rechten noch mehr , und das Mißtrauen in seine Kräfte und Waffen gegen die Feinde , denen Luigi unterlag , und dieser Bruder selber , der ihn bisher in einer so harten unbrüderlichen Maske umarmen konnte .
" Wie anders war die treue Schwester ! " sagte er .
" Warum ( fuhr er fort ) ließ man mich so manchem stolzen harten Geiste so vielen Dank schuldig werden für mein bloßes --
Geburtsrecht ?
-- Warum traute man nicht meinem Schweigen eben so gut ? --
O so musste ich die arme Tote droben * ) verkennen , weil sie meinem geoffenbarten Stande in jener feindlichen Nacht am Altare ihr schönes Herz aufopferte !
So musste ich durch Vermutungen und Vorsätze so manche rechte Seele verletzen !
Wie unschuldig könnt ' ich sein ohne dies alles ! "
-- " Beruhigen Sie sich , ( sagte Siebenkäs mit seiner Rüge , ) die Stärke des Feindes wird zu dem Widerstande geschlagen und von der Niederlage abgezogen ; und was wäre ein Sieg auf leerem Schlachtfelde gewesen ? "
* )
Er meint Liane , welche Spener durch die feierliche Enthüllung von Albano's Geburt und Bestimmung einer unter lauter giftigen Blumen aufgewachsenen Liebe zu entsagen nötigte .
Siebenkäs war vor dem glänzenden Stande und vor dem Feuer der Leidenschaftlichkeit , die er nur in gemeiner , nicht in edler Erscheinung kannte , um einige Schritte zurückgetreten , die Albano nicht bemerkte , weil er sie nicht voraussetzte .
So gut es ging , suchte Siebenkäs -- indem dessen innerer Mensch seine im Grabe des Freundes starr gefrorenen Glieder allmählich wieder aufwickelte -- den sanften Scherz wieder zu gewinnen und in diese Blumenketten den heftigen Jüngling einzuschließen : " ich freue mich , ( sagt ' er , ) daß ich der erste bin , der zu Ihrem Geburts- und Krönungstage Wünsche bringt , die aber alle in den einzigen gehen , daß sie immer Ihren Taufnamen behaupten mögen --
denn Alban ist der bekannte Schutzheilige der Landleute .
-- Außer dem Haarharschen Prinzen , dem der Ritter recht mit der Devise seines Ordensstifters Philipp trifft : ante ferit quam flamma micet , ist wohl niemand dabei zu bedauern als der Finanzstempelschneider , der jetzt nichts neues zu schneiden erhält , da die Linie weiter regiert . "
Er setzte noch leicht hinzu , weil er den schweren Wälder- und Wolkentragenden Fels Gaspard nie gesehen : " welches sonderbare Namenspiel , das noch wenige Cavelleros del Tuzone gespielt , ist es , daß er sich gerade de Cesara nennt , da , wie Sie wissen , die Spanier sich wie die alten Römer oft die Namen von ihren Taten und Begegnungen zuteilen .
So ist_es aus den Piece interessantes T. I. überall bekannt , daß z. B. Orendayn sich den Namen la Pas zuerkannte , weil er 1725 den Frieden zwischen Österreich und Spanien unterschrieben , -- mit einem dritten Namen , Transport Real , tauft er sich ein , um es zu behalten und zu bemerken , daß er den Infanten nach Italien abgeführt .
Cesara ist wohl freilich mehr Zufall . "
Albano wurde durch solche geistige Ähnlichkeiten mit dem freien Schoppe erst recht seinem Herzen zugezogen .
Er nahm Abschied von ihm und sagte :
" Freund unseres Freundes , wollen wir beisammen bleiben . "
-- " Wahrlich , der Zweifel an der Entscheidung Ihres Schicksals , Prinz , ( versetzte Siebenkäs , ) wäre allein dafür entscheidend , wenn nur mein Herz allein entscheide ; aber -- " Albano zuckte die Achseln wie entrüstet , schwieg aber .
" So lange bleibe ich indes hier , ( fuhr jener sanfter fort , ) bis der Hügel auf dem Seligen liegt ; dann Stecke ich das hölzerne schwarze Kreuz auf ihn , und schreibe alle seine Namen daran . "
-- " Wohl !
So werde es ( sagte Albano ) !
Aber seinen Hund nehme ich , weil er mich länger kennt .
Ich bin ein junger Mensch , noch jung an verlorenen Jahren , aber schon sehr alt an verlorenen Zeiten und verstehe so gut wie mancher , den die Zeit bückt , was Menschen-Verlieren ist .
Sonderbar ist_es , daß ich immer auf Gräbern Spiegel finde , worin die Toten wieder lebendig gehen und blicken .
So fand ich auf Lianen Grabe ihr lebendiges Bild und Echo ; meinen alten liegenden Schoppe fand ich , wie Sie wissen , auch hinter einem Spiegelglas aufrecht und rege , durch das meine Hand eben so wenig durchkann .
Ich versichere Sie , sogar meine Eltern werden mir vorgespiegelt , meinen Vater kann ich in einem Zylinderspiegel , und meine Mutter durch ein Objektivglas sehen .
-- Hier ist nun nichts zu tun , wenn man in einer Nacht steht , wo alle Sterne des Lebens hinunterziehen , als sehr fest darin zu stehen .
-- Aber zu meinem alten Humoristen muß ich noch Adio sagen . "
Er ging ins Leichenzimmer .
Schweigend folgt ihm Siebenkäs , betroffen über die ungewöhnliche Laune der -- Schmerzen .
Mit trockenen Augen zog Albano das weiße Tuch von dem ernsten Gesicht , dessen feste Augenbraunen sich zu keinem Scherze mehr zogen und das eisern hinschlief ohne Zeit .
Der Hund schien den kalten Menschen zu scheuen .
Albano suchte durch scharfe , heftige , trockene Blicke das Totengesicht bis auf jede Falte tief abzudrücken in sein Gehirn wie in Gips , zumal da ihm der lebendigste Abdruck , der Freund , entging .
Dann hob er sich die schwere Hand auf die Stirn , die den Fürstenhut tragen sollte , gleichsam um sie damit zu segnen und einzuweihen .
Endlich bückt er sich auf das Gesicht nieder und lag lange auf dem kalten Mund ; aber als er sich spät aufrichtete , weinten seine Augen und sein ganzes Herz , und er reichte dem Zuschauer bebend die Hand und sagte : " nun , so lebe Du auch wohl ! "
-- " Nein , ( rief Siebenkäs , ) ich kann das nicht , wenn ich gehe , -- Schoppe !
ich bleibe bei Deinem Albano ! " --
Da kamen Wehrfritz und Augusti und unterbrachen die weinende Feier der dreifachen Liebe durch heitere Mienen und Worte .
144. Zykel .
Der alte Pflegevater nannte ihn zwar Prinz und nicht mehr Du , aber in landeskindlicher Entzückung drückte er sich den Pflegling seines Hauses innig ans Herz .
Augusti übergab ihm mit ernster Höflichkeit und kurzem Glückwunsch folgendes Schreiben von Julienne .
" Liebster Bruder !
Nun kann ich Dich erst recht Bruder nennen .
Ich habe in einem Auge Trauertränen und doch im anderen frohe , da nun alle Wolken von Deiner Geburt genommen sind und in Haarhaar auch alles ziemlich gut geht .
Der Lektor ist abgeschickt , Dir alles zu erzählen , wo hätte ich Zeit ?
Auch von H. von Bouverot soll er Dir sagen , dessen rote Nase und aufgebogenes Kinn und geizige Grausamkeit gegen seine wenigen Leute und vielen Gläubiger und dessen Grobheit und Weichlichkeit und trockene Bosheit ich dermaßen hasse -- -- Inzwischen wird er jetzt durch Deine Erscheinung so recht bestraft .
Freilich alles ist wie ich in Unordnung und Bestürzung .
Ludwigs Testament wurde diesen Morgen nach seinem Willen eröffnet und er gab Dir Dein ganzes Recht .
Ich will nicht über diesen Bruder mitten unter dem Weinen zürnen ; er war eigentlich hart gegen seine zwei Geschwister , gegen mich sehr auch , denn er haßte alle Weiber , bis zu seiner Frau , die nur etwas taugt , wenn_es ihr gut geht , und die Kunstwerke selber härteten ihn ordentlich ab gegen die Menschen .
Aber er ruhe in seinem Frieden , ach den er wohl wenig gefunden !
Diesen Abend muß er schon wegen seiner Krankheit und wegen des langen Wegs nach Blumenbühl voraus beerdigt werden .
Da bin ich nun bei Deinen Pflegeeltern in der Nähe unserer eingeschlossenen Eltern. Deswegen komme unabänderlich !
Du bist allein mein Trost in der trüben Nacht , ich muß Dich wieder am Herzen halten , das sehr an Dir klopfen will und weinen und reden , wenn es nur darf .
Nur komme !
Nunmehr wird doch Gott , da alles im Tanzsaal zu den Reigen bereit steht , keine kalte Gespenster und und entsetzliche Larven hineinbringen lassen !
Ich bete .
Auch nur Deinetwegen bin ich so froh und ich weine genug .
Julie . "
Kaum hatte Albano dem Pflegevater das erfreuliche Versprechen , diesen Abend in seinem Hause zu sein , gegeben , als dieser ohne Weiteres davon eilte , um die Seinigen auf die Freude des zwiefachen Besuches vorzubereiten .
Der Lektor wurde um seine Nachrichten gebeten , mit welchen er bedenklich über Siebenkäs zu zögern schien , bis Albano bat , ihm und seinem neuen Freund frei alles mitzuteilen .
Seine Erzählung war bis auf einige Einschaltungen , die Albano später zukamen , diese : Bouverot -- bei welchem er auf Fragen des neugierig gemachten Albano anfing -- war bisher in verborgener Verbindung mit dem Haarharschen erbsüchtigen Prinzen gewesen und hatte in entschiedener Berechnung , durch diesen das längste Glück und sogar eine unerwartete Hei Rat zu machen , auf dessen Wort hin sein mit Ehelosigkeit und Einkünften zugleich verknüpftes Ordenskreuz eines Deutsch-Herrn abgehangen und an die Schwester dieses Prinzen , an Idoine , durch diesen selber , der ihm für die Aufhebung ihres ähnlichen Gelübdes * ) stand , ein Miniaturbild von ihr , das er im Fluge gestohlen haben wollte , samt einem halben Bilderkabinett und mit vielen feinen Anspielungen auf seinen Wahl-Namen Zefisio als eines römischen Arkadiers und auf den Namen ihres Arkadiens übergeben lassen .
" Oh la différence de cet homme au diable , comme est - elle petite ! " sagte ganz ungewöhnlich-heftig Augusti .
Albano mußte fragen warum ; " ein ganz anderes Bild gab er für der Prinzessin ihres aus " sagte der Lektor .
Mithin war_es Lianen ihres , schloß Albano und hatte leicht durch wenige Fragen jene traurige Geschichte von der blinden vom Tiger Bouverot gejagten Liane erforscht .
-- " O ich Unglücklicher ! " rief Albano halb * )
Nie unter ihrem Stand zu heiraten . in Grimm und halb in Schmerz .
Die Leiden taten ihm weh , womit das heilige Herz die kurze reine karge Liebe gegen ihn bezahlen müssen -- die zum erstenmal blind wurde , weil sie seinen Vater so liebte * ) , und zum zweitenmal , weil sie der Sohn verkannte und liebte .
Aber er bezwang sich und sprach nicht darüber , die Vergangenheit war ihm wie Bienen das Echo schädlich .
Siebenkäs bezeugte seine Freude über Bouverots Bestrafung durch das Fehlschlagen aller Plane .
Albano hörte , daß auch Luigi die ehelichen Absichten Bouverots zu unterstützen den Schein angenommen , bloß um ihn desto höher herabfallen zu sehen .
" Mit welch ' einer bitteren kalten langen Schadenfreude , ( dachte Albano , ) konnte mein Bruder in der Hoffnung auf die Grube , die sein Tod dem feindlichen Hofe und dessen Anhängern graben würde , allen ihren Erwartungen zusehen und alle ihre Maßregeln * ) Liane wurde , wie bekannt , als ihr Bruder neben dem alten Fürsten auf die Brust ohne Herz die Rede hielt , krank und blind .
I. Bd. des Titans , S. 303. von der Ehe der Fürstin an bis auf die Glückwünsche dazu freundlich aufnehmen , indes er die Fürstin und alles haßte !
Und wie konnte er diese lebenslange schweigende Kälte gegen mich behaupten ? -- "
Aber Albano bedachte zwei nahe Ursachen nicht , sein eigenes stolzes Benehmen gegen den Fürsten und den gewöhnlichen Fürstengeiz , der sich vor Apanagen-Geldern scheue .
Gaspards Verhandlungen in Haarhaar , welche der Lektor nur mit einigen von Julienne anbefohlenen Auslassungen gab , waren diese :
Mit eigener Lust und Stille sah der Ritter von jeher den Einwirrungen der menschlichen Verhältnisse zu und gab sie ihrer eigenen Auflösung oder Zerreißung hin .
Hier ließ er alle fremde Träume immer lebendiger und wilder werden , bis er mit einem Griff an die Brust sie alle dem Schläfer wegraffte .
Der alte Zorn über die stolze Verweigerung der Fürstenbraut wurde befriedigt , da er ihnen unter dem schimmernden Triumphtore ihrer Wünsche und Arbeiten die Dokumente über Albano's Geburt , von der Hand des alten Fürsten an bis auf die die des Bruders Luigi als eben so viele bewaffnete Wachen zeigen konnte , die sie aus dem Siegestore wieder rückwärts trieben .
Man erstaunte mitleidig , ging auf nichts ein , Albano war weder dem Lande noch Reiche vorgestellt .
Gaspard trug sehr ruhig eine frühe Anerkennung von Joseph II. nach .
Auch dieses wurde außer der Regel und als ungültig gefunden .
Darauf gestand er mit dem entschlossenen Zorn , mit dessen Blitzfunken er so oft plötzlich Menschen und Verhältnisse durchbohrte , daß er ohne Weiteres das ganze Betragen des Hofs gegen Luigi's achtes Jahr und dessen Reise- Jahre allen Höfen entschleiern werde .
Hier brach man erschrocken die vormittägigen Unterhandlungen ab , um sich zu neuen nachmittägigen zu rüsten .
In diesen -- welche der Lektor Albano zu verheimlichen beordert war -- wurde von weitem der Wunsch eines fortdauernden nähern Bandes zwischen beiden Häusern gezeigt .
Unter dem Bande wurde Idoine verstanden , deren Ähnlichkeit mit Lianen und dadurch Albano's Liebe gegen letztere längst als Anekdote bekannt gewesen .
Aber Titan IV. M m Gaspards ganzem Entwurfe seiner vollständigen Genugtuung stand dieser eingemischte schuldlose Engel entgegen ; er -- der mit seinem hohen zackigen Geweih doch leicht durch das verworrene niedrige Gezweig des Weltlebens flog -- stieß gegen die Schranke seiner Vollmacht an , sagte geradezu Nein und man brach entrüstet ab , mit der höflichen Erinnerung , daß Herr v. Hafenreffer als Bevollmächtigter ihn begleiten und in Pestiz das Übrige verhandeln solle .
So kamen beide an .
Hafenreffer , eben so fein und kalt als redlich , erforschte leicht alle Verhältnisse der Wahrheit .
Gaspard teilte Julienne -- noch im Wahne ihrer alten Liebe gegen seine Tochter Linda -- den Wunsch des fremden Hofes mit ; aber er wurde bestürzt über ihre Eröffnungen , welche so sehr für Idoine sprachen , als ihre bisherigen geheimen Einwirkungen auf Albano .
Dazu entrüstete sie ihn noch im verworrenen Helldunkel ihres Zustandes durch den gutgemeinten Antrag , ihm seine väterlichen Auslagen für Albano einigermaßen zu erstatten .
" Der Spanier liest keine Haushaltungsrechnungen , er bezahlt sie bloß " sagte er und nahm empfindlich Abschied auf immer , um alle Inseln der Erde zu bereisen .
Albano wollte er nicht mehr sehen , aus Verdruß über den Zufall , daß ihm durch Schoppens Kirchen- und Gräberraub das Vergnügen entwendet war , Albano durch die Entdeckung , daß er nur Linda's Vater und nicht seiner sei , für kühne Zweifel an seinem Werte zu strafen und zu demütigen .
Wohin Linda noch in jener Nacht seiner Entdeckung als Vater gegangen war , verbarg er allen kalt .
Darauf nahm er auch feierlichen Abschied von seiner vorigen Braut , der fürstlichen Witwe .
" Er halte es für Pflicht , ( sagte er ihr , ) ihr die neueste Erbfolge zu hinterbringen , da er einigermaßen sich selber sehr in den Gang der Sache habe verflechten lassen . "
Nie war ihr Blick stolzer und giftiger :
" Sie scheinen ( sagte sie gefasst ) in mehr als einen Irrtum verleitet zu sein .
Wenn es Sie so interessiert , wie Sie Sich denn überhaupt für dieses Land zu interessieren scheinen , so mache ich mir eine Freude daraus , Ihnen zu sagen , daß ich das Glück bekannt zu M m 2 machen nicht mehr anstehen darf , dem ich nun gewiß entgegensehe , dem Lande vielleicht durch einen Sohn ihres geliebten verstorbenen Fürsten jede Veränderung zu ersparen .
Wenigstens darf man vor der Entscheidung der Zeit keine fremde Einmischung dulden . "
Gaspard , über das Erwartete erzürnt , versetzte darauf bloß ein unendlich-freches Wort -- weil er leichter Geschlecht als Stand zu vergessen und zu verletzen vermochte -- und nahm darauf von ihr seinen höflichen Abschied mit der Versicherung , daß er gewiß sei , die Bestätigung dieser sonst so angenehmen Nachricht , wo er auch sein werde , zu erhalten und daß es ihm dann Leid tun würde , ihr aus Liebe zur Wahrheit öffentlich einige seltsame -- gerichtliche Papiere entgegen setzen zu müssen , die er ungern in Umlauf bringe .
" Sie sind ein wahrer Teufel " sagte die Fürstin außer sich .
" Vis-a-vis d'un Ange ?
Mais pourquoi non ? " versetzt er und schied mit den alten Zeremonien .
Albano , dessen Herz in allen diesen Tiefen und Abgründen die nackten verletzten Wurzeln und Fibern hatte , konnte nichts sagen .
Aber sein Freund Siebenkäs äußerte ohne Weiteres , " daß Gaspard bei jedem Schritte , und mit dem ewigen feinen Wanken und Zögern , wie z. B. über die Heirat seiner Tochter und sonst , nichts dargestellt habe als den lebendigen Spanier , wie ihn Gundling im I. Teil seiner Otia so gut schildere . "
Augusti verwunderte sich über diese Offenheit , indes erschien sie ihm leidlicher und zierlicher als Schoppens rauhe .
" Was mich am meisten frappieren würde , ( setzte Siebenkäs dazu , der wie es schien die Weltgeschichte zum Nebenfach genommen , ) wäre das lange Verschwiegenbleiben einer so wichtigen Abstammung unter so vielen Teilhabern des Geheimnisses , wenn ich nicht zu wohl aus Hume wüßte , daß die Pulver-Verschwörung unter Karl I. über ganze anderthalb Jahre von mehr als zwanzig Mitwissern wäre verborgen gehalten worden . "
Viel verwundet und durch sich gereinigt ging Albano nach diesen Erzählungen Nachmittags ab ins zwieträchtige Reich , aber mit heiterer heiliger Kühnheit .
Er war sich höherer Zwecke und Kräfte bewußt als alle harten Seelen ihm streitig machen wollten ; aus dem hellen , freien Ätherkreise des ewigen Guten ließ er sich nicht herabziehen in die schmutzige Landenge des gemeinen Seins -- ein höheres Reich als was ein metallener Zepter regiert , eines , das der Mensch erst erschafft , um es zu beherrschen , tat sich ihm auf -- im kleinen und in jedem Ländchen war etwas Großes , nicht die Volksmenge sondern das Volksglück -- höchste Gerechtigkeit war sein Entschluß , und Beförderung alter Feinde , besonders des verständigen Froulay . --
So sprang er nun zuversichtsvoll aus seinem bisherigen schmalen , nur von fremden Händen getriebenen Fahrzeug auf eine freie Erde hinaus , wo er allein ohne fremde Ruder , sich bewegen kann und statt des leeren , kahlen Wasser-Weges ein festes , blühendes Land und Ziel antrifft .
Und mit diesem Trost schied er von dem toten Schoppe und dem lebendigen Freund .
145. Zykel .
In der Dämmerung kam er auf dem Berge an , wo er die Stadt , die der Zirkus und die Bühne seiner Kräfte werden sollte , überschauen konnte , aber mit anderen Augen als sonst :
-- Er gehört nun einer deutschen Heimat an -- die Menschen um ihn sind seine Landesverwandte -- die ahnenden Ideale , die er sich einst bei der Krönung seines Bruders von den warmen Strahlen entwarf , womit ein Fürst als ein Gestirn Länder beleuchten und befruchten kann , waren jetzt in seine Hände zur Erfüllung gelegt -- sein frommer , von Landes- Enkeln noch gesegneter Vater zeigte ihm die reine Sonnenbahn seiner Fürsten-Pflicht -- nur Taten geben dem Leben Stärke , nur Maß ihm Reiz --
Er dachte an die um ihn her in Gräber gelegten eingesunkenen Menschen , zwar hart und unfruchtbar wie Felsen , aber auch hoch wie Felsen , an die vom Schicksal geopferten Menschen , welche die Milchstraße der Unendlichkeit und den Regenbogen der Phantasie zum Bogen ihrer Hand gebrauchen wollten , ohne je eine Sehne darüber ziehen zu können .
-- " Warum ging ich denn nicht auch unter wie Jene , die ich achtete ?
Wallte in mir nicht auch jener Schaum des Übermaßes und überzog die Klarheit ? "
Das Schicksal trieb jetzt wieder Spiele der Wiederholung mit ihm ; ein flammender Wagen rollte auf einem seitwärts vom Prinzengarten ablaufenden Wege davon ; langsam rückte der Leichenwagen des Bruders mit seinen Totenlichtern den Blumenbühle Berg hinan .
" Den langsamen Wagen kenne ich , wer ist der schnelle ? " fragte Albano den Lektor .
" Herr von Cesara hat uns verlassen " versetzt ' er .
Albano schwieg , aber er empfand den letzten Schmerz , den ihm der Ritter geben wollte .
Er bat den Lektor sehr , ihn allein den Weg nach Blumenbühl gehen zu lassen , weil er lauter Umwege nehme .
Er wollte im Tartarus das Grabmal des Vater-Herzens ohne Brust besuchen .
Als er durch die lärmvolle Vorstadt ging , sah ihn ein alter Mann lange starr an , floh plötzlich mit Schrecken davon und rief einer Frau , die ihm begegnete , zu : " der Alte geht um ! "
Der Mann war in der Jugend ein Bedienter des alten Fürsten gewesen , war blind und vor kurzem wieder heil geworden ; darum sah er den ähnlichen Sohn für den Vater an .
-- In der Stadt war die gewöhnliche Volksfreude über Wechsel laut .
In einem Hause war ein Kinderball , in einem anderen eine Truppe von Sprichwörterspielern ; indes die Landtrauer jeden Tanzsaal und jede Bühne verschloß .
Aus Roquairol's Stube sahen fremde lustige Musensöhne heraus .
Im Wirtshause des Spaniers hatte ein Knabe die Dohle an einem Faden .
Einige Leute hörte er im Vorbeigehen sagen : " wer hätte sich das träumen lassen ? "
-- " Ganz natürlich , ( versetzte der andere , ) ich mauerte damals auch mit an der fürstlichen Gruft und sah Ihn wie Dich . "
In der Bergstadt waren am Trauer-Schloß alle Fensterreihen hell beleuchtet , als gebe es ein froheres Fest .
Im Hause des Ministers waren alle finster , oben unter den Statuen des Dachs schlich ein einziges Lichtchen umher .
" Nein , ( dachte Albano , ) ich brauche nicht nachzusinnen , warum sank ich nicht auch mit unter .
O genug , genug fiel von mir in die Gräber -- Ich muß mich doch ewig nach allen entflohenen Menschen sehnen ; -- wie Taucher schwimmen die Toten unten mit und hal ten mein Lebensschiff oder tragen die Anker . "
Draußen sah er die alte Leichenseherin auf dem Blumenbühle Wege stehen , die ihm einst bei der Begleitung des Kahlkopfs begegnete ; sie schaute starr hinauf dem erleuchteten Leichenwagen nach und glaubte , Träume zu denken und die Zukunft , als sie der Wirklichkeit zuschaute .
Überall lagen in seiner Bahn die zuckenden Spinnenfüße , welche der erdrückten Tarantel der Vergangenheit ausgerissen waren .
Durch einen Flor sah er das Leben liegen , wiewohl es kein schwarzer sondern ein grüner war .
Sehnsüchtig kam er im Tartarus , aber schaudernd vor ihm , weil ihm die Vergangenheit mit ihren Geistern nachzog , auf dem herrnhutischen Gottesacker an , wo in einem Garten ohne Blumen , den eingesunkene , eingeschlafene Trauerbirken umstanden , der weiße Altar mit dem Vater-Herzen und der goldenen Inschrift schimmerte : " nimm mein letztes Opfer , Allgütiger ! "
Vor dem in eine Brust von Stein geschlossenen Herzen , das sich mit nichts regte , nicht mit einem Stäubchen , tat er sein kindli Ges Gebet zu Gott und fühlte , daß er seine Eltern würde geliebt haben und schwor sich , ihnen zu gefallen , wenn ihre hohen Augen sich noch in das tiefe Tal des Lebens richten .
Er drückte den kalten Stein wie eine Brust an sich ; und ging mit sanften Schritten weg als ginge der Greis neben ihm in seiner eigenen ihm so ähnlichen Gestalt .
Er sah auf von seinem Wege zum Berge , wo ihn der Vater abends am Pfingst- und Abendmahlstage gefunden , wie zu einem Tabor der Vergangenheit ; und im Gange durch das Birkenwäldchen erinnerte er sich noch wohl der Stelle * ) , wo einst zwei Stimmen , seine Eltern , seinen Namen ausgesprochen hatten .
So von der heiligen Vergangenheit eingeweiht , kam er in seinem Kindheits-Dörfchen an und sah die Kirche wie das Wehrfritzische Haus von Lichtern erfüllt , obwohl jene zu traurigem Zweck und dieses zum frohen der Gäste .
* ) Titan , 1ter Bd. S. 138. 146. Zykel .
Albano fand in der Verklärung , worin der Himmel ihm nur der Vergrößerungsspiegel einer schimmernden Erde war und die Vergangenheit nur das Vater- und Mutterland heiliger Eltern , in diesem Seelenglanz fand er das Erziehungshaus , worein er trat , festlich und als einen Tempel und alles Gemeine und Schwere geläutert oder nur nachgespielt auf einer Bühne .
Seine Mutter Albine und die Schwester Rabette kamen mit ihren freudigen Minen als höhere Menschen an sein bewegtes Herz .
Sie wichen eilig zurück , Julienne flog die Treppe herab und küßte den Bruder zum erstenmal öffentlich , in einer schweigenden Vermischung von Lust und Weh .
Als sie ihn losließ , fing aus der Nacht im Kirchturm das Geläute als Zeichen an , daß der tote Bruder in die Kirche einziehe ; da stürzte sie wieder auf Albano zurück und weinte unendlich .
Sie ging mit ihm hinauf , ohne zu sagen , wen er droben neben dem Pflegevater finde .
Eine alte Flötenuhr , deren mühsames Spiel von jeher seltenen Gästen dargeboten wurde , quoll ihm , als er die Türe öffnete , mit den Nachklängen der Kindertage entgegen .
Eine weibliche lange schwarzgekleidete Gestalt mit einem seitwärts herabgehenden Schleier , welche mit seinem Pflegevater sprach , wandte sich um nach ihm , da er eintrat .
Es war Idoine , aber der alte Zauberschein fuhr wieder über seine heute so bewegte Seele , als wenn es Liane aus dem Himmel sei , mit Unsterblichkeit gerüstet , auf überirdische Kräfte stolzer und kühner , nichts von der vorigen Erde mehr tragend als die Güte und den Reiz .
Beide fanden sich mit gegenseitigem Erstaunen hier wieder .
Julienne sah -- ihrer kleinen Verhehlungen und Anstalten sich bewußt -- ein rotes Wölkchen des Unwillens über Idoinens mildes Gesicht fliegen ; es war aber bald unter dem Horizont , sobald Idoine es bemerkte , daß die Schwester unter dem Leichengeläute des Bruders die Tränen nicht bezwingen konnte , und sie ging ihr freundlich entgegen , ihre Hand aufsuchend .
Idoine hatte , durch ihre Strenge leicht zum launischen Zürnen , diesem kleinen Kriege des Zorns , geneigt , sich durch scharfe lange Übung von die sein feinsten , aber stärksten Gift des Seelenglückes freigemacht , bis sie zuletzt an ihrem Himmel stand als ein reiner , lichter Mond ohne einen Regen- und Wolkenkreis der Erde .
Albano , dem die Erde , mit Vergangenheit und Toten gefüllt , eine Luftkugel geworden war , die in dem Äther ging , fühlte sich frei zwischen seinen Sternen und ohne irdisches Bangen ; er nahte sich Idoinen -- obwohl bei dem Bewußtsein der kämpfenden Verhältnisse ihres und seines Hauses -- mit heiligem Mute :
" Ihr letzter Wunsch im letzten Garten ( sagt ' er ) wurde vom Himmel gehört . "
-- Mit jungfräulich-entschiedenem Sinn ging sie durch die Wildnis , worin sie bald Blumen bald Dornen auseinander zu beugen hatte , um weder verlegen noch verletzt zu werden ; sie antwortete ihm : " ich freue mich von Herzen , daß Sie Ihre treue Schwester auf immer gefunden haben . "
Wehrfritz war über die Freimütigkeit , womit sie die Wahrheit redlich wider alle Familien- Verhältnisse sprach , eben so erfreuet als verwundert .
" So muß man immer auf der Erde viel verlieren , ( erwiderte ihr Albano , ) um viel zu gewinnen " und wandte sich an seine Schwester , als wolle er dadurch diesem Worte einen vieldeutigeren Sinn verwehren .
Das Totengeläute dauerte fort .
Die seltsame , frohe und trübe Vermischung der irdischen Schicksale gab allen eine feierliche und freie Stimmung Albine und Rabette kamen herauf , festlich dunkel gekleidet zum Gange in die Begräbniskirche .
Julienne teilte sich zwischen zwei Brüder und nie hob sich ihr Herz romantischer auf , das zugleich in Tränen und in Flammen stand .
Sie erriet , wie über ihren Bruder Albano ihre Freundin Idoine denke , an der sie eine festere Stimme kannte als die heutige war und deren süße Verwirrung ihr am leichtesten aus dem kurzen Berichte klar wurde , den ihr die offene Seele von dem Wiedersehen Albano's in Lianen Garten gemacht ; auch das kleine jungfräuliche Zurückzittern ihres heutigen Stolzes , da sie sich hier überall für eine auferstandene Liane , diese Geliebte des Jünglings , verlegen mußte gehalten finden , machte Julienne nicht irrer , sondern gewisser .
" An einem schönen Abend ( sagte Albano zu Idoinen ) sah ich einst in Ihr schönes Arkadien herab , aber ich war nicht in Arkadien " -- " Der Nahme ( versetzte sie und senkte wieder die klaren Augen bezogen zur Erde ) ist auch bloß Scherz ; eigentlich ist_es eine Alpe und doch nur mit Sennenhütten in einem Tale . "
Sie hob die großen Augen nicht wieder auf , als Julienne schweigend ihre Hand nahm und sie fortzog , weil jetzt das Leichengeläute mit traurigen einzelnen Stößen ausklang , als Zeichen daß die Totenfeier angehe , deren Teilnahme Julienne ihrem schwesterlichen Herzen unmöglich abdingen ließ .
" Wir gehen in die Kirche " sagte Idoine zur Gesellschaft .
" Wir wohl alle " versetzte Wehrfritz schnell .
Als die beiden Mädchen an Albano vorübergingen , bemerkte er zum erstenmal an Idoinen drei kleine Blatternarben , gleichsam als Erden- und Lebens-Spuren , die sie zu einer Sterblichen machten .
Er blickte der hohen edlen Gestalt mit dem langen wehenden Schleier nach , welche neben seiner Schwester eben so majestätisch , nur zarter gebaut , erschien als Linda , und deren heiliger Gang eine eine Priesterin verkündigte , die in Tempeln vor Göttern zu wandeln gewohnt gewesen .
Kaum waren beide verschwunden , als die alten Bekannten Albano's , zumal die Weiber , denen Julienne Gegenwart immer Albano's Stammbaum nahe gehalten , mit allen Zeichen der lang zurückgedrängten Herzlichkeit , voll Wünsche , Freuden und Tränen auf sein Herz eindrangen .
" Bleibt meine Eltern " sagte Albano .
" Bravheit ist alles auf der Erde " sagte der Direktor .
-- " Ich tat das Meinige wie eine Mutter , ( sagte Albine , ) aber wer konnte das wissen ? "
-- Rabette sagte nichts , ihre Freude und Liebe waren überschwenglich wie ihre Erinnerung .
" Meine Schwester Rabette ( sagte Albano ) hat mir , als ich das erstemal nach Italien ging , die Worte auf eine Börse gestrickt mitgegeben : gedenke unserer -- Diese werde ich Euch allen in jedem Schicksal erfüllen " -- und hier dachte er , obwohl zu verschämt-bescheiden , um es zu sagen , an das was er etwan als Fürst für seinen Pflegevater tun könnte , worunter die Zurückgabe von dessen heimfallenden Männer-Lehn zuerst gehörte . Titan IV. N n " So wird uns denn manches zeitige Herzeleid -- " fing Albine an .
" O was Herze , was Leid , ( sagte Wehrfritz , ) heute wird alles richtig und glatt . "
Aber Rabette verstand die Mutter sehr wohl .
Alle begaben sich auf den Weg zum Trauer- Tempel .
Sie hörten aus der Kirche die Musik des Liedes : " wie sie so sanft ruhn " ; in einiger Ferne versuchten sich Waldhörner zu froheren Tönen .
Rabette drückte Albano's Hand und sagte sehr leise : " es ist gut mit mir geworden , weil ich alles erfahren habe . "
Sie hatte dem unglücklichen Roquairol , seitdem er ein vielfaches Glück und sich selber ermordet hatte , ihre ganze Liebe ins Grab zum Verwesen nachgeworfen , ohne eine Träne dazu zu tun .
Sie sprang auf Idoinens Güte über , auf ihre Ähnlichkeit , " mit deren Erwähnung der Vater den Engel heute rot gemacht " und auf ihr schönes Trösten Julienne , die vor Albano's Ankunft unaufhörlich geweint .
Albine lobte mehr Julienne wegen Ihrer Geschwister-Liebe .
Rabette schwieg über diese ; beide waren schwesterliche Nebenbuhlerinnen ; auch hatte Julienne sie als Schlachtopfer des von ihr verachteten Roquairol's nach ihrem scharfen unerbittlichen System sehr kalt angesehen , indes Idoine , welche , durch ihre größere Kenntnis der Menschen , Milde gegen die weiblichen Irrtümer des Herzens und Augenblicks mit Strenge gegen Männer verbinden lernen , nur sanft und gerecht gewesen war .
Als sie in die Kirche voll Trauerlampen traten : schlich sich Albano in eine unbeleuchtete Ecke weg , um nicht zu stören und gestört zu werden .
Am hellen Altare stand heiter der ehrwürdige Spener mit dem unbedeckten Haupt voll Silberlocken , der lange Sarg des Bruders stand vor dem Altare zwischen Lichter-Linien .
Am Gewölbe der Kirche hing Nacht und die Gestalten verloren sich in das Dunkel , unten durchkreuzten sich Strahlen und Schlagschatten und Menschen .
Albano sah wie eine Todespforte die eiserne Gittertüre des Erbbegräbnisses aufgetan , worein seine frommen Eltern gezogen waren ; und ihm war als schreite noch einmal Schoppens brausender Geist hinein , um in das letzte Haus des Menschen einzubrechen .
Der N n 2 Bruder rührte ihn nur wenig , aber die Nachbarschaft der stillen Eltern , die so lang für ihn gesorgt und denen er nie gedankt , und die unaufhörlichen Tränen der Schwester , die er in der Empor über der Todespforte sah , ergriffen heftig sein Herz , aus welchen die tiefen ewigen Trauertöne die Tränen , gleichsam das warme Blut der Trauer und Liebe sogen .
Er sah Idoine , mit ihrer halb roten halb weißen Lankaster-Rose auf der schwarzen Seide neben der Schwester stehen , sich gegen manchen vergleichenden Blick den Schleier über die Augen ziehend -- Hier neben solchen Altarlichtern hatte einst die bedrängte Liane unter dem Abschwören der Liebe gekniet --
Das ganze Sternbild seiner glänzenden Vergangenheit , seiner hohen Menschen , war hinunter unter den Horizont und nur Ein heller Stern davon stand noch schimmernd über der Erde , Idoine .
Da erblickte den Jüngling sein Freund Dian und eilte herzu .
Ohne viele Rücksichten umarmte ihn der Grieche und sagte :
" Heil , Heil der schönen Veränderung !
Dort steht meine Chariton , auch sie möchte nach ihrer Spra che * ) grüßen . "
-- Aber Chariton blickte unaufhörlich Idoinen wegen ihrer Ähnlichkeiten an .
" Nun , mein guter Dian , ich habe manches Herz und Glück dafür hingezahlt und mich wundert es , daß Dich mir das Geschick gelassen " sagte Albano .
-- Darauf fragt er ihn als den Baumeister der Kirche nach der Beschaffenheit des Erbbegräbnisses , weil er nachher sich wolle die Asche seiner Eltern aufdecken lassen , um wenigstens stumm und dankend hinzuknien .
" Davon ( sagte Dian betroffen ) weiß ich sehr wenig ; aber ein grausamer Vorsatz ist es und wozu soll er führen ? "
-- Die Musik hörte auf , Spener fing leise seine Rede an .
Er sprach aber nicht von dem Fürsten zu seinen Füßen , auch nicht von seinen Geliebten in der Erbgruft , sondern von dem rechten Leben , das keinen Tod kenne und das erst der Mensch in sich erzeuge .
Er sagte , daß er , obwohl ein alter Mann , weder zu sterben noch zu leben wünsche , weil man schon hier bei Gott sein könne , sobald man nur Gott in * ) Nämlich freue Dich . sich habe -- und daß wir müßten unsere heiligsten Wünsche wie Sonnenblumen ohne Gram verwelken sehen können , weil doch die hohe Sonne Fortstrahl , die ewig neue ziehe und pflege -- und daß ein Mensch sich nicht sowohl auf die Ewigkeit zubereiten als die Ewigkeit in sich pflanzen müsse , welche still sei , rein , Licht , tief und alles .
Für manche Menschen-Brust in der Kirche wurde durch die Rede der Vergangenheit die Giftspitze abgebrochen .
Auf Albano's steigendes Meer halte sie glattes Öl gegossen und um sein Leben wurde ' es eben und glänzend .
Julienne Augen waren trocken und voll heiteren Lichtes geworden ; und Idoinens ihre hatten sich schimmernd gefüllt , weil heute ihr Herz zu oft in Bewegung gekommen war , um nicht in der süßen , andächtigen und erhebenden zu weinen .
Einmal war Albano , da er zu ihr blickte , als glänze sie überirdisch und , wie auf eine Luna die Sonne unter der Erde , strahle Liane aus der anderen Welt auf ihr Angesicht und schmücke das Ebenbild mit einer Heiligkeit jenseits der Erde .
Nach dem Schlusse der Rede ging Albano ruhig zu beiden Freundinnen , drückte seiner Schwester die Hand und bat sie , nicht das Ende der dunklen Feier abzuwarten .
Sie war getröstet und willig .
Da sie aus der Kirche traten , war ein wunderbarer heller Mondschein auf der Erde verbreitet wie ein süßes Morgenlicht der höheren Welt .
Julienne bat sie , statt zwischen die Mauern , die Kerker der Augen und Worte , und unter das Getümmel hineinzugehen , lieber vorher die hellen stillen Gegenden zu schauen .
Alle trugen in ihrer Brust die heilige Welt des heiteren Greises in die schöne Nacht hinaus .
-- Kein Wölkchen , kein Lüftchen regte sich am weiten Himmel , die Sterne regierten allein , die Erdenfernen verloren sich in weiße Schatten und alle Berge standen im silbernen Feuer des Mondes .
" O wie liebe ich Ihren heiteren hei liegen Greis ( sagte Idoine zu Albano und hatte schon oft Julienne Hand gedrückt ) --
Wie gut ist mir ! --
Ach das Leben wird wie das Meerwasser nicht eher ganz süß , als bis es gen Himmel steigt . "
-- Plötzlich kamen zu je einen ferne Waldhorntöne heraus , welche gutmeinende Landleute vor Albano's Erziehungshause als Grüße brachten .
" Wie kommt es , ( sagte Julienne , ) daß im Freien und Nachts auch die unbedeutendste Musik gefällig und rührend wird ? "
-- " Vielleicht weil unsere innere heller und reiner dazu mittönt " sagte Idoine .
-- " Und weil vor der Sphärenmusik des Universums menschliche Kunst und menschliche Einfalt am Ende gleich groß sind " setzte Albano dazu .
" Das meint ' ich eben , denn sie ist doch auch nur in uns " sagte Idoine und sah ihm liebreich und offen in die Augen , die vor ihren zusanken , wie wenn ihn jetzt der Mond , der milde Nachsommer der Sonne , blendend überglänzte .
Sie wandte sich seit der Kirchenfeier öfter an ihn , ihre süße Stimme war teilnehmender obwohl zitternder , die jungfräuliche Scheu vor Lianen Ähnlichkeit schien besiegt oder vergessen , so wie an jenem Abende im letzten Garten ; in ihr hatte sich unter Speers Rede ihr Dasein entschieden und an der Liebe der Jungfrau waren , wie an einem Frühling durch Einen warmen Abend-Regen alle Knospen blühend aufgebrochen .
Indem er jetzt dieses klare milde Auge unter der wolkenlosen reinen Stirn anschaute und den feinen vom unerschöpflichen Wohlwollen gegen jedes Leben überhauchten Mund :
so begriff er kaum , daß diese weiche Lilie , diesen leichten Duft aus Morgenrot und Morgenblumen aufgestiegen , der feste Geist bewohne , der das Leben regieren konnte , so wie die zarte Wolke oder die kleine Nachtigallen-Brust der schmetternde Schlag .
Sie standen jetzt auf dem vom Immergrün der Jugenderinnerung bedeckten hellen Berge , wo Albano sonst in den Träumen der Zukunft geschlummert hatte , wie auf einer lichten hohen Insel mitten im Schatten-Meere zweier Täler .
Die Lindenstädter Gebirge , das ewige Ziel seiner Jugendtage , waren vom Mond beschneiet und die Sternbilder standen blitzend und groß auf ihnen hin .
Er sah Idoine nun an -- wie gehörte diese Seele unter die Sterne !
-- " Wenn die Welt rein ist vom niedrigen Tage -- wenn der Himmel mit seinen heiligsten fernsten Sonnen das Erdenland ansieht -- wenn das Herz und die Nachtigall allein sprechen : -- nur dann geht ihre heilige Zeit am Himmel an , dann wird ihr hoher stiller Geist gesehen und verstanden und am Tage nur ihr Reiz " ; dachte Albano .
" Wie manchmal , mein guter Albano , ( sagte die Schwester , ) hast Du hier in Deinen verlassenen Jugendjahren zu den Bergen nach den Deinigen gesehen , nach Deinen verborgenen Eltern und Geschwistern ; denn Du hattest immer ein gutes Herz ! "
Hier blickte ihn Idoine unbewußt mit unaussprechlicher Liebe an -- und sein Auge ihres .
-- " Idoine , ( sagt ' er und ihre Seelen schauten in einander wie in schnell aufgehende Himmel und er nahm die Hand der Jungfrau , ) ich habe noch dieses Herz , es ist unglücklich , aber unschuldig . "
-- Da verbarg sich Idoine schnell und heftig an Julienne Brust und sagte kaum hörbar :
" Julienne , wenn mich Albano recht kennt , so sei meine Schwester ! "
-- " Ich kenne Dich , heiliges Wesen " sagte Albano und drückte Schwester und Braut an Eine Brust .
-- Und aus allen weinte nur Ein freudetrunkenes Herz .
" O ihr Eltern , ( betete die Schwester , ) o du Gott , so segne sie beide und mich , damit es so bleibe ! "
Und da sie gen Himmel sah , als die Liebenden im kurzen heiligen Elysium des ersten Kusses wohnten , so blickten unzählige Unsterbliche aus der blauen tiefen Ewigkeit -- die fernen Töne und die milden Strahlen verwoben sich in einander -- und das schlummernde Reich des Mondes erklang -- " schauet auf zum schönen Himmel , ( rief die freudentrunkene Schwester den Liebenden zu , ) der Regenbogen des ewigen Friedens blüht an ihm und die Gewitter sind vorüber und die Welt ist so hell und grün -- wacht auf , meine Geschwister ! " --
Ende .
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- TextGrid Repository (2025). Paul, Jean. Titan: Teil 4. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0h9.0