Dritter Band .
Berlin , 1802 .
In der Buchhandlung des Kommerzienrats Matzdorf .
Inhalt des dritten Bandes .
Fünfzehnte Jubelperiode .
67 - 72. Zykel .
Der Mann und das Weib .
Seite 1 Sechzehnte Jubelperiode .
73 - 76. Zykel .
Die Leiden einer Tochter . --
83 Siebzehnte Jubelperiode .
77 - 78. Zykel .
Fürstliche Vermählungs-Territion -- Lilars Illumination .
Seite 150 Achtzehnte Jubelperiode .
79 - 81. Zykel .
Gaspards Brief -- die Blumenbühle Kirche -- die Sonnen- und Seelenfinsternis . --
184 Neunzehnte Jubelperiode .
82 - 85. Zykel .
Schoppe's Trostamt -- Arkadien -- Bouverots Portraitmalerei . -- 216 Zwanzigste Jubelperiode .
86 - 89. Zykel .
Gaspards Brief -- Trennungen . -- 250 Ein und zwanzigste Jubelperiode .
90 - 92. Zykel .
Die Leseprobe der Liebe -- Froulay's Furcht vor Glück -- der betrogene Betrüger -- Ehre der Sternwarte Seite 300 Zwei und zwanzigste Jubelperiode .
93 - 94. Zykel .
Schoppe's Herz -- gefährliche Geister- Bekanntschaften -- 337 Drei und zwanzigste Jubelperiode .
95 - 96. Zykel .
Liane. -- 365 Vier und zwanzigste Jubelperiode .
97 - 98 .
Zykel Das Fieber -- die Kur. -- 393 Fünf und zwanzigste Jubelperiode .
99 - 100. Zykel .
Der Traum -- die Reise .
Seite 416. Fünf Fünfzehnte Jubelperiode .
Der Mann und das Weib .
67. Zykel .
Vor der Bühne habe ich die frohe Erfahrung gemacht , daß ich an den Schmerzen , die darauf sofort nach dem Aufzug des Vorhanges erschienen , nur geringen Anteil , hingegen an Freuden , die sogleich hinter der Musik auftraten mit ihrer eigenen , den größten nahm ; der Mensch will mehr , daß die Klage , als daß die Entzückung sich motiviere und entschuldige .
Ohne Bedenken fange ' ich daher einen dritten Band mit Seligkeiten an , die ohnehin das vorhergehende Paar überflüssig vorbereitete .
Jetzt in dieser Minute muß unter allen Adamsenkeln , welche ein freudiges Gesicht zum Himmel aufhoben und ihm einen noch schöneren darauf nachspiegelten , irgend einer gewesen sein , der den größten hatte , ein Seligster . --
Ach freilich muß auch unter allen tragenden Wesen auf dieser Kugel , die unser kurzer Lauf zur Ebene macht , eines das unglücklichste gewesen sein und möge der Arme schon im Schlafe liegen unter , nicht auf seinem steinigen Wege .
-- Ob ich_es gleich wünschte , daß Albano nicht jener Allerglücklichste gewesen wäre -- damit es noch einen höheren Himmel über seinem gäbe -- so ist doch wahrscheinlich , daß er am Morgen nach der heiligsten Nacht , im jetzigen Traume vom reichsten Traume , tief in den dreifachen Blüten , der Jugend , der Natur und der Zukunft stehend , den weitesten Himmel in sich trug , den die enge Menschenbrust umspannen kann .
Er sah aus seinem Donnerhäuschen , diesem kleinen Tempel , an dessen Wänden noch der Schimmer der Göttin stand , die ihm darin sichtbar geworden , auf die neugestalteten Berge und Gärten Lilars hinaus und es war ihm als sähe er hinein in seine weiß und rot blühende , mit Berg- und Fruchtgipfeln ausgeschmückte Zukunft , ein volles Paradies in die nackte Erde gebaut .
Er sah sich in seiner Zukunft nach Freuden-Räubern um , die seinen Triumphwagen anfallen könnten ; -- er fand sie Alle sichtbar zu schwach gegen seine Arme und Waffen .
Er stellte Lianen Eltern und seinen eigenen Vater und das bisherige in der Luft arbeitende Geister-Heer mitten auf seinen Weg zur Geliebten hin ; -- in seinen Muskeln glühte überflüssige Kraft , sich leicht zu ihr durchzuschlagen und sie in sein Leben mitzunehmen durch Arbeit und Gewalt .
" Ja , ( sagt ' er , ) ich bin ganz glücklich und brauche nichts mehr , kein Schicksal , nur mein und ihr Herz ! "
Albano , möge dein böser Genius diesen gefährlichen Gedanken nicht gehöret haben , damit er ihn nicht zur Nemesis trage !
O in diesem wildverwachsenen Leben ist kein Schritt , sogar in den blühenden Lustgängen , ganz sicher , und mitten in der Fülle dieses Kunstgartens erwartet dich ein fremder finsterer Giftbaum und A 2 hauchet kalte Gifte in das Leben ! --
Daher war es sonst besser , da die Menschen noch demütig waren und zu Gott beteten in der großen Entzückung ; denn neben dem Unendlichen senkt sich das feurige Auge und weinet , aber nur aus Dankbarkeit .
Kein kleinliches Kalendermass werde an die schöne Ewigkeit gelegt , die er nun lebte , da er die Geliebte jeden Abend , jeden Morgen in ihrem Dörfchen sah .
Als Abendstern ging sie vor seinen Träumen , als Morgenstern vor seinem Tage her .
Den Zwischenraum füllten beide mit Briefen aus , die sie einander selber brachten .
Wenn sie Abends schieden , nicht weit vom Wiedersehen , und dann in Norden unten am Himmel schon die Rosenknospen-Zweige hinliefen , die unter dem Menschenschlafe schnell nach Osten hinwuchsen , um mit tausend aufgeblühten Rosen vom Himmel herabzuhängen , ehe die Sonne wieder kam und die Liebe -- und wenn sein Freund Karl Nachts bei ihm blieb und er nach einer Stunde fragte , woher das Licht komme , ob vom Morgen oder vom Mond -- und wenn er aufbrach , da noch Mond und Morgen in den tauenden Lustwäldern zusammenschienen , und wenn ihm der Weg , vor einigen Stunden zurückgelegt , ganz neu vorkam und die Abwesenheit zu lange , ( weil Amors Pfeil halb ein Sekundenzeiger ist der den Monatstag , und halb ein Monatszeiger der die Sekunde weiset , und weil in der Nähe der Geliebten die kleinste Abwesenheit länger dauert als in ihrer Ferne die große ) -- und wenn er sie wieder fand : so war die Erde ein Sonnenkörper , aus welchem Strahlen fuhren , sein Herz stand in lauter Licht und wie ein Mensch , der an einem Frühlingsmorgen von dem Frühlingsmorgen träumt , ihn noch heller um sich findet , wenn er erwacht , so schlug er nach dem seligen Jugendtraum von der Geliebten die Augen auf vor ihr und verlangte den schönsten Traum nicht mehr .
Zuweilen sahen sie sich , wenn der lange Sommertag zu lang wurde , auf entfernten Bergen , wo sie der Abrede gemäß der Ernte zusahen ; zuweilen kam Rabette allein nach Lila zum Bruder , damit er einiges von Lianen hörte .
Wenn Liane ein Buch gelesen : laß er_es nach ; oft laß er_es zuerst und sie zuletzt .
Was die schönsten , unschuldigsten Seelen einander Göttliches zeigen können , wenn sie sich auftun , ein heiliges Herz , das noch heiliger , ein glühendes , das noch glühender macht :
das zeigten sie sich .
Albano wurde gegen alle Wesen mild , und der Glanz einer höheren Schönheit und Jugend füllte sein Angesicht .
Die schönen Gebiete der Natur oder seiner Kindheit wurden durch die Liebe geschmückt , nicht diese durch jene ; er war von dem blassen , leisen Mondwagen der Hoffnung auf den rauschenden , glänzenden Sonnenwagen der lebendigen Entzückung gestiegen .
Sogar auf den Ruderschiffen hölzerner Wissenschaften schlugen jetzt , wie von Bacchus Wunderhand belebt , Maste und Taue zu Weinstöcken und Trauben aus . --
Ging er ins Froulaysche Haus : so kam er , weil er voll Toleranz hineingieng , ohne Kosten derselben daraus zurück ; der Minister , der , mit einem Flore von heiteren , blühenden Ideen auf dem Gesichte , von Haarhaar zurückgekehrt , gab ihm reizende Aussichten auf den Jubel mit , womit Stadt und Land das nahe Mäh lungsfest des Fürsten und den Gewinn der schönsten Braut begehen werde .
Und hatte er nicht zu Allem noch seinen Freund dazu ?
Nenne man so nahe vor der Flamme der Freude steht , so flieht man zwar Menschen -- weil sie leicht zwischen uns und die schöne Wärme treten -- , aber man sucht sie auch ; ein herzlicher Freund ist unser Wunsch und Glück , welcher den frohen Traum , worin wir schlafen und sprechen , leise weiter leitet , ohne ihn fortzujagen .
Karl spielte sanft in des Freundes Traum ; er hätte ' es aber auch schon aus inniger Liebe gegen die Schwester getan .
In der Tat mit so viel Jugend -- Sommerwetter -- Unschuld -- Freiheit -- schöner Gegend -- und hoher Liebe und Freundschaft lässt sich wohl schon unten auf der Erde etwas dem Ähnliches zusammensetzen , was man oben im Himmel einen Himmel nennt ; und eine Himmelskarte , ein Elysiums-Atlas , den man davon mappierte , würde wohl nicht anders aussehen als so : vorne ein langes Hirtenland mit zerstreuten Lustschlössern und Sommerhäusern , -- ein Philanthropistenwäldchen in der Mitte -- die Taborsberge oben mit Sennen -- lange Kampanerthäler -- darauf der weite Archipelagus mit Beters-Inseln Inseln -- drüben die Ufer eines neuen festen Hirtenlandes ganz bedeckt mit Daphnischen Hainen und Alcinous- Gärten -- dahinter wieder das weit hineinlaufende Arkadien u. s. w. Alles was nun Albano von Philosophie und Stoizismus in sich hatte -- denn er hielt das , was ihm der Arm aus den Wolken gab , für Ausbeute des eigenen -- wandte er an , um durch sie seiner Entzückung das Maß , das sie geben , zu nehmen .
Mäßigen , sagte er , sei nur für Patienten und Zwerge ; und alle jene bekümmerten , gleichschwebenden Temperaturisten und Taktmesser hätten , es sei in der Ausbildung einer Freude oder eines Talents , mehr sich als der Welt genützt , hingegen ihre Antipoden mehr der Welt als sich * ) .
* )
Jede parziale Ausbildung wirkt freilich für das Ganze gut , aber nur darum , weil dessen entgegengesetzte parziale sie in einer höheren Gleichung und Summe aufhebt , so daß aus allen Er brachte sich sehr gute Grundsätze vor das Auge ; der Mensch , sagte er , ist frei und ohne Grenze nicht in dem , was er machen oder genießen , sondern in dem , was er entbehren will ; alles kann er , wenn er will , entbehren wollen .
Überhaupt , fuhr er fort , hat man bloß die Wahl , entweder immer oder nie zu fürch * ) * ) einzelnen Menschen nur die Glieder eines einzigen Riesen werden , wie der Schwedenborgische ist .
Aber insofern in dem einen Individuum ein Mangel entsteht , der einem entgegengesetzten in dem anderen abhilft -- so daß der Weg der Menschheit gleich sehr plagt und stößt durch Vertiefung und durch Erhöhung -- so sieht man , daß jede einseitige Fülle nur Kur der Zeit ist , nicht Gesundheit derselben ; und daß das höhere Gesetz zwar langsamere individuelle aber harmonische Ausbildung bleibt ; zwar kleinere aber allseitige und dadurch in der späteren Zeit sogar schnellere .
Wir vergessen immer , daß -- wie in der Mechanik sich Kraft und Zeit gegenseitig ergänzen -- die Ewigkeit die unendliche Kraft sei .
ten ; denn dein Lebenszelt steht auf einer geladenen Mine und rings umher halten die Stunden offene Geschosse auf dich . --
Nur das tausendste * ) trifft ; und in jedem Fall falle ich doch lieber stehend als feig gebückt .
Allein -- beschloß er , um sogar sich darüber zu entschuldigen -- ist denn die Standhaftigkeit zu nichts Besserem gemacht als zu einer Wundärztin und Magd , und nicht vielmehr zu unserer Muse und Göttin ?
denn sie ist ja nicht ein Gut , weil * )
Nach dem Ingenieur Borreux trifft wörtlich nur der 1000te Schuß des kleinen Gewehrs .
-- So ist_es überall ; fürchte den Tod , so stehen fallende Blumentöpfe der Fenster , Blitze aus blauem Himmel , loßgehende Windbüchsenschüsse , Herzpolypen , wütige Hunde , Räuber , jede Fingerwunde , aqua toffana , Schwamm-Leckerei etc. kurz die ganze Natur -- diese immer fortgehende zerquetschende Kochenillen-Mühle -- steht mit unzähligen geöffneten Parzenscheren rings um dich , und Du hast keinen Trost als daß -- demungeachtet die Leute achtzig Jahre alt werden .
-- Fürchte die Verarmung :
so fassen dich Feuers- , sie ein verlorenes entbehren hilft , sondern sie ist selber eines , und ein größeres als das ersetzte ; auch der Seligste muß sie erwerben , sogar ohne Gelegenheit und Gabe von außen ; ja es ist desto besser , wenn sie früher besessen wird als angewandt .
Zum Teil waren diese Täuschungen oder Rechtfertigungen Noth- und Schutzwehr gegen den tragischen Roquairol , der jede Freude und auch die seines Freundes mit düstern Kon * ) * ) Wasser- , Theurungs- und Kriegsnöten , eine Diebs-Bendee , Revolutionen , mit gierigen Krallen und Fängen ein , und doch , Du Reicher , wird der Arme -- unter denselben Stoßvögeln hinkriechend -- am Ende so reich wie Du .
Gehe also kühn durch die schlummernde Löwenherde rechts und links liegender Gefahren zum Brunnen hindurch , nur wecke sie nicht mutwillig auf . --
Freilich zieht Einzelne ein Höllengott hinab , die nichts fürchteten ; aber auch Einzelne ein oberer Gott hinauf , die nichts erwarteten ; und Furcht und Hoffnung gehen hier unter in einer gemeinschaftlichen Nacht . trasten heben wollte ; zum Teil muß auf jene ein edler Mann , der bisher sich in den Schmerz warf , ohne dessen Tiefe zu messen und der immer seine Kraft , durch das Leben zu schwimmen , fühlen wollte , notwendig geraten , wenn er innen wird , daß sich der Schwerpunkt seiner Seligkeit und seiner Hölle verrückt , und aus seinem Ich in ein fremdes begeben habe .
" O wenn sie stürbe ? " fragt er sich .
Er hatte es nicht gewohnt , vor irgend einem Tode so zu erschrecken wie vor diesem .
Daher faßte er diese Disteln der Phantasie recht scharf in die Hand , um sie zu zerdrücken .
Am Ende , da die reine Landluft der Liebe und der Schäfertanz in diesem Arkadien immer mehr Rosen auf Lianen Wangen brachten , so hörten seine Disteln zu wachsen auf .
Allen übrigen Ottern des Lebens -- sobald sie nur keinen Durchgang durch Lianen Herz sich machen konnten -- war er unzugänglich .
Um jeden Preis , -- und sollte er Alles verlassen , entbehren , erzürnen , unternehmen -- wollte er Lianen erkaufen .
Die Schreckgespenster , die ihm aus zwei Häusern , Froulays und Gaspards , drohend entgegen liefen , ließ er heran und löste sie auf : steht der Feind einmal da , dachte er , so bin ich seiner auch .
Oft stand er im Tartarus und fand in diesem Stillleben des Todes von erhobener Arbeit Seelenstille .
Die Gegenwart nimmt schneller unseren Widerschein als wir ihren an ; auch hier gewann er sanfte , weite , das Leben lichtende Hoffnungen und süße Tränen , die ihm über Lianen Sterbe-Glauben entflossen , nicht weil er die Wahrscheinlichkeit , sondern weil er die Unwahrscheinlichkeit desselben sich dachte , die durch Liebe und Freude und Genesung täglich größer wurde .
Nur Ein Unglück gab es für ihn , woran jede Waffe zersprang , dessen Möglichkeit er aber für einen sündigen Gedanken hielt , daß nämlich er und Liane durch Schuld , Zeit oder Menschen aufhören könnten , einander zu lieben ; hier , auf zwei Herzen vertrauend , trotzt er kühn der Zukunft : -- O , wer sagte nicht , wenn er im Vertrauen auf eine warme Ewigkeit seine Entzückung ausdrückte : die Parze kann unser Leben zerschneiden , aber sie komme und öffne die Schere gegen das Band unserer Liebe ? den Tag darauf stand die Parze vor ihm und drückte die Schere zu .
68. Zykel. Einst kam Roquairol ganz spät , um Albano mitzunehmen zur " Abendstern-Partie " auf der Sennenhütte , die jener mit Rabatten verabredet hatte .
Der Hauptmann führte um die warmen Quellen seiner Liebe und Freude gern die Brunnenfassung ganz auserlesener Tage und Umstände ; konnte ' er_es machen , so erklärte er z. B. seine Liebe etwan an einem Geburtstage -- unter einer totalen Sonnenfinsternis -- an einem Schalttag -- in einem blühenden Treibhaus im Winter -- hinter dem Stuhlschlitten auf dem Eise -- oder in einem Gebeinhaus ; eben so zerfiel er mit anderen gern an bedeutenden Orten und Tagen , in dem Kirchstuhle -- in Frühlings- oder Wintersanfang -- in der Kulisse des Liebhabertheaters -- auf einer Brandstätte -- unweit des Tartarus oder im Flötental .
Albano aber war zu jung -- wie andere zu alt -- um seine frischen Gefühle erst mit künstlichen Stunden und Stellen zu würzen ; er machte lieber durch jene diese schöner .
Mit ungestümer Freude flog Albano auf den ungehofften Weg der Freude .
Der gestrige Abend war so reich gewesen -- die vier Paradiesesflüsse waren in Einer Katarakte vom Himmel in sein Herz gestürzt -- am heutigen wollte er in die stäubenden Wirbel desselben springen .
-- Schon der Abendhimmel war so schön und rein und der Hesperus ging mit wachsendem Glanz seine helldämmernde Bahn hinab .
Rabette wartete unten am Berge der Sennenhütte ( des Schießhäuschens ) , um ihn unbemerkt an die unvorbereitete Freundin zu führen , die im Fenster , mit dem glänzenden Auge am Hesperus sinnend lag und an die vollen glühenden Herbstblumen dachte , welche nun in ihrem Leben so spät und so nahe neben der längsten Nacht aufgiengen .
Sie war heute über Manches trübe .
Sie hatte überhaupt bisher ihre Liebe mehr zu verdienen und zu rechtfertigen als zu genießen und zu vergrößern , und mehr mit ihr das fremde Herz als das eigene zu beglücken gesucht .
Wie sehnte sie sich unbeschreiblich nach Taten für Ihn -- nur Opfer waren ihr Taten -- und beneidete ordentlich ihre Freundin , die für Karl jedesmal doch ein -- Getränk zu bereiten hatte !
Da sie nichts weiter wußte , so drückte sie ihren Diensteifer durch größere töchterliche Liebe und Annäherung gegen Albanos Eltern und Schwester aus ; und lernte sogar ein wenig kochen , welches ihr andere Ministers-Töchter , die nichts machen als Salat und Tee , mit Nachsicht und mit dem Gedanken verzeihen müssen , daß sie in Lianen Falle auch nichts Anders machen würden , sondern eher ein Gericht mehr .
Ja , sie hielt Rabette für tugendhafter , weil diese mehr in die Breite und Länge tätiger sein konnte ; Rabette hielt wieder Lianen für besser , weil sie lieber betete ; den ähnlichen Irrtum verdoppelten sie über die Brüder , Rabatten kam Karl sanfter vor und Lianen Albano , beiden nach Schlüssen aus ihren gegenseitigen Berichten .
So So lange ein Weib liebt , liebt es in Einem_Fort -- ein Mann hat dazwischen zu tun -- ; Liane verwandelte Alles in sein Bild und seinen Rahmen ; dieser Berg , dieses Stübchen , diese für ihn einmal gefährliche Vogelstange , wurden die Bastelstifte zu seinem festen Bilde .
Sie kam immer darauf zurück , daß er etwas Besseres verdiene als sie ; denn die Liebe ist Demut ; der Trauring prangt mit keinem Juwel .
Es rührte sie , daß ihn ihr früher Tod betrübe .
Da sah sie noch das von Blattern erblindete Mädchen , das er einmal unwissend sich ans Herz gedrückt * ) ; und sie fand sich mit dem Witze der Trauer auch darin der Blinden ähnlich , nicht bloß in der gleichen obwohl kürzeren Nacht , die einmal der Schmerz über ihre Augen geworfen .
So sanft wie ihr Ebenbild , der Hesperus , sich in den Abendhorizont des Lebens eintauchend , fand sie ihr Geliebter .
Sie konnte nie sogleich aus ihrem Herzen heraus in die über * ) Titan I. B. S. 143. Titan III. B Raschende Gegenwart ; ihre Wendungen waren immer wie der Sonnenblume ihre nur langsam und jede Empfindung lebte lange in ihrer treuen Brust .
Selten findet überhaupt der Liebende den Empfang der Liebenden dem letzten Bilde ähnlich , das ihm der Abschied mitgegeben ; eine weibliche Seele soll -- das begehrt der Mann -- völlig mit den Flügeln , Stürmen , Himmeln der letzten Minute wieder in die nächste brausen .
Aber von jeher empfing Liane ihren Freund scheu und sanft , und anders als sie geschieden war ; und zuweilen kam dem Feuergeiste dieses zarte Warten , dieses langsame Heben des Augenlieds fast wie ein Umkehren in die alte Kälte vor .
Heute ergriff es den wärmeren Grafen stärker als sonst .
Wie ein Paar fremde Kinder die miteinander bekannt werden sollen und sich anlächeln und anrühren , standen beide freundlich und verlegen nebeneinander .
Sie erzählte , daß sie von seiner Schwester sich sein Kindeswagstück auf diesem Berge erzählen lassen .
Eine Geliebte kennt keine schönere , reichhaltigere Geschichte als die ihres Freundes .
" O da schon , ( sagte er " bewegt , ) blickte ich nach Deinen Bergen !
Dein " Name ist wie eine goldene Inschrift an meine " ganze Jugend geschrieben .
Ach Liane , hast " Du mich wohl geliebt wie ich Dich , als Du " mich noch nicht gesehen ? "
-- " Gewiß nicht , Albano , ( antwortete sie , ) viel " später ! "
Sie meinte aber ihre Blindheit , und sagte , er sei ihr in dieser Augendämmerung an jenem Abend , wo er bei ihrem Vater aß , wie ein alter nordischer Königssohn , etwan wie Olo * ) vorgekommen , und sie habe ihn wie ihren * )
Am Hofe des Königs Olaus bot sich der Königsjüngling Olo , als Landmann gekleidet , der Tochter zum Schutze gegen Räuber an .
Damals galt Feuer der Augen und Adel der Gestalt als Beweis einer hohen Abkunft ; so erkannte z. B. die Suanhita den König Regner in der Hirtentracht an der Schönheit seines Auges und Gesichts .
Die Königstochter blickte prüfend in Olo es Flammenauge , und kam der Ohnmacht nahe ; sie versuchte den zweiten Blick und war ohne Besinnung , und bei dem dritten in Ohnmacht .
Der göttliche Jüngling schlug da B 2 Vater und Bruder ehrend gefürchtet .
Ihre hohe Achtung für die Männer waren die wenigsten kaum zu erraten wert , geschweige zu veranlassen .
" Und als Du sehen konntest ? " sagte Albano .
" Das sagt ' ich eben " versetzte sie naiv .
" Aber " da Du meinen Bruder so liebtest ( fuhr sie fort ) " und so gut warst gegen Deine Schwester : so " wurde ' ich freilich ganz beherzt , und bin und blei " bei nun Deine zweite Schwester -- Du hast ohne " hin eine verloren -- Albano , glaube mir , ich " weiß es , ich bin gewiß zu wenig , zumal für " Dich , -- aber ich habe Einen Trost . "
-- Verwirrt von dieser Mischung von Heiligkeit und Kälte konnte er sie nur heftig küssen , und mußte , ohne sie zu widerlegen , sogleich fragen : welchen Trost ?
-- " Daß du einmal " ganz glücklich wirst " sagte sie leise .
" Lia "ne , deutlicher ! " sagte er .
Denn er verstand * ) * ) her das Augenlid nieder , enthüllte aber die Stirn und sein goldenes Haar und seinen Stand . S. der Deutsche und sein Vaterland von Rosenthal und Karg I. S. 166 , 167. -- nicht , daß sie ihren Tod und Linda's Verkündigung durch Geister meinte .
" Ich meine , nach " Einem Jahre ( versetzte sie ) nach den Prof " Zeihungen . "
Er sah sie stumm , wild , ratend und bänglich an Sie fiel ihm weinend ans Herz und löste plötzlich das Gedränge innerer Seufzer : " bin ich denn dann nicht , ( sagte sie heftig , ) gestorben und sehe aus der Seellgkeit zu , daß Du belohnet wirst für Deine Liebe gegen Liane ?
Und das gewiß recht sehr ! " --
Weine , zürne , leide , frohlocke und bewundere immerhin , heftiger Jüngling !
Aber Du fassest diese demütige Seele doch nicht ! --
Heilige Demut ? einzige Tugend , die nicht vom Menschen sondern von Gott geschaffen wird !
Du bist höher als Alles , was Du verbirgst oder nicht kennst !
Du himmlischer Lichtstrahl , wie das irdische Licht * ) zeigst du alle fremde Far * )
Denn was man Licht nennt , ist nur stärkeres Weiß .
Niemand sieht Nachts den Lichtstrom , der vor der Erde vorbei von der Sonne auf den Vollmond hinaufstürzt . ben und schwebst unsichtbar ohne eine im Himmel !
Niemand entheilige Deine Unwissenheit durch eine Belehrung !
Sind Deine kleinen weißen Blüten gefallen :
so kommen sie nicht wieder , und um Deine Früchte deckt dann nur die Bescheidenheit ihr Laub .
Schmerzhaft zerteilte sich in Albano das Herz in Widersprüche , gleichsam in seines und in Lianen Herz Sie war Nichts als die lautere Liebe und Demut , und ihr Talentenglanz war nur ein fremder Besatz , wie Götterbilder von weißem Marmor den bunten nur als Zierat haben ; man konnte nichts tun als sie anbeten , sogar auf ihren Irrwegen .
Auf der anderen Seite hatte sie neben weichen , beweglichen Gefühlen so feste Meinungen und Irrtümer , seine Bescheidenheit bekriegte so vergeblich ihre Demut , und sein Ansehen ihren Geisterwahn .
Das feindselige Gefolge , das dieser nachschleppte , sah er so deutlich über alle Freuden ihres Lebens herziehen .
Sein ihm ewig nachstellender Argwohn , daß sie ihn liebe , bloß weil sie nichts hasse , und daß sie immer eine Schwester statt einer Liebhaberin sei , drang wie der gewaffnet auf ihn ein .
So stritt hier Alles gegeneinander , Wunsch , Pflicht , Glück und Ort .
Beide waren sich neu und unbekannt aus Liebe ; aber Liane erriet so wenig als er .
O wie zwei Menschen , ähnliche Wesen , einander fremd und ungleich werden , bloß weil eine Gottheit zwischen beiden schwebt und beide anglänzt !
Etwas blieb in ihm unharmonisch und unaufgelöst ; er fühlte es so sehr , da die Sommernacht für höhere Entzückungen schimmerte als er hatte -- da der tief im Äther zitternde Abendstern der Sonne durch die Wolkenrosen nachdrang , worunter sie begraben war -- da die Ährenfluren dufteten und nicht rauschten , und die zugeschlossenen Auen grünten und nicht glühten -- und da die Welt und jede Nachtigall schlief , und da das Leben unten ein stiller Klostergarten war , und nur oben die Sternbilder als silberne Ätherharfen vor Frühlingswinden ferner Erden zu zittern und zu tönen schienen .
Er musste Liane morgen wiedersehen , um sein Herz auszustemmen .
Rabette kam unendlich erheitert mit ihrem Freunde vom Berge herauf , beide schienen von Scherzen und Lachen fast ermattet ; denn Roquairol trieb Alles , sogar den Scherz , bis zur Pein hinauf .
Er hatte den Abendstern , auf den er heute eingeladen , in ein Treib- und Stammhaus lustiger Einfälle und Anspielungen umgebaut .
Anfangs wollte er nicht schon morgen mitkommen ; aber endlich sagte er_es zu , da Rabette versicherte , " sie errate " den feinen Herrn recht gut , aber er solle doch " sie nur sorgen lassen . "
Als die Morgenröte aufging , kam Albano mit ihm wieder , aber die Gartentür am " Herrschaftsgarten " war schon offen und Liane schon in der Laube .
Ein Akten-Heft , ( so schien es , ) lag auf ihrem Schoß und ihre gefalteten Hände daneben , sie blickte mehr sinnend geradehin als betend empor :
doch empfing sie ihren Albano so mild- und fremdlächelnd , wie ein Mensch einen ins Gebet hereintretenden Gast grüßend anlächelt und dann weiter betet .
Der Graf hatte sich bisher immer auf eine Zurückgezogenheit des Empfangs rüsten müssen .
Ein Mißverstand , der schnell wieder kommt , wirkt , so oft er auch gehoben sei , immer wieder so irrend und neu , wie zum erstenmal .
Er fühlte recht stark , daß ihn etwas Festeres als die erste jungfräuliche Blödigkeit , womit ein Mädchen für die blendende Sonne der Liebe immer außer der Morgenröte noch eine Dämmerung und für diese wieder eine erfinden will , im feurigen Verschmelzen ihrer Seelen störe .
Er fragte , was sie lese ; sie stockte bedenkend ; ein schnell heranfliegender Gedanke schien ihr Herz zu öffnen ; sie gab ihm das Buch und sagte , es sei ein französisches Manuskript , nämlich geschriebene Gebete -- von ihrer Mutter vor mehreren Jahren aufgesetzt -- welche sie mehr rührten als eigene Gedanken ; aber noch immer blickte durch das zartgewebte Gesicht ein Klostergedanke , der ihr Herz zu verlassen suchte .
-- Was konnte Albano dieser Herzens-Psalmistin vorwerfen , wer kann einer Sängerin Antwort geben ? --
Eine Betende steht wie eine Unglückliche auf einer hohen , heiligen Stätte , die unsere Arme nicht erreichen . -- --
Aber wie schlecht müssen die meisten Gebete sein , -- da sie -- obwohl früher als Reize bezaubernd gleich dem Rosenkranz , der aus wohlriechenden Hölzern gemacht wird -- später , im Alter nur als Flecken und der Reliquie oder dem Totenkopf ähnlich wirken , womit eben der Rosenkranz aufhört ! --
Ohne auf seine Frage zu warten , sagte sie ihm auf einmal , was sie unter ihrem Gebete gestört habe ; nämlich die Stelle in diesem : o mon dieu , fais que je sois toujours vraie et sincere etc. da sie doch ihrer lieben Mutter bisher ihre Liebe verschwiegen habe .
Sie setzte dazu , sie komme nun bald und dann werde ihr das verschlossene Herz aufgetan .
" Nein , ( sagt ' er fast zornig ) .
Du darfst nicht .
Dein Geheimnis ist auch meines . "
-- Männer verhärtet oft das in der Prosa , was sie in der Poesie erweicht , z. B. weibliche Frömmigkeit und Offenherzigkeit .
Nun haßte Niemand mehr als er das Eingreifen der elterlichen Schreib- und Zeige- und Ohrfinger in ein Paar verknüpfte Hände ; nicht daß er etwan vom Minister Kriege oder Nebenwerber befürchtete -- er setzte eher offene Arme und Freudenfeste voraus -- sondern weil seinem befreiten und befreienden , großmütigen Geiste Nichts peinlicher widerstand als die widrige Erwägung , was nun auf dem Altar der Liebe an das heilige Opferfeuer die Eltern für schmutzigen Torf zur Feuerung nachlegen , oder für Töpfe zum Kochen ansetzen könnten -- wie leicht dann sogar poetische Eltern sich oft mit den Kindern verwandeln in prosaische oder juristische , der Vater sich ins Regierungs- , die Mutter ins Kammerkollegium -- wie wenigstens dann die Hofluft leibeigen mache , so wie nur der poetische Himmels-Äther frei -- und welche Perturbationen seinem Hesperus von dem anziehenden Weltkörper , vom alten Minister bevorständen , der bei der Liebe Nichts unnützer fand als die Liebe und dem die heiligsten Empfindungen für Standesehen so brauchbar schienen , wie für Predigtämter das Hebräische , nämlich mehr im Examen als im Dienste . --
So schlimm dachte er von seinem Schwiegervater , denn er kannte das Schlimmere nicht .
Aber die gute Tochter dachte von ihrer Mutter viel höher als ein Fremder , und ihr Herz widerstrebte schmerzlich dem Schweigen .
Sie berief sich auf ihren hereintretenden Bruder .
Aber dieser war ganz Albano's Meinung : die Weiber ( setzte er , nicht in der besten Laune , hinzu ) mögen lieber von als in der Liebe sprechen , die Männer umgekehrt .
-- " Nein , ( sagte Liane entschieden , ) wenn mich meine Mutter fragt , so kann ich nicht unwahr sein . "
-- " Gott ! ( rief Albano erschrocken aus , ) wer könnte auch das wünschen ? "
Denn auch ihm war freie Wahrheit der offene Helm des Seelenadels , nur sagte er sie bloß aus Selbstachtung und Liane sie aus Menschenliebe .
Rabette kam mit dem Thee-Zeug und einer Flasche , worin für den Hauptmann Thee- Mark und Elementarfeuer oder Nerven-Äther war , Arak .
Er ging ungern am Morgen zu Leuten , bei denen er ihn erst am Abend trinken konnte ; Rabette hatte gestern diese Unart gemeint und heute befriedigt .
-- " Wie kann das freie Ich , ( sagte der gesunde Albano oft zu ihm , ) sich zum Knechte der Sinnen und Eingeweide machen ?
Sind wir ohnehin nicht enggebunden genug durch die Körper-Bande und Du willst noch Ketten durch die Ketten ziehen ? "
-- Roquairol hatte darauf immer dieselbe Antwort : " Umgekehrt !
Durch Körper bei " freie ich mich eben von Körpern , z. B. durch " Wein von Blut .
Sobald Du aus der Leib " Eigenschaft der leiblichen Sinne nie heraus "kannst und all Dein Bewußtsein und Dein Den " ken nur durch körperliche Dienstbarkeit , die " auf dem Grundstück der Erde haftet , bei je "rem Adel bleiben :
so sehe ' ich nicht ab , warum " Du nicht diese Rebellen und Despoten recht zu " Deinen Dienern brauchst ? --
Warum soll ich " den Körper nur schlimm auf mich wirken las " sein und nicht eben sowohl vorteilhaft ? "
-- Albano blieb dabei , das stille Licht der Gesundheit sei würdiger als die Mohnöl-Flamme eines Opiums-Sklaven ; und die körperliche Kriegsgefangenschaft , die unser Geist mit der ganzen menschlichen Mannschaft leide , sei ehrenvoller als der persönlich-krummschließende Arrest .
Indes heute konnte nicht einmal das spirituose geschwefelte Theewasser eine gewisse Unbehaglichkelte aus Roquairol verwaschen , den das Nachtwachen bleicher , wie den Grafen feuriger gefärbt hatte .
Es wollte ihm nicht recht gefallen , daß der Herrschaftsgarten ganz in den Rahmen eines mannshohen Bretterverschlags eingezogen war , der weniger wie eine Billardsbande den Augapfel nicht hinaus , als wie eine Marktschreierbude nichts hereinlassen sollte und der freilich keine andere Aussicht gewährte als die eigene Ansicht ; eben so wenig erhielt der Lustgarten dadurch seinen Beifall , daß die Rasenbänke in der Laube , wo sie saßen , noch nicht gemäht waren -- daß auf allen Beeten nur Einfassungsgewächse des Kochfleisches wehten -- daß noch nichts Reifes da hing als ein Paar Maulwürfe in ihren Hängsterbebetten -- daß an einer Kugelbahn , worauf man in ein klingelndes Mittelloch kegelt , die schräge Retour-Rinne die Kugeln leichter wieder einwandern ließ als sie über das Ackerland der Bahn ( wenn man sie nicht warf ) wegzubringen waren und daß nirgends Orangerie zu sehen war , ausgenommen einmal , da zum Glücke die Gartentür offen stand , als eben auf einem Schiebekarren ein blühender Orangeriekasten nach Lila vorüberfuhr .
Der Hauptmann brauchte diese Züge bloß satirisch vorzutragen , und damit die äußerlich lachende Rabette innerlich zu verwunden -- weil Keine den Tadel ihrer körperlichen Absenker verträgt , es seien nun Kinder , Kleider , Kuchen oder Möbeln * ) -- :
so konnten sich seine Berghöhen allmählich wieder entwölken , und Rabette konnte noch ungemeiner fröhlich sein .
Albano war in dieser Tags- , gleichsam Kindheits-Frühe und in diesem Paradiesgärtlein seiner Kinderjahre heimlich-froh -- denn * )
Dieses wärmere , zartere , furchtsamere , immer gelobte , mehr in fremder als eigener Meinung lebende Geschlecht sticht ein Tadel giftig , der uns nur blutig reisset , wie verletzende Tiere in warmen Ländern und Monaten vergiften , und in kalten nur verwunden .
Daher bedenke der Mädchenschulmeister , daß eine Dosis , welche Satire auf den Knaben ist -- der ohnehin der Meinung widerstehen soll -- Pasquill wird wenn sie seine Schwester einbekommt . in der ersten Liebe kommt , wie in Shakespeare's Stücken , nichts auf die bretterne Bühne ihres Spieles an ; -- aber der heutige Nachwinter der gestrigen Erkältung wollte doch nicht schmelzen .
Die Morgenbläue wurde mit immer helleren Gold-Flocken gefüllt -- er machte , da der Garten wie kleine Städte nur zwei Tore hatte , das obere und untere , wie eine Aurora dieses der Morgensonne auf -- der Glanz quoll über das dampfende Grün herein -- die unten ziehende Rosana faßte Blitze , auf und warf sie herüber -- Albano schied endlich voll Liebe und Seeligleit .
Aber die Liebe war größer als die Seligkeit .
69. Zykel .
Fliegender Frühling !
( ich meine die Liebe , so wie man den Nachsommer einen fliegenden Sommer nennt ) Du eilest selber über uns pfeilschnell dahin , warum eilen Autoren wieder über dich ?
-- Du gleichst der deutschen Blütenzeit -- die nie einen Blütenmond lang ist -- ; wir lesen den ganzen Winter in Almanachen und Gleichnissen viel von ihrer Herr lich lichkeit und schmachten ; endlich hängt sie dick an den schwarzen Ästen sechs Tage lang und noch dazu unter kalten Maigüssen , reißenden Wonnemonds-Stürmen und unter dem Stummsitzen aller halb - erfrorenen Nachtigallen -- und dann , wenn man endlich in den Garten hinauskommt , ist schon der Fußsteig Blütenweiß und der Baum höchstens voll Grün ; dann ist_es vorbei , bis wir wieder im Winter den Anfang eines Märchens herzerhoben hören :
" Es war " eben in der schönen Blütezeit . "
-- Eben so sehe ich wenig Autoren am langen romantischen Sessions- und Schreibetisch rechts und links für das Lesepult arbeiten , welche nach der langen Vorrede zur Liebe nicht diese , sobald sie wie ein Krieg erkläret ist , sofort schlössen ; -- und wirklich gibt_es zur Liebe mehr Stufen als in ihr ; alles Werden , z.B. der Frühling , die Jugend , der Morgen , das Lernen geht vielfarbiger und geräumiger auseinander als das feste Sein ; aber ist dieses nicht wieder ein Werden ; nur ein höheres und jenes ein Sein , nur ein schnelleres ? --
Albano wollte die fliegende , göttliche Zeit , Titan III. C wo das Herz unser Gott ist , schöner lenken , sie sollte mehr empor als hinweg fliegen .
Er zürnte den anderen Tag mit niemand als mit sich .
Er riß sich durch solche kleine und doch eng-umschnürende Schmerzen durch , durch einen Zustand wie bei einem Erdbeben , wo ein unsichtbarer Dunst den verstrickten , schweren Fuß hält ; ich will mich lieber auf Bergen beregnen lassen , sagte er , als in Tälern .
Menschen von Phantasie Söhnen sich leichter mit der ab- als anwesenden Geliebten aus .
Nach einigen Tagen ging er wieder nach Blumenbühl , kurz vor Sonnenuntergang .
Ein brennendes Rot schnitt durch die Laubnacht .
Sein finsterer Holzweg wurde ihm von den darein hüpfenden Flammen zu einem verzauberten gemacht .
Er setzte seine beleuchtete Gegenwart tief in eine künftige , schattige Vergangenheit hinein .
O , nach Jahren , dachte er , wenn Du wiederkommst , wenn Alles vergangen ist und verändert -- die Bäume gewachsen -- die Menschen entwichen -- und nur die Berge und der Bach geblieben -- da wirst Du Dich see lig preisen , daß Du einmal in diesen Gängen so oft zum schönsten Herzen reisen durftest und daß auf beiden Seiten die klingende und glänzende Natur mit Deiner freudigen Seele mitgieng , wie dem Kinde der Mond durch alle Gassen nachzulaufen scheint .
-- Eine ungewöhnliche Entzückung warf durch sein ganzes Wesen den langen , breiten Sonnenstreif , die fernsten Blumen seiner Phantasie taten sich auf , alle Töne gingen durch einen helleren Äther und näher heran .
Auch die Blumen außer ihm dufteten stärker und der Glockenschlag tönte näher ; und beides sagt Ungewitter an .
So innigfroh erschien er -- und zwar ohne Roquairol , der überhaupt immer seltener kam -- vor der Geliebten oben in seinem Kindheitsmuseum , ihrem Gastzimmer , das jetzt der gewöhnliche Spielplatz seiner Besuche war .
In einem weißen Kleide mit schwarzem Besatz , wie in schöner Halbtrauer , saß sie am Zeichentisch mit schärferen Augen in ein Bild vertieft .
Sie flog ihm ans Herz , aber um ihn bald wieder vor die Gestalt zu führen , an wel C 2 cher ihres wie in Mutterarmen hing .
Sie erzählte , heute sei mit der Prinzessin ihre Mutter dagewesen und diese habe so viele Freude über ihre genesende Farbe gehabt , so unendliche Güte gegen die glückliche Tochter .
" Sie " mußte sich , ( fuhr sie fort , ) von mir ein wenig " zeichnen lassen , damit ich sie nur länger an " sehen und etwas von ihr dabehalten konnte .
" Jetzt zeichne ich das Gesicht weiter aus , es ist " aber gar zu schlecht geraten . "
Sie konnte ihre Phantasie weder vom Bilde , noch weniger vom Urbilde loswickeln .
Freilich kann auf einem töchterlichen Herzen -- oder gar in ihm -- kein schöneres Medaillon hängen als das mütterliche ; aber Albano glaubte doch heute , das Gehenke nehme eine zu breite Stelle ein .
Sie sprach bloß von ihrer Mutter :
" Ich Sünde " ge gewiß ( sagte sie ) -- sie fragte mich so Freund " lich , ob Du oft kämst , aber ich sagte nur ja " und weiter nichts .
O , guter Albano , wie gern " hätte ' ich ihr die ganze Seele offen hinge " geben ! "
Er antwortete , die Mutter schiene nicht so offen zu sein , sie wüßte vielleicht schon Alles durch den Lektor und den reinen Trank der Liebe würden nun lauter fremde Körper trüben .
Gegen Augusti erklärt er sich sehr stark , aber Liane beschützte ihn eben so stark .
Durch beides gewann der Falschmünzer der Wahrheit , nämlich der Argwohn -- der , daß sie ihn wohl liebe wie sie Alles liebe , da sie an alles Gute gleichsam lebendig anwachse -- unter Albano's Empfindungen , die noch dazu heute so warm und froh gewesen waren , immer mehr Prägstempel und Umlauf .
Sie ahnte Nichts , sondern sie kam wieder auf ihr Schweigen :
" Warum tut mir_es aber " weh , ( sagte sie , ) wenn es recht ist ? --
Meine " Karoline , Geliebter , erscheint mir auch nicht " mehr und das ist wahrhaftig nicht gut . " -- Dieses Geisterwesen zog immer für ihn so schwül und grau herauf , wie eben draußen das Gewittergewölk .
Seine alte Erbitterung gegen die eigenen Neckereien durch Luftaffen , die er nicht packen konnte , ging in eine gegen Lianen optischen Selbstbetrug über .
Jener von Karolinen geschenkte Schleier , womit sie sich anfangs so erhaben eingekleidet für das Kloster der Gruft , dieser Reiseflor für die zweite Welt , war diesem Herkules längst ein brennendes , mit Nessus Giftblute getränktes , Gewand geworden , daher sie ihn nicht mehr vor ihm tragen dürfen .
Der Schluß , daß der Wahn des Todes die Wahrheit desselben säe , und daß in der herübergerückten tiefen Wolke ein Zufall den schlagenden Funken des Todes leicht locke , fiel wie eine Trauer in seine Liebesfeste ein .
So sind alle fremde Meerwunder der Phantasie ( wie dieser Sterbens-Wahn ) nur in der Phantasie ( im Roman ) , aber nicht im Leben erwünscht , außer einmal auf phantastischen Höhen ; aber dann müssen solche Schwanzsterne sich wie andere bald wieder aus unserem Himmel zurückziehen .
Er sprach jetzt sehr ernst -- von selbstmörderischen Phantasien -- von Lebenspflichten -- von eigensinniger Verblendung gegen die schönsten Zeichen ihrer Genesung , zu denen er das Verschwinden der optischen Karoline so gut rechnete wie das Blühen ihrer Farbe .
-- Sie hörte ihn geduldig an ; aber durch die Prinzessin , die ihrer Liebe ungeachtet ihm selten erfreuliche Spuren nachgelassen , hatte heute ihre Phantasie einen ganz anderen Weg genommen , weit vor ihrem Ich und ihrem Grabe vorbei .
Sie stand bloß vor Linda's Bild , von der ihr Julienne diesen Nachmittag schärfere Umrisse als sonst Mädchen von Mädchen geben -- " es ist ein sehr gutes Mädchen " sagt jedes von jedem -- anvertrauet hatte ; Linda es männlicher Mut , ihre warme Anhänglichkeit an Gaspard bei ihrer Verachtung des Männerhaufens , ihre Unveränderlichkeit , ihr kühnes Fortschreiten in männlichem Wissen , ihre herrlichen , oft harten , mehr körnigen als blumigen Briefe , und am meisten ihr vielleicht nahes Hierherkommen , nahmen ihr zartes Herz gewaltig ein .
" Mein Albano muß sie haben " dachte immer dieses uneigennützige Gemüt und merkte , wenn die Prinzessin die Absicht demütigender Vergleichungen gehabt , sie nicht , sondern erfüllte sie .
Dabei fand die Gute so viel höhere Schickung , -- daß z. B. ihr Bruder nun nicht mehr der Nebenbuhler ihres Geliebten und seines Freundes sein -- daß sie selber ihren kräftigen Albano vormalen könne der stolzen Romeiro , und daß ja , trotz alles Widerstandes , doch alle Geister- Weissagungen einander eingreifend faßten und hielten . -- --
Das Alles sagte sie nun , weil sie nur ihre Schmerzen , nicht ihre Hoffnungen verbarg , dem Grafen gar ins Gesicht .
Welchen knirschenden Bis in sein weichstes Leben tat jetzt ein böser Genius ! -- Diese glühende , ungeteilte , nicht teilende Liebe hatte er , nicht sie , -- glaubt ' er .
Er war recht nahe daran , sein wie von einem Gewitterschlag auf einmal in die Höhe brennendes Wesen auch so zu zeigen ; nur die schuldlose , weiße Stirn mit frohen Rosen in den kleinen Locken , der kindlichhelle Aufblick des reinen , blauen Augenpaars und das weiche Angesicht , das schon bei einem musikalischen Fortissimo und bei jeder Heftigkeit im fremden Bewegen oder Lachen kränklich durch das klopfende Herz errötet , und sein verschämter Haß der Leichtigkeit , mit der ein Mann seine Allmacht und sein Geschlecht zum Erschrecken des zarteren mißbrauchen kann , hielten ihn wie Schutzgeister ein und er sagte bloß in jenem edlen Zorne , der wie eine Rührung klang : o Liane , Du bist heute hart !
" Und ich bin ja so weich ! " sagte die Unschuldige .
Beide waren bisher am Fenster vor dem aus Lila herschwellend finsteren Gewitter gestanden .
Sie kehrte sich schnell um --
denn sie konnte seit ihrer Erblindung , wo eine dunkle Wolke gegen sie zu fliegen geschienen , keine mehr lange ansehen -- und Albano's hohe Gestalt , mit dem ganzen glühendlebendigen Gesicht und mit den Seelen-Augen stand vom Abendlicht erhellet vor ihr .
Sie legte mit der spielenden Hand , die er frei ließ , sein dunkles Haar aus der trotzigen Stirn sanfter an die Seiten , strich die gedrängte Augenbrahme glatter und sagte , als sein Blick wie eine Sonne stach , und sein Mund sich ernst schloß :
" o freudig , freudig soll künftig einmal dies schöne Angesicht lächeln ! "
Er lächelte , aber schmerzlich .
" Und dann will ich noch seliger sein als heute ! " sagte sie , und erschrak , denn ein Blitz fuhr über sein ernstes Gesicht wie über ein zackiges Gebirge und zeigte es wie das des Kriegsgottes von Kriegsflammen erleuchtet .
Er schied schnell ; ließ sich nicht halten ; sprach von Wetterkühlen , ging ins Wetter hinaus und ließ Lianen in der Freude zurück , daß sie doch heute recht aus bloßer reiner Liebe gesprochen habe .
Aus dem letzten Hause des Dorfs sprang ihm Rabette entgegen ; über sein Gesicht fielen die Wetterbäche der verhaltenen Tränen herab ; " was fehlt Dir , was weinst Du ? " rief sie .
" Du träumest " rief er , und eilte vor allen Dingen ins Ungewitter hinaus , das sich plötzlich wie ein Mantelfisch erstickend über den ganzen Himmel hergeworfen hatte .
Er suchte sich unter dem regnenden Blitzen zuerst die besten Beweise zusammen , daß Liane heilige Reize , göttlichen Sinn , alle Tugenden habe , besonders allgemeine Menschenliebe , Mutterliebe , Bruderliebe , Freundesliebe -- nur aber nicht die glühende Einzigen-Liebe , wenigstens nicht gegen ihn .
Sie wird nur -- er schließet immer fort -- von der Gegenwart so gänzlich gefasst und gefüllt , von meiner so gut als von der eines Armbruchs des kleinen Pollux , welche ihr Himmel und Erde verdeckt . --
Darum wird ihr der Untergang des Lebens so leicht , wie der eines Sternchens und alle Scheidungen dabei . --
Darum stand ich so lange mit einer leidenden Brust voll Liebe neben ihr und sie sah nicht in meine , weil sie keine in der ihrigen fand . --
Und so ist_es so bitter , wenn der Mensch , unter den gemeinen Herzen der Erde verarmend , durch das edelste doch nichts wird als zum letztenmal unglücklich .
Der Regen zischte durch die Blätter , das Feuer schlug durch den Wald , und der wilde Jäger des Sturms trieb seine unsinnige Jagd .
Das erfreute ihn als eine kühlende Hand , woran ein Freund ihn führte .
Da er nicht durch die Höhle sondern außen am Bergrücken zu seinem hohen Donnerhäuschen hinaufstieg :
so sah er eine dicke , graue Regennacht das grüne Lila belasten und aus dem gebogenen Tartarus ruhte unter dem Blitz der erleuchtete Sturm .
Er fuhr zusammen bei dem Eintritt in sein Häuschen vor einem Schrei , den seine Äolsharfe unter den Griffen des Windes tat ; denn sie hatte einst , von der Abendsonne beglänzt , seine junge Liebe ätherisch wie Sterne eingekleidet und war ihr mit allen Tönen nachgefolgt , da sie hinausgieng über das leidende Leben .
70. Zykel .
Am Morgen darauf waren beide Gewitter aufgelöst in ein stilles Gewölk .
-- Und aus den größeren Schmerzen wurden nur Irrtümer .
Wir Schwache ! wenn das Schicksal uns bei unserer Scheinhinrichtung mit der Rute berührt , nicht mit dem Schwerte :
so sinken wir ohnmächtig vom Stuhle und fühlen das Sterben noch weit ins Leben hinein ! --
Alle Fieber , so auch die geistigen , kühlt der neue , frische Morgen , so wie sie alle der bange Abend glühend schürt .
Welcher von uns wickelte sich nicht an Abenden -- dieser eigentlichen Geisterstunde der Plage- , Haus- und Poltergeister -- in den Faden , den er selber spann , den er aber für fremdes Fanggewebe hielt , immer enger durch Entfliehen und Wenden ein , bis er am Morgen seinen Schliesser vor sich sah , nämlich sich ? --
Albano sah auf dem ganzen gestrigen Kriegsschauplatz nichts mehr stehen als eine blasse , gute Gestalt in Halbtrauer , welche nach ihm mit unschuldigen Mädchenaugen umherblickte , und wonach er doch ewig hinüber sah , wenn sie auch mehr eine Braut Gottes als die eines Menschen blieb .
Er fühlte jetzt freilich mehr , wie hoch seine Forderungen an wirkliche Freunde stiegen , als sonst , wo er die höchsten an geträumte Wesen , die er immer gerade in die jedesmalige Form seines Herzens goß , nach Gefallen steigern konnte ; und wie in ihm ein niemand schonender Geist regiere , der jedem fremden die Flügel nach seinen eigenen ausdehnen wolle , weil er keine Eigenheit dulde außer der kopierten .
-- Er hatte bisher von allen seinen Geliebten zu wenig Widerstand erfahren wie Liane zu viel ; beides schadet dem Menschen .
Der geistige wie der physische wird ohne Widerstand der äußeren Luft von der inneren aufgeblasen und zersprengt , und ohne Widerstand der inneren von der äußeren zusammengequetscht ; nur das Gleichgewicht zwischen innerer Wehr und äußerem Druck hält einen schönen Spielraum für das Leben und sein Bilden frei . --
Männer dulden ohnehin -- da nur die besten an den besten Männern feste , starke Überzeugung achten -- diese an Weibern schwer und wollen Letztere nicht bloß zu ihrem Widerschein , sondern auch zu ihrem Nachhall haben .
Sie wollen , meine ich , nicht bloß die Mine , auch das Wort bejahend .
Albano bestrafte sich mit einigen Tagen freiwilliger Entfernung , bis die unreinen Wolken aus ihm weggezogen wären , die den Sonnenzeiger seines Inneren verschattet hatten .
Bin ich ganz heiter und gut , sagte er , so gehe ich wieder zu ihr und irre nie mehr .
Er irret jetzt ; ist ein fremder , unheimlicher Halbton einmal zwischen alle Harmonien zweier Wesen wiederkehrend durchgedrungen , so schwillt er immer feindlicher an und übertäubt den Grundton und endigt Alles .
Der Scheideton war hier die Stärke der männlichen Tonart neben der Stärke der weiblichen .
Aber die höchste Liebe verwundet sich am leichtesten am kleinsten Unterschied .
O , dann , hilft es wenig , wenn der Mensch zu sich sagt :
ich will mich ändern .
Nur im schönsten , unverletzten Enthusiasmus setzt er sich es vor ; aber eben im verletzten , wo er kaum des Vorsatzes fähig wäre , soll er sich zur Erfüllung desselben heben und kann es schwer .
Der Graf gierig am Morgen wie gewöhnlich in seine Hörsäle und Sprachzimmer der Stadt .
In den ersteren war es ihm schwer , nach den Sternen der Wissenschaften seine Instrumente und Augen Festzurichten und zu visieren , da er auf einem solchen Meere voll Bewegung ging .
In den letzteren fand er den Lektor kälter als sonst , den Bibliothekar wärmer , die Hauswirtsleute aufgeblasener .
Er ging zu Roquairol , den er heute noch inniger liebte und behandelte , um gleichsam der beleidigten Schwester genugzutun .
Karl sagte sogleich mit seinem tragischen schnellen Aufreissen des Vorhangs der Zukunft : " es sei Alles ent "deckt -- -- höchst wahrscheinlich ! "
So oft Liebende sehen , daß die seefahrende Welt ihre Kalypso's Insel -- die doch frei auf der offenen See daliegt -- endlich in die Augen bekommt und die Segel darauf richtet :
so verwundern sie sich zum Verwundern .
Hat denn irgend ein Paradies so weite und niedrige Staketen -- so daß jeder Vorbeigehende hineinsehen kann -- als ihres ? --
Schon längst hatten , erzählt er , die Doktors Kinder immer etwas bei der Baumeisterin in Lila zu holen , Blumen , Arzneigläser u. s. w. ; gewiß als Seh- und Hörröhre Augusti's -- dieser sei wieder der Operngucker seiner Mutter -- kurz sein Vater sei wenigstens bei der Griechin gestern gewesen , habe aber zum Glück nur ein leeres Paket * ) von Rabette an ihn ( Karln ) gefunden , das er nach den Freiheiten der Ministerialeschen Kirche auf- und zugemacht .
" Warum zum Glück ( sagte " Albano ) ?
Ich werde meine Liebe vor der Welt " rechtfertigen und ehren . "
-- " Ich bezog es " auf * ) Nämlich immer waren Briefe von Lianen an Albano dareingeschlagen .
Man sehe hier wieder an zwei Exempeln , wie an der Liebes- Harmonika ein Bruder als Tastatur für die Schwester vorstehen müsse , die zu den Glocken will .
Es sollte daher immer ein Paar Paare geben , kreuzweise verschwistert und liebend . " auf mich , ( versetzt ' er , ) denn nie war mein Va " ter freundlicher gegen mich als seitdem er " meine letzten Briefe erbrochen .
Er ist diesen " Nachmittag in Blumenbühl , und wohl mehr " meinet- als der Schwester wegen . "
Albano fürchtete nicht , daß die Stadt Minengänge unter sein Kindheitsland hintreiben könne , um etwa durch Eine Flamme die glückselige Insel zu zersprengen -- durfte er nicht seinem Wert und Mut und Lianen ihrem trauen ? --
aber es schmerzte ihn jetzt , daß er so unnütz der kindlichen Liane die Freude und das Verdienst einer kindlichen Offenherzigkeit genommen .
Wie sehnt er sich nun nach dem abbüßenden und belohnenden Augenblick des ersten Wiedersehens , nach dem nächsten Morgen !
Er blieb bei seinem Freund wie bei einem Troste , und ging erst zurück , als die Abendröte in den Regenwolken umherfloß . --
Als er kam , fand er von Lianen schon einen Brief von heute : O , guter Albano ! warum kamst Du nicht ? Titan III. D Wie viel hatte ich Dir zu sagen !
Wie habe ich Freitags deinetwegen gezittert , als die wütende Wolke Dich mit ihrem Donner verfolgte !
Du hast mich zu sehr vom Schmerz entwöhnt , so fremd und schwer wird er mir nun .
Ich war den ganzen Abend untröstlich , endlich fiel mir Nachts noch dazu ein , daß Du wie von Ahnungen beklommen gewesen und daß es gern ins Donnerhäuschen schlage .
Warum bist Du doch da ?
Ich stürzte heraus , und kniete neben meinem Bette und flehte Gott an , obgleich das Wetter längst verzogen war , daß er Dich möge erhalten haben .
Lächle über mein spätes Gebet ; aber ich sagte zu ihm , Du wußtest es ja , Allgütiger , daß ich beten würde .
Ich wurde auch getröstet , da ich die Sterne ansah , und der gebrochene Strahl der Wonne zitterte in mir Aber am Morgen machte mich Rabette wieder traurig .
Sie hat Dich auf dem Wege weinen sehen .
Tausendmal habe ich untersucht , ob ich daran Schuld habe .
Sollte es daher kommen -- denn sie sagt_es -- daß ich Dich mit meinen Sterbegedanken zu sehr bei trübe ?
Nie mehr sollst Du sie hören , auch der Schleier ist eingeschlossen ; aber ich berechnete Dich nach meinem Bruder , dem , wie er selber sagt , das Todes-Dunkel eine Abenddämmerung ist , wo ihm die Gestalten lieblicher werden .
-- Wahrlich , ich bin ganz selig -- denn Du sogar bist es , und hast doch so wenig an mir , nur eine kleine Blume für Dein Herz , aber ich habe Dich .
Lasse mir mein Grab , wie von einem Berg kommt bessere fruchtbare Erde davon in mein Tal .
O wie liebt man , Albano , wenn Alles neben uns bricht und fällt und verraucht und wenn doch der Bund und Glanz der Liebe unzerrissen und fest auf dem wegfließenden Leben steht , wie ich oft bei Wasserfällen mit Rührung auf den zerspringenden , reißenden Fluten einen Regenbogen unverrückt und unverändert schweben sah ! --
O , ich wollte , die Nachtigallen sängen noch , jetzt könnte ich mit ihnen singen ; Deine Äolsharfe , meine Harmonika wünscht ich in meiner Hand .
Mein Vater war bei uns und heiterer und freundlicher gegen Alle als je .
Sieh ! sogar er ist gut .
Meine Eltern schicken gewiß kein Gewit D 2 ter in unser Rosenfest .
Ich tat ihm daher leicht den Gefallen -- vergib es -- , ihm zu versprechen , daß ich keine fremde Besuche in einem fremden Hause -- weil es unschicklich sei , sagte er -- annehmen würde .
Ich muß auf einige Tage nach Hause wegen der fürstlichen Vermählung ; aber ich sehe Dich bald .
O vergib !
Wenn mein Vater sanft spricht , so kann meine Seele unmöglich nein sagen . --
Lebe wohl , mein Herrlicher !
L. N. S. Bald fliegt wieder ein Blättchen auf Deinen Berg .
Sei nur in ewiger Freude !
O Gott ! warum bin ich nicht mächtiger ?
Welche Menschen solltest Du dann an Deinem Herzen haben ! --
Du Lieber !
Wie beschämt ihn diese vollblühende Liebe , die es gar nie recht weiß , wenn sie verkannt wird und die keine andere Schuld voraussetzt als eigene ! --
Wie tat ihm die gebotene Entfernung jetzt nach der freiwilligen weh ! --
Er konnte sie nun lieben als einen währenden Engel vor dem Paradiese , wie viel mehr als einen gebenden in ihm ! --
Aber schwer ist_es einem Manne , fühlte der Jüngling , im weiblichen Herzen , zumal in diesem , Absicht von Instinkt , Ideen von Gefühlen , rein zu sondern , und an diesem dunklen , vollen Himmel alle Sterne zu zählen und zu reihen . --
Jede Härte , jede unscheinbare Knospe ging zuletzt als Blume auf ; und ihr Wert breitete sich wie der Frühling stückweise aus ; indes gewöhnlich von anderen Mädchen ein Reisender , der sie besucht , sogleich beim ersten Abschiede abends eine kleine vollständige Blumenlese aller ihrer Reize und Künste fortnimmt , wie ein Brocken-Passagier im Wirtshause einen niedlichen Strauß überkommt , aus den Moosarten gebunden , welche der Berg trägt .
Er glaubte , sie sei nun bei den Eltern , und folgte nicht als zerrender Knabe , sondern als einstimmiger Mann dem Riesen des Schicksals nach .
Im Garten herrschte Regenwetter , die Aussaat jedes starken Gewitters , das immer wie ein Krieg den Kriegsschauplatz verdirbt .
Das verheißene Blättchen erschien :
" Sei " nur froh .
Wir sehen uns sehr , sehr bald , und " dann recht selig .
Vergib mir ! -- ach , ich " sehne mich am meisten . " -- L .
Jetzt empfand er_es , welche Tage es waren , die sonst -- d. h. bloß vor einigen Tagen -- vor ihm wie göttliche Erscheinungen vorübergezogen waren und die nun wieder heraufsteigen sollten in Osten als wiederkehrende Sterne ! --
Warum schneidet sich erst das verlorene Gut wie ein scharfer Diamant so tief ins Herz ? Warum müssen wir erst etwas beweinet haben , ehe wir es heiß bis zum Schmerze lieben ? --
Albano warf Vergangenheit und Zukunft von sich weg , um nur ganz rein in der Gegenwart zu wohnen , die ihm von Lianen versprochen worden .
71. Zykel .
Am Sonntags-Morgen , als der ganze blaue Himmel offen stand und die Erde festlich geschmückt mit Perlen und Zweigen , klopfte an Albano's Türe ein leiser Finger , der einer weiblichen Hand gehören mußte .
Liane trat so früh schon herein ; Rabette und Karl riefen draußen einen lauten Gruß .
An seiner jauchzenden Brust lag das schöne , vom Gehen blühende Mädchen mit seligen , hellen Augen , eine frisch-betaute Rosenknospe .
Es war sein schönster Morgen , er fühlte rein , daß Liane liebe .
Als die Äolsharfe Einklang sah sie hin , erinnerte sich errötend an den schönsten Bundes-Abend und hörte still zu , und trocknete das Auge , da sie es wieder auf Albano wandte .
-- Aber er konnte in diesen Tempel der Freude nicht eintreten , ohne sich gereinigt und geheiligt zu haben durch Offenheit über seine neulichen Irrtümer .
Welcher süße Wettstreit um Bekennen und Vergeben , da Liane liebend erschrak und bekannte , daß sie ihn neulich nicht erraten -- daß nur sie die Schuldige sei und daß sie jetzt schon besser sprechen wolle .
Sie konnte sich über die verdeckten Schmerzen , die sie ihrem Freund gemacht , gar nicht zufrieden geben .
Wie Mahagoni-Geräte in keiner Temperatur bricht , und keine Flecken annimmt und kein polieren bedarf :
so ist dieses Herz , fühlte Albano ; der sich nun schwor , überall , auch wo er sie nicht errate , zu sich zu sagen : sie hat Recht .
Sie löste ihm das Rätsel ihrer heutigen Erscheinung mit jenen freundlichen Minen , welche ein guter Mensch verdoppelt , wenn er etwas zu versüßen hat ; " sie gehe nämlich heu " te nach Pestiz zurück -- aber spät , erst Abends , " erst um die Theezeit komme der Wagen und " ihnen bleibe ein ganzer Tag ; und sie hoffe " nicht , daß ihr Vater diesen Umweg über Li " lar für einen Bruch ihres Versprechens näh " men werde . "
Ein liebendes Mädchen wird unbewußt kühner .
-- Darauf suchte sie ihn über die friedlichen Absichten ihres Vaters recht ruhig zu machen , und stellte ihm seine Strenge , womit er sich und andere der Konvenienz unterwarf , als die Ursache seiner Verbote , so wie ihrer Zurückberufung zum Vermählungsfeste vor .
Albano , so nahe am letzten Schwure , hielt ihn und sagte : sie hat Recht .
Der Hauptmann trat mit der rotwangigen Rabette herein , in deren Augen die Freude blitzte .
Das kleine Zimmer machte durch Enge und Verwirrung die Lust nicht kleiner .
Karl , sonst so sehr dem Vesuve ähnlich , der in den ersten Morgenstunden noch beschneiet ist , stand schon mit einem warmen Gipfel da ; er setzte sich ans Instrument und donnerte mit einem aufgeschlagenen Prestissimo von Haydn -- diesem rechten Stundenrufer jauchzender Stunden -- in die laute Gegenwart , und spielte zur Verwunderung der Weiber das Schwerste so leicht vom Blatte , daß er mehr hinein- als herausspielte und Vieles ( z. B. den Bass ) immer selber setzte , indes Albano mit fast komischer Treue in der Musik eben so sehr die Wahrheit wieder gab als in jeder Geschichte , die immer in Karls Munde wieder eine erlebte .
Der Morgen legte allen Seelen die Flügel an , die der Mittag den Menschen immer bindet -- daher die Aurora mit geflügelten Rossen fährt und der Tagsgott mit flügellosen .
-- " Aber wie sind nun unsere sieben Freudeneste " zionen zu machen --
( fragte Karl ) denn der " Tag liegt wie ein Gartensaal mit lauter Lust " Gängen nach allen Seiten vor uns offen " -- " Karl , ist es denn nicht einerlei wo ein Mensch liebt ? " sagte Albano .
-- Seliger , dessen Herz nichts braucht als noch eines , aber keinen Park dazu , keine opera seria , keinen Mozart , keinen Raphael , keine Mondsfinsternis , nicht einmal einen Mondschein und keinen vorgelesenen oder nachgespielten Roman !
" Zuerst muß ich meine Chariton sehen " -- sagte Liane .
-- " Die kann uns ja , ( nahm ihr " Bruder sogleich auf , ) unser Essen in den gothi "schen Tempel nachtragen . "
-- Er wollte an diesem holden Tage im 12ten Jahrhundert essen , und bei einem bänglichen , bunten Scheibenlicht und auf eckigem , schwerem , dickem Gerät und gleichsam dunkel unter der Erde der oben grünenden Gegenwart mit blühenden Gesichtern sitzen ; denn so überlud er die vollsten Genüsse noch mit äußeren Kontrasten , und genoß jede frohe Gegenwart am meisten in der nahen Beleuchtung und Abspieglung der geschliffenen Sichel , die sie abmähte * ) .
" Gott bewahre * )
" Ein solcher Charakter , ( schreibt Hafenreffer da " bei , ) wäre für Romanen-Kotzebue es erwünscht , " weil diese , da er seiner Natur nach immer den " und behüte , Freund ! " sagte Rabette .
Auch Albano fand die freundliche Griechin , ihre lachenden Kinder und die nahen Rosenfelder besser dazu ; und siegte mit Lianen .
Vor dem belaubten Häuschen liefen ihnen die Kinder entgegen , Helene mit dem Schürzchen voll aufgelesener Orangenblüten , weil ihr das Brechen verboten war , und Pollux im letzten , leichten Verbande des gebrochenen Arms , dessen Hand jetzt mit der Rechten am hohlen Zusammenfalten und Platzen der Rosenblätter hatte arbeiten müssen .
Beide berichteten ein : " die Mutter " sei noch nicht fertig und habe sie zuerst ange " zogen . "
-- Aber schon nett und einfach wie zum Priesterin-Tanze um den Altar froher * ) * ) " Wert der Situation durch den zufälligen " Ort derselben schaffen und heben will , unter " dem Deckmantel seiner Persönlichkeit ganz der " ihrigen frönen und die Schwäche des Dich " Teeres in die Schwäche des Helden verkleiden " könnten . "
Mich dünkt , dieses ist , so viel ein Biograph von Romantikern urteilen kann , sehr treffend .
Götter sprang Chariton ihrer Liane entgegen und passte die schnell angelegten Kleider nur noch durch ein leichtes Rücken und Zucken gar an .
" Das ist , ( sagte Roquairol , nachdem er von Rabatten das nickende Ja sehr leicht dazu erhalten , weil sie seine französische Bitte um dasselbe nicht verstanden , ) meine Gemahlin seit Gestern -- " und er genoß ohne Umstände das Du-Recht , das sie seit dem freundlichen Zuspruch des Ministers mit jungfräulichen Ahnungen lieber annahm .
Da Liane freundlich vier Gäste des Mittags bei Chariton anmeldete :
so standen in den schwarzen Augen der Griechin Freudenblitze und das kleine Gesicht mit italienischen , großen Augenbraunenbogen wurde ein feststehendes Lächeln , das nicht Küchenverlegenheit sondern nur zungenlose Freudigkeit war , welche ihren weißen Zahnhalbzirkel noch weiter glänzen ließ , da Karl vollends sagte :
" Du kannst " ihr ja helfen , Frau ! "
" Das versteht sich ! " sagte Rabette ganz entzückt , weil ihr Herz weiter keine andere Lippen hatte als ihre beiden Hände , für welche es so viel war als wenn sie von der geliebten gedrückt würden , wenn sie für sie harte Arbeit angreifen durften .
Verwünschte sie nicht so oft ihre unberedte , stockende Kehle , wenn Roquairol vor ihr seine feurigen Ströme brausen ließ ? --
Jetzt , da er wieder die Nähe mit künstlichen , schattierenden Scheidungen ausgeschmückt hatte , drang er freilich darauf , daß Chariton die expedierende Sekretarin bliebe und Rabette nur unterzeichnete .
Auch Liane wollte aus gleicher Weiblichkeit etwas für ihren Liebling schaffen ; aber da sie als ein Mädchen von Stande nichts kochen konnte , sondern nur etwas backen , so wurde ihr -- aber ungern von ihrem Freunde , der die süße Gestalt nirgendswo gern sah als , wie andere Schmetterlinge , nur unter Blumen bei ihm -- zugestanden , ganz spät und zehn Minutenlang mit den Augen und in seltenen Fällen mit den drei Schreibfingern an den Schneebällen mitzuarbeiten , welche das Dessert beschließen sollten .
Einen breiteren Baldachin , oder einen schöner geschnitzten Zepter und Apfel hatte noch keine Küchen-Ballkönigin oder gar schönere dames d'atour , als Chariton ; und Geschirr und Feuer wurden ganz dadurch verdunkelt .
Nun gingen die glücklichen Paare -- und die Kinder mit -- hinaus in den freudigen Tag , in den jugendlichen Garten , um wie Wandelsterne mit ihren Monden einander bald nahe , bald ferne , bald im Gegenschein , bald in der Zusammenkunft zu stehen auf der himmlischen Kreisbahn um dieselbe Sonne .
" Wir wollen auf Geratewohl ( sagte Karl im Hafen , ) ausschiffen und zusehen ob wir uns nicht treffen . "
-- Albano ging mit Lianen den Kindern nach , die schon an den kleinen Häusern durch die Rosengänge hüpften , auf die Brücke über den singenden Wald .
Wem das Herz so ruhig-selig schlägt , der sucht in der unsichtbaren Kirche keine sichtbare -- der ganze Tempel der Natur ist der Tempel der Liebe und überall stehen Altäre und Kanzeln .
Auf dem glatt-niedergehenden Lebensstrome steht der Mensch ohne Ruder selig in seinem Kahn und regiert ihn nicht .
Dann lenkten die Kinder , eingedenk der mütterlichen Auswanderungsverbote , auf der Brückenhöhe rechts hinüber zu den westlichen Triumphbogen , und Helene lief bloß als ziehende Führerin des Rekonvaleszenten mit seiner Hand recht unerwartet wild voraus .
Albano folgte den kleinen Lotsmännchen und Leithündchen so gern .
Himmel !
wenn sie sich so auf der herrlichen Höhe umsahen und in den reich ausgebreiteten Tag , und in ihre Augen darauf : wie wölbten sich die Bogen der Lebensbrücke so frei und weit , und die Schiffe flogen mit aufgeblasenen Segeln und stolzen Masten hindurch ! --
Rosenbäume kletterten an den Triumphbogen herauf , die Kinder langten hinaus , knickten Rosen von ihrem Gipfel ; und trabten , den fremden Gehorsam verarbeitend und erprobend , über vier Tore hinweg , um von dem fünften in den glatten , blanken See darunter zu schauen und in den " Zauberwald " hinabzusteigen , wo die Kunst wie die Kinder spielte .
Aus dem Eingange des Waldes traten Karl und Rabette heraus , um zu Chariton über die Bogen zurückzugehen , jener zum Flaschenkeller -- er hatte etwas Leeres daraus in der Hand -- diese ein wenig in die Küche .
Er ging selig wie auf Flügeln und sagte : das Leben fährt heute auf dem Wagengestirn im Blauen dahin .
Er kehrte aber um , um vor ihnen die Plejaden aufgehen zu lassen , nämlich den sogenannten " verkehrten Regen " , der bloß fünf Minutenlang und eigentlich nur bei Illumination steigt .
Er führte Alle in den Wunderwald durch ein im Mittagsschlummer liegendes Licht , das unter freien Bäumen glühte , deren weit-auseinanderstehende Stämme sich nur die langen Zweige boten .
Auf dem Brennpunkt der malerischen Bahnen ließ er sie das Spiel des Regens erwarten .
Die Kinder sprangen mit ihren Hoffnungen nach und setzten sich , vom Mute der Erwachsenen gedeckt , mit diesen auf bezeichnete Götter- oder Kindersitze , zwischen zwei kleinen , runden Seen .
Während Karl schnell im Zickzack , der hydraulischen und mechanischen Maschinerie wegen , hin- und herlief -- ungefähr nach den Punkten des Irrgartens in Versailles -- : so konnten sie den überall aufgehenden Zauberwald durchfliegen -- ein allmächtiger Arm der außen außen vorbeigehenden Rosana griff unter die Blumen herein , und trug eine schwere , reiche Welt -- bald war das Wasser ein fester Spiegel , bald eine gewundene , wellenschlagende Ader , bald eine Quelle , bald ein Blitz hinter Blumen , oder ein schwarzes Auge hinter Blätter- Schleiern -- schmale Ufer , kurze Beete , Kindergärten , runde Inseln , kleine Hügel und Landzünglein wohnten dazwischen , sie hielten ihre bunten , blühenden Kinder auf dem Arm und Schoß , und die blauen Augen der Vergißmeinnicht und die vollen Tulpenwangen und die blaßwangigen Lilien spielten wie Geschwister , von Fremden geschieden , beisammen , aber Rosen liefen durch Alle .
Jetzt hörten die Menschen murmeln und rauschen , die Seen neben ihnen wallten ; an einem abgerindeten , auf eine Insel eingepfählten Maibaum fingen oben die gelben Tannennadeln zu tropfen an -- von den Hängebirken auf der Landzunge glitt ein innerer Regen nieder -- aus den beiden Seen neben ihnen flogen Wasserstrahlen wie fliegende Fische gen Himmel -- Jetzt quoll es überall , und Reihen von Quellen , diesen Wasser-Kin Titan III. E deren , spielten mit den Blumenkindern -- Wie Vögel flatterten Strahlen mit breiten Flügeln aus den Lorbeerhecken und fielen in die Rosengruppen nieder -- an einem Hügel voll Eichen kroch eine Wasserschlange hinauf -- kriegend schossen aus allen Ufer-Mündungen belagernde Bogen an die Gipfel -- Plötzlich fanden sich die überlisteten Zuschauer mit Regenbogen überwölbt , denn die Seen warfen ihre Wasser hoch über sie hinüber , daß durch das Tropfengegitter die wankende Sonne brannte wie durch eine zersplitterte Juwelenwelt .
-- Die Kinder schrien erschrocken . --
Die aufgejagten Vögel kreuzten durch den Regen -- Nachtschmetterlinge wurden niedergeworfen -- die Turteltauben schüttelten sich an die Erde gedrückt in den Güssen -- Die Ufer und die Beete hielten ihre blühenden Kleinen dem Himmel unter . -- --
Nach fünf Minuten war Alles vorbei und nur in allen Blumen und Augen zitterte der nasse Glanz und auf den Wellen die Sterne fort .
Die Kinder liefen dem Wundertäter Karl nach .
" Vorbei draußen , ( sagte Albano , ) aber " nicht in uns .
Ich bin heute recht still-froh , " denn Du liebst mich und auch die ganze " Welt ist freundlich .
-- Bist Du auch glücklich , " Liane ? "
-- Sie antwortete : " noch froher und ich müßte vor Freude weinen , wenn ich es sagte . "
-- Aber sie weinte schon .
" Sieh ! die Tropfen ! " sagte sie naiv , als er sie anblickte , und nahm seine vom Regenbogen angespritzte sanft von seinen Wangen weg .
Sein Mund berührte ihr heiliges , zärtliches Auge , aber das andere stand offen und ihr Herz und ihre Liebe blickten ihn daraus an , und nie schwebte ihre heilige Seele ihm näher .
Nach wenigen Minuten war auch dieser nach dem Himmel gekehrte Regen vorüber .
Sie gingen mitten über den freien Garten den Morgen-Partien und Toren zu .
Wie lagen in der offenen Welt die Küsten der Zakunft so hell vor ihnen mit dickem , hohem Grün , und Nachtigallen flogen um die Ufer ! --
Die Entzückung macht das männliche Herz weiblicher ; die Stimme seiner vollen Brust redete nur leise zu Lianen , auf deren seitwärts und gen Himmel geneigten Angesicht ein stilles , frommes Danken lag , sein feuriger Blick regte E 2 sich nur langsam und ruhte an der schönen Welt , und er ging ohne hastiges Überschreiten um die kleinste Landspitze .
Die junge Nachtigall wetzte den abgefütterten Schnabel am Zweige und schüttelte sich lustig , die alte sang ein kurzes Wiegenlied und hüpfte mit Tönen nach neuer Kost -- Und überall flogen und schrien die Kinder des Frühlings und ihre Eltern durcheinander -- Kleine , weiße Pfauen liefen ungeputzt wie kleine Kinder im Grase -- Selig floß der Schwan zwischen seinen Wellen mit dem weißen Bogen über den untergetauchten Augen , und selig schwebte die glänzende Tonmücke wie ein fester Stern unverrückt in den Lüften über einer fernen , blumigen Glocke .
-- Die Schmetterlinge , fliegende Blumen , und die Blumen , angekettete Schmetterlinge , suchten und überdeckten einander und legten ihre bunten Flügel an Flügel -- Und die Bienen tauschten Blumen nur gegen Blüten , und die Rose , die keine Dornen für sie hat , nur gegen die Linde .
" Liane , ( sagte Alban , ) wie liebe ich " heute durch Dich die ganze Welt , ich möchte " den Blumen einen Kuß geben und in die voll " lehn Bäume mich drücken ; ich könnte nicht dem " langen Käfer da unten in den Weg treten . "
" Sollte man , ( versetzte sie , ) je anders fühlen ?
" Wie kann ein Mensch , dachte ich oft , der eine " Mutter hat und ihre Liebe kennt , das Herz " einer Tiermutter so kränken und zerreißen ?
" Aber wir vergeben den Tieren , sagt Spener , " auch nicht einmal ihre Tugenden . "
-- " Laß " uns zu ihm " sagte er .
Sie kamen außerhalb der Morgentore an dem Bergweg hinter dem Flötental oben an dem mittagshellen Häuschen des alten Speers an ; aber da sie ihn laut lesen und beten hörten , gingen sie lieber in großer Ferne vorüber , um seinen heiligen Himmel nicht einmal ihren Schatten zu werfen .
Sie schauten ins schöne , stille Flötental und wollten eben hinein ; endlich sprach es zu ihnen mit Einer Flöte hinauf .
Ihre Freunde schienen drunten zu sein .
Die Flöte klagte lange einsam und verlassen fort , keine Schwestern und keine Fontänen rauschten darein .
Endlich keuchte neben der Flöte eine scheue , zitternde Singstimme angestrengt daher .
Es war hinter den langen Gesträuchen Rabette .
Sie rührte beide in die tiefste Seele , weil die Arme mit dem Arbeiten ihrer unbehilflichen Stimme dem Geliebten das demütige Opfer des Gehorsams brachte .
" O , mein Albano , ( sagte Liane sich entzückt an ihn schlingend , ) welche Süssigkeit , daß mein Bruder glücklich ist und Seelenfrieden hat und durch Deine Schwester ! "
-- " Er verdient meinen , ( sagt ' er bewegt , ) aber wir wollen sie beide nicht stören , sondern den alten Weg zurückgehen . "
Denn Rabettens Töne wurden oft zerschnitten , aber es war ungewiß , ob von Furcht -- oder von Küssen -- oder von Rührung .
Als sie wieder durchs Morgenthor hereintraten :
kam die Sängerin und Karl ihnen aus der grünenden Pforte entgegen , beide verweint .
Karl , gewaltsam über lebendige Beete tretend und mit irrenden Augen , griff nach beider Hand mit seinen und sagte : " das ist doch einmal ein Tag auf der Regenwelt , der nicht wie eine Nacht aussieht -- Bruder , aber wenn man so innig selig ist und Sphären vernimmt , so sind es solche Töne , wie man einmal zum Zeichen hörte , daß vom Markus Antonius sein Schutzgott Herkules weiche . "
-- So werden die Freuden , wie andere Edelsteine , mechanische Gifte , welche bloß in der Ferne glänzen , aber berührt und verschlungen uns zerschneiden .
Aber Albano versetzte lächelnd :
" Da Du Dich jetzt fürchtest , Lieber , so hast Du nichts zu fürchten ; denn Du bist nicht rein glücklich .
Ich aber fürchte leider nichts . "
-- " Bravo !
( sagte Karl )
Nun geht in Eure Küche , Mädchen ! "
Er ging in den sogenannten " Tempel des Traums " , drang aber bald in die verbotene Küche nach .
Albano besuchte Lianen Frühlingsstübchen , Hier mahlt er sich jenen Glanz-Sonntag zurück , wo ihn Liane durch Lila geführt und er ließ die Vergangenheit in die Gegenwart mildernd schimmern ; aber diese überstrahlte sie .
Draußen im Garten standen und glänzten , so schien es ihm , die reinen Säulen seines Himmels , die Träger seines Tempels , die Bäume ; und Alles was er hier neben sich sah , gehörte wieder zu seinem Glück , Lianen Bücher und Bilder und Blumen und jede kleine Zeichnung von ihrer zarten Hand .
Endlich trat die Heilige der Rotunda selber -- jungfräulich errötend über diese Nähe und über sein Erröten -- herein , um ihn ins kühle Eßzimmer hinabzuholen .
Es war klein und dämmernd , aber das Herz bedarf zu seinem Himmel nicht viel Platz und nicht viel Sterne daran , wenn nur der der Liebe aufgegangen .
Zu den Tischreden -- wodurch erst ein Essen ein menschliches wird -- und zu den Scherzen -- den feinsten Zwischengerichten , dem Streuzucker des Gesprächs -- lieferten die Kinder das Ihrige , zumal da sie , unfähig , vom verbotenen Du zum Sie zu steigen , immer Du- Sie zugleich gebrauchten .
Die hochrote Chariton machte Auszüge aus Dians Briefen und aus ihrer Lebensgeschichte und aus den Wundzetteln von Pollux Armbruch ; sie suchte die Schneeballen zu schätzen , hörte schalkhaft-gläubig auf den Hauptmann hin , der das scherzhafte Ehe- Du gegen Rabette zu fünf Akten verspann und lächelte gern da , wo es verlangt wurde .
Am meisten lief die Spielwelle aller Seelen , Karl , fröhlich um ; dieser Jupiter , den immer die Finsternisse so vieler Trabanten um flogen , konnte einen großen , heiteren Glanz zeigen , wenn er und man wollte .
So oft Albano wie vorhin nicht in sein Trauerspiel ging , zog er den Vorhang eines Lustspiels auf .
Der guten Rabette war sein Anreden so viel wie sein Anschauen , obwohl sie nur das Letztere erwiderte , um weder ins Du noch Sie zu fallen .
Albano , mit Ohren und Augen an Eine Seele geknüpft , konnte mit den Lippen nicht viel mehr hervorbringen als ein seliges Lächeln ; einen Hymnus hätte er leichter gemacht als ein Bonmot , ein Tischgebet leichter als eine Tischrede .
Denn seine Liane war heute zu liebreich !
So vergnügt und ermunternd schaute das süße Mädchen umher , mit so herzlichem Spiel die gesprächige , neckende Wirtin machend , daß ein Mann , der es sah und an ihren festen , Sterbeglauben dachte , von diesem Tanz um das Grab mit Blumen auf dem Haupt , nur desto inniger gerührt wurde , wenn er auch merkte -- oder vielmehr eben darum -- , daß sie hier mit dem Scherze selber Scherz treibe , bloß um -- nach ihrer neuen moralischen Trauerordnung -- ihrem Geliebten jede Scheide-Stunde zu versüßen , sowohl die nächste als die letzte .
Aber das war schwer zu merken , weil in weiblichen Seelen jedes Scheinen leicht Wahrheit wird , nicht nur das trübe , auch das frohe .
Wie wurde ihr Freund und jeder gute Mensch so froh , weil die Heilige sich selber selig sprach !
Und dann wurde wieder sie es mehr .
So schlägt wie zwischen zwei Spiegeln , der Glanz der Wonne zwischen teilnehmenden Herzen in wachsender Vervielfältigung hin und her und wird unabsehlich .
72. Zykel .
Die Stunde der Abfahrt rollte auf schnelleren Rädern heran , mehrere Sternbilder der Freude gingen unter als heraufkamen .
So grünen die blühenden Weingärten des Lebens immer an einem bergigen Hinauf und Hinab , nie in einer ruhigen Ebene .
Die zwei Liebenden brauchten jetzt Stille , keine Gänge .
Sie machten den nächsten , den ins Donnerhäuschen .
Sie traten in die wehende Vesper-Erde wie in ein neues Land ; mitten im Tage wird der Mensch aus Einem Traum nach dem anderen wach und hat immer vergessen und sieht immer verneuet .
In Albano stand der goldene Seitenglanz der Freude noch unter der wegrückenden Sonne ; er sagte ihr froh , wie oft er sie besuchen würde bei ihren Eltern und wie er diese gewiß befreundet zu finden hoffte .
Liane malte alle seine Hoffnungen noch als Tochter und Liebende mit ihren aus .
Aber jetzt ließ sie ihr vorhin leichtes Herz , das auf den Blumen des Scherzes sich wiegte , auf dem festeren Ernst ausruhen .
Wenn im Menschen Friede und Fülle ist , so will er nichts mehr genießen als sich , jede Bewegung , sogar die körperliche , verschüttet den vollen Nektarkelch .
-- Sie eilten aus dem lauten , regen Garten ins stille , dunkle Donnerhäuschen .
Aber da sie , wie geschieden von der Welt , die um die Fenster hellglänzend und sich entfernend hinauslag , in der kleinen Dämmerung einsam nebeneinander standen und sich ansahen -- und da Albano's Seele war wie ein sonnentrunkenes Gebirge am Abend , Licht , warm , fest und schön , und Lianen Seele wie die aufdringende Quelle am Gebirge , die hellrein und kühl und verborgen dahin rinnt , und nur vom Abendstrahl berührt rosenrot glüht -- und da diese einzigen Seelen gerade sich fanden in der weiten uneinigen Erde :
so durchschauerte sie eine gewaltsame Freude wie ein Gebet , und sie stürzten sich ans Herz und glühten weinend und schauten sich groß an in der Umarmung ; -- und an der Äolsharfe taten sich schnell die Flügeltüren eines begeisterten Konzertsaales auf , und herausschlagende Harmonien wehten vorbei und schnell gingen die Pforten wieder zu .
Sie setzten sich ans luftige Morgenfenster , vor welchem die Blumenbühle Berge und Lilars Hügel und Pfade im Sonnenglanze lagen .
Um sie war der Abendschatten und Alles still und die Ätherharfe atmete leise .
Sie sahen sich nur an und freuten sich ins Innerste hinein , daß sie einander liebten und bewahrten .
Wie entronnen blickten sie , von dieser Burg beschirmt , hinab in die rauschende , bewegliche Welt ; unten blies der Wind die Mohn und Tulpen-Lohe breiter und in die schwere , gelbe Ernte -- Die Silberpappeln , ewigen Mai-Schnee tragend , flatterten mit aufgewühltem Glanz -- ein Taubenflug rauschte eintauchend ins Blau hinein -- und drüben standen unter fliegenden Wolken die runden Tempel Gottes , die Berge , nebeneinander in Reihen und trugen bald Nächte bald Tage -- und der fromme Vater stand allein auf seiner Höhe , und reichte seinem Rehe weiche Äste .
" So bleiben wir ! " sagte Albano und drückte ihre liebe Hand mit seinen beiden an sein Herz , " Hier und dort !
( sagte sie ) -- Albano , " wie oft habe ich gewünscht , Du wärest zu " gleich meine Freundin , damit ich mit Dir von " Dir reden könnte .
Wer weiß es auf der Er "de , wie ich Dich achte als ich allein ? "
-- " Hier und dort ? --
Liane , ich bin glücklicher " als Du , denn ich allein glaube an unser lassen " Ges Leben hier " sagte er auf einmal verändert .
Welche Ursache es nun sei -- entweder die , daß der Mensch gar nicht gewohnt ist , in einer von aller Zukunft und Vergangenheit abgelösten reinen Gegenwart glücklich zu sein , weil sein innerer Himmel wie der physische immer gerade und nahe über ihm finster-blau aussieht , und erst um den fernen Horizont herum glänzend -- oder daß es ein so zartes überirdisches Glück gibt , was wie der Mondschein von jeder Wolke zu dunkel wird , indes rohes wie das Tageslicht die breiteste verträgt -- oder daß Albano zu sehr den Männern glich , die immer in der Freude ihre Kräfte so stark fühlen , daß sie lieber den Göttertisch umstoßen als ein Gericht und Himmelsbrot weniger darauf sehen wollen , lieber ganz unglücklich sein als nicht ganz glücklich ; -- genug er konnte und wollte der Furcht und dem Verhüllen Nichts mehr schuldig sein .
Daher als Liane ihn statt zu beantworten nur umarmte und schwieg , weil sie den ganzen Tag ihrem Versprechen treu bleiben wollte , die Festtapeten schöner Tage mit keinem Trauertuche auszuschlagen : so sagte er , wie von einem fremden Geiste fortgestoßen , geradezu :
" Du bei " antwortest Nichts ?
-- Nur Freuden , nicht Lei " den , soll ich teilen ?
-- Du hast Deinen " Schleier nicht ? --
Mich willst Du schonen " wie einen Schwachen ?
Und Dich allein drückt " Dein Todes-Glaube fort ? --
Liane , ich will " auch Schmerzen haben und alle Deine , sage " Alles ! "
-- " Wahrlich , nur mein Versprechen wollt ' " ich halten , ( sagte sie , ) und mehr nicht .
Aber " was soll ich denn zu Dir sagen , Lieber ? "
-- " Du stirbst also gewiß nach einem Jahre , " glaubst Du , Abergläubige ?
-- Himmlische ! " sagte er .
" Sofern es Gottes Wille so ist , gewiß !
"( sagte sie ) O mein guter Albano , was kann " ich denn für meinen Glauben , der Dich auch " so schmerzt ? "
Und hier konnte sie ihre Tränen nicht mehr hindern und alle Kruzifixe der Erinnerung regten sich in der schönen Seele lebendig und bluteten heftig .
" Gottes Wille ?
( fragt ' er ) --
Eben so gut " könnt ' er jetzt einen Winter wie einen Eis " Berg in diesen frohen Sommer stürzen -- -- " Gott ? " wiederholt er , sah auf , kniete hin und betete : o , Du allliebender Gott . . . " Und Du stirbst mir nicht ! " kehrte er sich wie zornig gegen sie , zum Weiterbeten unfähig vor dem Geschrei seines Herzens , und mit beiden Händen hastig über sein nasses Gesicht wegstreifend -- Nun betete er sanfterzitternd fort :
" Nein , Du Allliebender !
Töte nicht dieses " schöne , junge Leben !
Lass uns beisammen , " lang ' und fromm ! "
Sie kniete unwillkürlich neben ihn -- heute matter von Freuden und unbekannten inneren Siegen , sogar vom langen Gehen -- desto heftiger angefallen von einer rührenden Wirklichkeit , da sie von rührenden Phantasien verwöhnt und erweicht war -- und unsäglich leidend bei Albano's Schmerz -- sie konnte nicht reden -- wie unter einer schnell aufgeworfenen Last bückte sich ihr Haupt und Hals -- und so blickte sie wie vom ganzen Leben schwer umwölkt auf den Boden hin -- der umfangende Todesfluß rauschte mit Einem Arm um sie -- da sah sie , ohne aufzublicken , irgendwo ihre Karoline im Brautkleide und mit dem weißen , gold-punktierten Schleier ziehen , der sich lang über das Leben wegschleppte , und sie sah es deut deutlich , wie die Gestalt , da Albano um ihr Leben bat , langsam hin und her schüttelte .
" Höre ' auf zu beten !
( rief sie trostlos )
Du " harte Erscheinung , erhöre aber mich und ma " che nur Ihn glücklich ! " betete sie , aber sie sah Nichts mehr ; und sie verbarg das von Qualen durchzogene Gesicht mit unaussprechlicher Liebe an seiner Brust .
Hier rief ihr Bruder herauf , der Wagen sei da .
Sie warf ein schnelles , dünnes Ja hinab .
" Trennen wir uns ? " fragte Albano ; der Feuerregen der Entzückung war nur als ein finsterer Asthenregen in seine offene Seele zurückgefallen -- und darum fuhr er ohne alle Schranken seines Schmerzes fort : " so haben wir uns zum letztenmal gesehen ? " und unter dem geschlossenen Augenliede weinte sein gutes Auge .
" Nein , bei dem Allgütigen nein ! " sagte sie und stand auf , um zu gehen .
" Bleibe ! " sagte er und sie blieb und umarmte ihn wieder .
" Aber begleite mich nicht ! " bat sie .
" Nicht ! " sagte er und hielt die Wegziehende lange an den Fingerspitzen ; es schmerzte ihn so sehr , da Titan III. F er die auf diese stille Gestalt getriebenen Leiden ansah , daß diese weißen Schwingen der Unschuld sich an seinen Klippen und Berghörnern voll Blut geschlagen .
Er zog sie wieder an sich ; ehe er sie und sein Heil entließ .
Er sah ihr nach , wie sie langsam an dem sonnigen Berg , unter den Zweigen sich trocknend , hinunterschlich und gesenkt lauter heitere , blühende Wege des Vormittags ging .
Er schaute aber nicht nach , da ihr Wagen über den fröhlichen Wald wegrollte ; er stand am Morgenfenster und sah seine Kindheits-Berge zittern , weil er seine Augen zu trockenen vergaß .
Sechzehnte Jubelperiode .
Die Leiden einer Tochter .
73. Zykel .
Wolken wie die letzten bestanden für Albano weniger aus niederfallenden Tropfen als aus niedersinkendem Staub .
Sein Leben war noch ein Treibhaus und stand daher nach der Sonnenseite .
Jeder Tag brachte eine neue Schutzschrift für die ferne schöne Seele , bis sie am Ende gar keine mehr brauchte .
Aber jedem Tage gab er auch einen Ablaßbrief ihres Schweigens mit ; später wurden Anstandsbriefe ( Moratorien ) daraus ; endlich als sie immer gar Nichts von sich hören und lesen ließ :
so fing er an , in den obigen Schutzschriften wieder nachzusehen und Manches darin auszustreichen . F 2 Eben so wenig fand er für sich oder für ein Blatt eine Treppe zu ihr .
Sogar der Hauptmann war seit einigen Tagen nach Haarhaar verreiset .
Mit müden Händen hielt er den schweren , ausgetrunkenen Freudenbecher , der leer am schwersten wiegt . --
Die wilden Hypothesen , welche der Mensch in einem solchen Falle durch sich traben lässt -- wie in diesem , z. B. die von Lianen Krankheit , Erkältung , Gefängnis , Abreise -- sind in ihrem Wechsel und Werte mit Nichts zu vergleichen als mit der eben so großen Wildheit und Zahl der Plane , die er anwirbt und abdankt , z. B. den der Entführung , des Hasses , der Duelle , der Verzweiflung .
Die harte , feststehende Zeit hatte keinen Zeiger auf ihrem Zifferblatte .
Er stand seinem Schicksal so nahe wie der Mensch seinen Träumen ; ohne daß er beider Gestalt erkennen oder vorbereiten kann .
Er ging oft in die Stadt , deren sämtliche Gassen durchritten , durchlaufen und durchfahren wurden , weil man die Balken zum herrlichsten Throngerüste zusammentragen und nageln wollte , auf welchen sich die fürstliche Braut bei ihrem Eintrittskomplimente im Lande , am weitesten umsehen konnte ; aber er hörte nichts darin von der seinigen , als daß sie öfters mit dem Minister die Bildergalerie besuche .
Dadurch schienen zwei ängstlichen Hypothesen , die ihrer Krankheit und ihres Hauskriegs , die Stacheln auszufallen .
Das Beste , obwohl Schwerste war , geradezu den Minister wie den Vesuv zu besuchen , um da die schönste Aussicht zu haben .
Er besuchte den Vesuv .
In der Tat war dieser Vulkan nie stiller und grüner ; er fragte nach Allem und ließ sich über Vieles heraus , was das Vermählungsfest unmittelbar anging ; auch suchte er seine Hoffnungen und Wünsche nicht zu verbergen , daß der Graf die bewundernswürdige Braut bewillkommen helfen werde .
Am Ende mußte dieser auch die seinigen über die Weiber zu eröffnen wagen .
Der Minister versetzte ungemein heiter , daß beide das " brave Fräulein von Wehrfritz " eben nach Blumenbühl zurückbrächten ; und ließ sich sofort aufs Lob dieser " unverdorbenen Natur " ein .
Albano ging bald , aber viel froher .
Auf seinem Wege brannten doch einige Gassenlaternen .
Aber am Morgen geriet er in ein Winkelgäßchen , wo keine einzige war ; nämlich Rabette , das Rentierchen , kam nach Lila gelaufen , wie gestern nach Pestiz -- denn was ist für ein Landfräulein ein Meilenlauf anders als eine gerade Allemande ? -- und schüttete und schüttelte vor ihm ihr Herz bis auf die Herzohren aus , woraus nichts herausfiel als frohe Bilder , einige Himmel , ein vollständiger Hochzeittag , ein Paar Schwiegereltern und eine Hauptmännin .
" Die Ministers waren gegen " mich so höflich gewesen , aber -- nachher noch " mehr gegen meine Eltern die Mutter -- und " sie haben den Hauptmann so sehr genannt " und gelobt -- kurz , sie wissen freilich Alles , " mein herrlicher , herzlieber Bruder ! " sagte sie , -- aber von Lianen wußte sie dem herrlichen Bruder Nichts zu bringen , außer ihren Gesundheitspaß ; ihr freudiges Auge hatte sich nach gar keiner dunklen Gegend gewandt .
" Wir waren keine Minute allein , das macht es , " setzte sie dazu und kam wieder auf ihren Hauptmann , den der Minister als Marschkommissarius der einrückenden Fürstin auf die Haarhaarer Straße versendet habe , doch verwies sie ihn auf die Illuminations-Nacht in Lila , wo sie und Liane und beiderseitige Eltern dabei zu sein ausgemacht hätten .
Du gutes Geschöpf !
wer gönnt Dir nicht den blitzenden Ring der Freude , den Du an Deiner braun und hart gesottenen Hand ansiehst , und wer wünschet nicht gern , daß seine Steine nie ausfallen ? --
Bald darauf flog dem Verlassenen der Bruder der vergangenen Feste an das Herz , Karl .
Er wiederholte beinahe Rabettens Aussagen , obwohl nicht ihre Entzückung ; er sagte -- aber ohne sonderliche Rührung -- , daß der Vater wirklich ihm den Bruderkuß mit einer Kußhand durch mehrere Zimmer zuwerfe , ihn ganz besonders aus- und anzeichne und zu Geschäften freundlich verbrauche -- und das Alles bloß , seitdem er hinter die Liebe gegen Rabette und das stille Zunicken der Eltern gekommen sei ; denn vom Herzen zwar sei bei dem Vater die Rede nicht , aber doch von Ra Bettens Weiberlehn , zumal da man ihm bei der romantischen Wechselreiterei seines Herzens nicht trauen könne , ob er nicht sonst einmal die Ärmste bringe .
Mit einer seufzenden Brust , die gern mehr einer erwartenden mitgebracht hätte , erzählte Karl bloß , daß er Lianen gesund und still , aber keine Minute allein gefunden .
Die Zusammenhaltung der fremden Dürftigkeit mit dem eigenen offenen , reichen Glück war -- so glaubte Albano -- die schöne , zarte Ursache , warum Karl mit so flüchtiger , kühler Freude über die elterliche Einsegnung seines Seelenbundes weglief .
O , wie liebt er ihn jetzt !
Könnte er ihn je mehr lieben , so täte er_es , wenn Liane gar seinem Glück verloren wäre , bloß um sich und ihm zu zeigen , daß die heilige Freundschaft kein drittes Herz begehre , um ein zweites zu lieben .
Dieses Gewölk des Schweigens legte sich nun wochenlang und immer finsterer um seine schönsten Höhen fest , und der Schuldlose ging unter dem Dunkel im Kreise von Widersprüchen umher .
Wie mußte dieser Jüngling sich abarbei ten , wenn er bald dachte , daß die Eltern wohl gar eine Verwandtschaft mit ihm ausschlagen , da er doch mehr ihre vergessen als vergelten zu müssen glaubte und daß sie zwei Herzen der politischen Herzlosigkeit opfern könnten -- oder wenn er auf die fromme Liane den Verdacht des Weichens vor elterlichen Angriffen fallen ließ , der noch aus der Vergangenheit Zufuhr durch die Vermutung erhielt , daß sie ihn wohl mehr poetisch und fromm und mehr mit Flügeln umhalset als mit Armen und daß sie überhaupt an so lange Ergebungen gewöhnt , Opfer und Neigungen kaum absondern und jene für diese halten könne -- oder wenn er bald und am öftesten alle diese Waffenspitzen gegen seine eigene Brust kehrte und sich fragte , warum er in der Freundschaft ein so festes Vertrauen habe und in der Liebe ein so wankendes :
Dann führte ihn dieser Vorwurf zu einem zweiten über jeden vorigen , den er der guten Seele gemacht , bloß um sie nach der Proselytenmacherei und Reformersucht , welche die Männer mehr an ihren Weibern als Freunden üben , für seine eigene Gußform einzuschmelzen .
Letzteres konnte er rügen ; wie Holberg * ) bemerkt , daß die Männer Landgüter nicht so gut erhalten als die Weiber , weil jene mehr als diese sie reformieren wollen : aus demselben Grunde verderben die Liebhaber auch die Weiber mehr als diese jene .
Um nur aus dem langsamen Gerichtshof der Zukunft schneller sein Bluturteil zu holen oder ein schöneres Blatt , ging er wieder ins ministerielle Haus .
Er wurde vom Minister wieder lächelnd und von der Mutter ernst empfangen und -- auf seine Frage -- war Liane nicht wohl auf . --
Er legte dem alten , sich jetzt wärmer andrängenden , Schoppe , der seit einiger Zeit neben dem Skalpell des Doktors , weiter kein Herz studierte als was auszuspritzen und zu präparieren war , eine kurze Frage über des Doktors Besuche beim Minister vor ; wie erstaunt er , da er vernahm , daß Niemand weiter aus dem Hause welche in jenem mache , da * )
Dessen moralische Abhandlungen II. 96. Liane ganz blühend in alle Zirkel fahre , als bloß der Lektor häufigere !
Er begriff wohl , daß nur die Medusenköpfe der Eltern das weichste Herz gegen ihn versteinern könnten ; aber eben das fand er nicht recht , er forderte keck , daß er von ihr mehr als die Eltern geliebt werde ; " nicht aus Egoismus , ( sagt ' er zu sich , ) nicht meinet- sondern ihretwegen " .
Der Liebende will eine große , unbeschreibliche Liebe -- von der er sich immer nur als den zufälligen und unwerten Gegenstand glaubt -- , bloß um selber die höchste zu geben .
Sogar der schweigende Lektor , der sonst alle neu aufgehende Lichter hinter Licht- und Ofenschirme stellte , teilte ungebeten dem Grafen die Neuigkeit zu , Liane werde bei der kommenden Fürstin -- etwas , Gesellschaftsdame .
Sein alter eifersüchtiger Argwohn über Augusti's Wünsche oder Verhältnisse erlaubte ihm keine Antwort darauf .
Jetzt ermannte sich sein Geist und er schrieb geradezu an die Seele , die ihm gehörte ; und schickte dem Bruder das Blatt zur Übergabe .
-- Dieser kam den Tag darauf ; schien ihm aber noch keine Antwort zu haben , weil er sie sonst mit dem ersten Gruß gegeben hätte .
Karl führte ihn an den Haarhaarer Hof , wo er neulich gewesen , -- sagte , jeder Nerve da hätte Steifstiefeln an und jedes Herz einen Reifrock -- kam , weiter preisend auf die jüngste , aber angefeindetste Prinzessin , Idoine -- erklärte , sie besitze nach allen Vorzügen , z. B. der Heiligkeit , der Güte , des entschiedenen Charakters , der sich sogar auf dem Throne sein eigenes Los und Leben aussucht , ferner der Liebenswürdigkeit , da sogar die Niemand liebende Vorestin-Braut an ihrem Herzen hänge , noch den Vorzug der täuschenden Ähnlichkeit mit Lianen .
" Hat diese nun mein Blatt ? " fragte Albano .
Karl händigt es ihm wieder ein :
" Bei " Gott !
( sagt ' er feurig und doch doppelsinnig ) " ich konnte es ihr jetzt nicht beibringen -- Aber " Bruder , kannst Du nur eine Minute lang " glauben , sie bleibe nicht ewig die Deinigste ? "
-- " Ich glaube gar Nichts .
( sagte Albano beleih " dicht und zerriß sein Blatt in Blättchen von " der Größe der Buchstaben darauf . )
" Wollen " nur wir , ( fuhr er mit gerührter Stimme fort ) "-- bleiben wie wir sind , fest wie Eisen und " biegsam wie Eisen aus Glut . "
Der gerührte Freund suchte folgenden Trost hervor :
" Er " warte doch nur den Illuminations-Abend * ) "-- da spricht sie mit Dir -- sie muß durch " aus erscheinen und Du sollst Dich wundern , " in welcher Rolle und für wen . "
Er nickte stumm ; er setzte sich ihre Rolle leicht aus ihrer Ähnlichkeit mit Idoine und aus ihrem angeblichen Hofamte zusammen ; aber was half es seinem Glück ?
Mit der Umkehr seines Blättchens , das er wider seinen Ehrgeiz abgeschickt , kam dieser verstärkt zurück .
Nun war auf Albano's blutende Lippe ein heißes Siegel gedrückt ; er hatte nun Nichts für und vor sich als die Zeit , die jetzt sein Gift wurde , und erst später , wie er hoffte , seine Arznei .
Über sein aufgerufenes Ehrgefühl wurde überhaupt Nichts Herr ; er konnte hinaufsehen zu einer Richtstätte , auf der Blut aufsprang , aber er konnte nicht an * )
Bei der fürstlichen Vermählung . einen Pranger schauen , wo unter gift-schwerer , tötender Pein eigener und fremder Verachtung ein niederblickendes , verworrenes Gesicht auf die sündige Brust hing .
Karl näherte sich zuweilen mit einigen Lichtern dem langen , nächtlichen Rätsel ; aber Albano , so sehr er sie wünschte , machte ihn irre durch Entgegentreten und suchte ihn nicht einmal auszuhören , geschweige auszufragen .
So lag er auf harten , jugendlichen , stachligen Rosen -- knospen , die eine einzige Stunde zu weichen Rosen aufschließen kann .
Siege geben Siege -- -- wie Niederlagen Niederlagen ; er fand jetzt gegen die Empfindungen , die ihn belagerten , wenn nicht einen Entsatz , doch eine auf die Ewigkeit verproviantierte Bergfestung in einer -- Sternwarte .
Mit ganzer , festzusammengefaßter Seele warf er sich auf die theoretische Sternkunde , um nicht den Tag , und auf die tätige , um nicht die Nacht zu sehen .
Die Sternwarte stand zwar auf einem Zwischenberge zwischen der Stadt und Blumenbühl und deckte beide auf ; aber er schickte seine Augen nur auf Sternbilder , nicht auf jene rosenroten Stellen der Erde aus , wo sie jetzt aus den kalten Blumenkelchen nur Wasser statt Honig hätten saugen können .
So ging er unter den Fest-Zurüstungen in Lila dem langsamen Abend , wo ihn die Gegenwart der schönsten Seele entweder segnen oder zerstören sollte , bewahrt entgegen , vergeblich von Zeit zu Zeit zum fernen Telegraphen seines Schicksals aufblickend , der sich immer bewegte , ungewiß ob friedlich oder kriegerisch .
74. Zykel .
Die Siegel von den inrotulierten Akten der bisherigen Geschichte zur Einsicht abzunehmen -- oder die blinden Fenster derselben ab- und die wahren aufreißen -- oder so viele bedeckte Wege und Wagen aufdecken -- oder endlich die ganze Sache -- -- das sind lauter Metaphern -- und die unähnlichsten dazu -- , welche zu Nichts dienen können als die lange erwartete Auflösung , welche sie beschreiben wollen , nur noch länger und verdrußlicher aufzuhalten ; vielmehr glaube ich wird besser der ganze Kriegs- und Friedensetat im ministeriellen Palaste sogleich frei entblößet wie folgt : Herr von Froulay war , wie schon gedacht , mit einem belle-vue im Gesicht und mit einem mon-plaisir im Herzen ( falls diese Wendungen nicht mehr gesucht als ausgesucht scheinen ) von Haarhaar nach Hause gekommen .
Er sagte seiner Frau offen , was ihn bisher so lange aufgehalten und bezaubert -- die künftige Fürstin , die für ihn mehr als gewöhnliche Neigung gefasst habe .
Er warf ein volles , prahlendes Licht auf ihren bereicherten Verstand -- weiter lobte er an Frauen Nichts * ) -- , so wie einen schwachen Streifschatten auf der Seinigen ihren ; und schätzte sich glücklich mit der Eroberung einer Person , deren feine , fortgesetzte Koketterie ( sagt ' er , ) er seines Orts als Muster empfehlen könne , und deren Neigung er , das verhehl er gar nicht , auf halbem Weg ' erwidere , aber * )
Bei den Egyptern waren die Zauberer nur Gelehrte ; bei ihm die Gelehrten Zauberinnen . aber nur auf halbem , da der Herzog von Lauzün * ) so wahr behaupte : um die Liebe von Prinzessinnen zu behalten , so halte man sie nur recht hart und kurz .
Im alten Manne schießet sonach wie wir sehen ganz spät -- nicht ungleich den frischen Zähnen -- , die oft Greise erst als Neunziger trieben -- ein Liebhaber- Herz unter dem Stern an ; allein es ist mehr zu wünschen als zu hoffen , er werde dabei sonderlich den Lächerlichen spielen .
Denn da er die ganze Woche das Steuerruder des Staats entweder auf der Ruderbank , um es zu bewegen , oder auf der Schnitzbank hält , um es für den Fürsten fein und leicht zuzuschnitzen :
so ist er Sonnabends so müde , daß ihn kein Virgil und kein Gewitter bereden könnte , -- und hätte er nicht mehr Schritte dahin als Virgils Hexameter Füße oder Moses Gebote -- eine Dido aus dem Sturm in die nächste Höhle zu begleiten .
Er tut es nicht .
Eben so frei wie * ) Mémoires secrets sur les regnes de Louis XIV. etc. par Duclos .
T. I. Titan III. G von sinnlicher Liebe bleibt er von sentimentalischer und weinerlicher , zumal da er besorgt , daß diese ihn am Ende in jene verflechte , weil sie wie ein Mollton eine ganz andere Tonleiter hat rückwärts als hinaufwärtssteigend .
Das Ironische und Stachlige am Mann machte ihm wie anderen Weltleuten jede Vermählung -- auch die der Seelen -- am Ende so sauer als den Igeln die Stacheln die ihrige .
Er hebt also in Zukunft für die Fürstin nur eine kalte , politische , kokette , höfliche Liebe auf , wie sie wohl selber hat und wie er braucht , um weniger sie als von ihr zu erobern , und zuerst den ganzen Fürsten .
Ich verspreche mir Welt- Leser , die hoffentlich keine Beleidigung für diesen in Froulays Neigung für jene finden ; denn sobald nur einmal der Hofprediger die kopulierende Hand auf die Fürstin gelegt , so hat dieser Haushofmeister gleichsam den Schnitt * ) * ) Bekanntlich wird ein Schnitt in einen ganzgebliebenen Vogel etc. zum Zeichen gemacht , daß er auf der fürstlichen Tafel gewesen , damit er nicht wieder aufgesetzt werde , sondern sonst genossen . in die Pfauhenne getan , und sie kann dann unangerührt abgehoben und an anderen Orten verspeiset werden .
Ich habe im zweiten Bande schon die Besorgnis der Ministerin mitgeteilt , daß der Minister , wenn er ( in diesem ) wiederkäme und Liane nicht zu Hause fände , keifen würde ; aber wider Erwarten genehmigte er ; ihr Gebrauch des Dorfluft-Bads schlug recht in seine Absicht ein , sie ins Dampfbad der Hofluft zu treiben .
Er sagte der Mutter , es sei ihm nicht mißfällig , daß sie sich jetzt gar ausheile , da die neue Fürstin sie zu ihrer Gesellschaftsdame erlesen werde auf sein Wort .
Er konnte nicht drei Minuten einen Zepter oder ein Zepterlein neben sich liegen sehen , ohne dessen Polarität für sich zu probieren , und damit etwas entweder zu ziehen oder zu stoßen .
Wie der berühmte Gottesgelehrte Spener -- ein Vorfahr des unsrigen -- so schön täglich zu Gott dreimal für seine Freunde bat : so findet man mit ähnlicher Freude , daß der Hofmann bei seinem Gotte , dem Fürsten , täglich ein wenig für seine Freunde bittet und etwas haben will. G 2 Die Ministerin , gegen seine wechselnden Plane nie im Entwerfen sondern erst im Ausführen kriegend , vertrug sich mit seinem neuesten leicht , weil er wenigstens mit dem alten der Bouverotischen Verlobung eher in keiner helfenden Gemeinschaft zu stehen schien .
-- Eines Abends landete leider der fatale , ängstliche Lektor -- der das kleinste Visitenblatt an eine Fuldaische Geschichtskarte anklebte -- vor ihr mit seinem Postschiff an , und stieg mit den Staats- und Reichsanzeigen von ihren beiden Kindern unter beiden Armen -- unter jedem hatte er eines -- ans Land ; und doch warum fahr ich über den Mann her ?
Konnte ein Doppelroman , zumal im Freien gespielt , verborgener bleiben als sonst ein einfacher ?
-- Ihr Erstaunen kann nur mit dem größeren ihres Gemahls verglichen werden , der zufällig im dritten Zimmer sein blechernes Ohr -- von Schrapp aus Magdeburg -- , um auf die Bedienten zu horchen , eingeschraubt hatte , und der jetzt Manches vernahm .
Doch hatte das Doppel-Ohr von Augusti's leisen Hoflippen nur einzelne , lange , eigene Namen , wie Roquairol und Zesara mit den weiten Maschen seines Nachtgarns aufgefischt .
Kaum war der leise Lektor hinaus , so trat er mit dem Ohr in der Hand froh ins Zimmer herein und forderte ihr einen Bericht von den Berichten ab .
Er hielt es unter seiner Würde , je seinen Argwohn -- der sich auch in der freundlichsten und frohsten Laune seine Argus-Ohren und Augen nicht zumachen ließ -- oder sein Horchen nur mit einer Silbe oder Schamröte zu verkleistern oder zu decken ; die schönen Lilien der ungefärbtesten Unverschämtheit waren ihm nicht aufgemalt , sondern eingebrannt .
Die Ministerin ergriff sogleich die weibliche Partei , die Wahrheit zu sagen -- zur Hälfte ; nämlich die angenehme von Roquairols gut aufgenommenen Annäherungen zum Wehrfritzischen Hause , dessen Landgut und Landschaftsdirektorat recht anpassend dem Schwiegervater angegossen waren .
Indes hatte dieser in der Gattin Antlitz den Trauerrand um dieses frohe Notifikationsschreiben viel zu klar und breit gesehen , um nicht nach dem forttönenden Wort Zesara , das sein zart höriger Blech-Sucher auch mit aufgefasst , obwohl vergeblich zu erkundigen ; denn die Mutter hatte ihre fromme Tochter zu lieb , um ihr diesen Wolf in ihr Eden nachzuhetzen ; sie hoffte sie daraus auf eine sanftere Art durch Gottesstimme und Engel zu bringen ; und umgieng seine Frage .
Aber der Wolf rannte nun auf seiner Fährte weiter ; er bekam Darmgicht -- so wurde dem Doktor Sphex gesagt -- forderte von diesem schnelle Hilfe und auch einige Nachrichten von feinem Mietsmann , dem Grafen .
Herr und Madam Sphex waren ohnedies dem aufgeblasenen Jüngling so Gram -- durch ihre ausgeschickten vier Kinder , als enfans perdu in jedem Sinn als vier Gehörknochen jeder Stadt-Sage war viel von Blumenbühl und Lila auf Avisjachten heimzubringen . -- --
Kurz die Gehörknochen griffen in fremde so gut ein , daß Froulay in einigen Tagen im Stande war , mit seiner Lilienstirn bei der Griechin nach einem Briefe an seinen Sohn zu fragen , den er mitnehmen wolle .
Er fand einen , den er recht freudig er brach , ohne doch etwas von Albano's oder Lianen Hand darin zu finden , ausgenommen einige dumme Anspielungen Rabettens auf jenes Paar , welche für den Minister so viel waren , als hätte er mit seinen scharfen Mautners Suchnadeln in Lianen Herz gebohrt und darin auf das Konterbande getroffen .
Ohne langes , knechtisches Kopieren des vorigen Siegels , setzte er das zweite auf den Brief und ging erleuchtet davon .
Wir können ihm alle nachfolgen , wenn wir uns nur wenige Minuten zu seiner Rechtfertigung aufgehalten haben bei meinem Schutz- und Stichblatt für das zweite Briefsiegel in Staatssachen .
Ob dem alten Froulay das Examinatorium fremder Briefe als Minister oder als Vater zustehe -- wiewohl dieser jenen , der Landesvater jeden anderen Vater und seinen eigenen dazu voraussetzt -- das will ich nicht entscheiden , außer durch die eben hergesetzte Parenthese .
Der Staat , der die Postpferde vor die Briefe spannt , hat , scheint es , das Recht , diesen nicht sowohl blinden als blind machenden Passagie Ren genauer unter das geschlossene Siegel-Visier zu sehen , um zu wissen , ob er nicht seinen Feinden Pferde vorlege .
Der Staat , ein immer ziehender Lichtmagnet , will ja nur Licht in der Sache , und besonders Licht über alles Licht überhaupt ; er verlangt nur die Wahrheit ganz nackt , ohne Couvert ; Alles was durch seine Tore reitet und fährt , soll nur , sei es auch in ein Couvert gekleidet , den roten Mund aufmachen und sagen , was für Name und für Geschäfte .
-- Da der gemeine Soldat seine Briefe vorher seinem Offizier vorweisen muß -- der Bastillen-Garnisonist seine dem Gouverneur -- der Mönch seine dem Prior -- der amerikanische Kolonist seine dem Holländer * ) ( damit er sie verbrenne , wenn sie über ihn klagen ) -- :
so kann wohl kein Staatsmann , er mag nun den Staat für eine Kaserne -- oder für eine Engelsburg -- oder für ein monasterium duplex -- oder für eine europäische Besitzung * ) S. Klockenbrings gesammelte Aufsätze . in Europa ansehen , ihm das Recht absprechen , sich alle Briefe so offen zu erhalten wie Fracht- , Adels- , Kauf- und Apostelbriefe es sind .
Der einzige Fehler ist bloß , daß er die Briefe nicht eher vorbekommt als zugepicht und zugesperrt ; das ist unmoralisch genug ; denn es nötigt die Regierung , auf- und zuzumachen , -- den Brief aus der Scheide zu ziehen und in sie zu stecken , wie der Koch mühsam die Schnecke aus ihrer Schale drehet und dann , sobald sie vom Feuer weg ist , in diese wieder zurückgeschoben aufsetzt .
Letzteres ist der Punkt und Hauptwind , der uns weiter zu führen hat .
Denn so allgemein es auch anerkannt , so wie Observanz sei , daß die Regierung aus demselben Grunde , woraus sie den letzten Willen öffnet , auch jeden vorvorletzten , und endlich den ersten müsse früher entsiegeln können als der Erbe desselben -- und daß ein Fürst noch viel leichter Diener-Briefe in dieselbe Entzifferungskanzlei ( und in ihr Vorzimmer , die Entsieglungskammer ) müsse ziehen können , worin Fürsten- und Legaten- Briefe aufgehen vor der Springwurzel -- :
so ist doch das Korkziehen der Briefe -- das Koppelsiegel -- das Vikariatsiegel -- das mühsame Nachmachen des L. S. oder Loco Sigilli etwas sehr Verdrußliches und beinahe Abscheuliches ; aus dem Unrecht muß daher ein Recht gemacht werden durch gesetzliche Wiederholung .
Etwas davon würde , hoffe ich , sein , wenn befohlen würde , die Briefe nur auf Stempelpapier zu schreiben ; ein dazu eingesetztes Schau- und Stempelämtchen läse dann vorher Alles durch .
Oder man könnte die Petschafte , als Münzstempel für Privatmünzen , nicht mehr zulassen .
Es schlüge sich dann eine Siegel-Kammer mit großen Rechten ins Mittel und petschierte , wie jetzt den Nachlaß der Verstorbenen , alsdann der Lebendigen ihren .
Oder -- was vielleicht vorzuziehen -- eine Brief-Zensur müßte anfangen .
Ungedruckte Zeitungen , nouvelles à la main nämlich Briefe können , weil sie noch größere Geheimnisse austragen , nie eine größere Zensurfreiheit fordern als gedruckte Zeitungen genießen ; besonders da jeder Brief jetzt so leicht ein umherrennen der Zirkelbrief wird .
Ein Katalog verbotener Briefe ( index ex purgandarum ) wäre dann für den Korrespondenten immer ein Wort .
Oder man vereide die Postmeister , daß sie treue Referendaren alles dessen werden , was sie Wichtiges oder Bedenkliches in den Briefen angetroffen , die sie vor deren Abgang auf die geistige Briefwage gelegt und mit der Hoffnung wieder zugemacht , sie nach dem Leibnizschen Prinzip des nichtzuunterscheidenden Siegels weiter zu schicken .
Findet der Staat alle diese Wege , Briefe zu lesen und zu schließen , neu und hart : so mag er auf seinem fortfahren , sie aufzumachen .
Lachend flog Froulay zur Frau und beteuerte , ihre Falschheit gegen ihn sei ihm gar nichts Neues -- ihren gegenwärtigen Plan , bloß um dem H. v. Bouverot und ihm entgegen zu arbeiten , verstehe er ganz wohl -- daher habe Rabette herein , die Tochter hinaus gemußt -- inzwischen wolle er der Heuchlerin und Betschwester und wer es sei , zeigen , daß sie nicht bloß eine Mutter habe , sondern auch einen Vater .
-- " Sie muß sogleich herein ; je la ferai damer * ) , mais sans Vous et sans Mr. le Comte " , beschloß er mit Anspielung auf die Hofdamenstelle .
Aber die Ministerin fing -- gemäß ihrer harten Verachtung gegen seine Projekte und Kräfte -- mit jener Kälte , die jeden Warmen mehr erbittert hätte als diesen Kalten , an , ihm zu sagen , daß sie Lianen und des Grafen Liebe noch mehr mißbilligen und bekriegen müsse als er -- daß sie bloß im zu weit getriebenen und sonst nie widerlegten Vertrauen auf Lianen offene Seele lieber ihr als sich geglaubt und sie bei so manchen Zeichen der Neigung Albano's , nach Blumenbühl gelassen -- Laß sie aber ihm ihr Wort hier gebe , mit gleichem Feuer gegen den Grafen zu wirken wie gegen den deutschen Herrn , und daß sie , so wie sie Lianen kenne , des schönsten leichten Erfolges fast versichert sei .
Allerdings war ihm das unerwartet und -- * ) Dame oder zur Dame machen mußte der König vorher ein unverheiratetes Mädchen vom Stande , ehe es nach Versailles an den Hof gehen durfte . unglaublich , zumal nach dem vorigen Verschweigen ; nur die feinste Männerseele sondert in der weiblichen die zusammenlaufenden Grenzen der Selbsttäuschung und der willkürlichen Täuschung ab , der Schwäche und des Trug_es , des Zufalls und des Entschlusses ; die Ministerin ohnehin gehörte unter die Weiber , die man erst lieben muß um sie zu kennen , was sich sonst umkehret .
Er akzeptierte auf der Einen Seite gern das Bekenntnis der Beistimmung und Mitwirkung -- bloß um es künftig als Waffe gegen sie zu wenden -- ; konnte ' aber auf der anderen ihr nicht verbergen , daß sie also wieder ( so sprach er stets ) nach eigenem Geständnis über ihre Kinder aus Mangel an Argwohn fehlgesehen habe .
Er behielt die Gewohnheit bei , auf eine offenherzige Seele , die ihm ihre Lücken zeigte , durch diese Lücken , als habe er sie selber gebrochen , gewaffnet einzudringen .
Das Beichtkind , das vor ihm um Vergebung kniete , drückte er tiefer nieder , und zog statt des Löseschlüssels den Hammer des Gesetzes hervor .
Ich bin hier den Spaniern , die mich einst aus schlechten Übersetzungen kennen lernen , und der österreichischen goldenen Vlies-Ritterschaft , die vielleicht das Original im Nachdruck liest , es schuldig , die Ursachen anzugeben , warum nicht das Froulaysche Haus Freudenfeste -- statt Hoftrauer -- ansagen ließ bei dieser Annäherung ihres Ordenssohnes , eines spanischen Großen , der oft einen deutschen Fürstenzepter als Elle an sich legt . --
Denn jeder Spanier muß sich bisher darüber gewundert haben .
Ich antworte jeder Nation .
Die Froulays hatten gegen die Verbindung erstlich Nichts als die -- Gewißheit der Trennung ; da aus demselben Grunde , den mir die Vliesritter und Spanier entgegengesetzt , der alte Gaspard de Cesara auf keine Weise eine Brücke zwischen seinem Gotthard und der Jungfrau kann schlagen lassen .
Zweitens konnte eben darum der Minister dieser romantischen Liebe eine viel ältere , weisere , die er für den deutschen Herrn und dessen Gelder und Liaisons trug , entgegenstellen , so wie des Vliesritters alten Groll .
Drittens hatte die Ministerin außer denselben Gründen -- und außer einigen für den Lektor vielleicht -- noch einen ganz entscheidenden , und der war : sie konnte den Grafen nicht ausstehen : nicht bloß allein darum , weil sie eine harte Ähnlichkeit zwischen ihm und ihrem Sohne und sogar Gemahle ausfand im Stolze , im Aufbrausen , in genialischer Wildheit gegen arme Eheweiber , im Mangel an religiöser Demut und Gläubigkeit , sondern sie konnte ihn vorzüglich deshalb nicht gut ausstehen , weil sie ihn nicht -- leiden konnte .
Wie das System der Prädestination einige Menschen zur Hölle verurteilt , sie mögen nachher den Himmel verdienen oder nicht :
so nimmt eine Frau den Haß , zu welchem sie jemand einmal verdammte , nicht wieder zurück , es mögen Land und Stadt , Gott , die Jahre und der Person Tugenden dagegen sagen was sie wollen .
Im Friedensschlusse des gewöhnlichen Zimmerkriegs wurden zwischen den Eheleuten diese geheimen Artikel ausgemacht : der Graf muß des Vaters und des Direktors wegen mit höflichster Achtung behandelt und bei Seite geschoben werden -- und Liane sanft und langsam von Wehrfritzen Hause abgelöst -- die ganze Scheidung des Verlöbnisses muß ohne elterliche Einmischung bloß durch die abspringende Tochter selber zu geschehen scheinen -- und Alles ein Geheimnis bleiben .
Froulay hoffte , vor Lianen früherem Verlobten , dem deutschen Herrn , den ganzen Zwischenakt geheim zu halten , da er zumal jetzt im August mehr an den Spieltischen der Bäder als zu Hause war .
So blieb es ; und in dieses kalte , schauerliche Geklüft zog die freundliche Liane hinein , als sie an jenem lebenswarmen Sonntag das selige , offene Lila verließ .
Geläutert und geheiligt von der Freude -- denn jeder Himmel wurde ihr ein reinigendes Fegefeuer -- kam sie edel an die Mutterbrust , ohne den fremden Ernst des Empfangs zu merken vor eigenem .
Ihr leichtes Geständnis der Gartengesellschaft öffnete die harte Szene -- fast in der Kulisse .
Denn die Mutter , die anders anfangen wollte , mußte sogleich auf den Donnerwagen steigen , um gegen das unbegreifliche Vergessen der weiblichen Schicklichkeit zu blitzen und zu donnern ; und doch hielt sie die Donnerpferde mitten im Laufe inne , um Lianen sogleich , da der Mi Minister jede Minute kommen konnte , das Verschweigen der heutigen Gartengesellschaft aufzulegen .
Nun warf sie den tiefsten Schlagschatten auf ihre bisherige stumme Falschheit gegen eine Mutter ; denn sie verlegte die Säe- und Blütezeit dieser Liebe eigenmächtig schon in die Tage vor der Reise aufs Land .
Wie erschrak die warme Seele über die Möglichkeit einer solchen Lieblosigkeit !
Sie führte so weit sie nur konnte die Mutter den reinen , lichten Perlenbach ihrer Geschichte und Liebe hinauf und sagte Alles , was wir wissen , aber ohne sehr zu befriedigen , weil sie gerade die Hauptsache ausließ ; denn aus Schonung gegen die Mutter mußte sie die erscheinende Karoline , die anfangs die Bilderstürmerin ihrer Liebe und dann die begeisternde Muse und Brautführerin derselben gewesen , mit dem Totenschein der Zukunft in der Erzählung unsichtbar bleiben lassen .
-- Sie hielt mit inbrünstigem Druck die mütterliche Hand unter immer froheren Versicherungen , wie sie ihr habe immer Alles sagen wollen ; sie dachte hoffend , sie brauche Nichts zu retten Titan III. H als ihr offenes Herz .
O , Du hast mehr zu retten , Dein warmes , Dein ganzes und lebendiges ! --
Die Mutter tadelte nun ihr aus alter Gewohnheit halb glaubend , nichts weiter als die ganze Sache , ihre Unschicklichkeit , Unmöglichkeit , Tollheit .
" O , gute Mutter , ( sagte Liane bloß immer sanft unter dem harten Abmalen des künftigen Albano , ) o , so ist er nicht , gewiß nicht ! " --
Eben so sanft sah sie über das mit schwarzen Strichen vorgezeichnete Nein Don Gaspards weg , weil für ihren Glauben die Erde nur ein im Äther hängender , blühender Grabeshügel war : " ach , ( sagte sie , ihre Erden- Eile meinend , ) unsere Liebe ist so wichtig nicht . "
Die Mutter nahm dieses Wort und den ganzen sanften Widerstand für Vorspiele des leichten Siegs .
Jetzt ging Albano's Schwiegervater herein , mit einer Heerpauke , Sturmglocke , Feuertrommel und Klapperschlange im Gürtel , um sich damit vernehmlich zu machen .
Zuerst fragt er -- er hatte vergeblich gehorcht -- ganz erboset die Ministerin , wohin sie sein Ohr versteckt habe --
( es war das blecherne Koppelohr , worin sich , wie in einem venezianischen Löwenkopfe alle Geheimnisse und Anklagen der ganzen Dienerschaft und Familie sammelten ) -- jetzt brauche ' er_es ein wenig , zumal seit den neuesten " Avanturen der frommen Tochter da ! "
-- Die Siamer Ärzte fangen die Heilung eines Patienten damit an , daß sie ihn mit Füßen treten , welches sie Erweichen nennen .
Auf ähnliche Art erweichte Froulay gern zur moralischen Vor-Kur ; und begann daher sich mit den gedachten Sprachmaschinen im Gürtel , deutlich zu erklären über umschlagende Kinder -- über deren Ränke und Schliche -- und über Liebschaften hinter Väterrücken -- ( so daß kein Vater einen Band Liebesgedichte vorn mit der Prosa-Vorrede begleiten kann ) -- versah vieles mit den stärksten politischen Gründen , die sich alle auf ihn selber und seinen Nutzen bezogen -- und schloß mit einigem Verfluchen .
Liane hörte ihn ruhig und an solche , wie am Gleicher täglich wiederkehrende Gewittergüsse schon gewohnt , ohne andere Bewegung an , außer daß sie oft das niederschlagende Auge zu , ihm bedauernd aufhob aus zärtlichem Mit H 2 leiden mit dem väterlichen Mißvergnügen .
In der Stille wurde er am lautesten :
" Sie sorgen " dafür , Madam , ( sagt ' er , ) daß sie morgen " Vormittags dem Grafen was sie von ihm " hat samt dem Abschied schickt , und ihm ihr " neues Amt als eine leichte Entschuldigung " notifiziert -- Du wirst Hofdame bei der re " gierenden Fürstin -- ob Du gleich es nicht " wert warst , daß ich für Dich arbeitete . "
-- " Das ist hart " rief Liane mit zerbrechendem Herzen an ihre Mutter fallend .
Er glaubte , sie meine die Trennung von Albano , nicht die von der Mutter ; und fragte zornig : warum ? -- " Vater , ich will so gern ( sagte sie und wandte nur ihr Angesicht aus der Umarmung ) bei meiner Mutter sterben ! "
Er lachte , aber die Ministerin machte selber den Flammen , die er noch wollte herausschlagen lassen , die Höllenpforte zu , und versicherte ihn , es sei genug , Liane werde gewiß ihren Eltern gehorchen , und sie selber wolle dafür Bürge sein .
Der Gesetzprediger stieg seine Kanzeltreppe mit einem vernehmlichen Stoßgebet um eine bessere Bürgschaft und unter dem Zurück rufen herab , sein Ohr müsse morgen her , und soll er_es in allen Schränken selber suchen .
Die Mutter schwieg nun und ließ die Tochter sanft an ihrem Halse weinen ; beiden war nach dieser Seelen-Dürre der Trank der Liebe Erfrischung und Arznei .
Sie ließen einander aufgeheitert aus den Armen los , aber beide mit ganz irrenden Hoffnungen .
75. Zykel .
Ein harter , schwarzer Morgen !
-- Nur der atmosphärische draußen war dunkelblau , nichts war stürmisch und laut als etwan die Bienenflüge im Lindendickicht , der Himmelsäther schien über die steinernen Gassen hoch wegzuflattern , um im hellen , offenen Lila sich tief in alle Gipfel und Spitzen einzusenken und blau wie Pfauengefieder aus den Zweigen zu schillern .
Liane fand auf ihrem Schreibtisch ein Billet in Großquart gebrochen , worin der wie ein Herz ewig arbeitende Minister schon am frühen Morgen ehe er für die einzelnen Regierungs- und Kammerräte die zur Fruchtbarkeit nötigen Strichgewitter aus den Akten aufgezogen , auf die schauernde Tochter mit einem kalten Morgenwolkenbruche niederzugehen suchte .
Im gedachten Dekretalbriefchen setzt ' er_es auf anderthalb Bogen mehr auseinander , was er gestern gemeint -- Scheidung auf der Stelle -- und bog sechs Scheidungsgründe an , -- erstlich sein verstimmtes Verhältnis mit dem Vliesritter -- zweitens ihre und des Grafen Jugend -- drittens die nahe Hofdamenstelle -- viertens sei sie seine Tochter und dieses das erste Opfer , auf welches ihr Vater für alle seine bisherigen Anspruch mache -- fünftens sehe sie an seinem nachsichtigen Ja zur Liebe ihres Bruders , dessen anscheinende Besserung er ihr zum Vorbilde vorhalte , daß er nur für das Glück seiner Kinder lebe und Sorge -- sechstens sende er sie in die Festung * * * zu seinem Bruder , dem Kommendanten , falls sie widerspenstig sei , um sie zu entfernen , zu bestrafen und zu rechte zu bringen , und weder Weinen noch Fußfallen , noch Mutter noch Hölle sollen ihn beugen ; und er schenke ' ihr drei Tage Zeit zur Vernunft . --
Sie gab stumm mit nassen Augen ihrer bisherigen Trösterin das schwere Blatt .
Aber aus dieser wurde eine Richterin : " was willst Du tun ? " ( sagte die Ministerin ) -- " Ich will leiden , ( sagte Liane , ) damit Er nicht leide ; wie könnte ich so sehr gegen Ihn sündigen ? "
-- Die Mutter nahm entweder im wirklichen alten Wahne ihrer leichten Bekehrung , oder aus Verstellung jenen Er für den Vater und fragte : " mich nennst Du nicht ? "
Liane errötete über die Vertauschung und sagte : " ach , ich Arme , ich will ja nicht glücklich sein , nur treu . "
-- Wie hatte sie nicht in dieser Nacht zwischen bangen Kriegen aller ihrer inneren Engel betend gelebt und geweint !
Eine so schuldlose , von der heiligen Freundin im Himmel eingesegnete Liebe -- eine vom frühen Tode so sehr abgekürzte Treue -- ein so fester , mit hohem , fruchttragendem Gipfel gen Himmel wachsender Jüngling , den nicht einmal Geisterstimmen aus seiner treuen Kindheitsliebe gegen sie Unbedeutende schrecken oder locken konnten -- der ewige Unwille und Gram , den er über die erste , größte Lüge gegen sein Herz empfinden würde -- ihre kurze Durchgangsgerechtigkeit durchs Leben und die nahe Wegscheide , an der sie nicht Steine , sondern Blumen auf die anderen Pilger zurückwerfen wollte -- alle diese Gestalten nahmen sie an der Einen Hand um sie von der Mutter wegzuziehen , die ihr mit den Worten nachrief : sieh wie Du undankbar von mir gehst und ich habe so lange für Dich ertragen und getan .
Da zog Liane wieder aus dem Warm-Dunkeln Rosenthal der Liebe in die trockene , platte Erdfläche eines Lebens zurück , worin sich Nichts hebt als ihr letzter Hügel .
O , wie blickte sie bittend zu den Sternen auf , ob sie sich nicht als Augen ihrer Karoline regten und ihr es sagten , wie sie sich opfern sollte , ob für den Geliebten oder für die Eltern ; allein , die Sterne standen freundlich , kalt und still am festen Himmel .
Aber als die Morgensonne wieder ihr Herz anstrahlte , schlug es hoffend und von neuem gestärkt vom Entschluß , für Albano heute recht viele Leiden zu erdulden , ach , ja erst die ersten ; konnte Karoline , dachte sie , eine Liebe bejahen , der ich untreu sein müßte ? --
Kaum war sie mit dem Morgengruß von den Lippen der Mutter weg , so suchte diese , aber ernster als gestern , die Wurzeln dieses festen Herzens aus seinem fremden Boden zu rücken durch den längeren Gebrauch der gestrigen Blumenheber .
Sie wurde in der vergleichenden Anatomie zwischen Albano und Roquairol von der gleichen Stimme an bis zur ähnlichen Taille immer schneidender , bis Liane mit dem Mädchenwitz auf einmal fragte : " aber warum darf denn mein Bruder Rabet " ten lieben ? "
-- " Quelle comparaison !
( sagte die " Mutter )
Bist Du nichts Besseres als Sie ? "
-- " Sie tut eigentlich viel mehr als ich " sagte sie ganz aufrichtig .
-- " Strittest Du nie mit dem wilden Zesara ? " fragte die Mutter .
-- " Nie , außer wenn ich Unrecht hatte , " sagte sie unschuldig .
Erschrocken nahm die Mutter immer heller wahr , daß sie tiefere und stärkere Wurzeln als leichte Blumen schlagen auszuziehen habe ; sie sammelte alle ihre mütterlichen Anziehungskräfte und Hebemaschinen auf Einen Punkt zum Sturze der stillen , grünen Myrte ; sie entdeckte ihr des Ministers schwarzen Verlobungsplan mit dem deutschen Herrn , ihre bisherigen verschwiegenen Kriege und Seufzer darüber , ihren bisher zurückdrängenden Widerstand und die neueste väterliche Kriegslist , sie zur Festungsgefangenen bei seinem Bruder zu machen und dadurch wahrscheinlich den H. von Bouverot zum Festungsbelagerer . -- --
Für einige Leser und Relikten aus dem schwerfälligen , goldenen Zeitalter der Moral wird hier die Anmerkung gesetzt und gedruckt : daß eine besondere kalte , nichts schonende , oft grausame und empörende Offenherzigkeit über die nächsten Verwandten und über die zartesten Verhältnisse in den höheren Ständen so sehr zu Hause ist , daß auch die schöneren Seelen -- worunter doch diese Mutter gehört -- es gar nicht anders wissen und machen .
" O , Du beste Mutter ! " rief Liane erschüttert , aber nicht vom Gedanken an die Klapper und den Schlangenatem Bouverots oder an dessen Mordsprung nach ihrem Herzen -- sie dachte so kaltblütig an sein Verloben wie jeder Unschuldige an sein Sterben auf einem Blutgerüste -- sondern vom Gedanken an das lange Überbauen der mütterlichen Tränen , der mütterlichen Liebesquellen , welche bisher nährend tief unter ihren Blumen geflossen waren ; sie warf sich dankend zwischen diese helfenden Arme .
Sie schlossen sich nicht um sie , weil die Ministerin durch keine Woge und Brandung schneller Aufwallungen weich und locker auszuspülen war .
In diese Umfassung griff oder trat der Minister ein .
" So ! " ( sagt ' er schnell . )
" Mein Ohr , Madam , ( fuhr er fort , ) findet sich unter den Domestiken durchaus nicht wieder vor ; das habe ich Ihnen zu sagen . "
Denn er hatte sich heute auf einen Gesetz-Sinai gestellt und der an dessen Fuß versammelten Dienerschaft in die Ohren gedonnert um seines zu erfragen , " weil ich glauben muß , ( hatte ' er ihr gesagt , ) daß ihr mir_es aus sehr guten Gründen gestohlen habt . "
Dann war er als Hagelschauer wie ein Küchendampf bei windigem Wetter , durch die einzelnen Dienerzimmer und Winkel nach dem Ohr gezogen .
-- " Und Du ? " sagte er halb-freundlich zu Liane .
Sie küßte seine Faust , die er , wie der Papst den Fuß , allezeit als den Lehn- und Lippenträger , Agenten und de latere Nuntius des Mundes den Küssen schickte .
" Sie bleibt ungehorsam " sagte die strenge Frau .
" So gleicht sie Ihnen ein wenig " sagte er , weil der Mißtrauische die Umarmung für eine Verschwörung gegen ihn und seinen Bouverot ansah .
Nun barst sein Eis-Hekla und flammte und floß -- bald auf Tochter bald auf Frau -- erstere sei gar erbärmlich , sagte er , und nur der Hauptmann etwas wert , den er glücklicher Weise allein gebildet -- errath'
Alles , höre Alles , wenn man auch sein Ohrblech verborgen -- es werde demnach , wie er sehe ( er zeigte auf seinen entsiegelten Morgenpsalm ) zwischen beiden Kollegien kommuniziert --
aber Gott soll ihn strafen , wenn er nicht -- " Töchterchen , Antwort doch endlich ! "
bat er .
" Mein Vater --
( sagte Liane , seit der Bouverotischen Verbrüderung und der Mißhandlung der Mutter ihr Herz mehr fühlend , das aber nur verachten und nie hassen konnte -- ) meine Mutter hat mir heute und gestern Alles gesagt ; aber ich habe doch Pflichten gegen den Grafen ! "
Eine kühnere Lebhaftigkeit als die Eltern sonst an ihr vermisset und gefunden hatten , strahlte unter dem aufgehobenen Auge .
" Ach , ich will ihm ja nur so lange treu verbleiben als ich lebe " sagte sie .
" C'est bien peu , " versetzte der Minister , über die Keckheit erstaunend .
Liane hörte jetzt erst ihr entflogenes Wort nach ; da ergriff sie , um die Vergangenheit und ihre Mutter zu rechtfertigen , den schönen und lächerlichen Entschluß , den alten Herrn zu rühren und zu bekehren durch ihre Geister- oder Traumseherei .
Sie bat ihn um eine einsame Unterredung und nachher -- als sie schwer vergönnet war -- darin um sein heiliges Versprechen , gegen die Mutter zu schweigen , weil sie fürchtete , dieser Liebenden , die dem Ausschlagen nahe rasselnden Uhrräder ihrer Sterbeglocke zu zeigen .
Der alte Herr konnte nur mit einer komischen Mine -- wobei er aussah wie einer , der in grimmiger Kälte lachen will -- hinlängliches Worthalten geloben , weil nie , so viel er sich entsinnen konnte , das Wort von ihm , sondern bloß oft er vom Wort gehalten wurde .
In solchen Menschen sind Wort und Tat dem theatralischen Donner und Blitze ähnlich , welche beide , sonst im Himmel gleichzeitig verbunden , auf der Bühne aus getrennten Ecken und durch verschiedene Arbeiter hervorbrechen .
Aber Liane ruhte nicht eher als bis er ein wortfestes , offenes Gesicht -- ein gemaltes Fenster -- aufgetragen .
Darauf fing sie nach einem Faustkuß ihre Geistergeschichte an .
Mit fortgesetztem Ernst , fest zusammengehaltenen Muskeln hörte er dem Unerhörten zu ; dann nahm er sie , ohne ein Wort zu sagen , an der Hand , und führte sie vor die Mutter zurück , der er sie mit einem langen Lob- und Dankpsalm auf ihre glückliche Töchterschule überreichte ; -- " seine Knabenschule mit Karl sei ihm wenigstens nicht in diesem Grade geglückt " setzt ' er hinzu .
Zum Beweise teilt er ihr offenherzig -- und alle Schmerzen Lianen kaltblütig verarbeitend , wie der Faßbinder Zypressenzweige zu Tonnenreifen -- das Wenige mit , was er zu verschweigen verheißen , weil er immer entweder sich wegwarf , oder den anderen , meistens beide .
Liane saß hochrot , heiß werdend , mit gesenkten Augen da , und bat Gott um Erhaltung ihrer Kindesliebe gegen den Vater .
Kein teilnehmendes Auge werde ferner mit dem Eröffnen einer neuen Zeit gequält , wo das Eis seiner Ironie brach und ein wütender Strom wurde , in welchen noch dazu mütterliche Tränen des Zornes flossen über ein teures Wesen und dessen verderbliches , fieberhaftes Hineinträumen in den letzten Schlaf .
-- Das Ziel und die Gefahr kopulierte fast die Eheleute zum zweitenmal ; wenn es glatteiset , gehen die Menschen sehr Arm in Arm .
" Du hast Nichts nach Lila geschickt ? "
-- fragte der Vater .
" Ohne Ihre Erlaubnis , würde ich_es gewiß nicht tun " sagte sie , meinte aber ihre Briefe , nicht Albano's seine . --
Er benutzte den Mißverstand und sagte :
" Du hast sie ja aber "
-- " Ich will Alles gern tun und lassen ; ( sagte sie , ) aber nur wenn der Graf einwilligt , damit ich ihm nicht unredlich erscheine ; er hat mein heiliges Wort auf meine Treue .
" An diese milde Festigkeit , an diesen mit weichen Blumen überzogenen Petri Fels , stieß sich der Vater am härtesten .
Dazu war der Übertritt eines stolzen Liebhabers von eigenen Wünschen zu den feindlichen , gesetzt man hätte Lianen die Frage an den Grafen erlaubt , so unmöglich auf der Einen Seite , und das Gesuch um diese Veränderlichkeit , es mochte bewilligt oder abgeschlagen werden , überhaupt so heruntersetzend auf der anderen , daß die betroffene Ministerin stolz aufstand , wieder fragte : " ist das Dein letztes Wort an uns , Liane ? " --
und als Liane weinend antwortete : " ich kann nicht anders , Gott sei mir gnädig ! " sich zornig wegwandte an den Minister und sagte : " tun Sie nun was Sie für konvenable halten , ich bin unschuldig . "
-- " Nicht so ganz ma chere , aber gut !
( sagt ' er . )
" Du bleibst von Morgen an in Deinem Zimmer bis Du Dich korrigierst und unseres Anblicks würdiger bist " kündigte er hinausgehend Lianen mit zwei auf sie geworfenen Augen- Salven an ; worin meines Ermessens weit mehr Reverberirfeuer -- Plagegeister -- ätzende , fressende Medicamente -- Gehirn- und Herzensbohrer versprochen wurden als sonst ein Mensch Mensch gebend halten oder empfangend tragen kann .
Armes Mädchen !
Dein letzter August ist sehr hart und kein Erntemonatstag !
-- Du siehst in die Zeit hinaus , wo Dein kleiner Sarg steht , an welchem ein grausamer Engel die schönen , um ihn herumlaufenden , noch frischen Blumenstücke der Liebe wegwischt , damit er ganz weiß , so rosenweiß wie Deine Seele oder Deine letzte Gestalt herübergetragen werde ' -- Dieses Vertreiben von der Mutter in die Einöde ihres Klosterzimmers war ihr eben so fürchterlich , nur nicht fürchterlicher als das Zürnen derselben , das sie heute erst zum drittenmal erlebte obwohl nicht verdiente .
Es war ihr als wenn nun nach der warmen Sonne , auch noch gar das helle Abendrot unter den Horizont gesunken wäre und es wurde dunkel und kalt in der Welt .
Sie blieb diesen ganzen , noch eingeräumten Tag bei der Mutter ; gab aber nur Antworten , blickte freundlich an , tat Alles gern und behend und hatte -- da sie jeden zusammenrennenden Tautropfen schnell mit dem Zwergfinger aus den Augen Titan III. I winkeln schlug als sei es Staub , weil sie dachte , Nachts kann ich weinen genug -- sehr trockene Augen ; und das Alles , um der belasteten Mutter nicht zu neuer Last zu sein .
Aber diese , wie Mütter so leicht , verwechselte die scheue liebende Stille mit dem Anbruche der Verstockung ; und als Liane in unschuldiger Absicht des Trostes sich Karolinens Bild aus Lila wollte bringen lassen , galt auch diese Unschuld für Verhärtung und wurde mit einer elterlichen gestraft und erwidert ; nämlich mit der Erlaubnis , zu schicken .
Nur forderte die Ministerin die französischen Gebete von ihr zurück , als sei sie nicht wert , diese ihrem jetzigen Herzen unterzulegen .
Nie ist der Mensch kleiner als wenn er strafen und plagen will , ohne zu wissen wie .
Da jeder der regiert , er sitze auf einem Lehr- oder Fürstenstuhl , oder wie Eltern auf beiden , dem Fußbewohner desselben den vorigen Gehorsam , sobald er ihn einmal aussetzt , nicht als Milderung seiner Schuld anschreibt , sondern als Vergrößerung :
so tat es die Ministerin auch gegen ihr von jeher so folgsames Kind .
Sie haßte ihre reine Liebe , die wie Äther , ohne Asche , Rauch und Kohle brannte , um desto mehr , und hielt sie für Schadenfeuer , oder Feuerschaden , besonders da ihre eigene bisher als fast nie mehr ein vornehmes Kaminstück gewesen .
Liane stieg zuletzt , zu schwer zusammengepresst , da jenseits der Wandtapete der heitere Tag , der schönste Himmel blühte , aufs welsche Dach hinauf .
Sie sah , wie die Menschen vergnügt von kleinen Lustörtern , weil die Erde ein großer war , zurück fuhren und ritten ; auf Lilars Stauden-Pfad wandelten die Spaziergänger selig-langsam heim -- auf den Gassen wurde laut an den Fest-Gerüsten und Himmelswagen für die Fürstenbraut gezimmert und die fertigen Räder wurden prüfend gerollt -- und überall hörte man die Übungen der jungen Musik , die erwachsen vor sie treten sollte .
Aber als Liane auf sich blickte und hier ihr Leben allein im dunklen Gewande stehen sah -- drüben das leere Haus des Geliebten -- hier das ihrige , das auch leer für sie geworden -- diese Stelle , die noch an eine J 2 schönere , seltenere Abblühte als des cereus serpens erinnerte -- und o ! diese kalte Einsamkeit , da ihr Herz heute zum erstenmal ohne ein Herz lebte ; denn ihr Bruder , der Chorist ihres kurzen Freudengesanges war verschickt und Julienne seit einiger Zeit ihr unbegreiflich unsichtbar -- nein , sie konnte die schöne Sonne , die so hell und weiß mit ihrem hohen Abendsterne sich tiefer wiegte , nicht niedergehen sehen -- oder das frohe Abendchor des langen Tages anhören , sondern verließ die glänzende Höhe .
O , die fremde Freude stirbt im unbewohnten dunklen Busen , wo sie keine Schwester antrifft und wird zum Gespenst darin !
So deutet das schöne Grün , diese Frühlingsfarbe , so bald es eine Wolke malt , nichts an als lange Nässe .
Da sie bald in die Freistatt des Tags , das Schlafzimmer trat , wetterleuchtete draußen der Himmel ; o , warum jetzt , hartes Geschick ? --
Aber hier , vor dem Stillleben der Nacht , wenn das Leben von ihrem Flor bezogen leiser tönt , -- hier dürfen alle ihre Tränen fließen , die ein schwerer Tag gekeltert hat . --
Auf dem Kopfkissen , als trüge es den längsten Schlaf , ruhet dieses verblutete Haupt sanfter als an der Brust , die ihm seine Tränen zankend nachzählt ; und es weinet sanft nicht über , nur um Geliebte .
Wie gewöhnlich wollte sie ihre mütterlichen Gebete aufschlagen ; als sie erschrocken daran dachte , daß man sie ihr genommen .
Da bückte sie heißweinend auf zu Gott und bereitete allein aus dem zerbrochenen Herzen ihm ein Gebet und nur Engel haben die Worte und die Tränen gezählt .
76. Zykel .
Der Vater hatte die Zimmer-Gefangenschaft zum strafenden Merkmal ihres Neins gemacht .
Mit hohen Schmerzen sprach sie dieses stumme Nein , indem sie freiwillig im Zimmer blieb und dem Morgenkuß der Mutter entsagte .
Sie hatte in der Nacht oft das tote Bild ihrer ratgebenden Karoline flammend angeblickt aber kein Urbild , kein Fieberbild war ihr erschienen : kann ich länger zweifeln , schloß sie daraus , daß die göttliche Erscheinung , die das Ja zu meiner Liebe gesprochen , etwas Höheres als mein Geschöpf gewesen , da ich sie sonst ihrem Bilde gegenüber müßte wieder bilden können ?
Sie hatte Albano's blühende Briefe in ihrem Pulte und schloß es auf , um hinüberzusehen aus ihrer Insel in das entrückte Morgenland der wärmeren Zeit ; aber sie schloß es wieder zu ; sie schämte sich heimlich froh zu sein , da ihre Mutter traurig war , die in die trüben Tage nicht einmal wie sie aus schönen kam .
Froulay ließ sie nicht lange allein , sondern bald rufen ; aber nicht um sie zu verhören oder loszusprechen , sondern um sie -- wozu freilich eine ungeschminkte Stirn und Backe gehörten , deren Fibern-Garn so schwer wie seine mit dem türkischen Rot der Scham zu färben waren -- zu seiner Malersprachmeisterin zu vozieren und sie in die fürstliche Galerie mitzunehmen , um von ihr die Erklärung dieser Titelkupfer ( für ihn ) in diesem Privat-Stummeninstitut so gut nachzulernen , daß er im Stande wäre -- so bald die Fürstin sie besieht -- etwas Besseres als einen Stummen bei den Schönheiten der Bilder und der bilderdienerischen Regentin vorzustellen .
Liane mußte ihm jedes gemalte Glied mit dem dazu gehörigen Lobe oder Tadel in sein ernstes Gehirn nachprägen , samt dem Namen des Meisters .
Wie erfreuet und vollständig gab sie diese Kallypädie ihrem brummenden Maler-Kornuten , der nicht eine einzige dankbare Mine als Schulgeld entrichtete ! --
Mittags erst fand die Tochter die ersehnte Mutter unter den Speisebedienten sehr ernst und traurig , sie wagte ihr nicht den Mund , nur die Hand zu küssen , und schlug das liebeströmende Auge nur scheu und wenig zu ihr auf .
Das Diener schien ein Leichenessen .
Nur der alte Herr , der auf einem Schlachtfeld seine Hochzeitmenuett getanzt und seinen Geburtstag gefeiert hätte , war wohlgemut und bei Appetit und voll Salz .
War Hauskampf , so speist er gewöhnlich en famille und holte sich unter beissenden Tischreden , wie gemeine Leute im Winter und in der Teuerung , schärfere Eßlust .
Zanken stärkt und befeuert schon an sich , wie Physiker sich bloß dadurch elektrisieren können , daß sie etwas peitschen .
* ) Lächerlich und doch schmerzlich war es , daß die arme Liane , die den ganzen Tag einen Kerker hüten sollte , gerade heute immer daraus gerufen wurde ; dasmal wieder in den Wagen , der das traurige Herz und das lächelnde Gesicht vor lauter hellen Palästen absetzen sollte .
Sie mußte mit den Eltern zur Prinzessin gehen und so glücklich aussehen wie die waren , die sie auf dem trüben Wege zu beneiden fanden .
So blutet das Herz , das nicht weit vom Thron geboren worden , immer nur hinter dem Vorhang und lacht bloß , wenn er aufgeht ; so wie eben diese Vornehmen sonst nur in Geheim hingerichtet wurden .
Der über seine Vermählung lächerlich-laute Fürst -- der von den Spieltischen oder Kaperbrettern zurückgekehrte Bouverot , den jetzt Liane seit den neuesten Nachrichten nur schaudernd litt -- und die * ) Beseke fand es. S. über das Elementarfeuer , von ihm 1786 .
Prinzessin selber , die ihre bisherige Entfernung von ihr mit den zerstreuenden Zurüstungen zum Feste entschuldigte , und die ganz fremd auf einmal über Liebe und Männer spottete -- alle diese Menschen und Zufälle konnten nur einer Liane , die so wenig erriet , so viel litt und so gern ertrug , nicht die unerträglichsten scheinen .
Ach , was war unerträglich als die eiserne Unveränderlichkeit dieser Verhältnisse , die Festigkeit eines solchen ewigen Bergschnees ?
Nicht die Größe , sondern die Unbestimmtheit des Schmerzes , nicht der Minotaurus des Labyrinths , der Kellerfrost , die Eckfelsen und Gruben desselben ziehen uns darin die Brust zusammen , sondern die lange Nacht und Windung seines Ausgangs .
Sogar unter den Körper-Krankheiten kommen uns daher ungewohnte neue , deren letzter Augenblick über unsere Weissagung hinausliegt , drohender und schwerer vor als wiederkehrende , die als nachbarliche Grenzfeinde uns immer anfallen und in der Rüstung finden .
So stand die stumme Liane im Gewölk , als die frohlockende Rabette mit der Brust voll alter Freuden und neuer Hoffnung ins Haus lief , diese Schwester des heiligen , weggerissenen Menschen , die Bundsgenossin so glänzender Tage .
Sie wurde ehrend aufgenommen und immer von einer Ehrenwache , der Ministerin , begleitet , weil sie ja eine Gesandten des Grafen eben so gut sein konnte als eine Wahlherrin ihres Sohnes .
Die Listige suchte einige einsame Augenblicke mit Lianen durch das kühne Betteln um deren Begleitung nach Blumenbühl zu erhaschen ; die Begleitung wurde auch zugestanden und sogar der Mutter ihre dazugetan .
Liane fuhr den Weg nach Blumenbühl , über den noch blühenden Gottesacker eingesenkter Tage .
Welcher Tränenstrom arbeitete in ihrer Brust herauf , da sie von der noch glücklichen Rabette schied ! --
Diese hatte unschuldiger Weise dem Hause einen der größten Zankäpfel für das Abendessen dagelassen , den je der Minister für die Fruchtschale mit seinem Apfelpflücker sich geholt hatte ; daher soupiert er wieder en famille .
Rabatten war nämlich ein dummes Wort über das sonntägige Beisammensein in Lila entfahren ; " davon , ( sagte Froulay ganz freundlich ) hast Du uns ja kein Wort merken lassen , Tochter . "
-- " Der Mutter sogleich ! " ( versetzte sie zu schnell ) , " Ich nähme auch gern Anteil " an Deinen Lustbarkeiten " ( sagt ' er , Grimm versparend ) .
Ganz aufgeräumt setzte sich dieser Flößknecht so vieler Tränen und abgehauener Blütenzweige , die er darauf hinabschwimmen ließ , an die Abendtafel .
Nach seinem Verstärkungsohr fragt er zuerst Bediente und Familie .
Darauf ging er ins Französische über -- wiewohl die Tellerwechsler eine grobe Übersetzung davon für sich , eine versio inter linearis auf seinem Gesichte fanden -- , um zu berichten , der vornehme Graf sei dagewesen , und habe nach Mutter und Tochter gefragt .
" Mit Recht verlangte er Euch beide ( fuhr der moralische Glacier fort , der gern das warme Essen kühlte ) Ihr verschweigt immer , wie ich heute wieder hörte , gemeinschaftlich gegen mich ; aber warum soll ich Euch denn noch trauen ? "
Er haßte jede Lüge von Herzen , die er nicht sagte ; so hielt er sich ernstlich für moralisch , uneigennützig und sanft bloß darum , weil er auf das Alles bei dem Anderen unerbittlich drang .
Mit den reichlichen Brennnesseln der Persiflage -- auch botanische kommen in kaltem und steinigem Boden am besten fort -- überdeckte er alle seine auf- und zugehenden Hummerscheren , wie wir Bachkrebse in Nesseln fassen , und nahm zuerst sein weiches Kind zwischen die Scheren .
Das sanfte , ergebene Lächeln desselben nahm er für Verachtung und Bosheit -- --
Wie kommt diese Sanfte erklärlicher Weise zu seinem Vaternamen , wenn man nicht die alte Hypothese annimmt , daß Kinder gewöhnlich dem am ähnlichsten werden , wonach sich die schwangere Mutter vergeblich sehnte , welches hier ein sanfter Gatte war ? --
Dann griff er , aber heftiger die Mutter an , um bei seinem Mißtrauen sie mit der Tochter zu entzweien , ja um vielleicht diese durch die mütterlichen Leiden zu kindlichen Opfern und Entschlüssen zu peinigen .
Ganz frei erklärt er sich -- denn der Egoist trifft die meisten Egoisten an , wie die Liebe und Liane nur Liebe und keine Selbstliebe -- gegen den Egoismus um und neben sich und verbarg es nicht , wie sehr er Beide immer Egoistinnen ( wie die alten Heiden die Christen Atheisten ) innerlich schelte .
Die Ministerin , gewohnt mit dem Minister in keiner Ehe weniger zu leben als in der der Seelen -- wie Voltaire die Freundschaft definiert -- sagte bloß zu Lianen :
Für wen leide ich so ? --
Ach ich weiß es , antwortete Sie demütig .
Und so entließ er Beide voll tiefster Leiden und dachte nachher an seine Geschäfte .
Dieser allseitige Jammer wurde durch etwas größer , was ihn hätte kleiner machen sollen .
Der Minister ärgerte sich , daß er täglich den Geschmack der Weiber mitten im Zorne zu Rate ziehen mußte über sein -- Äußeres .
Er wollte am Vermählungsfeste -- seiner Geliebten wegen -- ein wahrer Paradiesvogel , ein Paradeur , eine Venus à belles Vesses sein .
Von jeher machte er gern die Doppelrolle des Staats- und Hofmanns und wollte , um Stolz und Eitelkeit zusammen zu kaufen zu einem Diogenes-Aristipp verwachsen . --
Aber etwas davon war nicht Eitelkeit , sondern der männliche Plagegeist der Ordnungs- und Rechtshaperei wollte nicht aus ihm fahren .
Er war im Stande , die Kleidergeißel , womit der Bediente wenige Stäubchen im Staatsrocke sitzen lassen , gegen die Livree selber in Schwung zu setzen ; noch gefährlicher war_es -- weil er zwischen zwei Spiegeln saß , dem Friseur und dem großen Spiegel im Ofenschirm -- , auf seine eigene Wolle den Staub recht aufzutragen ; und am schwersten wurde er vom Putze seiner Kinder befriedigt .
-- Liane als Zeichnerin mußte ihm nun jetzt die rechte Farbe eines neuen Überbalgs vorschlagen -- Sachets oder Riechsäcke ließ er füllen und mit diesen die Schubsäcke -- und einen Moschuspflanzen-Topf in sein Fenster stellen , nicht weil er die Blätter zum Riechen ( das erwartete er von seinen Fingern ) sondern weil er sie zum Einölen für diese durch Reiben brauchen wollte -- Patentpomade für Fäuste und englisches gepreßtes Zier-Papier auch für diese ( wenn sie eine Billetdour-Feder ansetzen wollten ) und andere Nippes erregten weniger Aufmerksamkeit als der Schnupftabak , den er sich anschaffte , aber nicht für die Nase , sondern für die Lippen , um solche rot zu reiben .
-- In der Tat , vor mancher lustigen Haut hätte er sich ganz lächerlich gemacht , wenn sie in Geheim ihn aus seinem Souvenir die Haarzange und mit dieser aus seinen Augenbraunen da , wo der Sattel des Lebens wie auf einem Pferde das Haar weiß gedrückt hatte , letzteres hätte ausziehen sehen ; und nur der Minister selber konnte ernsthaft dabei aussehen , wenn er vor dem Spiegel die feineren Weisen zu lächeln durchlächelte -- die beste hielt er fest -- oder wenn er die leichtern Würfe anprobierte , womit man sich aufs Kanapee bringt -- wie oft musste er sich werfen ! -- und wenn er überhaupt an sich arbeitete .
Zum Glück für die Mutter kam der gute Lektor ; aus der Hand dieses alten Freundes hatte sie so oft wenn nicht eine Himmelsleiter , doch eine Grubenleiter , um darauf aus dem Abgrund zu steigen , genommen ; hoffend brachte sie jetzt alle ihre Not vor ihn .
Er versprach einige Hilfe unter der Bedingung , mit Lianen allein auf ihrem Zimmer zu sprechen .
Er ging zu ihr und erklärte zart seine Wissenschaft und ihre Lage .
Wie errötete das kindliche Mädchen über die scharfen Tagsstrahlen , welche die duftende Nachtviole ihrer Liebe trafen !
Aber ihr Kindheitsfreund sprach sanft an dieses geschlagene Herz -- und von seiner gleichen Liebe gegen sie und ihren Freund -- von dem Temperamente des Vaters -- und von der Notwendigkeit bedachtsamer Maßregeln -- und sagte , die beste sei es , wenn sie ihm heilig gelobe , dem elterlichen Wünsche , den Grafen strenge zu meiden , nur so lange nachzugeben bis er von dessen Vater , den er als Begleiter des Sohnes längst über das neue Verhältnis benachrichtigen und fragen müssen , das Ja oder Nein dazu erhalten ; sei es ein Nein , -- was er aber nicht verbürge -- so müsse Albano das Rätsel lösen ; sei es ein Ja , so stehe er selber für das zweite ihrer Eltern ; zugleich müsse er aber auf ihr festestes Schweigen gegen diese über sein Anfragen , wodurch sie sich vielleicht kompromittiert finden könnten , Anspruch machen .
Damit wurzelte er nur noch tiefer in ihr Vertrauen ein .
Sie fragte zitternd wie lange die Antwort verziehe .
" Sechs , acht , elf Tage nach der Ver- Mehlung Mehlung höchstens ! " sagte er rechnend . --
Ja , guter Augusti !-- " Ach , wir leiden ja Alle " sagte sie und setzte vertraulich und aus weinender Brust hinzu : " es geht Ihm aber wohl ? "
-- " Er ist fleißig " versetzt ' er .
So brachte er sie , mit zwei Geheimnissen beladen und für jetzt eine Interims-Absonderung bejahend , zur Mutter zurück ; aber diese zahlte nur dem Lektor den Lohn eines freundlichen Blickes aus .
Er verlangte indes -- nach seiner Kartäuser-Manier -- keinen anderen als das gütigste Schweigen gegen den Minister über seine Einmischung , da dieser sein Verdienst dabei etwan für größer halten könnte als es wäre .
Dem Minister wurde die achttägige Besserung und Enthaltung angesagt .
Er glaubte -- sich Mißtrauen in die Frau vorbehaltend -- doch weiter in Feindes Land einzudringen mit seinen Waffen ; auch ließ er sich die neue Frist und Lianen Entkerkerung mit darum gefallen , um seine Tochter bei dem Vermählungsfest blühend und gesund als eine glänzende Pfauhenne an seine Geliebte und vor sich herzutreiben . Titan III. K Roquairol kam jetzt von dieser zurück ; und strahlte ein Paar Wolken im Hause mit schönem , hellem Morgenrote voll .
Er überbrachte dem Vater Nachrichten und Grüße von der Fürstin .
Lianen brachte er das Echo jener geliebten Stimme mit , die einmal zu ihrem Himmel gesagt hatte :
er werde ! ; ach die letzte Melodie unter den Mißtönen der uneinigen Zeit .
Er erriet leicht --
denn er erfuhr Wenig von der ihn vernachlässigenden Mutter und Nichts von der Tochter -- wie Alles stehe .
Als er vollends Albano's Blatt an diese ihr am dämmernden Abend in den Arbeitsbeutel schieben wollte und sie mit einem Ach der Liebe sagte : " nein , es ist wider mein Wort -- aber künftig etwan , Karl ! " -- :
so sah er " mit brausendem Ingrimm seine Schwester im offenen Charons Kahn zum Tartarus aller Leiden schiffen " wie er sagte .
An den Freund dachte er weniger als an die Schwester .
Der freundliche , schmeichelnde Minister -- er schenkte zum Beweis dem Hauptmann einen Sattel von Wert -- belichtete ihm den Besuch Rabettens und gab Winke über Verlobung und dergleichen ; Karl sagte keck : er schiebe all sein Glück hinaus , so lange seine liebe Schwester keines voraussehe .
Um den alten Herrn wieder mehr für Lianen einzunehmen , führte er ihn für das Vermählungsfest auf eine romantische Invention , die Froulay nicht ahnte , als er schon ganz dicht an ihr stand : nämlich Idoine , ( die Schwester der Braut , ) war Lianen auffallend ähnlich .
Die Fürstin liebte sie unaussprechlich , sah sie aber nur selten , weil sie ihres starken , einmal zu einer Thron-Ehe nein sagenden Charakters wegen auf einem von ihr selber gebauten und regierten Dorfe wohnte , höflich vom Hofe verbannt .
Er legte nun dem Vater die poetische Frage vor , ob Liane nicht in der Illuminationsnacht einige Minuten lang im Traum-Tempel , der ganz zu diesem schönen Truge passe , die Fürstin mit dem Widerschein ihrer geliebten Schwester erfreuen könne .
Entweder machte den Minister die Liebe gegen die Fürstin kühner , oder der Wunsch trunkener , Liane als Hofdame glänzend einzuführen : genug er fand in der Idee Verstand .
Wenn Etwas für den Separatfrieden , den er mit dem Sohne gemacht , den Tabak in die Friedens K 2 pfeife hergab :
so war es dieses Rollenblatt .
Er eilte sogleich zum Fürsten und zur Prinzessin mit der Bitte um seine Erlaubnis und um ihre Teilnahme ; -- darauf , als er beides hatte , zu seinem Orest Bouverot und sagte " il m' est venu une idee tres singuliere qui peut-etre l'est trop ; cependant le prince l' a approuvee etc. " -- und endlich zu Lianen , um doch auch diese nicht zu vergessen .
Der Hauptmann hatte schon früher sie zu bereden gesucht .
Die Mutter war gegen diese Nachspielerei aus Selbstbewußtsein und Liane aus Demut ; eine solche Repräsentation kam dieser eine zu große Anmaßung vor .
Aber zuletzt gab sie nach , bloß weil die schwesterliche Liebe der Fürstin ihr so groß und unerreichbar geschienen , gleich als pflegte sie nicht eine ähnliche in ihrem Herzen ; so fand sie immer nur das Spiegelbild , nie sich schön , wie der Astronom denselben Abend , mit seinem roten Glanze und Nachtschatten zauberischer und erhabener findet , wenn er ihn im Monde antrifft , als wenn er auf der Erde mitten darin steht .
Vielleicht lag noch eine ganz dunkle Süßigkeit , nämlich eine schwie gerttöchterliche , in Lianen Liebe für die Fürsten- Braut ; weil diese einmal des Ritter Gaspards seine hatte werden sollen .
Die Weiber achten Verwandtschaft mehr als wir , daher auch ihr Ahnenstolz immer einige Ahnen älter wird als unserer .
So bereitete sie denn das gepreßte Herz zu den leichten Spielen des glänzenden Festes vor , das die künftigen Zykel gleichsam am Neujahrsfest einer neuen Jubelperiode geben .
Siebzehnte Jubelperiode .
Fürstliche Vermählungs-Territion -- Lilars Illumination .
77. Zykel .
Welche allgemeine Landfreude konnte jetzt von Einem Grenzwappen zum anderen acht Tage lang jauchzen !
Denn so lange war die Landtrauer suspendiert -- die Glocken läuteten zu etwas Besserem als zum Grabe es war wieder Musik erlaubt allen Spieluhren und Spielleuten -- alle Theater wären geöffnet worden , wäre eines da gewesen , oder der Hof verschlossen der beständig spielte -- und man konnte höheren Orts acht Tage ohne schwarzen Rand gehen und dekretieren -- -- Nachher nach dem erfrischenden Zwischenakt , wo man das Or chester , Punsch und Kuchen genoß , sollte wieder aufgeräumter ans Weinen und Trauerspielen gegangen werden .
Der Fürst ritt am Morgen der langweiligen Einholungs-Wagenfahrt über die Grenze voraus mit Bouverot und Albano ; alle drei als die einzigen im Lande unabhängigen , bei dem Feste nicht interessierten Leute .
Der arme Luigi !
Ich habe es schon im ersten Band des Titans sehr deutlich gesagt , daß der fürstliche Bräutigam , der heute die Decke beschlägt , bloß ein Landes-Vater sein kann , keiner für das Haus ; unter seinem Fürsten-Himmel ist wie auf der ersten Schachfelder-Gasse Alles zu machen und zu regenerieren , Offiziere , selber die Schachkönigin , aber der Schach nicht .
Es wäre zu wünschen -- da der Umstand das Fest ins Lächerliche schattiert -- , der Bräutigam könnte manchen ihn auslachenden alten Familien -- die es so oft selber im heraldischen und medizinischen Sinne zugleich sind -- zur Beschämung nur einige Dutzend von den Prinzen um den Traualtar gestellt zeigen , die er in Kalabrien , Wallis , Asturien , in der Dauphine [--I52--/0164 ] -- ganz Europa war ihm eine -- sitzen lassen , kurz in so vielen aktiven Erbländern , d. h. in den Erbinnen , nicht Erbschaften fremder Prinzen ; -- könnte er das , so würde er vergnügter in die heutigen Glückwünsche drein schauen , weil schon einige Dutzende Erfüllungen daneben ständen und zuhorchten .
Aber wie das Bette des Marquis von Exeter in London , das 3000 Pfund kostet , die Marquisin in einen Thron verwandeln kann :
so muß das die Fürstin auch tun , ohne es wie diese rückwärts verwandeln zu können .
Ich will ihn daher auf dem heutigen Tanzplatz der Freude gar nicht als Bräutigam sondern immer -- so wie man Krone sagt ohne gekröntes Haupt-- bloß als Bräutigamsrock aufstellen und vorführen , um ihn nicht lächerlich zu machen .
-- Albano ritt mit einer Brust voll Zorn , Verachtung und Bedauern neben diesem Opfertiere der schwarzen Staatskunst her und begriff bloß nicht , wie Luigi nicht den deutschen Herrn , diese gemietete Art und diesen Wurzelheber seines Stammbäumleins , mit Einem Fersenstoße weit von sich wegschlage .
Guter Jung ling ! ein Fürst macht sich leichter von Menschen los , die er liebt , als von solchen , die er recht lange hasset , denn seine Furcht ist stärker als seine Liebe . --
Der großherzige , nie eng- immer weitbrüstige Jüngling fand heute in seiner feierlichen , schmerzlichen Stimmung alles Tragische , Edle und Unedle größer als es war .
Er zeigte zwar nur ein feuriges Auge und heiteres Angesicht , weil er zu jung und schamhaft war , persönlichen Schmerz prunkend auszulegen ; aber unter dem Auge , das sich nach der hohen Wetterscheide richtete , an der heute sein dunkles Gewölk auseinandergehen oder zu ihm herunterkommen sollte , brannte der Tropfe .
Der heutige Abend , in den er so oft hineingesehen als in eine Hölle , und eben so oft als in einen Himmel , stand jetzt als ein verworrenes Mittelding von beiden so nahe , und doch hart an ihm ! --
Ein Gewimmel verwandter Gefühle begleitete ihn zu der ( nach seiner Meinung unglücklichen ) Braut seines -- Vaters und dieses Fürsten .
Eine Viertels-Meile jenseits Hohenflies fuhr schon ihr -- Gibbon voraus , bekannt bei allen Naturforschern -- nicht bei den Politikern -- durch die langen Arme , welche bekanntlich dieser Molucken-Besitzer und Affe trägt .
Wo ist mein Gibbon , fragte die Fürstin gewöhnlich , ( gesetzt , daß sie auch den englischen Namensvetter , den Geschichtsschreiber mit langen Nägeln und kurzen Sätzen gegen die Christen , in der Hand hatte , ) denn sie verlangte ihren Langarm .
Endlich kam sie , daher gesprengt -- im Federbusch -- im Reitrock -- auf dem schönsten Engländer -- eine große majestätische Gestalt , die unbekümmert um ihr , obwohl mit Verwandten befrachtetes Cour-Gefolge lieber der blauen Morgensonne hinter einem aufsteigenden Pferd- und Schwanenhals hatte entgegen schauen wollen .
Sie gab dem Bräutigamsrock anständig Gruß und Kuß , aber weder gerührt , noch verstellt , noch verlegen , sondern recht frei und frank und froh , zu weit über die Lächerlichkeit ihres genealogischen Mißverhältnisses erhaben , ja sogar über jedes notdürftige oder gebotene .
In ihrem sonst schön gebauten--mehr als schön gezeichneten -- Gesichte war bloß ihre Nase es nicht , sondern eckig geschnitten und der regierenden Wochentäglichkeit mehr Knochen als Knorpel entgegensetzend .
Bei den Weibern bedeuten ausgezeichnete , regellose Nasen , z. B. mit tiefem Wurzel-Einschnitt , oder mit konkaven oder konvexen Biegungen , oder mit Facetten am Knopfe u. s. w. weit mehr für das Talent als bei den Männern ; und -- wenige ausgenommen , die ich selber gesehen -- mußte immer die Schönheit Etwas dem Genie aufopfern , obwohl nicht so viel als nachher das fremde ihrer , wie wir Männer sämtlich wohl leider getan .
Der Graf wurde ihr vom Fürsten vorgestellt ; aber sie hatte ihn -- ob sie gleich von ihm gehöret und seinen Vater so lange gesehen hatte -- nicht gekannt , sondern eher dem Bräutigamsrock ähnlich gefunden .
Dem Rocke konnte -- oder sollte -- diese blühende Ähnlichkeit nicht anders als schmeicheln .
Die Ähnlichkeit erklärt den schönen Anteil ganz , den sie jetzt an Beiden nehmen mußte , weil zu einer Ähnlichkeit immer ein Paar Menschen gehören .
Sie sprach mit dem Sohne ohne alle Verlegenheit über den , von ihr und ihrem Hofe mit einem ( Blumen- ) Korbe beschenkten Vließ- Ritter und rühmte dessen Kenntnisse der Kunst .
" Die Kunst ( sagte sie ) macht am Ende alle " Länder gleich und angenehm .
Sobald sie nur " da ist , denkt man an weiter Nichts .
In Dres " den in der inneren Galerie glaubt ' ich recht eigentlich , ich wäre im fröhlichen Italien .
Ja , " wenn man dahin käme , würde man sogar Ita " lien vergessen über Alles was man da hat . "
Albano antwortete : " ich weiß , ich werde mich " auch einmal im Most der Kunst berauschen " und durch sie glühen , aber für jetzt ist sie bloß " ein schöner , blühender Weinberg für mich , des " sein Kräfte ich gewiß voraus weiß , ohne sie " noch zu fühlen . "
-- Die Fürstin gewann so sehr seine Achtung , daß er ihr , als der Fürst einige Schritte ferner am Fenster die heranschwellend Flut des Pestizer Gefolges besah , die Frage tat , wie ihrem Kunstsinn bei den deutschen Zeremonien ihres Standes zu Mute werde : " sagen Sie mir , ( sagte sie leicht , ) welcher " Stand unter uns nicht eben so viele hat , und " wo nicht überall Priester und Advokaten mit " spielen ? --
Sehen Sie einmal die Hochzeiten " der Reichsstädter an .
Die Deutschen sind hier " nicht besser und schlimmer als jede Nation , alte " und neue , wilde und polierte .
Denken Sie " an Ludwig XIV.
Der Mensch ist einmal so ; " aber ich Acht ihn freilich nicht darum . "
Der Fürst erinnerte nun an die Stunde des Einzugs ; und die Fürstin rief zu ihrem Anzuge für den Einzug mehr Putzjungfern und Putzkästchen zusammen als Albano nach ihren Worten oder wir nach ihren Nasenknorpeln -- die geistige Flügelknochen schienen -- hätten erwarten sollen .
Ihre eiligen Leute folgten ihr mit mehr Furchtsamkeit als Verehrung des Standes oder Wertes ; und einige , die zuweilen aus dem Putzzimmer vorbeiliefen , hatten niedergeschlagene Gesichter .
Endlich erschien sie wieder , aber viel schöner .
Es muß doch dem männlichsten Weib mehr reizende Weiblichkeit als wir denken , zugehören , da dieses durch den weiblichen Putz gewinnet , wodurch der weiblichste Mann nur verlöre .
" Der Stand ( sagte sie zu Albano , eine " große Offenherzigkeit in Meinungen zeigend , " die leicht mit einer eben so großen Verschwie " genheit in Empfindungen besteht ) drückt " und beschränkt eine große Seele oft weniger " als das Geschlecht . "
-- Daß sie sich eine große Seele nannte , mußte den Grafen frappieren , weil er jetzt das erste Beispiel -- ein anderer Mann kennt unzählige Beispiele -- vor sich sah , daß ausgezeichnete Weiber sich geradezu und weit mehr selber loben als ausgezeichnete Männer .
Man brach auf ; an einer Grenz-Brücke , zugleich wie der Buchdrucker-Hyphen das Trennungs- und Verbindungszeichen beider Fürstentümer , hielt schon das halbe Hohenflies zu Wagen und Pferd , weil es nicht weiter herankonnte , bevor eine umgelehnt Kröpel-Fuhre mit Dorf-Komödianten wieder aufs vierte Rad gehoben war und der mythologische Hausrat , den sie in Händen hatten , aufgepackt .
Als aber die Fürstin mit Gewalt auf die Brücke fuhr , verkehrten sich plötzlich die Passagiere und Auflader in Musen , Musengötter , Liebesgötter und einen hübschen Hymen und setzten , im theatralischen Ornat und Apparat , die um Rungen Braut unter poetisches Wasser , den Krieg der anderen Götter gegen den Jungfernräuber Hymen vortragend .
Der Musensohn , der die Sache versifiziert hatte , agierte selber mit als Musenvater .
Ich darf sagen , daß diese eigene Erfindung des Ministers recht gut aufgenommen wurde sowohl von Haarhaar als Hohenflies .
Froulay trat geschmückt und gepudert , als streckte er sich auf dem Paradebette zwischen Trauergueridons aus , vor sie als Sprecher des Landes hin , das seinen frohen Teil an ihrer Vermählung mit dem Bräutigamsrocke zu bezeugen wünschte .
Die Fürstin kürzte und schnitt alles Festlügen mit einer feinen Damens-Scheere ab .
Froulay hatte unter anderen Wagen auch einen mit mehreren überall her verschriebenen Trompetern und Paukern mitgebracht , auf welchem scherzeshalber Schoppe mit stand , der darum nicht oft aus großen Aufzügen der Menschen wegblieb , wie er sagte , weil die Menschen nie lächerlicher aussähen als wenn sie etwas in Massa und Menge täten .
Um Salz in die Feier zu bringen , stellte er auf seinem Wagen die Hypothese auf , das Alles tue man bloß , um die Braut aus der besten Meinung wieder dahin zu treiben wo sie hergekommen , teils um ihr die Vexir- und Bühnen-Ehe zu ersparen , teils um dem Lande den neuen Hofstaat .
Ihr Ohr soll nur -- nahm er an , als die auf die umstehenden Hügel aufgefahrenen Kanonen sich mit seinem trompetenden Donnerwagen vereinigten und 3 Postmeister mit fünfzehn Postillionen dazu und darein stießen , welche nicht umsonst mit ihren besten Hörnern und Lungenflügeln aufgesessen waren -- ihr Ohr soll sehr gehänselt und sie daran durch einen solchen Willkommen etwan zurückgezogen werden , daher man sogar leere Slaatswagen mitschickt zum Rasseln , so wie im Anspachischen der Landmann die Hirsche bloß durch fürchterliches Schreien , ohne Gewehr und Hund , von seiner Saat vertrieb .
* )
Wie Schiffe in Nebeln durch Later einen * ) Fürchterlich schreit dieses wahre Geschrei der Menschheit im 4. Teil von Heß's Durchflügen S. 156 nach ; jetzt hat es eine wohltätigere Regierung durch die Wildsteuer gestillt . einen und Trommeln , so wollen Staaten sich durch Erleuchtung und Schießen auseinanderhalten .
Sie fährt doch wie ich sehe weiter -- sagt er unterwegs , wo er zuweilen selber den Doppellauter der Pauke in die Hände nahm mit Nutzen -- und wir müssen Alle sonach nach ; aber vielleicht ist das Ohr schon tot und ihr ist nur noch am Auge beizukommen .
Sehr erfreuten ihn in dieser Hoffnung die scheckigen Uniformen sämtlicher Beamten und die Federlappen der Hoflivreen , -- jetzt kommt noch , weissagt er freudig , gar der Goldflittern Ehrenbogen mit Vasen und Pfeiffern , durch den sie gerade durch muß und scheucht man denn nicht Spatzen mit Goldblechen und Selzerkrügen aus Kirschenbäumen ? --
O ( dachte er , als sie durch war ) , wenn jener gotische Wüterich sich durch den entgegenkommenden Bittzug des Papstes von dem plündernden Einmarsch ins heilige Rom rückwärts lenken lassen :
so schlägt gewiß durch , daß ihr in der Vorstadt die Waisenkinder mit ihrem Waisenvater bittend entgegentreten -- Titan III. L dann die Schulmeister mit ihren Pagerien -- dann die Gymnasium und Universität -- was doch nur erst Gefechte mit Vorposten sind denn das Tor ist mit Infanterie besetzt , der ganze Markt mit der wehrhaften Bürgerschaft -- die Hauptkirche wird von der Geistlichkeit , das Rathaus vom Magistrat bewacht -- alle bereit , wenn sie nicht umkehrt , ihr in gewisser Entfernung als Schaarwachen und Observationschöre nachzuziehen -- und halten sich nicht am Schloßtore 7 Brautpaare als 7 Bitten und Bußpsalme auf und tragen ihr auf einem Lasterstein von Atlas ein fatales Pereat-Karmen , * ) von mir selber verfasset , ein Dekret vom 19. Juni entgegen , des Effekts ganz ungewiß ? -- * )
Für ihn war_es innerster Genuß , ein solches Hochzeitgedicht ganz mit den Reimen , Flügen und Ausrufungs- und Anrufungszeichen des ersten besten Neujahrsreimers der Welt zu schenken ; und das Bewußtsein seiner reinen obwohl satirischen Absicht beruhigte ihn ganz über jeden Tadel einzelner schwülstiger oder zu sklavischer Wendungen .
Recht ! sagte er , als der ganze Zug zu einer leichtern Übersicht für die in den Schloßfenstern liegende Herrschaft zum zweitenmal den Schloßhof durchreiste -- die verdoppelte Dosis soll durchgreifen .
Schoppens Hoffnungen nahmen am wenigsten ab , als gar oben --
weil Gala war -- man sich lange verborgen und verschwiegen hielt und endlich der Fürst als Sieger , aber müde von Hofkavaliers herabgebracht wurde in die Kapelle , um öffentlich für den Zurückzug der feindlichen Macht zu danken ; ja als bald darauf auch die Braut nachdrang , aber von Kammerherren an den Armen zurückgehalten , sogar an der Schleppe von ihren Hofdamen zurückgezogen :
so konnte der Bibliothekar leicht ohne Sorgen bleiben .
Albano's bewegte , wallende Seele spielte die verworrene Hof-Welt noch wilder und unförmlicher zurück als sie war .
Er hörte es , wie die fürstlichen Vettern , sogar der künftige Thron- und Stuhlfolger , dem Vetter Luigi Glück zur Gesundheit , Vermählung und nächsten Zukunft wünschten , ob sie gleich durch ihren Freund Bouverot -- ein lebendiges Sukzessionspulver L 2 -- ihm von diesen drei Dingen hatten so viel nehmen lassen , daß sie ihm eben ihre kaltblütige Verwandten als die Kronwache ihrer nahen Thronfolge zugeben konnten .
Er hörte dieselben Hochzeitgesänge von allen Hof-Pestizern , die wie ein Muskel , ein besonderes Bestreben äußerten , sich kurz zu machen .
Er sah , wie der Fürst -- obwohl mit dem Gefühle , bald in seiner Fett- oder Wassersucht zu ersaufen -- alle Lügen leicht und kalt und schadenfroh dahinnahm -- --
O , müssen nicht die Fürsten , dachte er , selber lügen , weil sie ewig belogen , selber schmeicheln lernen , weil sie immer geschmeichelt werden ? --
Er selber konnte sich_es nicht abgewinnen , nur den kleinsten Scherf eines lügenden Glückwunsches in den allgemeinen Lügen- Fiskus zu werfen .
Die Fürstin warf dem Grafen -- so oft es ging und fast öfter -- zwei Blicke oder Worte zu ; denn dieser Blühende erinnerte unter den Thron-Küstenbewohnern , von denen man leichter ein Echo als eine Antwort hört , allein an seinen kräftigen Vater .
Der Hauptmann brachte einige Mal -- weil er gleich allen Schwär Meeren wie die Schaben und Grillen die Wärme liebte und das Licht floh und weil ihn alle Menschen von bloßem Verstande drückten -- den Tadel zu Albano , daß die Fürstin ihm mit ihrem kalten witzigen Verstande mißfalle ; aber der Graf konnte -- aus Achtung für die väterliche Geliebte und aus Haß gegen ihre Opferpriester und Schächter -- ein Wesen nur bedauern , das vielleicht jetzt hassen muß , weil seine größte Liebe unterging .
Wie viele edle Weiber , die es sonst für höher hielten , zu bewundern als bewundert zu werden , wurden kräftig , kenntnisreich beinahe groß , aber unglücklich und kokett und kalt , weil sie nur ein Paar Arme fanden , aber kein Herz dazu , und weil ihre heiße hingegebene Seele kein Ebenbild antraf , womit eine Frau gerade ein unähnliches meint , nämlich ein höheres Bild !
Der Baum mit den erfrorenen Blüten steht dann im Herbste hoch , breit , grün und frisch und dunkel vom Laube da , aber mit leeren Zweigen ohne Früchte .
Endlich kam man aus den schwülen Speisesälen in den frischen Lilars-Abend ins Freie und zur Freiheit .
Halb zürnend , halb liebes trunken ging Albano einer verhangenen Stunde entgegen , in welcher so manches Rätsel und sein teuerstes sich lösen sollte .
Was sieht der Mensch vor sich , wenn er endlich mit dem Faden in der Hand aus der Irrhöhle heraustritt ?
Nichts als die offenen Eingänge in andere Labyrinthe und bloß die Wahl darunter ist sein Wunsch .
78. Zykel .
Am schönsten Abende , als der Himmel bis auf den Boden aller Sterne durchsichtig war , ließ der Fürst die müde Versammlung , nach Lila fahren , um besser mit seinen beiden Unsichtbarkeiten , mit der Illumination und mit Lianen Rolle , zu trügen .
Wie schlug dem redlichen Albano das weiche Herz banger und sanfter , als er unter dem Herabrollen von der Waldbrücke ins wartende Volksgetümmel sich dachte : Sie ist auch diesen Weg in das Lila gegangen , das ihr sonst so lieb gewesen .
Sein ganzes Ideenreich wurde ein Abendregen vor der Sonne , dessen Eine Hälfte vor der Sonne glänzend zittert und dessen andere grau verschwindet .
Ach , vor Lianen hatte es ohne Sonnenschein geregnet , als sie heute verborgen bloß in den Tempel des Traums herüberfuhr , um nur ein geliebtes Wesen zu spielen , aber keines zu sein .
Noch brannte keine Lampe .
Albano blickte in jede grüne Vertiefung nach seinem Engel des Lichts .
Sogar der Fürst selber , der die plötzliche Peterskuppel-Entzündung noch mit seinen Winken zurückhielt , sah dem a Höfen so seltenen Vergnügen entgegen , zweifach zu überraschen .
Die Fürstin hatte dem Minister die Verlegenheit der Lüge oder Antwort erspart , denn sie hatte gar nicht nach der künftigen Hofdame Liane gefragt , gleich dieser ganzen starken Weiberklasse gegen ihr Geschlecht gleichgültig , aber desto fester an einer Auserwählten hangend .
Albano erblickte im treibenden , verdunkelten Getümmel seine Pflegeeltern und Rabette , aber in diesem Taumel des Bodens und der Seele konnte er wie andere seine Augen nur auf den selber verhangenen Vorhang richten , hinter dem er mehr als alle Andere zu finden und zu verlieren hatte .
Doch in Jugendjahren hängt kein schwarzer , nur ein bun ter herab und an allen ihren Schmerzen sind noch Hoffnungen !
Das Volk wartete auf den Glanz und auf die Musik .
Der Fürst führte endlich seine Braut dem Tempel des Traumes entgegen ; Karl , heute blind gegen , nicht für seine Rabette , nahm den brennenden Grafen mit .
Am äußeren Tempel ließ sich Nichts erraten , was seinem magischen Namen entsprach ; bloß die Fenster gingen vom Dache dieses Pavillons bis auf den Boden nieder und waren statt von Rahmen und Fenstersteinen , in Zweige und Blätter gefasst .
Aber als die Fürstin durch eine Glas-Türe eingetreten war , schien ihr der Pavillon verschwunden ; man stand , schien es , auf einem einsamen von einigen Baumstämmen bewachten freien Platz , welchen alle Perspektiven des Gartens durchkreuzten .
Wunderbar wie von spielenden Träumen , waren Lilars Gegenden untereinandergeworfen und die entgegengesetzten zusammengerückt -- neben dem Berg mit dem Donnerhäuschen stand der mit dem Altare und hart neben dem Zauberwald bäumte sich der hohe , schwarze Tartarus auf -- Ferne und Nähe verschlangen sich ineinander -- ein frischer Regenbogen von Gartenfarben und ein entfärbter Nebenregenbogen liefen nebeneinander fort , wie im Erwachen der Schatten des Traumbilds noch sichtbar vor der blitzenden Gegenwart entläuft .
Indes die Fürstin noch in das träumerische Blendwerk versank :
* ) so trat wie aus der Luft Liane durch eine gläserne Seiten-Türe in Idoinens Lieblingsanzug , im weißen Kleide mit Silberblumen und in ungeschmücktem Haar mit einem Schleier , der nur angesteckt an der linken Seite lang niederfloß , wankend hervor und lispelte , als die Fürstin getäuscht Idoine ! ausrief , zitternd und kaum hörbar : " je ne suis qu'un sonnige . " -- ** )
Sie sollte mehr sagen und eine Blume rei * )
Zwischen zwei Fenstern stand immer ein Pfeilerspiegel und mengte seine zurückgespiegelte ferne Perspektive unter die der Fenster .
Jedem Spiegel stand nur Ein Fenster gegenüber ; den Zwischenraum zwischen beiden verbarg und erfüllte Laubwerk . ** )
Ich bin nur ein Traum . chen ; aber als die bewegte Fürstin fortrief : soeur Chrie ! und sie heftig in die Arme schloß so vergaß sie Alles und weinte nur ihr Herz an einem anderen Herzen aus , weil ihr das fremde , vergebliche Schmachten nach einer Schwester so rührend war . --
Albano stand nahe an der erhebenden Szene ; der Verband von allen Wunden wurde ihm abgerissen und ihr Blut floß warm aus allen nieder .
O , nie war sie oder irgend eine Gestalt so ätherisch-schön , so himmlisch blühend und so demütig gewesen ! --
Als sie die Augen aus der Umarmung aufhob , fielen sie auf Albano's bleiches Gesicht .
Es war bleich nicht vor Krankheit sondern vor Bewegung , Sie fuhr zuckend zurück , umarmte die Fürsten wieder ; der bleiche Mensch hatte ihr bewegtes Herz in Eine Träne nach der anderen zerrissen ; aber beide grüßten sich nicht -- und so fing ihr Abend an .
Während der Täuschung und Umarmung waren auf einen Wink des Fürsten alle Zweige und Tore des Gartens in einen glänzenden Brand gesteckt-- alle Wasserwerke des Zauberwaldes flatterten mit goldenen Flügeln aufge schreckt hoch empor -- im umgekehrten Regen spielte eine weiße , grüne , goldene und finstere Welt und die Wasser und die Flammenstrahlen flogen wie Silber- und Goldfasanen mutwillig gegeneinander an .
-- Und der Glanz des brennenden Edens umfing den Tempel des Traums und der Widerschein legte sich in sein inneres grünes Laubwerk vergoldend .
Liane trat an der Hand der ehrenden Fürstin mit niedergeschlagenen , verschämten Augen in die helle , rege Sonnenstadt heraus , ins Getümmel der Musik und der frohen Zuschauer .
Auf Albano schoß die stürmische Gegenwart wie ein Strom ; die entgegengesetzten verworrenen Rollen vor entgegengesetzten Menschen -- der Freudenglanz des Abends -- und die nächtliche Verwirrung in seiner Brust machten seinen festen Gang durch diesen Abend schwer .
Die Fürstin zog ihn bald in ihren Wirbeln weiter ; Lianen ließ sie nicht von sich .
Der Minister färbte und steifte mit alten Galanterien den erotischen Sklaven auf ; aber jedem schien er , da die Fürstin den Kredit nach dem Tode des Fürsten bestimmt , nur die Sitte der Minister nachzumachen , deren Geist gern vom Vater und Dauphin -- filioque -- zugleich ausgeht , um sich nicht zwischen sondern auf zwei Fürsten-Stühle zu setzen .
Sie schien indes seit seiner Maschinerie mit Lianen , ihn stolzer aufzunehmen .
Hinlänglich beglückte ihn das Glück der Tochter wie seinen Schwiegersohn Bouverot die Nähe derselben genug und das Schelmen-Paar lag tief und ganz in Blumen weidend .
Albano erriet weiter Nichts als daß sogar ein kalter Drache , ein Seelen-Urangutang die Reize dieses Engels dunkel spüre .
Die Ministerin und der Lektor teilten sich leicht wechselnd in die Bewachung Lianen vor jedem Worte -- Albano's .
Die Fürstin ließ sich durch die funkelnden Lustgänge , durch den in nassen Blitzen stehenden Zauberwald und zuletzt an das Donnerhäuschen führen , um den brennenden Garten aus allen Punkten in ihr malerisches Auge zu nehmen ; Liane und Albano begleiteten sie durch alle Gänge ihres welken , kahlen Arkadiens und hielten ihre zertrümmerten Herzen stumm und fest zusammen .
Sie gab , treu ihrem Wort gegen die Eltern , ihm keinen wärmeren Blick und Anklang wie jedem , aber auch keinen kälteren ; denn ihre Seele wollte ja nicht quälen , sondern nur leiden und gehorchen .
Er machte -- glaubte er -- alle Blicke und Laute sanft ; auch rächte sich der edle Mensch durch keinen Schein der Kälte oder gar einer untreuen Befreundung mit der fürstlichen Kron- und Herzenswerberin .
Die Fürstin fing an , ihm unverständlich zu werden .
Man kam vom Romantischen auf Roman , dann auf die Frage , warum er die Ehe nicht male ; " weil er , ( versetzte sie , ) ohne den " Amor nicht sein kann . "
-- " Und die Ehe ? "
-- fragte unhöflich Albano .
-- " Nicht ohne einen " Freund ; ( sagte sie , ) aber Amor ist ein Gott , " nec deus intersit nisi dignus vindice nodus " inciderit * ) -- -- " setzte sie dazu , weil sie Latein der Dichter wegen gelernt hatte .
Bouverot sagte den Vers gar aus , um den Sinn doppelsinnig zu machen :
* )
Es braucht eben keinen Gott , wenn nicht ein Knoten da liegt , der nicht anders zu lösen ist .
"-- nec quarta loqui persona laboret * ) " Niemand verstand das Letztere als der Lektor und die Fürstin .
" Warum sind an jenem Hause , ( fragte sie , ) " keine Lampen , wer wohnt da ? "
Sie meinte Speers Haus .
Liane beantwortete nur das Letztere und schloß das warme Bild mit den Worten : " er lebt für die Unsterblichkeit . "
" Was schreibt er ? " fragte die mißverstehende Fürstin ; und Liane mußte eine christliche Erklärung geben , worüber die Ungläubige lächelte .
Es erhob sich sogar für und gegen den ewigen Schlaf ein Streit , der nicht viel weniger Zeit wegnahm als sie brauchten , um das Donnerhäuschen zu umkreisen .
Die Fürstin fing an : " wir würden gegen unseren täglichen Schlaf eben so viel , wenn er nicht da wäre , einzuwenden wissen wie gegen den ewigen . "
-- " Noch mehr aber gegen das Erwachen daraus , " griff Albano ein und kürzte die Religionsunruhen ab. * )
Und ein Vierter ( wenn nämlich die Eheleute und der Freund da sind ) braucht nicht mit in die Sache zu reden .
Die Fürstin kam auf den ihr durch die lange Trauer über ihren verstorbenen Schwiegervater auffallenden Spener wieder nachfragend zurück ; und Liane , des mütterliche Beifalls gewiß , ergoß sich in einen Strom der Rede und Rührung -- ihren Augen war einer verboten -- , der ein erhabenes Bild ihres Lehrers vorübertrug .
Wie erschütterte die Erhabenheit dieser so weichen , zarten Seele ihren Freund !
So richten sich im blassen , kleinen Mond und Abendsterne höhere Gebirge als auf der größeren Erde auf !
-- " Sie war auch einmal für dich begeistert , aber nun nicht mehr " sagte Albano zu sich , und blieb hinter Allen zurück , weil seine Seele schon längst voll Schmerzen war und weil ihm jetzt die Fürstin zu mißfallen anfing .
Er stellte sich allein und sah dem rauschenden , leuchtenden Waffentanze der Freude zu .
Die Kinder liefen beglänzt durch den Lärm und im hellgrünen Laub .
Die Töne schwebten zu Einem Kranze ineinandergeschlungen , hoch in ihrem Äther über den lauten Menschen fest und sangen ihnen ihre Himmelslieder herab .
Nur in mir , sagte er sich , wälzen die Töne und die Lichter den Schmerz hin und her , in niemand weiter , in Ihr gar nicht ; sie hat für Alle das alte erfreuende Liebesherz mitgebracht , für mich nicht ; sie hat bisher nicht gelitten , sie blüht genesen .
Er bedachte aber nicht , daß ja auch seine Kämpfe keinen Tropfen Wasser in das dunkle Rot seiner Jugend gegossen ; in Lianen konnten Wunden aus solchen Kämpfen nur wie jene der geritzten Aphrodite die weißen Rosen zu roten färben .
Aber er nahm sich vor , ein Mann zu bleiben vor so vielen Augen und die Entscheidung und Lianen Einsamkeit abzuwarten .
Er wechselte daher mit seinen Pflege-Verwandten aus Blumenbühl mehrere verständige Worte ; -- er sagte zu Rabatten : " nicht wahr , es gefällt Dir ; -- " er schreckte ohne Willen den um einige neue Gesichter aus Haarhaar schwebenden Hauptmann mit der nichtsmeinenden Frage auf : " warum lässt Du meine Schwester so allein ? " --
Aber so oft er hinüber sah zu Lianen , die heute in ihrem langen Schleier als die einzige ohne schwere dicke Galla-Hülfe gleichsam als eine junge , atmende , weiche Gestalt unter stei nernen nernen angestrichenen Statuen ging , so verschämt-beschämend , wie eine Zitternadel glänzend und bebend , so oft wälzten sich Flammen- Klumpen in ihm los .
Die Leidenschaft wirft uns , wie die Epilepsie oft ihre Elenden , gerade an gefährliche Stellen des Lebens , an Ufer und Klüfte hin .
Er lehnte den Kopf an einen Baum ein wenig gebückt ; da kam Karl aus seinen Freuden-Walzern daher und fragte ihn erschrocken , was ihn so erzürne ; denn das Niederbücken hatte auf sein straffes , markiges Gesicht düstere , wilde Schatten geworfen ; " nichts " sagte er und das Gesicht leuchtete mild , da er_es emporhob .
Jetzt kam auch die unbedachtsame Rabette , und wollte ihn in die Freude ziehen und sagte : " Dir fehlt was ! "
-- " Du , " versetzt er und sah sie sehr zornig an .
" Gehe in den finsteren Eichenhain an Gaspards Felsen !
( rief sein Herz , ) Dein Vater beugte sich nie ; sei sein Sohn ! "
Er schritt durch die Glanz-Welt darauf hin ; aber als er innen in der Finsternis mit dem Kopfe am Felsen lehnte und die Töne neckend hereinspielten und er sich dachte , wie er eine so edle Seele Titan III. M geliebt hätte , o wie sehr ; so war es als sage etwas in ihm , " jetzt hast Du Deinen ersten Schmerz auf der Welt ! "
Wie bei dem Erdbeben Türen springen und Glocken schlagen :
so riß bei dem Gedanken : erster Schmerz , seine Seele auseinander und harte Tränen schlugen nieder .
Aber er wunderte sich , daß er sich weinen hörte und trocknete erzürnt das Gesicht am kalten Moose ab .
Schwächer , nicht härter trat er in das zauberische mit glimmenden Edelsteinen beworfene Land heraus und unter die trunkener entgegenhüpfenden Töne , die die Seele wegreißen und aufheben und auf Höhen stellen wollten , damit sie in weite Frühlinge des Lebens hinunterschaute !
Hier auf diesem sonst seligen Boden sah er die zerrissene , zertretene Perlenschnur seiner künftigen Tage liegen .
" O , wie wir an diesem Abende hätten selig sein können " dachte er und sah ins helle Laubhüttenfest , in das vergoldete aber lebendige Laubwerk -- in den grünen umherirrenden Widerschein , vom Nachtwinde gewiegt -- und in das Lauffeuer brenn nender Gebüsche in den fließenden Wassern -- auf den bogigen Triumphtoren standen Lichter wie herabgezogene Himmelswagen -- und hinter ihm die schwarze Klostermauer des Tartarus , der erhaben in seinen Gipfeln nur einzelne Lichtchen zeigte -- und drüben die stillen , schlafenden Berge in der Nacht und hier das laute Leben der Menschen , mit den Nachtschmetterlingen um die Lampen spielend ! --
So erschafft sich in uns das Feuer selber den Sturmwind , der es noch höher jagt .
Neben ihm liefen die Töne und sagten ihm jeden Gedanken , den er töten wollte .
Wie der Mensch sich selber sieht , so hört er sich selber oft vor dem Tone .
Jetzt ging Liane in einiger Ferne von der Menge mit Augusti .
" Ich will mit ihr reden , so ist_es aus . " sagte er zu sich .
Als er neben ihr kämpfend und ringend ging :
merkt ' er wohl , daß sie wieder unter fremde Zuhörer zurückwollte .
" Liane , was habe ich Dir denn getan ? " sagte er mit dem Seelentone eines zärtlichen Herzens , bitter des Lektors Gegenwart und Kräfte verachtend .
" Verlangen Sie M 2 nur heute keine Antwort , lieber Graf " sagte sie zurückkehrend und nahm eilig Augusti's Arm ; aber er merkte nicht , daß sie es tat , um nicht zu sinken .
Hier warf er auf diesen einen Flammenblick , hoffend , beleidigt und dann gerächt zu werden -- verließ sie hastig und stumm -- den süßesten Liebes-Wein hatte ein heißer Strahl zu Essig geschärft -- und er verlief sich ohne es zu wissen , in den Traum-Tempel .
Er ging darin auf und ab , murmelte je ne suis qu'un sonnige ; wurde aber bald vom Hasse der mitlaufenden Spiegel-Ichs hinausgetrieben in den Tartarus , und von dem nachfliegenden ewigen Frühling der Töne , der ihm jetzt neben dem umhergeackerten Blumenbeete des Lebens so unerträglich war .
Im Tartarus fand er alle Anstalten des Schreckens sehr kleinlich und lächerlich .
Da kamen ihm unweit des Katakombenganges Roquairol und Rabette entgegen .
Roquairols flammendes Gesicht erlosch und Rabatten ihres kehrte sich rückwärts , da Albano heftig gegen sie hinschritt und durch die Erinnerung gleichzeitiger Himmel mehr erbittert und durch das An wehen in seine glühenden Ruinen aufflammend , den Hauptmann anpackte :
" Bist Du ein Freund ? -- Bist Du kein Teufel ? -- -- Du hast mich auf diesen Abend verwiesen ; nie , nie rede ein Wort mehr von ihm ! " --
Beide zitterten bestürzt und entfärbt ; Albano schrieb das Erbleichen und Abwenden , ohne weiter nachzudenken , ihrem Anteile an seiner Marter zu .
Welche verwirrende , feindselige Nacht !
Er schweifte immer weiter , ihn peinigte das nachleckend Freudenfeuer der Töne unsäglich -- lügende entgegenflatternd Tropikvögel der schöneren wärmeren Zone waren sie ihm -- " Ich will ja bloß in mein Bette , sobald es nur still wird drinnen ! " --
Er war eine halbe Meile weit , als das Lilarsche Tönen ihm noch immer nachzog ; er drückte grimmig die Ohren zu , aber Lila spielte darin noch fort -- da merkte er , daß er nur sich höre .
Aber immer war ihm als müßte sich das lustige Geklingel wie im Don Juan , auflösen in das Zetergetöne vor Geistern .
Fürchterlich spitz lief ihm die Allee der künftigen Tage zu , da er nun aus ihnen den Mond seines Himmels der schon über sein kindisches Herz und über die Blumenbühle Pfade geleuchtet , herausriß .
Der blühende , hüpfende Genius seiner Vergangenheit schlich ungesehen , den Freudenkranz bloß in der Hand , hinter ihm weg , indes er mit dem vor ihm gehenden schwarzen Engel der Zukunft kämpfte , der ihm nachschleppte durch brausende Waldungen -- durch schläfrige Dörfer -- durch nasse , triefende Täler .
-- Endlich sah Albano gen Himmel unter die ewigen , unzähligen Sterne , zu dem hängenden Blüten-Garten Gottes : " ich schäme mich vor Euch nicht , sagte er , weil ich auf dieser Kugel weine und gepresst bin vor Eurer Unermeßlichkeit -- droben steht Ihr alle weit auseinander -- und auf allen großen Welten hat jeder arme Geist doch nur eine kleine Stelle unter seinen Füßen , wo er glücklich oder elend wird .
-- Ist nur diese Nacht vorbei und ich ins Bette : morgen bin ich gewiß ein Mann und fest ! "
Plötzlich hörte er mehrmals einen fast erbitterten Klage-Schrei .
Endlich erblickt ' er neben einem Flusse ausgestreckte weiße Ärmel oder Arme ; er ging an die weibliche Gestalt : " ich bin leider Gottes blind , sagte sie ; ich war auch mit bei der Illumination und bin irre gelaufen -- ich kenne sonst Weg und Steg , drüben liegt unser Dorf , ich höre den Hirtenhund -- aber ich kann den Steg übers Wasser nicht finden . "
Es war die erwachsene Blinde von der Sennenhütte .
" Geht_es noch lustig da zu ? " fragt er unter dem Führen .
" Alles aus " sagte sie .
Am Rosana-Stege ließ sie sich aus Eitelkeit nicht weiter zurechtweisen .
Er kehrte durch die schönen schon vom Morgen tauenden Gebüsche auf eine Höhe vor Lila -- Alles war still drunten -- wenige zerstreute Lampen flackerten im Flötental , und noch am Tartarus das Paar wie Todes-Tygeraugen -- er ging in das leere Land hinunter über das stumme , platte Grab hinweg -- seinen finsteren , sinkend-steigenden Höhlengang hinauf -- und in sein Bette hinein .
" Morgen ! " sagte er kräftig und meinte seine Standhaftigkeit .
-- Achtzehnte Jubelperiode .
Gaspards Brief -- die Blumenbühle Kirche -- die Sonnen- und Seelenfinsternis .
79. Zykel .
Wenn in der vorigen Nacht ein feindseliger fremder Geist die Menschen hinter Augenbinden hart widereinander und auseinander jagte :
so wird er am Morgen darauf , wenn er auf einer kalten Wolke sein Schlachtfeld mit funkelnden Augen überblickte , fast gelächelt haben über alle die Freuden und Ernten , die rings um ihn darniederliegen .
In Blumenbühl drückt Rabette in einsamen Ecken gewaltsam ihre Hände mit zitternden Armen ineinander und haucht die Kalkwand an , um die Tränen-Röte wegzuwa schen .
-- Aus Lila kommt düster Albano , blickt die Erde , statt der Menschen an und auf der Sternwarte begierig den Himmel und sucht keinen Freund -- Roquairol treibt Pferde und Reiter zusammen und macht sich außer Lands einen lustigen , trunkenen Abend -- Augusti schüttelt den Kopf über Briefe aus Spanien und sinnt verdrießlich aber tief nach -- Liane lehnt in einem Schlafsessel , zerknickt mit dem gegen die Schulter fallenden Angesicht , worauf Nichts mehr blüht als die Unschuld -- der Vater schreitet rotbraun auf und ab , sie antwortet nur schwach , indem sie die gefalteten Hände von Zeit zu Zeit ein Wenig hebt -- --
Vor dem Nachtgeist auf der Wolke geht die Menschen-Zeit schnell , als ein dahinfliegendes Flügel-Paar ohne Schnabel und Schweife ; der Geist hat die ferne Woche neben sich , wo Albano Nachts auf der Sternwarte sieht , daß in der Blumenbühle Kirche ein Altarlicht brennt , daß Liane darin mit aufgehobenen Händen kniet und daß ein alter Mann die seinigen auf ihre heitere , glänzende Stirn auflegt , die sich mit tränenlosen Augen gen Himmel richtet .
Der Geist sieht tiefer in die Monate hinab , vor Lust kreiset er sich um sich und grenzet über alle umliegenden Wohn- und Lustörter der Menschen ; oft lacht er um alle seine offenen Höllenzähne herum , nur zuweilen knirscht er sie bedeckt unter dem Lippenfleisch . . . Seht weg --
denn auch das sieht und will es -- und tretet herab von dem winterlichen Gespenst unter die warmen Menschen und auf die feste Wirklichkeit , wo die fliegende Zeit wie die fliegende Erde auf ruhenden Wurzeln zu liegen und wo nur die Ewigkeit wie die Sonne zu kommen scheint .
Albano's Wunde , die seinen ganzen inneren Menschen durchschnitt , könnt ihr am besten am Verbande messen , den er um sie zu bringen suchte .
Aus dem Troste und Selbst-Truge wird unser Schmerz erraten .
Am Morgen ließ er die Schmerzen durcheinanderreden und lag still vor ihrem Leichengeschrei als die Leiche ; dann stand er auf und sagte so zu sich : " nur eines von beiden ist möglich , entweder sie ist mir noch getreu und nur die Eltern zwingen sie jetzt -- dann muß man diese wieder bezwingen und da ist gar Nichts zu jammern -- oder sie ist mir , aus irgend einer Schwäche etwan gegen die wütigen und geliebten Eltern nicht mehr treu , oder aus Kälte gegen mich , oder aus Religiosität , Irrtum und so weiter : dann sehe ich ( fuhr er fort und suchte die beiden Füße tiefer und fester in den Boden einzutreten , ohne doch einen Widerhalt zu haben ) weiter Nichts zu tun als Nichts , nicht ein plärrender Säugling , ein ächzender Siechling , sondern ein eiserner Mann zu sein -- nicht blutig zu weinen über ein vergangenes Herz , über die tiefe Todesasche auf allen Feldern und Pflanzungen meiner Jugend und über meinen ungeheuren -- Schmerz . "
So betört er sich und hielt das Bedürfnis des Trostes für die Gegenwart desselben .
Jeden Abend besuchte er die Sternwarte außer der Stadt auf der Blumenbühle Höhe .
Er fand den alten , einsamen , mageren , ewig rechnenden weib- und kinderlosen Sternwärtel immer freundlich und unbefangen wie ein Kind , nichts fragend nach Kriegszeitungen , Modejournalen und Poesien ; und nirgends für sein Vergnügen Geld ausgebend außer auf der Post an Bode und Zach .
Aber funkelnd blickte das alte Auge unter den sparsamen Augenbraunen in den Himmel und poetisch erhob sich ihm Herz und Zunge , wenn er von der höchsten irdischen Stelle , dem lichten Himmel über der schwarzen , tiefen Erde , sprach -- von dem unübersehlichen Welt-Meer ohne Ufer , worein der Geist , der vergeblich überfliegen will , ermüdet sinke und dessen Ebbe und Flut nur der Unendliche sehe unten an seinem Throne -- und von der Hoffnung auf den Sternenhimmel nach dem Tode , den dann keine Erdscheibe wie jetzt durchschneide sondern der sich um sich selber ohne Anfang und Ende wölbe .
Wenn Sokrates den stolzen Alzibiades durch die Erdkarte verkleinerte :
so muß , wenn die Himmelskarte diese selber vernichtet , unser Stolz und Schmerz auf ihr noch mehr erröten .
Albano schämte sich , an sich zu denken , wenn er aufsah in die ungeheure aufsteigende Nacht über ihm , worin Tage und Morgenröten stehen und ziehen .
-- Er erhob sich und seinen Lehrer , wenn er davon sprach , wie jetzt droben in der Unermeßlichkeit Frühlinge und Parodie se junger Welten und donnernde Sonnen und zusammenbrennende Erden Durcheinanderfliegen und wir stehen hier unten als Taube unter dem erhabenen Orkan und der brausende Gewitterguß zeigt sich uns in dieser Ferne nur als ein stiller , stehender weißer Regenbogen auf der Nacht . --
So oft Albano's großes Auge vom Himmel kam , fand es die Erde heller und leichter .
Endlich aber kam die Nacht , die der feindselige Geist schon so lange erlebt .
Es war schon sehr spät und der Himmel ganz heiter , die Nebelflecken drangen sich als höhere Martkflecken näher heran , der Himmel schien mehr weiß als blau , Albano dachte an die verborgene Geliebte , die neben ihm den Himmel und ihn noch mehr heiligen würde durch ihr Herz voll unaufhörlicher Gebete : als er plötzlich durch das niedersinkende Sternrohr in der Blumenbühle Kirche Licht erblickte -- die Fürstengruft offen -- Lianen am Altare kniend mit aufgehobenen Händen -- und einen alten Mann neben ihr , sie gleichsam einsegnend -- -- Fürchterlich standen die Kerzenflammen und Lianen Gesicht und Arme nach der Tiefe umgestürzt , weil das Sternrohr Alles umgekehrt erscheinen ließ .
Albano bat schaudernd den Astronomen , dahin zu schauen .
Auch dieser sah die Erscheinungen , ihm aber namenlose .
" Es sind wohl Leute in der Kirche " sagte er gleichgültig .
Aber Albano stürzte hinab -- kaum konnte ihm der verwunderte Astronom die Einladung auf die morgendliche totale Sonnenfinsternis nachrufen -- und rannte auf Blumenbühl zu .
Wie sich sein Herz unter dem Rennen und am meisten in Vertiefungen , worin er die erleuchtete Kirche verlor , abarbeitete , das bleibt verhüllt , weil es sich ihm selber verhüllte unter seinem Sturm .
Endlich sah er die weiße Kirche vor sich , aber die Kirchenfenster waren ohne alles Licht .
Er klopfte hart an die eiserne Kirch-Türe und rief : " aufgemacht ! " er hörte nur den Nachhall in der leeren Kirche und nichts weiter .
So ging er mit der stürmenden Vergangenheit in seiner Brust durch die schlafende Nacht zurück -- die Erde war ihm eine Geisterinsel , die Geisterinseln waren ihm Erden -- sein Wesen , seine Stadt Gottes brannte ab , fühlte er .
Sie lag am Morgen noch in völliger Glut , als der Lektor zu ihm kam und ihm die unbegreifliche Bitte von Lianen brachte , daß sie ihn gegen die Mittagszeit allein in Lila zu sprechen wünsche .
Er wurde diesmal nicht gegen den verdächtigen Boten erzürnt und sagte voll Verwunderung " Ja . "
Mit welchen kühnen , abenteuerlichen Formen steigt unser Lebens-Gewölk den Himmel hinan , ehe es verschwindet ! --
80. Zykel .
Lasst uns zu Lianen gehen , wo die Rätsel wohnen ! --
Am Morgen nach der erleuchteten Nacht fühlte sie erst die grausame Anspannung nach , womit sie ihren Eltern das Versprechen des Schweigens gehalten ; mit aufgelösten Kräften sank sie danieder , aber auch mit feuriger erneuter Treue .
" Womit ( sagte " sie sich immerfort , ) hatte es denn dieser edle " Mensch verdient , daß ich ihm seinen ganzen " Abend voll Schmerzen machte ? --
Wie oft " sah er mich bittend und richtend an ! --
O , " hätte ' ich Dein schönes Haupt halten dürfen da " Du es schwer an die rauhe Fichten-Rinde " lehntest ! "
-- Was sie in der schweren Mitternacht am wehmütigsten gemacht , war sein stummes Verschwinden gewesen ; wie oft hatte sie nach seinem außen mit Lampen erleuchteten Donnerhäuschen hinaufgesehen , wo innen nur Finsternis am Fenster lag !
Jetzt fühlte sie wie nah er ihrer Seele wohne ; und sie weinte den ganzen Morgen über die Nacht und der Strahl der Liebe stach sie immer heißer , so wie Brennspiegel die Sonne stärker vor uns legen wenn sie gerade nach Regen niederblickt .
Die Mutter wurde ' ihr heute für das opfernde worthaltende Gestern durch zurückkommende , vertrauende Liebe dankbar ; -- obwohl der Vater mit Nichts ; da man bei ihm so wenig wie bei den älteren Lutheranern durch gute Werke selig wurde , sondern nur durch den Mangel derselben verdammt -- aber eben jetzt , wo die Eltern aus der Nacht die neuesten Hoffnungen der Entsagung geschöpft hatten , konnte die Tochter keiner einzigen schmeicheln .
Wie Wie oft dachte sie an Gaspards Brief ! --
Ist er ein abgedrückter Pfeil , der mit der Wunde an der Gift-Spitze , auf dem langsamen Weg von Spanien nach Deutschland ist , oder das freundliche Licht eines nie gesehenen Fixsternes , das erst auf der weiten Bahn zu uns heruntergeht ?
-- Augusti hatte aber den Brief schon vor der Illuminationsnacht erhalten , allein nur Ursachen gefunden , ihn nicht zu übergeben .
Hier ist er :
" Ich muß Ihre Ängstlichkeit sehr schätzen , " ohne sie anzunehmen .
Albano's Liebe für das " F. v. Fr. , an dem ich schon sonst so zu sagen " eine gewisse Virtuosität in der Tugend recht " gern bemerkte , stellet uns und ihn gegen den " Einfluß der Geister-Maschinerie und gegen " anderweitige Verbindungen sicher , die für sei "ne Studien und sein warmes Blut wohl bei " denklicher wären .
Nur muß man dergleichen " Jugend-Spiele ihrem eigenen Gange überlas "sen .
Hält er an ihr zu fest : so mag er zuse " hen wie sich die Sache entwickelt .
Warum " sollen wir ihm diese Freude noch verkürzen , da Titan III. N " Sie mir ohnehin leider die Kränklichkeit des " schönen Wesens klagen ?
Im Spätherbste sehe ' " ich ihn .
Seine kräftige , brave Natur wird " wohl zu entraten wissen .
Versichern Sie das " Froulaysche Haus meiner besten Gesinnun " gen . " G. d. C .
Der Lektor hätte gern dieses Papier in die Papiermühle geworfen , da so wenig daran " ostensible " war .
Zwar Gaspards mörderisch geschliffene Ironie über Lianen Kränklichkeit blieb , wenn er ihr das Schreiben zeigte , für diese arglose Friedensfürstin in der Scheide ; -- auch der Nordwind des Egoismus , der das Blatt durchstach , wurde von der Liebenden , da er doch für Albano's frohe Lebensfahrt ein günstiger Seitenwind war , nicht gefühlt oder geachtet ; -- aber eben darum ; denn sie konnte Gaspards verdecktes Nein für ein Ja ansehen und sich gerade in das Seil tödlich verwirren , woran der Freund sie aus ihrem steilen Abgrund ziehen wollen .
Indes der Brief mußte übergeben werden -- aber er tat es mit langen , scheuen Weigerungen , die ihr gleichsam den Schleier von dem bedeckten Nein wegziehen sollten .
Sie las ihn furchtsam , lächelte weinend bei der mörderischen Ironie und sagte sanft : ja wohl ! --
Der Lektor hatte schon eine halbe Hoffnung im Auge .
-- " Wenn der Ritter ( sagte sie , ) so denkt , " darf ich_es denn weniger ?
Nein , guter Albano , " nun bleibe ich Dir treu !
Mein Leben ist so " kurz , darum sei es ihm so lange erfreulich und " gewidmet als ich vermag . "
Sie dankte dem Lektor so warm und froh für den Pfeil aus Spanien , daß dieser unfähig war , hart genug zu sein , um dessen schwarz vergiftetes Ende in das schöne Herz zu stoßen .
Sie bat ihn , zu seiner Schonung nicht bei ihrer festen Erklärung gegen ihren Vater zu sein , lieber höchstens zu ihrer und der mütterlichen die ihrige gegen die Mutter zu übernehmen .
Er willigte bloß in -- beides , statt in eines .
Die sanfte Gestalt trat ruhig vor ihren Vater hin und brachte , vor keinem Blitz und Donner zusammenfahrend , ihre Erklärung zu Ende , daß sie ihre gemißbilligte Liebe hart bereue , daß sie alle Strafen tragen , und Alles opfern , Alles hier und bei der Fürstin tun und lassen wolle N 2 wie " cher père " fordern würde , daß sie aber länger nicht den schuldlosen Grafen v. Zesara beleidigen dürfe durch den Schein des pflichtwidrigsten Abfalls .
Auf diese Anrede konnte der Minister -- der sich durch das bisherige folgsame Enthalten sehr von labenden Erwartungen hatte heben lassen -- unten auf dem Boden ausgestreckt , von seinem tarpejischen Felsen dahin geworfen , keinen weiteren Laut von sich geben als diesen :
" Imbecille !
Du heiratest den H. v. Bouverot -- er malt Dich morgen -- Du sitzest ihm . "
Er zog sie mit harter Hand und drei entsetzlich langen Schritten zur Ministerin : " sie bleibt "(sagt' er , ) in ihrem Zimmer bewacht , niemand " darf zu ihr außer mein Schwiegersohn , -- er will die Imbecille malen en miniature . "
-- " Gehe , Imbecille ! " sagte er außer sich .
Ihr gänzlicher Mangel an weiblicher Verschlagenheit hatte wirklich für den Staatsmann eine Decke über ihr tiefes , scharfes Auge gezogen ; ein gerader Mensch und Verstand gleicht einer geraden Allee , die nur halb so groß erscheint als eine auf krummen Wegen laufende .
Der Lektor , der nie für einen besonderen Liebhaber ehelicher Lusttreffen wollte angesehen sein , hatte sich schon fortgemacht .
Der dreissigjährige Krieg der Gatten -- nur wenige Jahre fehlten daran -- gewann Leben und Zufuhr .
Der alte Ehemann verbreitete über sein Gesicht jenes zuckende Lächeln , das bei einigen Menschen der Zuckung des Korkholzes ähnelt , welche das Anbeissen des Fisches ansagt .
Er fragte , ob er nun wohl Unrecht gehabt , weder der Tochter noch der Mutter -- die er beide eines parteigängereschen Einverständnisses gegen ihn beschuldigte -- zu trauen ; und versicherte nun , nach solchen Proben wären ihm weder strengere Maßregeln zu verargen noch ein gerades Losgehen auf sein Ziel und mit dem Sitzen , um das ihn der deutsche Herr schon zweimal gebeten , höbe er an .
Die Ministerin schwieg zu Lianen Strafe über ein so übergroßes Geschenk an Bouverot wie ein Miniaturbild ist .
Die zarte Tochter , gedrängt und zerquetscht zwischen steinernen , zuschreitenden Statuen , Stelle der Mutter vor , sie sei unmöglich im Stande , ein so langes männliches Anblicken auszuhalten , und am wenigsten von H. v. Bouve rot , dessen Blicke oft wie Stiche in ihre Seele führen .
Hierauf antwortete und retorquirte in der Mutter-Namen der Vater dadurch , daß er einen Sessel an den Sekretär hinzog und auf der Stelle den deutschen Herrn auf Morgen einlud zum Malen .
Dann wurde Liane mit einem Worte fortgeschickt , das sogar aus dieser weichen Blume den Blitz eines kurzen Hasses zog .
Das Reichsfriedensprotokol lag jetzt vor beiden Gatten aufgeschlagen ; und es fehlte bloß an jemand , der diktierte , als die Ministerin aufstand und sagte :
" Sie sollen mich mehr achten lernen . "
Sie ließ anspannen und fuhr zum Hofprediger Spener .
Sie kannte Lianen Achtung für ihn und seine Allmacht über ihr frommes Gemüt .
Sogar ihr selber imponiert er noch .
Aus jener früheren theologischen Zeit , wo noch der lutherische Beichtvater näher an dem katholischen regierte , hatte er durch die Kraft und Großmut seines Charakters einen Hirtenstab , der vom Bischofsstab sich bloß im besseren Holze unterschied , herübergebracht .
Sie musste ihm Lianen Verhältnisse zweimal erzählen ; der feurige , erzürnte Greis konnte eine Liebe gar nicht fassen und glauben , die sich sogar vor seinen alten Augen sollte fortgesponnen haben ohne sein Wissen .
" Ihre Exzellenz ( antwortete er Ende " lich , ) haben freilich gefehlt , daß Sie mir diese " importante Begebenheit erst heute mitteilen .
" Wie leicht würde ich Alles durch Gotteshülfe " zu einem gesegneten Ausgang geleitet haben !
" Es ist aber Nichts verloren .
Senden Ihre " Exzellenz das Fräulein noch diese Nacht zu " mir , aber allein , ohne Sie ; das muß gesche " hen ; dann stehe ich für das Übrige ! "
Einwendungen und Bedenklichkeiten würden bloß den Ehrgeiz und Zorn des Greises -- welche Beide unter dem Eis seiner Haare fort arbeiteten -- entzündet haben ; sie sagte ihm also vertrauend Alles zu mit jenem Gehorsam , den sie auch auf Lianen vererbet hatte .
Recht hoffend nahm Liane den Befehl der Nachtreise zum guten , frommen Vater auf .
Sie fuhr bloß mit ihrem ergebenen Mädchen ab .
Mit tiefbewegter Seele erschien sie vor ihrem Beichtvater .
Sie eröffnete sich ihm wie einem Gott ; er entschied eben so .
Welch ein Anblick für ein anderes , weniger stolzes Auge als das Spenersche wäre diese demütige , aber gefaßte Heilige gewesen , deren Herz immer wie der Sonnenstrahl , am schönsten in der Zerspaltung erschien ! --
Aber hier geht die Geschichte in Schleiern !
Der Greis befahl ihrem Mädchen zurückzubleiben und nahm sie allein in das stumme Blumenbühl hinüber .
Er schloß ihr die Kirche auf , zündete noch eine Kerze auf dem Altare an , damit das wüsste Dunkel ihrem scheuen Auge nichts vorspiele , und vollendete , was die Eltern nicht konnten .
Wie er es erzwang , daß sie auf ewig ihrem Albano entsagte , wird von der großen Sphinx des Eides , den sie ihm schwor , bewacht und bedeckt .
-- Nur der ferne Mensch , der die schöne Seele verlor , hatte auf der Sternwarte von den Sennen auf die hellen Kirchenfenster geblickt , und hinter ihnen zerrüttende Erscheinungen gefunden , ohne zu wissen daß sie wahr wären und sein Leben entschieden .
Sie ging kalt über die Auen und Berge der alten Tage die geleuchtet hatten wieder in die Wohnung des Greises zurück , der sie mit größerer Ehrerbietung entließ als er sie aufgenommen .
Auf dem Nachtweg war sie stumm und in sich gesenkt gegen ihr Mädchen .
Die Eltern erwarteten sie noch , die Mutter blickte bang in die Nacht und in die Zukunft .
Endlich rollte der lebendige Wagen in den Hof .
Groß und mächtig wie eine unschuldig Hingerichtete wieder vor dem Zergliederer auflebt und , ihn für den höheren Richter achtend , entfesselt und freudig spricht , so trat sie vor die Eltern ; wie der kalte Marmor einer Göttergestalt , stand sie bleich , tränenlos , kalt und ruhig da .
Sie wußte und wollte es nicht , aber sie ging hoch über das Leben , sogar über die kindliche Liebe -- sie konnte die Mutter nicht so inbrünstig küssen wie sonst -- sie stellte sich unerschrocken vor den polternden Vater und sagte dann ohne Träne , ohne Bewegung , ohne Röte und mit sanfter Stimme :
" Ich habe heute vor Gott " meiner Liebe entsagt .
Der fromme Vater hat " mich überzeugt . "
-- " Und hatte der Mann bessere Gründe dazu in petto als ich ? " sagte Froulay .
-- " Ja , ( sagte sie , ) aber ich habe im " Tempel geschworen zu schweigen , bis Alles die " Zeit entdeckt . --
Nun bitte ich Sie nur bei dem " Algerechten , mir es zu erlauben , daß ich Ihm " seine Briefe persönlich wiedergebe und ihm es " sage , daß ich aufhöre die Seinige zu sein , aber " nicht aus Wankelmut , sondern aus Pflicht ; "-- das bitte ich , liebe Eltern . --
Dann wallte " Gott weiter und ich werde Ihnen in Nichts " mehr ungehorsam sein . "
Der elende Vater durch diesen Sieg aufgeblähter , wollte ihr noch die letzte Bitte des sterbenden Herzens sauer machen und ließ sogar Argwohn über die Absicht der Zusammenkunft blicken ; aber die Mutter , in ihrer schönen Seele von der schönsten ergriffen , trat eifrig und verachtend dazwischen und bejahte es eigenmächtig .
Auch schien Liane das Vater- Nein wenig zu bemerken .
Als er fort war , riß die Mutter die stille Gestalt selig-weinend an sich ; aber Liane weinte doch nicht so leicht an ihr , wie sonst , aus Liebe , es sei , daß ihr Herz zu erhaben stand oder daß es eben so langsam in die alte Lage wiederkam , als es aus ihr wich .
" Habe Dank , Tochter , ( sagte die Mutter , ) ich werde Dir nun das Leben froher machen . "
-- " Es war froh genug .
Ich sollte sterben ; dar " um mußt ' ich lieben " sagte sie . --
So ging sie lächelnd in die Arme des Schlafes mit hartklopfendem Herzen .
Aber im Traume kam es ihr vor , sie sinke ohnmächtig dahin , verliere die Mutter und ringe sich aus dem fliegenden Tode bange wieder auf und weine dann froh , daß sie wieder lebe .
Darüber erwachte sie , und die frohen durch den Traum sanft abgelösten Tropfen flossen aus den offenen Augen fort und erweichten wie Tauwind das starre Leben .
-- Ihr großen oder seligen Geister über uns !
Wenn der Mensch hier unter den armen Wolken des Lebens sein Glück wegwirft , weil er es kleiner achtet als sein Herz :
dann ist er so selig und so groß wie Ihr .
Und wir sind Alle einer heiligeren Erde wert , weil uns der Anblick des Opfers erhebt , und nicht niederdrückt und weil wir glühende Tränen vergießen , nicht aus Mitleiden , sondern aus der innersten , heiligsten Liebe und Freude . --
81. Zykel .
Warm und glänzend trat die Sonne , die heute wie die Unglückliche verfinstert werden sollte , ihren Morgen an .
Liane erwachte zum Begräbnis-Tage ihrer Liebe nicht mit der gestrigen Stärke , sondern weich und matt aber heiterer durch die Aussicht in die Wiederkehr der friedlichen Zeit .
Die Mutter , obwohl selber kränklich , drückte sie schon frühe an ihr Herz , um den Puls des teuersten zu prüfen .
-- Liane blickte ihr liebreich und sehnsüchtig recht lange mit nassem Auge ins nasse und schwieg :
" Was willst Du ? "
-- fragte die Mutter .
-- " Mutter , liebe mich jetzt mehr , da ich allein bin ; " sagte sie .
Dann band sie vor der Mutter alle Briefe Albano's zusammen , ohne sie zu lesen , den ausgenommen , worin er ihren Bruder um seine Liebe bittet .
Sie scherzte gegen die Mutter , wie das Schicksal es mit uns wie arme Eltern mit ihren Kindern machte , die ihnen anfangs helle , bunte Gewänder angäben , weil diese leichter in dunkle umzufärben wären .
Die Mutter suchte allmählich ihre Geisterphantasien , gleichsam das Todes-Moos , das an ihrem jungen , grünen Leben sauge , von ihr abzunehmen :
" Du siehst , ( sagte sie , ) wie Dein En " gell irren kann , da er Deine Liebe billigte , die " Du nun mißbilligst . "
Aber sie hatte eine Antwort :
" nein , der fromme Vater sagte , sie sei recht gewesen bis da er mir das Geheimnis sagte und die Bibel sage , man müsse Alles verlassen der Liebe wegen . "
-- So steigt denn dieses arme Geschöpf , wie man vom Paradiesvogel sagt , so lange im Himmel gerade empor , bis es tot herunterfällt .
Sie zeigte der Mutter fast eine fieberhafte Heiterkeit , einen Sonnenschein am letzten Tage des Jahres .
Sie sagte , wie es sie erquicke , daß sie nun mit ihrer lieben Mutter von ihren vorigen schönen Tagen frei reden dürfe -- sie malte ihr Albano's glühendes , großes Herz und wie er die Opfer verdiene , und die " Perlenstunden " die sie zusammengelebt .
" Im Grunde " ist ( sagte sie heiter aber so daß dem Zuhörer " Tränen ankamen , ) ja nichts davon vorbei , " Erinnerungen dauern länger als Gegenwart , " wie ich Blüten viele Jahre konservieret habe , " aber keine Früchte . "
Ja , es gibt zarte Weib liche Seelen , die sich nur in den Blüten des Weingartens der Freude berauschen , wie andere erst in den Beeren des Weinbergs .
Des Lektors Billet kam an mit der Nachricht , daß Albano sie in Lila erwarte .
Jetzt da die Stunde der Zusammenkunft so dicht anrückte , wurde ihr immer banger ; " wenn " ich ihn nur überreden kann , ( sagte sie , ) daß ich " als ein rechtschaffenes Mädchen gehandelt ha " bei . "
Ehe sie ihr Morgenzimmer gegen den Trauerwagen vertauschte , legte sie darin Alles zum Zeichnen zurecht , wenn sie wiederkäme ; sie habe , sagte sie , einen sehr bösen Traum gehabt , aber sie hoffe , er treffe nicht ein .
Sie stieg mit ihrem Arbeitskörbchen worin die Briefe lagen , am Arme , in den Wagen , den man aufmachen mußte , weil seine schwüle Luft sie drückte .
Aber die Schwüle atmete ihr Geist , und alles Schöne , was ihr begegnete , würde ihr heute zur betäubenden Giftblume .
Sie faßte und drückte furchtsam immer die Hand der Mutter , weil sie jeder Schrei , jede schnell vorüberlaufende Gestalt , wie ein Sturmvogel rauschend überflatterte ; ein Ausrufer schnitt mit seinem rohen Ton in ihre Nerven ; sie bebten nur erst sanfter wieder , da ein Geistlicher und sein Diener mit dem Krankenkelch für den Abendtrank der müden Menschen vorübergingen .
O , der schöne Weg wurde ihr lang !
Sie mußte das zerfallende Herz , das recht fest und bestimmt mit dem Geliebten reden sollte , so lange mit ermattenden Kräften zusammenhalten .
Der Himmel war blau und doch merkten beide es nicht , daß es ohne Wolken anfange dunkel zu werden , da der Mond schon mit seiner Nacht an der Sonne stand .
Als sie über die Waldbrücke in das lebendige Lila fuhren , wo an allen Zweigen die alten Brautkleider einer geschmückten Vergangenheit hingen : sagte Liane mit Heftigkeit zur Mutter : " Um Gott "tes Willen nicht ins alte Toten-Schloß ! "
* ) " Wohin denn aber ?
Er ist dahin bestellt . " sagte die Mutter .
-- " Überall hin -- in den Traumtempel -- Er sieht uns schon , dort geht er auf den Toren , " sagte sie .
" Gott , der Allmächtige sei mit Dir , und sprich nicht lange " sagte die * )
Wo der Fürst gestorben und sie erblindet war . weinende Mutter , als sie von ihr in den Tempel ging , in dessen Spiegeln sie der Trennung der unschuldigen Menschen zuschauen konnte .
Albano kam langsam oben in den Gängen daher , er hatte sein Auge von Tränen rein gemacht und sein Herz von Stürmen .
O , wie hatte er bisher wie ein lang umhergetriebener Seefahrer in seine dunklen Wolken hineingesehen um zwischen ihren Nebelspitzen die Bergspitze eines festen grünen Landes auszufinden !
-- daß er heute so viel , nämlich Alles verlieren sollte , so weit waren seine traurigsten Schlüsse nicht gegangen ; ja er bewahrte so viel Ruhe , daß er oben den kleinen nachtanzenden Pollux nicht bedrohend sondern beschenkend zurückschaffte .
Endlich stand er mit zuckenden Lippen vor der geliebten schönen Gestalt , die kindlich , bleich , zitternd und das Arbeitskörbchen bewachend ihn ein wenig anblickte und dann mit ihren niederfallenden Augen kämpfte .
Da schmolz sein Herz ; die Flut der alten Liebe rauschte hoch in sein Leben zurück .
" Liane , ( sagt ' er im sanftesten Ton und seine Augen tropften , ) bist Du noch meine meine Liane ?
Ich bin noch wie sonst ; und Du hast Dich auch nicht verändert ? " --
Aber sie konnte nicht Nein sagen .
In die Pulsader ihres Lebens wurde geschnitten und Tränen sprangen auf statt Blut .
Seine gute Gestalt , seine bekannte Bruder-Stimme standen wieder so nahe an ihr und seine Hand hielt ihre wieder und doch war Alles vorbei , ein heißer Sonnenblick streifte über ihr voriges , blumiges Gartenleben und zeigt es wehmütig erleuchtet , aber es lag fern von ihr .
" Laß " uns ( fuhr er fort , ) jetzt stark sein in diesem son " derbaren Wiedersehen -- sage mir recht kurz " Alles , warum Du bisher so schwiegest und so " tatest -- ich habe Nichts zu sagen -- dann " sei Alles vergessen . "
-- Er hatte unbewußt ihre Hand erhoben , aber die Hand drückte sich nieder und zitterte dabei .
" Zitterst Du oder ich ? " -- sagte er .
" Ich , Albano , ( sagte sie , ) " aber nicht aus Schuld ; ich bin treu , o Gott , " ich bin treu bis in den Tod . "
-- Er sah sie irrend an :
" Ihnen , Ihnen bin ich_es , aber " Alles ist vorbei " rief sie verwirrt und verwirrend .
" Nein -- ( setzte sie gebietend dazu , als er Titan III. O zufällig mit ihr aus der Perspektive des Traum- Tempels gehen wollte -- ) " nein , meine Mutter " will uns sehen , dort aus dem Traumtempel . "
Er wurde rot über die mütterliche Wache , sein Auge blitzte in ihres wider das " Ihnen " und die heißen Blicke wollten aus ihrem bewegten Gesicht das aufhaltende Rätsel ziehen .
Die Not gebot Kraft ; sie fing an .
" Hier --
( stammelte sie und konnte zitternd das Körbchen kaum aufbringen -- )
Ihre Briefe an mich ! "
Er nahm sie sanft .
" Ich habe Je "nen entsagt , ( fuhr sie fort , ) meine Eltern sind " nicht Schuld wenn sie gleich unsere Liebe nicht " wollten -- ein Geheimnis betrifft bloß Sie " und ihr Glück -- das hat mich bezwungen , " daß ich von Ihnen schied und von jeder Freude . "
-- -- " Ihre Briefe wollen Sie auch " -- -- sagte er .
" Meine Eltern -- -- " sagte sie .
" Das Geheimnis über mich " -- -- sagte er .
-- " Ein Schwor bindet mich " -- sagte sie .
-- " Heute Nachts in der Kirche zu Blumenbühl vor dem Priester " -- fragt er .
Sie deckte ihre Hand auf die Augen und nickte langsam .
" O Gott ! " ( rief er laut weinend . )
-- " Das " ist_es mit dem Leben und der Freude und aller " Treue ? -- so ? --
Wie habt ihr gelogen ( er " sah seine Briefe an ) von ewiger Treue und " Liebe . --
Wen habt ihr denn gemeint , ihr " höllischen Lügner ? "
Er warf sie weg .
Liane wollte sie aufheben , er trat stark darauf und sah die Erschrockene bitter an ; -- nun geriet er in Sturm und goß wie ein Schöpfrad unter dem Giessen schöpfend seine brausende , leidende Brust aus und hörte grausam gar nicht auf mit den Gemälden seiner Liebe , ihrer Schwäche , ihrer Kälte , seines Schmerzes , ihrer vorigen Eide und ihres jetzigen meineidigen über sein geheimnisvolles Glück , das er ja nicht wolle .
Ihr Schweigen trieb ihn wilder um .
Ihre schnelles heftiges Atmen hörte er nicht .
" Quäle Dich nicht .
Es ist nun Alles unmöglich " antwortete sie bittend .
" O , ( sagte er " zornig , ) die Änderung will ich nicht wieder än " deren ; denn der Lektor und der Pfaffe würden " wieder das ändern ! "
Er geriet nun in die männliche Verstockung und Herzens-Starrsucht ; O 2 der Strom der Liebe hing als ein gefrorener zackiger Wasserfall über den Felsen .
" Ich dachte nicht , daß Du so hart wärest " sagte sie und lächelte fremd .
" Noch härter bin ich , ( sagt ' er ) -- ich rede wie Du handelst . "
-- " Höre ' auf , höre auf , Albano -- es wird mir " so finster -- o , zu meiner Mutter will ich gleich " rief sie plötzlich ; die zwei alten , schwarzen Spinnen , vom Schicksal herabgelassen , standen wieder über ihren schönen Augen und überzogen sie , emsig-spinnend , immer dichter ; und über die goldenen Streifen des Lebens wuchs schon grauer Schimmel her .
" Es ist die Sonnenfinsternis " sagte er , das Erblinden der matt glänzenden Sichel des Sonnenviertels zuschreibend .
Er sah oben im blauen Himmel den Mond-Klumpen wie einen Leichenstein in die reine Sonne geworfen -- nicht einmal recht schattige , sondern entnervte Schatten lebten im ungewissen grauen , Lichte -- die Vögel flatterten scheu umher-- kalte Schauder spielten wie Geister der Mittagsstunde im kleinen , matten Scheine , der weder Sonnen- noch Mondlicht war .
Dunkel , dunkel lag dem Jüngling das Leben vor , im langen schwarzmarmornen Säulengang der Jahre schritten die Schmerzen als Panthertiere heran und wurden hell gefleckt unter den weglaufenden Sonnenblicken der Vergangenheit .
" Das passet ja recht für heute , ( fuhr er " fort , ) eine solche schnelle Nacht ohne Abendrö " the -- Lila muß heute zugedeckt werden -- " Blick hinauf zum Mond , wie er sich schwarz " über die Sonne gewälzt hat , sonst war er auch " unser Freund -- O , mache es noch finsterer , " ganz Nacht ! "
-- " Albano schone , ich bin unschuldig und ich " bin blind -- wo ist der Tempel und die Mut " ter ? " rief sie jammernd ; die Spinnen hatten die nassen Augen voll Tränen zugewebt .
" Bei dem Teufel ; es ist die Sonnenfinsternis " sagte er , und schaute in das blind herumirrende bange Gesicht und erriet Alles ; aber er konnte nicht weinen , er konnte nicht trösten .
Der schwarze Tiger des grausamsten Schmerzes hing an seine Brust geklammert und er trug ihn fort .
" Nein , nein , ( sagte Liane , ) ich bin blind und bin auch unschuldig . "
Der frohe , beschenkte Pollux hatte einen bettelnden Stummen nachgeführt , der mit der läutenden Stummenglocke folgte : " der stumme Mann kann nur nichts sagen " sagte Pollux . --
Liane rief : " Mutter , Mutter !
Mein Traum kommt , das Totenglöcklein läutet . "
Die Ministerin stürzte heraus .
" Ihre Toch " ter , ( sagte Albano , ) ist wieder blind , und Gott " strafe den Vater und die Mutter und wer " daran Schuld ist , am Elend . "
-- " Was gibt es ? " rief der schnell heraustretende Spener , der vorhin das Zusammenwandeln gesehen und zur Mutter gekommen war .
" Eine Unglückliche , " Euer Werk auch ! " versetzte Albano .
" Lebe wohl , unglückliche Liane ! " sagte er und wollte scheiden ; stand aber und nachdem er das gefolterte schöne Gesicht , das mit den blinden Augen weinte , starr angeblickt , rief er :
" Entsetzlich ! " und ging .
Lange lag er oben im Donnerhäuschen auf den Armen mit den Augen und als er sich endlich spät , ohne zu wissen wo er sei , wie aus einem Traume aufrichtete : sah er die ganze Landschaft von einem heiteren Tage beleuchtet , die Sonne glänzte unverhüllt und warm im reinen Blau und der verschlossene Wagen mit der Blinden rollte schnell über die Brücke des Waldes .
Da sank Albano wieder auf die Arme danieder .
Neunzehnte Jubelperiode .
Schoppe's Trostamt -- Arkadien -- Bouverots Portraitmalerei .
82. Zykel .
Da Albano nun ohne Liebe und Hoffnung lebte -- da er den Angelstern seines Lebens als eine Sternschnuppe in seine totenstille Wüste hatte fallen sehen -- da jede seiner Handlungen jetzt einen Skorpionstachel ausstreckte und jede Erinnerung , und er Lianen Briefe zurücksandte , Lila verließ , das Haus des Doktors , den Lektor , Lianen Verwandte und den frommen Vater -- da er sein allmählich bleich werdendes Gesicht nur auf Bücher und nach Sternen richtete :
so mußten Menschen , die keinen höheren Schmerz kennen als den eigennützigen , glauben , seine Brust werde von Nichts gedrückt als vom Schutte der zertrümmerten Luftschlösser seiner Hoffe nung und Jugendliebe .
Aber er war edler unglücklich und trostlos , er war_es , weil er zum erstenmal einen Menschen und den besten elend gemacht -- seine Geliebte blind ; -- in diese Vertiefung seines Herzens flossen alle benachbarten Quellen des Leidens zusammen .
Die kleinsten bunten Scherben seines Glückstopfes wurden gleichsam von neuem zerschlagen , wenn er von Tag zu Tag vernahm , daß die Arme , obwohl täglich auf das Wasserhäuschen vor die heilenden Fontänen gestellt , doch immer ohne Lichtschein zurückgebracht werde und daß sie jetzt auf dieser Raub-Erde nichts weiter fürchte und bejammere , als daß der Tod vielleicht die Augen schließe , ehe sie noch einmal die Mutter angesehen .
O die Wunde des Gewissens wird keine Narbe und die Zeit kühlt sie nicht mit ihrem Flügel , sondern hält sie bloß offen mit ihrer Sense .
Albano rief sich Lianen bitteres Flehen um Schonung zurück und da tröstete es ihn nicht , daß er unter jener Sonnenfinsternis nicht thre Augen aufopfern wollen , sondern nur ihr Herz .
Im Brenn und Vergrößerungsspiegel des Erfolges zeigt uns das Schicksal das leichte , spielende Gewürme unseres Inneren als erwachsene und bewaffnete Erynnen und Schlangen .
Wie viele Sünden gehen wie nächtliche Räuber ungesehen und mit sanften Minen durch uns , weil sie , wie ihre Schwestern in Träumen , sich nicht aus dem Kreise der Brust verlaufen und nichts Fremdes anzufallen und zu würgen bekommen .
-- Die schöne Seele entdeckt leicht im Zufall eine Schuld ; nur jene harten Himmels- und Erd-Stürmer , vor deren Siegeswagen vorher eine Wagenburg voll Wunden und Leichen auffährt , nämlich die Väter des Krieges -- welches in der ganzen Geschichte öfter die Minister waren als die Fürsten -- nur diese können ruhig alle Vulkane der Erde anzünden und alle ihre Lavaströme kommen lassen , bloß um -- Aussichten zu haben .
Sie düngen elysische Felder zum Schlachtfeld , um darin einen Rosenstock für eine Geliebte röter zu ziehen .
Das Erste was Albano tat , als er in des Doktors Hause ankam , war daß er daraufzog in die ferne Talstadt hinab , um weder den verdächtigen Lektor zu sehen , noch weniger den boshaften Doktor Spher über das Rezidiv der Blindheit täglich zu hören .
Nur der treue Schoppe zog mit , zumal da er durch ein zweckmäßiges Betragen sich unter der Sphexischen Familie selber hatte eine Oppositionspartei zu bilden gewußt , die ihn nicht mehr im Hause litt .
Die bibliothekarische Wärme hatte mit des Lektors Kälte sehr gegen den Grafen zugenommen -- und aus gleichen Gründen ; das kecke Ausziehen nach Lila und die leidenschaftliche Wildheit hatten ihn näher an Albano's Seite geschlossen : " ich dachte anfangs , ( sagte schob " pe , ) der junge Mann lasse sich zu Nichts an als " zu einem ältlichen , als ich ihn so in die Schuhe "le schreiten sah .
Ich hielt oft den Mann im " Mond , wo es bekanntlich aus Mangel an " Durst und Dunstkreis nichts einzuschenken gibt , " für einen größeren Trinker als ihn .
Aber Ende " lich greift er aus .
Ein Jüngling muß nicht " wie der alte Spener , Alles in der Vogelper " spektive , von oben herab darstellen .
Er muß " anfangs wie Inzipienten in Schreib- und Mah " lerstuben alle Züge ein wenig zu groß ma "chen , weil sich die kleinen geben .
Es gibt " Donnerpferde , aber keine Donneresel und Don " nerschafe , wie doch die Hofmeister und Lektors " gern hätten und gern vor sich hertrieben , die " wie die Billard-Marqueurs kein offenes Feuer " in der Pfeife leiden sondern nur eines unter " dem Deckel . "
-- Jetzt lebte Albano einsam unter den Büchern .
Der Bruder Lianen kam selten und eiskalt zu ihm ; und schwieg über die Leidende , ob er gleich immer um diese blieb .
Da er selber das erste Gewebe zu dieser Blindheit einmal gesponnen :
so musste er , zumal bei seiner ungeschminkten Feuerliebe für seine Schwester , den ordentlich hassen , der es wieder über sie hereingezogen -- glaubte Albano und ertrug es gern zur Strafe .
Desto öfter ließ sich der Hauptmann zum deutschen Herrn hinziehen , bei dem er jetzt wider Erwarten gewann .
Es ist die Frage -- nämlich keine -- , ob nicht seine Fähigkeit und Neigung , sich mit den unähnlichsten Menschen zu verflechten , bloße Kälte gegen alle Herzen ist , die er Alle nur bereiset , weil er keines bewohnt .
Auch Rabette schrieb dem Grafen mehrere Klage-Zettel über den weichenden Hauptmann ; in einem sagt sie sogar : " könnt ' ich Dich nur se "hen , um einmal jemand zu haben , der mich " weinen ließe , denn das Lachen kenne ich schon " seit geraumer Zeit nicht mehr . "
Der gute Albano zeichnete auch dieses Entweichen in sein Sündenregister ein , gleichsam als Enkel seiner Teufelskinder .
Die Fürstin vermochte ihn zuweilen aus der Einsamkeit zu locken , wenn sie ihre leise Lockpfeife an die schönen Lippen legte .
Sie schien des Vaters wegen , wahren Anteil am trüben Sohn zu nehmen , der zwar keine Schmerzen , aber auch keine Freuden zeigte .
Auch das Mann-Weib , das mehr gehelmte als gehaubte , rückt gern unter das kranke Haupt das Ruhekissen und unter das ohnmächtige als Lehne den Arm ; und tröstet gern und zart , oft zarter als das zu weibliche .
Fast täglich besuchte sie ihre künftige Hofdame und Gesichts-Schwester bei dem Minister und konnte daher dem Geliebten Alles sagen .
Indem sie tat als wisse sie nichts von Albano's Verhältnissen zur Blinden -- schon das Verstellen verrät zarte Schonung gegen zwei Menschen auf einmal , sagte Albano -- : so konnte sie ihm frei alle Krankenzettel der schönen Dulderin geben , so wie die Gutachten über sie überhaupt .
Nach der Sitte der Kraftweiber ließ sie ihr alle lobende Gerechtigkeit ohne weibisch-kleinlichen Abzug angedeihen ; und wünschte Nichts so sehr als ihre Herstellung und künftige Gegenwart .
" Ich bin fähig für ein ungemeines Weib " Alles zu tun , so wie Alles gegen ein gemei "nes " sagte sie und fragte ihn , ob ihm schon sein Vater über ihren Plan mit Lianen geschrieben .
Er verneint es ; und bat sie darum ; aber sie verwies ihn auf den väterlichen Brief , der bald kommen müsse .
Sie tadelte bloß Lianen Neigung , immer Fantaisie-Blumen in ihr Leben zu sticken und nannte Sie eine reine Barockperle .
Aber aus allen diesen Unterhaltungen kehrte Albano nur betäubter zu Schoppe zurück ; er hörte nur Wort-Trost , und das Todes-Ur Teil , daß die geduldige Seele , der er die Schöpfung gestohlen , noch immer eingemauert sei in die tiefste Höhle des Lebens , neben welcher bloß die tiefere des Grabes hell und offen liegt .
Jedes sanfte , lindernde , ihm von den Wissenschaften oder Menschen geschenkte warme Lüftchen ging über jene kalte Höhle und wurde für ihn ein scharfer Nord . O , hätte er sie aus seinen sinkenden Armen entlassen müssen unter schöne Tage , in ein langes , ewiges Paradies und sie hätte ihn trunken vergessen :
das hätte ' er auch vergessen können ; aber daß er sie hingestoßen in ein kaltes Schattenreich und daß sie sich seiner erinnern muß aus Schmerz -- -- nur das musste er sich immer erinnern .
Schoppe wußte gegen alle diese Not kein " Pflaster als ( nach seinem schönen Wortspiel ) " das Steinpflaster , " nämlich eine Flugreise .
Wenigstens , schloß er , hören außer Lands die Fragen über das Befinden und die giftigen Sorgen über das Antworten auf ; und bei der Retour finde man viel Schmerz erspart oder gar allen gehoben .
Albano gehorchte seinem letzten Freund ; und sie reisten ins Fürstentum Haarhaar ab. 83. Zykel .
Wer denkt , daß Schoppe unterwegs für Albano ein fliegendes Feldlazareth des Trostes -- ein antispasmoticum -- eine Struvische Noth- und Hülfstafel -- eine gepulverte Fuchslunge gegen die Hektik des Herzens u. s. w. gewesen und daß er auf jedem Meilenstein eine Trostpredigt gehalten , wer das denkt , den lacht er aus .
" Was tut es denn , ( sagt ' er , ) wenn das " Unglück den jungen Menschen derb durchknä " tet ? --
Das nächstemal er den Schmerz , " der ihn jetzt in der Gewalt hat , in der seine " gen haben .
Wer nichts getragen , lernt nichts " ertragen . "
Was das Weinen anlangt , so war er als ein Stoiker , wohl am wenigsten davon ein Feind ; Epiktet , Antonin , Kato und mehr solche weniger aus Eis als Eisen gebildete Männer , sagte er so oft , hätten sehr gern dem Leibe dergleichen letzte Öhlungen des Schmerzes eingeräumt , falls nur der Geist dahinter sich tro Ken Ken erhalten hätte .
Es ist echte Trostlosigkeit , sagte er , Trost zu wünschen und anzunehmen ; warum will man denn nicht einmal den Schmerz rein durchdauern ohne alle Arznei ?
Allein seine Ansicht und sein Leben wurde ohne sein Zielen , über den Grafen mächtig , den alles Große nur vergrößerte wie es Andere verkleinert .
Schoppe saß als ein Kato auf Ruinen , aber freilich auf den größten ; wenn der Weise die Barometerröhre am Äquator sein muß , in der selber der Tornado wenig verschiebt , so war er dergleichen .
Zufällig riß er in einem Wirtshause dem Grafen durch den hamburgischen unparteiischen Korrespondenten , den er da vorfand , die verklebten Flügel auf .
Schoppe las zwei weite Schlachten daraus vor , worin wie durch einen Erdfall Länder statt der Häuser versanken und deren Wunden und Tränen nur der böse Genius der Erde konnte wissen wollen ; darauf verlas er -- nach den Totenmärschen ganzer Generationen und nach den aufgerissenen Kratern der Menschheit -- mit fortgesetztem Ernste die Intelligenz-Anzeigen , wo einer allein auf ein unbekanntes Gräblein Titan III. P steigt und der Welt , die ihm sonst kondoliert , ansagt und beteuert :
" Fürchterlich war der " Schlag , der unser Kind von 5 Wochen " -- oder : " Im bittersten Schmerz , den je " oder : " bestürzt über den Verlust unseres ein und acht " zigjährigen Vaters etc. " Schoppe sagte , das spreche er für recht , denn jede Not , selber die allgemeine , Hause doch nur in Einer Brust ; und läge ' er selber auf einem roten Schlachtfelde voll gefällter Garben , so würde er sich darunter aufsetzen , falls er könnte , und an die Umliegenden eine kurze Trauerrede über seine Schußwunde halten ; so habe Galvani bemerkt , daß ein Frosch , der in elektrischen Verbindungen stehe , so oft zucke , als der Donner über der Erde nachrolle .
Bei diesem Satze blieb er auch im Freien .
Er führte es tadelnd an , daß Matthison es als eine reisebeschreibende Notiz annotiere , wie man im jetzigen Avenches in der Schweiz an den Stellen der von den Römern zermalmten helvetischen Hauptstadt Aventicum in den dünneren Streifen des Grases den Abriß der Straßen und Mauern finden könne ; indes ja offenbar die selben stereographischen Projektionen der Vergangenheit überall lägen auf jeder Wiese -- jeder Berg sei das Ufer einer schwemmten Vorzeit -- jede Stelle hienieden sei ja 6000 Jahre alt und Reliquie -- Alles sei Gottesacker und Ruine auf der Erde -- besonders die Erde selber ; " Himmel , ( fuhr er fort , ) was ist überhaupt " nicht schon vergangen , Völker -- Fixsterne -- " weibliche Tugend -- die besten Paradiese -- " viele Gerechtsame -- alle Rezensionen -- die " Ewigkeit a parte ante -- und jetzt eben mei " ne schwache Beschreibung davon ? "
-- " Wenn " nun das Leben ein solches Nichtigkeits-Spiel " ist , so muß man lieber der Kartenmaler " als der Kartenkönig sein wollen . "
Ein kräftiger , stolzer Mensch -- wie Albano -- wird dann schwerlich mitten unter dreißigjährigen Kriegen -- jüngsten Tagen -- wandernden Völkern -- verstäubenden Sonnen sein Kleid ausziehen und sich oder dem Universum die zerrissene Ader vorzeigen , die auf seiner Brust ausblutet .
So stand es , als beide Abends eine halboffene Waldhöhe erstiegen , von der sie ein wun P 2 Derbares Glorien-Land unter sich sahen , so freundlich und ausländisch als sei es übrig geblieben aus einer Zeit , da noch dir ganze Erde warm war und ein immer grünes Morgenland -- es schien , so weit sie vor den Bäumen und vor der Abendsonne sehen konnten , ein aus der zusammentretenden Berg Ecke unabsehlich nach Westen auseinanderlaufendes Tal zu sein -- eine vor der Sonne mit den breiten Flügeln umschlagende buntgemalte Windmühle verwirrte das Auge , das das Gedränge von Abend- Lichtern , Gärten , Schafen und Kindern sondern wollte -- an beiden Abhängen hüteten weißgekleidete Kinder mit lang Nachflatternden grünen Hutbändern -- eine gesteckte Schweizerei ging im Wiesengrün am dunklen Bach -- auf einem hochgewölbten Heuwagen fuhr eine wie zum Hochzeitmahle gekleidete Bäuerin und nebenher gingen Landleute im Sonntagsputz -- die Sonne trat hinter eine Säulen-Reihe von runden Laubeichen , diesen deutschen Freiheits-Bäumen und Tempel-Pfeilern -- und sie schwebten verklärt und vergrößert hoch im goldenen Blaue aufgezogen . --
Jetzt sahen die betroff einen Wanderer das nahe beschattete holländische Dorf unten , -- wie aus zierlichen , bemalten Gartenhäusern zusammengerückt , mit einem Linden- Zirkel in der Mitte und einem jungen , blühenden Jäger nicht weit davon , oder eine Amazone , die mit der einen Hand ihren Hut voll Zweige abnahm und mit der anderen den Balken-Arm mit dem Eimer über den Born hoch aufsteigen ließ .
" Mein Freund , ( fragte Schoppe einen ihnen mit Botenblech und Ranzen nachkommenden Amtsboten , ) wie nennt Er das Dorf ? "
-- " Arkadien , " versetzt ' er .
-- " Aber ohne alles dich " terische Weißglühen und Kulminieren gespro "chen , mein poetischer Freund , wie schreibt sich " eigentlich die Ortschaft unten ? " fragte Schoppe wieder .
Verdrießlich antwortete der Amtsbote :
" Arkadien , sage ich , wenn Er_es nicht behalten kann -- es ist ein altes Kammergut , " unsere Prinzessin Idone ( Idoine ) hält sich da " auf Jahr aus Jahr ein für beständig -- und " macht da Alles nach eigenem Plaisir , was will " man mehr ? " --
-- " Ist er in Arkadien ? "
-- " Nein , in Saubügel " antwortete der Bote sehr laut , schon fünf Schritte weiter vorn , zurück .
Der Bibliothekar , der seinen Freund bei der Botenrede in großer Bewegung sah , tat ihm freudig die Frage , ob sie ein besseres Nachtquartier hätten treffen können als dieses , ausgenommen dieses selber im Maimond .
Aber wie erstaunt er vor Albano's Zurücksturz in die Vorhölle , die das Gewissen und seine Liebe anzündeten !
Idoinens täuschende Ähnlichkeit mit Lianen war plötzlich vor ihn gezogen :
" Weißt " Du , ( sagt ' er in der Erschütterung durch den " Abendzauber heftiger fortbebend ) worin Ido " inne Ihr unähnlich ist ? "
-- Sie kann sehen , setzte er selber dazu , denn sie hat mich noch nicht gesehen .
O vergib , vergib , fester Mann , ich bin wahrlich nicht immer so -- Sie stirbt jetzt oder irgend ein Unglück zieht ihr nahe ; wie ein Dampf vor der Feuersbrunst steigt düster und in langen Wolken in meiner Seele auf -- " ich muß durchaus zurück . "
" Glauben Sie mir , ( sagte Schoppe , ) ich werde " Ihnen einmal Alles sagen , was ich jetzt denke -- " gegenwärtig aber will ich Sie schonen . "
Auch das verfing Nichts , er kehrte um ; aber am ganzen anderen Reisetag blieb sein Leidenskelch , den Schoppe so glänzend gescheuert hatte , naß und schwarz angelaufen .
Sie konnten erst Abends ankommen , da ein Zauberrauch von Zwielicht , Mondlicht , Dampf , Dunst und Wolkenrot die Stadt fremder machte .
Albano's Adlerauge teilte den Rauch entzwei und er -- entlief .
Die blinde Liane allein sah er auf dem hohen welschen Dache gegen die Statuen laufen oder zum Abgrund hin .
Wild ohne einen Laut rannt er durch die tieferen Gassen -- verlor den verbauten Palast und lief grimmiger -- er glaubte , er finde sie auf dem Steinpflaster zertrümmert -- er sieht die weißen Statuen wieder , sie hält eine umschlungen , und der alte Gärtner des cereus serpens steht mit dem Hute auf dem Kopfe vor ihr . --
Als er endlich ganz unten am Palaste ankam , stand oben ein fremdes Mädchen bei ihr , und unten sahen zusammengelaufene Weiber hinauf , einander fragend : Gott , was gibt es denn .
-- Liane blickte ( wie es schien ) an den Himmel , worin nur einige Sterne brannten , und dann lange in den Mond , und darauf herunter auf die Menschen ; aber sogleich trat sie von den Statuen zurück .
Der Gärtner kam aus dem Hofe und sagte vorübergehend seiner fragenden Frau : Sie sieht .
-- " O , guter Mann , ( sagte Albano , ) was sagt Er ? "
-- " Gehen Sie nur hinauf ! " versetzt er und schritt emsig weiter .
Jetzt kam Bouverot zu Fuße -- Albano trat ihm mit einem kurzen Verbeugen und Gruße in den Weg -- Bouverot sah ihn ein Wenig an : " ich habe nicht die Ehre , Sie zu kennen " sagte er wild und eilte davon .
84. Zykel .
Schauet nun die blinde Liane näher an !
Von dem Tage an , wo sie zerstöret heimgeführt wurde von der Mutter , fing sich unter ihrer Sonnenfinsternis mit Verweilen ein kühleres , ruhendes Leben für sie an .
Die Erde hatte sich verändert , ihre Pflichten gegen diese schienen ihr abgetan -- der Silberblick der Jugend wie ein Menschenblick nun erblindet , ihre kurzen Freuden , diese kleinen Maiblümchen , schon unter dem Morgenstern abgepflückt -- ihr erster Geliebter leider wie die Mutter es weissagte , nicht so fromm und zart als sie gedacht , sondern sehr männlich , rauh und wild wie ihr Vater -- die Zeit und Zukunft vertilgt , und die künftigen Tage daraus für sie nur eine blind gemalte Jubelpforte , die Menschenhände nicht öffnen , und durch welche sie nicht mehr dringen kann , außer mit der entbundenen Seele , wenn diese den trägen Schlepp- Mantel des Körpers auf die Erde zurückgeworfen .
Ihr Herz klammerte sich jetzt -- wie Albano dem männlichen -- noch mehr dem weiblichen an , das zarter und ohne die Fieber der Leidenschaften schlug ; so wie die Kompassnadel sich als eine gewundene Lilie zeigt , so die Tugend sich ihr als weibliche Schönheit .
Ihre Mutter wich nicht von ihrem Blinden-Stuhl , sie las ihr vor , sogar die französischen Gebete und hielt sie tröstend aufrecht ; und sie wurde leicht getröstet , denn sie sah nicht das bekümmerte Gesicht der Mutter und hörte nur die ruhige Stimme .
Julienne warf seit dem Begräbnis der ersten Liebe eine alle Kruste ab und ein frisches Feuer für die Freundin ging aus dem Herzen auf : " ich habe nicht redlich an Dir gehandelt " sagte sie einmal ; da erklärten sie sich verborgen einander und dann reihten sich ihre Seelen wie Blumen-Blätter zu Einem süßen Kelche zusammen .
Die Fürstin sprach ernst über Wissenschaften und gewann sogar die Mutter , der sie in männlicher Gesellschaft weniger gefallen .
Abends vor dem Einschlafen flog noch wie aus dem Freudenhimmel Karoline in ihr Schattenreich herab ; und wuchs täglich an Glanz und Farbe , sprach aber nicht mehr ; und Liane entschlummerte sanft , indem sie einander anblickten .
Zuweilen fuhr der Schmerz an sie herüber , daß sie vielleicht ihre teuren Gestalten , zumal ihre Mutter nie mehr sehe ; dann war ihr als sei sie selber unsichtbar und wandle schon allein im dunklen , tiefen Gange zur zweiten Welt und höre die Freundinnen an der Pforte weit hinter sich ihr nachrufen -- Da liebte sie zärtlich wie aus dem Tode herüber und freute sich auf das große Wiedersehen .
Spener besuchte seine Schülerin täglich ; seine männliche Stimme voll Stärkung und Trost war in ihrem Dunkel die Abendgebetglocke , die den Wanderer aus der düstern Waldung wieder zu froheren Lichtern führt .
So wurde ihr heiliges Herz noch heiliger emporgezogen und die dunklen Passionsblumen der Schmerzen schlossen sich in der lauen Augen-Nacht schlafend zu .
Wie anders sind die Leiden des Sünders als die des Frommen !
Jene sind eine Mondsfinsternis , durch welche die schwarze Nacht noch wilder und schwärzer wird ; diese sind eine Sonnenfinsternis , die den heissen Tag abkühlt und romantisch beschattet und worin die Nachtigallen zu schlagen anfangen .
Auf diesem Wege bewahrte Liane mitten unter fremden Seufzern um sie und im Gewitter um sie her , eine ruhige , genesende Brust ; so zieht oft das zarte , weiße Gewölk anfangs zerrissen und gejagt , aber zuletzt geründet und langsam durch den Himmel , wenn unten der Sturm noch über die Erde schweift und Alles bewegt und zerreisset .
Aber , gute Liane , alle 32 Winde , sie mögen schöne Tage zu oder wegwehen , halten länger an , als die Windstille der Ruhe ! 85. Zykel .
Der Minister hatte , als sie aus Lila mit getöteten Augen heimgekommen , in sein rechtes eine Hölle , ins linke ein Fegefeuer gelegt ; --
denn so sehr belogen hatte ihn noch kein Geschick ; nämlich so sehr gebracht um alle seine Projekte und Prospekte , um das Hofdamenamt der Tochter , diesen Vorsteckring am Finger der Fürstin , und endlich um jeden Fange seines doppelt gewebten Gespinstes .
Unsäglich wehrte sich der Mann vor dem Löffel , worin ihm das Schicksal das Pulver vorhielt , auf welches er die verschluckten Demante seiner Plane sollte fahren lassen ; er hielt die stärksten Sermone -- so hieß er , wie Horaz , seine Satyren -- gegen " seine Weiber " ; er war ein Kriegsgott , ein Höllengott , ein Tier , ein Untier , ein Satan , Alles -- er war im Stande , jetzt Alles zu unternehmen -- aber was Halfs ? --
Viel , als gerade der deutsche Herr ihn in dieser moralischen Stimmung betraf .
Solcher trug kein Bedenken , das väterliche Versprechen der Tochter für die Miniatur-Malerei wieder aufzufrischen und in Anspruch zu nehmen ; er war übrigens allwissend und schien unwissend .
Für die Sitz-Szene hatte ' Blinden er eig ne romantische Verwicklungen nach den Notizen zugeschnitten , die er aus dem Hauptmann gelockt .
Seine Kunst-Liebe gegen Lianen Gestalt hatte bisher wenig gelitten , und sein langsames An- und Umschleichen war seiner Vipern- Kälte und seiner weltmännischen Kraft gemäß .
Der alte Vater -- der im Leben wie in einem Reichsanzeiger immer einen Compagnon mit 60 , 80 Tausend Taler zu seiner Handlung suchte -- bezeugte sich nichts Weniger als abgeneigt .
Diese zwei Falken auf Einer Stange , von Einem Falkenmeister , dem Teufel abgerichtet , verstanden und vertrugen sich gut .
Der deutsche Herr gab zu erkennen , ihr Miniaturbild sei bei ihrer frappanten Ähnlichkeit mit Idoine , die wie sie niemals sitzen wollen , zu manchem Scherze bei der Fürstin behilflich , aber noch mehr seiner " Flamme " für Liane unentbehrlich , und jetzt in ihrer Blindheit könne man sie ja zeichnen ohne ihr Wissen -- und er werde unter das Bild schreiben la belle aveugle oder so etwas .
Der alte Minister goutierte wie gesagt den Gedanken ganz .
Wie die welschen Sängerinnen eine sogenannte Mutter statt eines Passes auf je Ren Reisen führen , so hielt er sich für einen solchen sogenannten Vater ; er dachte : mit dem Mädchen wird_es ohnehin wenig mehr , es liegt als totes Kapital da und verzinst sich schlecht ; ich kann den angeöhrten Patenpfennig , den der deutsche Herr bei seinem Gevatterstand mir als dem Vater anbietet wie dem Kinde den Namen , in die Tasche stecken .
Das Schelmen-Duplikat wurde in seinem Schusse und Flusse bloß durch einen Floßrechen aufgehalten , der ihnen den Raub aus den Hechtzähnen zu ziehen drohte ; eine alte , keifende , aber seelentreue Kammerjungfer aus Nürnberg war der Rechen ; diese wäre nicht von Lianen und nicht zum Schweigen zu bringen gewesen .
Bouverot freilich , ein Robespiere und Würgengel seiner Dienerschaft , hätte an Froulay's Stelle die Nürnbergerin ein Paar Tage vorher von einem Diener mit einigen komplizierten Frakturen versehen und dann auf die Gasse werfen lassen ; aber der Minister -- sein Herz war weich -- konnte das nicht ; Alles , was ihm möglich war , das war :
er berief sie auf sein Zimmer -- hielt ihr es vor , daß sie ihm sein Ohr aus Magdeburg gestohlen -- blieb mit dem anwesenden Gehör taub gegen jede Einwendung , aber nicht gegen jede Unhöflichkeit -- und fand sich endlich gar genötigt , die diebische Grobianin Knall und Fall aus dem Dienst zu jagen .
Bei jeder Nachfolgerin hatte als einer neuen , Geld Gewicht , wusste er .
Er wollte darauf die Fürstin um eine Einladung für sich und die Ministerin zu Tee und Souper bitten -- den Miniaturmaler bestellen -- das neue Kammermädchen belehren -- und Alles recht anlegen .
Zwei Tiger höhlten , nach der Legende , dem Apostel Paulus das Grab ; so scharret hier unser paar an einem für eine Heilige , um so mehr , da ich sonst nicht absehe , wozu -- wenn nichts gemacht werden soll als ein Bild -- so viele Umstände .
Aber den Vater könnt ' ich fast entschuldigen ; erstlich sagte er ausdrücklich zum deutschen Herrn , die Zofe könne seiner Meinung nach im Zimmer oder im anstoßenden passen , falls etwan die Pazientin Etwas haben wolle -- zweitens hatte der sonst weiche Mann von seinem Ministerialeschen Verkehr mit der Justiz einen gewissen Kies angesetzt , eine gewisse Grausamkeit angenommen , welche der hinter der Binde und als Areopag ohne den Anblick der Schmerzen urthelnden Themis um so natürlicher ist , da schon Diderot * ) behauptet , daß Blinde grausamer wären -- und drittens war wohl niemand mehr bereit , sein Kind , das er wie sonst angeblich Juden und Hexen Christenkinder , kreuzigte um wie jene mit dem Blute Etwas zu tun , tiefer zu betrauern , falls es stürbe , als er , da ohnehin die Eltern und überhaupt die Menschen zwar leicht das Unglück derer , die ihnen nahe liegen , aber schwer deren Verlust verschmerzen , so wie wir bei dem noch näher liegenden Haar nicht das Brennen und Schneiden , aber schmerzlich das Ausreissen desselben verspüren -- und viertens hatte Froulay immer das Unglück , daß Gedanken , die in seinem Kopfe eine leidliche , unschuldige Farbe hatten , gleich dem Hornsilber oder der guten Tinte auf der Stelle schwarz wurden , wenn sie ans Licht traten .
Sonst * )
Dessen Lettres sur les Aveugles .
Sonst -- und von diesen Milderungen abgesehen -- steckt wohl Manches in seiner Handlung , was ich nicht verteidige .
Der Abend erschien .
Die Ministerin ging am ehelichen Arme an den Hof . --
Die neue Kammerjungfer hatte als Brautführerin Bouverots schon vor drei Tagen die nötigsten Anstalten gemacht , oder Spitzbübereien -- sie hatte ihm Lianen Briefe an Albano sehr leicht , da die Mutter aus Gewohnheit ein gegenwärtiges Auge für ein sehendes hielt , vorleihen und er sich daraus die historischen Züge oder Farben- Tusche abholen können , womit er sich bei einer Erkennung auf dem Theater vor der Blinden den Anstrich ihres Helden , nämlich Albano's , geben konnte -- mit Roquairol hatte er oft genug gespielt , um dessen Stimme , mithin Albano's seine in der Gewalt zu haben .
Mich dünkt , seine Rüsttage vor dem Festabend waren zweckmäßig hingebracht .
Er konnte , da kleine Residenzen früher Tee trinken , schon so früh erscheinen als ein Miniaturmaler im September durchaus muß .
Als Titan III. O. er die stille Gestalt im Sorgestuhl erblickte , mit den entfärbten Blumenkelchen der Wangen , aber fester gewurzelt in jedem Entschluß , eine kälter gebietende Heilige :
so stieg in ihm die aus ihren Briefen zugleich gesogene Erbitterung und Entzündung miteinander höher -- nur in solchen Brusthöhlen , zugleich mit Metall- und mit Darmsaiten , mit Härte und Wollust , bespannt , ist ein solcher Bund von Lust und Galle denklich .
Bouverots ganze Vergangenheit und Lebens Geschichtsbücher müßten -- wie die von Herodot den 9 Musen -- so den 3 Parzen , jeder eines , zugeeignet werden .
Er schlich ins Fenster , setzte sich und sein Farben-Kästchen hin hastig fing zu punktieren an .
Unterdessen ließ sich Liane von ihrem sehr gebildeten , belesenen Kammermädchen aus dem zweiten Bande der oeuvres spirituelles von Fénelon vorlesen .
Zefisio'n rührte der Erzbischof gar nicht -- was er etwa von reiner Liebe ( sur le pur amour de Dieu ) vernahm , setzte er zu unreiner durch Anwendungen um und ließ sich teuflisch entzünden durch das Göttliche -- was übrigens rührend war in Lianen Bezug , ließ er an seinen Ort gestellt , da er jetzt zu malen hatte .
Häßlich leckten seine vielfarbigen Panther-Augen gleich roten , scharfen Tiger-Zungen über das süße , weiche Antlitz !
-- " Liebe Justa , höre auf , das Lesen wird Dir sau "er , Du atmest so kurz ! " sagte sie endlich , weil sie den Porträtmaler atmen hörte .
Es war für ihn kein Opfer , sondern ein Vor-Genuß , ein süßer Imbiß , den Kuß dieser zarten , kleinen Hand und Lippe und die ganze Schaustellung seines brennenden Herzens hinauszusetzen bis er ihren Abriß mit den Gift-Tinten auf das weiße Elfenbein durch die schnelle Tupfmaschine seiner Hand abpunktiret sah .
Endlich hatte er sie Bunt auf Weiß .
" Gut , " liebe Justa , ( sagte sie , ) die Gebetglocke läutet , " Du kannst Nichts mehr sehen .
-- Führe mich " lieber zum Instrument . " -- nämlich zur Harmonika .
Sie tat es .
Bouverot gab Justen einen Scheide-Wink -- sie tat es wieder .
Der gelbe Gartenkanker lief nun auf die zarte , weiße Blume zu . --
Der Cancer hörte ihren Abend Q 2 Choral nicht ohne Vergnügen und das betende Aufschlagen ihrer zerstörten Augen schien ihm eine recht malerische Idee , die der true Pointer * ) dem Elfenbein-Stück einzuverleiben beschloß , wenn_es gehen würde .
" Schöne Göttin ! " rief er plötzlich mit Albano's gestohlener Stimme unter jene heiligen Töne , die einmal Albano in einer froheren Stunde , aber edler unterbrochen hatte .
Sie horchte erschrocken auf , aber ungläubig an ihr Ohr in dieser Nacht .
Das Staunen mißfiel dem Prospektmaler -- denn ihr Gesicht war sein Prospekt-- ganz und gar nicht ; " erinnere Dich an diese Harmonika im Donnerhäuschen . "
Er verwechselte es mit dem Wasserhäuschen .
-- " Sie hier , Graf ? --
Justa ! wo bist Du ? " rief sie ängstlich .
-- " Justa , kommen Sie her ! " rief er dazu nach .
Das Mädchen folgte seiner Stimme und seinem -- Auge .
" Gnädiges Fräulein ? " fragte sie .
Aber jetzt hatte Liane nicht den * )
Die helle Kammer .
Mut , sie um die Pforte und das Einlaßbillet des Grafen zu fragen .
Mit dem Liebhaber französisch zu sprechen , ging nicht , da es die Jungfer verstand ; daher verbot man auch in Wien in den Revolutionsjahren einsichtig diese Sprache , weil sie so zuverlässig eine gewisse Gleichheit -- die Freiheit folgt -- zwischen dem Adel und der Dienerschaft pestartig ausbreitet .
Boshaft und freudig erinnerte Bouverot , dem sie jetzt über den Grafen ein brauchbares Mißtrauen zu verraten schien , das seiner Karaktermaske einen Freiern Spielraum anwies , die Sinnende an ihre Befehle für Justa ; sie mußte sie nun Licht holen lassen .
" Infidele , ( fing er darauf an , ) ich habe alle Hindernisse überwunden , um mich Ihnen zu Füßen zu werfen und Ihre Vergebung zu erflehen .
Je m' en flatte à tort peut-etre , mais je lose ( fuhr er fort heftiger durch sie gemacht ) --
O Cruelle !
de Grace , pourquoi ces regards , ces mouvements ? --
Je suits Ton Alban et il t'aime encor -- Pense à Blumenbühl , ce sejour charmant -- Ingrate , j'esperois de te trouver un peu plus reconnaissante .
-- Sonviens-toi de ce que tu m'a promis ( sagt ' er , um sie auszufragen ) quand tu me pressas contre Ton sein divin. . . . "
Eine reine Seele spiegelt , ohne sich zu beflecken , die unreine ab und fühlt unwissend die quälende Nähe , so wie Tauben , sagt man , sich in reinem Gewässer baden , um darin die Bilder der schwebenden Raubvögel zu sehen .
Der kurze Atem , der wankende Sprachton , jedes Wort und ein unerklärliches Etwas trieben das schreckliche Gespenst nahe vor ihre Seele , den Argwohn , es sei Albano nicht .
Sie fuhr auf : " wer sind Sie ?
Gott , Sie sind der Graf nicht .
Justa , Justa ! "
-- -- wäre es sonst , ( versetzt ' er kalt , ) der sich meinen Namen geben dürfte ? "
Oh , je voudrais que je ne le fusse pas .
Vous m' aves ecrit , que l'esperance est la l'une de la vie --
Ah , ma Iune s' est couchee ; Hier faßte er die Hand dieser verfinsterten , mit einem Drachen kämpfenden Sonne . --
Da entdeckten ihr seine weggenagten Fingernägel und die dürren Finger und ein vorbeistreifendes Berühren seines Ordenskreuzes den wahren Namen .
Sie riß sich schreiend los und lief weg , ohne zu sehen wohin , und geriet wieder an seine Hand .
Er riß ihre heftig an die mageren heißen Lefzen hinauf : " ja ich bin es , ( sagt ' er , ) und liebe Sie mehr als Ihr Graf mit seiner etourderie . "
" Sie sind schlecht und gottlos gegen ein blindes Mädchen -- was wollen Sie ? --
Justa ! hilft mir denn niemand ? --
Ach , du guter Gott , gib mir meine Augen !
( rief sie fliehend unwissend wohin und eingeholt . )
Bouverot !
Du böser Geist ! " rief sie abwehrend an Orten , wo er nicht war .
Er , wie das Schießpulver , kühlend auf der Zunge und sengend und zerschmetternd , wenn ihn die Gier zündete , stellte sich in einiger Schlag-Weite von ihr , warf ein Maler-Auge auf das reizende Wallen und Beugen ihres ausgestürmten Blumenflors und sagte ruhig mit jener Milde , die der ätzenden und fressenden Milch der Schwämme ähnlich ist : " nur ruhig , Schönste !
Ich bin es noch ; und was half Ihnen Alles , Kind ? "
-- Taumelnd vom Schlangenhauch der Angst fing die irre Natur zu singen an , aber lauter Anfänge .
" Freude , schöner Götterfunken . "
-- " Ich bin ein deutsches Mädchen " -- sie lief herum und sang wieder : " Kennst du das Land . "
-- " Du böser Geist ! " --
Jetzt bäumte sich die damit geschmeichelte Riesenschlange auf ihren kalten Ringen mit zückender Zunge in die Höhe , um hinzuschießen und zu umflechten :
" mon coeur ( sagte die Schlange , die immer in der Leidenschaft französisch sprach , ) volle sur cette bouche qui enchante tous les sens. " -- " Mutter !
( rief sie ) --
Karoline ! --
O Gott , lasse mich sehen , O Gott meine Augen . "
-- Da gab der Allliebende sie ihr wieder ; die Qual der Natur , die lauten Anstalten des Begräbnisses öffneten der Scheinleiche wieder das Auge .
Wie behend entflog sie aus der Marterkammer !
Das getäuschte Raubtier rechnete auf Blindheit und Verirrung fort .
Aber da Bouverot sah , daß sie leicht die Treppe zum welschen Dache hinaufstürze :
so schickte er bloß das herbeilaufende Mädchen ihr nach , damit sie keinen Schaden nehme ; und hielt jetzt wieder die bisherige Blindheit für Verstellung .
Er selber holte aus dem Zimmer den Miniatur- Riß ab und schleppte sich wie ein hungriges , verwundetes Ungeheuer verdrießlich und langsam aus dem Hause hinaus .
Zwanzigste Jubelperiode .
Gaspards Brief -- Trennungen. 86. Zykel .
" Sie sieht wieder " rief Karl im Freudenrausche am Morgen darauf dem Grafen zu , ohne sich um alle kalte Verhältnisse der letzten Zeit zu bekümmern ; und war ganz der Alte .
Seine Feindschaft war hinfälliger als seine Liebe , denn jene wohnte bei ihm auf dem Eise , das bald zerfloß , diese auf dem Flüssigen , worauf er immer schiffte .
Errötend fragte Albano , wer der Augenarzt gewesen .
" Gutgemeinter Schreck "(sagt' er ) -- ; der deutsche Herr tat als wollte " er sie malen , als meine Eltern auf Verabre " dung nicht da waren -- oder mahlt er sie " wirklich -- ich weiß jetzt Alles nur verwirrt -- " auf einmal hörte sie eine fremde Mannsstim " me und Schreck und Furcht wirkten natürlich " wie elektrische Schläge . "
Obgleich der Hauptmann alle Stimmen nur verworren unten auf dem Meersboden in sein flutendes Meer hinunterhörte :
so hatte ' er doch diesmal richtig gehört ; denn Liane hatte von ihrer Mutter das Zuhüllen der Martergeschichte errungen , um ihrem Bruder den Anlaß zu entziehen , ihr seine Liebe durch einen Zweikampf mit ihrem Widersacher zu beweisen .
Albano behielt viele Fragen über die dunkle Geschichte in seiner Brust ; und brach das Gespräch durch seine Reisebeschreibung ab .
Nach einigen Tagen hörte er , daß Liane mit ihrer Mutter die Stadt verlasse und ein über Blumenbühl liegendes Bergschloß einer alten einsamen Edelwitwe beziehe .
Auf dem reinen Lande sollte wieder Licht in ihr Leben einfallen und die mütterliche Hand sollte dessen nachdunkelnde Farben neu übermalen .
Der Minister , der wie sonst alte Menschen und alte Haare schwer zu kräuseln und zu formen war , wurde in der letzteren tiefen Fallgrube des Schicksals ganz mutlos angetroffen , so daß er Lianen , die auch darin gefangen war , nicht auffraß , sondern sie ziehen ließ .
Die ganze Geschichte wurde vor dem Publikum wie die Mauer eines Parks sehr verdeckt und umblümt .
Nur der Lektor wußte sie ganz , aber er konnte schwelgen .
Er forderte im Namen der Mutter vom deutschen Herrn das Miniaturbild zurück ; dieser gab an dessen Stadt kalte , leere Lügen ; doch konnte Augusti , von Mutter und Tochter gebeten , sich beherrschen und die Ausforderung , womit er für alles Rache nehmen wollte , ihnen opfern .
Unseren Freund traf jetzt , seitdem sein Gewissen über den Zufall des Erfolgs besänftigt war , der Schmerz über seine leere Gegenwart neu und unvermischt ; die teuerste Seele ging ihn nichts mehr an ; seine Stunden wurden nicht mehr harmonisch vom Glockenspiel der Dichtkunst und Liebe ausgeschlagen sondern einförmig von der Turmuhr der Alltäglichkeit .
Daher flüchtete er sich zu Männern und zur Freundschaft , gleichsam unter die neben dem Schutthaufen des Brandes noch grünenden Bäume ; Weiber floh er , weil sie ihn wie fremde Kinder eine Mutter , die ihres verloren , zu schmerzlich erinnerten .
Wie heiter geht dagegen ein Simultanliebhaber , der nur Allerseelen- und Allerheiligenfeste feiert , ordentlich neugeboren umher , wenn er sich endlich aus einem fassenden Herzen glücklich aufgehenkt und er nun alle weibliche Gestalten wieder mit der Ansicht eingelöster Güter überzählen kann !
Schon das Gefühl dieser Freiheit kann ihn ermuntern , sich öfter , um es wieder zu schmecken , einem weiblichen Herzen als Gefangenen zu überliefern .
Albano verlief sich an Roquairols und Schoppens Händen in wilde Männerfeste -- die das Sphären-Echo der Freude auf der Heerpauke vortragen wollen -- ; es waren nach den Rosenfesten nur die Dornenfeste .
So gibt es ein Verzweifeln , das sich mit Schwelgen hilft ; wie z. B. in der Pest zu Athen -- oder in der Erwartung des jüngsten Tages -- oder in der Erwartung des Robespierrischen Schlacht- Messers .
Der Hauptmann ging tiefer in seine alte Verworrenheit und Wildnis zurück und zog so weit er konnte , den unschuldigen Jüngling in seine Volksfeste mit sogenannten Musensöhnen , in seine immerwährende Weinlese und auf seine Freuden-Werbplätze nach , gleichsam als habe er seinetwegen nötig , den Freund ein Wenig zu sich herabzubringen .
Albano bildete sich ein , mit diesen Dythiramben sei seine weinende Seele ganz eingesungen und er wiegte sie nur noch ein wenig fort .
Indes wurden , wiewohl er_es nicht eingestehen wollte , seine jungen Rosenwangen so bleich wie eine Stirn und das Gesicht fiel wie eine Taste unter der zersprungenen Saite ein .
Es war rührend und hart zugleich , wenn er lachend unter seinen Freunden und deren Freunden saß mit einem entfärbten Gesicht -- mit höheren , schärferen Knochen der Augen und der Nase -- mit einem wildern Auge , das aus einer dunkleren Knochentiefe loderte .
Vor Musik , zumal Roquairols seiner , worin das leidenschaftliche Wogen und Werfen unseres Schiffs mit dem tonkünstlerischen abgenützten Wechsel des Dämpfers und Donners zu lebendig arbeitete , entfloh sein Ohr und Herz wie vor einer aufreibenden Sirene .
Der abgebrochene Lanzensplitter der Wunde zog in seinem ganzen Wesen nagend herum .
O , wie in den Kinderjahren , wenn ihm die Rosen-Wolke am Himmel gerade auf dem Berge aufzuliegen und so leicht zu ergreifen schien , das herrliche Gewölk weit in den Himmel zurückfuhr , sobald er den Berg erstiegen hatte :
so stand jetzt die Aurora des Lebens und Geistes , die er nahe fassen wollen , so hoch und ferne droben über seiner Hand im Blau .
Mühsam erreicht der Mensch die Alpe der idealischen Liebe , noch mühsamer und gefährlicher ist -- wie von anderen Alpen -- das Herabsteigen von ihr .
Eines Tages kam Chariton in die Stadt , bloß um ihm endlich einen Brief ihres Mannes -- denn Dian machte wie alle Künstler leichter und lieber ein Kunstwerk als einen Brief -- zu überbringen , worin er sich freute , daß er Albano so bald sehen würde .
" Er kommt also wieder ? " fragte der Graf .
Sie rief betrübt aus :
" Bei Leibe ! --
Ja das ! --
Nach seinem vorigen Schreiben bleibt er noch sein Jahr . "
-- " So verstehe ich ihn nicht , " sagte Albano .
Er wurde an demselben Abend auf herkulanische Bilderbücher -- die mit Charitons Brief Eine Post genommen hatten -- von der Fürstin eingeladen .
Sie trat ihm mit jener erheiterten Liebesmine entgegen , welche man vor einem aufspannt , der vor uns sogleich wie wir hoffen , seinen grenzenlosen Dank aus dem Herzen ziehen wird .
Aber er hatte Nichts daraus zu ziehen .
Sie fragte endlich betroffen , ob er heute keine Briefe aus Spanien erhalten .
Sie vergaß , daß die Post gegen kein Haus höflich und eilig ist als gegen das Fürstenhaus .
Da aber sein Brief schon gewiß in seinem Zimmer lag : so erlaubte sie sich , die Rolle der Zeit zu nehmen , welche Alles an den Tag bringt und sagte , was im Briefe stehe , " daß sie nämlich im " Herbste eine kleine Kunstreise nach Rom un " ternehme , auf der sie sein Vater begleiten wer " de und Er diesen , wenn Er wolle ; das sei das " ganze Geheimnis . "
-- Es war das halbe ; denn sie setzte bald darauf hinzu , daß sie der besten Zeichnerin in der Stadt am liebsten die Freude dieser Reise zuwende , sobald diese nur genese -- Lianen .
Wie Wie plötzlich das ganze Herz freudig erleuchtet wird , nach einem langen finsteren Regentage endlich Abends die Sonne sich unter dem schweren Wasser ein goldenes , offenes Abendthor wölbt , darin rein-glänzend wie in einer Rosenlaube vor der widerscheinenden Erde steht , ihr einen schöneren Tag ansagt und dann mit warmen Blicken verschwindet aus der offenen Rosenlaube :
so war es unserem Albano .
Der schöne Tag war noch nicht da , aber der schöne Abend .
Er ließ die herkulanischen Bilder unter ihrem Schutt und eilte so schnell als es die Dankbarkeit vergönnte , zum Blatte des Vaters zurück , der so selten eines gab .
Es war dieses da :
" Liebster Albano !
Meine Geschäfte und meine Gesundheit sind endlich in solcher Ordnung , daß ich meinen Plan bequem ausführen kann , den ich mit der Fürstin vorhabe , eine kleine Kunstreise nach Rom noch im Herbste zu machen , zu der ich Dich einlade und im Oktober selber abhole .
Die übrige Reisegesellschaft wird Dir nicht mißfallen , da sie aus lauter tüchtigen Kunstkennern besteht , H. v. Bouverot , H. Kunst Titan III. R Rat Fraischdörfer , H. Bibliothekar Schoppe ( wenn er will ) .
Leider muß H. v. Augusti als Lektor zurückbleiben .
Dein Lehrer in Rom ( Dian ) erwartet Dich mit vieler Sehnsucht .
Man hat mir geschrieben , daß Du die neue Hofdame der guten Fürstin , Fräul. v. Fr. , deren ich mich als einer sehr braven Zeichnerin entsinne , besonders begünstigest .
Es wird Dich daher interessieren , daß die Fürstin sie auch mitnimmt , zumal da ihr wie ich höre , eine Gesundheitsreise so nötig ist wie mir . --
Im Frühling , der ohnehin nicht die schönste Jahreszeit in Italien ist , kehrest Du wieder zu Deinen Studien nach Deutschland zurück .
-- Noch Etwas im Vertrauen , mein Bester !
Man hat meiner Mündel , der Gräfin von Romeiro , deine Geister-Visionen aus Pestiz unverhohlen mitgeteilt .
Da sie nun den Herbst und den Winter während meiner Abwesenheit bei ihrer Freundin , der Prinzessin Julienne zubringt und noch dazu eher ankommt als ich :
so lasse Dich es nicht frappieren , daß sie Deiner Bekanntschaft ausweicht , weil sich ihr weiblicher und ihr persönlicher Stolz durch den gauklerischen Gebrauch ihres Namens gekränkt und gerade zur Widerlegung der Gaukler recht aufgefordert findet .
In der Tat konnte man -- wenn die Spielerei anders einen ernsthafteren Zweck hat -- wohl kein schlechteres Mittel dazu erwählen .
-- Du wirst tun , was die Ehre gebietet und ob sie gleich meine Mündel ist , sie nicht zudringlich aufsuchen .
Alles bleibt unter uns .
Adio !
G. v. C. "
Diese Aussichten -- die erhebende , neben dem Vater so lange zu sein -- die heilende , aus dieser tiefen Asche herauszuwaten in ein freieres , leichteres Land -- die schmeichelnde , daß das kranke , geplagte Herz im Bergschlosse vielleicht in Zitronen- und Lorbeerwäldern Freude und Genesung wieder finde , auch wohl wieder gebe -- diese Aussichten waren , was die Freuden der Menschen sind , sehr schöne Spaziergänge im Hofe des Gefängnisses .
Auf diesem frohen Spaziergange störte ihn bald das Bild der kommenden Linda -- aber nicht seinet- sondern seiner armen Schwester und seines Freundes wegen .
Wie feindselig muß R 2 dieses fremde Irrlicht , dachte er , in den nächtlichen Kampf aller gegen einander rennenden Verhältnisse hüpfen !
Roquairol schien ohnehin die zu heftig liebende Rabette mit ihren einsamen Wünschen allein zu lassen ; sie schickte wöchentlich ihre durch einen Einschluß an Albano -- sonst war_es umgekehrt -- briefliche Seufzer und Tränen , die er alle kalt einsteckte , ohne von ihnen oder der Verlassenen zu sprechen .
Albano -- im Stillen Lianen und Rabatten abwägend -- beklagte selber das ungleiche Los seines übereilten Freundes , über dessen Sonnenpferde nur eine Amazone und Titanide , aber nicht ein gutes Landmädchen den Zügel werfen konnte und dessen Psyches- und Donnerwagen ihm zu gut schien zu einem bloßen ehelichen Post- oder Kinderwagen .
Erwürgend wird sich Alles Durcheinanderschlingen , dachte er , wenn er am Traualtar mit Rabatten kniend zufällig aufsieht und unter den Zuschauerinnen die unvergeßliche hohe Braut seiner ganzen Jugend findet und laut das entsagende Ja ausstammeln muß !
Er war daher zweifelhaft , ob er ihm den Inhalt des Briefs entdecken dürfe , aber doch nicht lange ; " soll ich dem Freund ( sagt ' er , ) ver " hehlen und vorgaukeln ?
Darf ich ihn als " schwach voraussetzen und die Beschleunigung " der Verhältnisse scheuen , die doch mit Ihr " kommen ? "
-- Sobald Karl zu ihm kam , sagte er ihm zuerst die Abreise und sogar die Bitte um dessen Mitreise ; bewegt von der ersten Trennung seines Jugendfreundes .
Der Hauptmann -- dessen Herz immer den Sangboden der Phantasie zum Anklang brauchte -- war auf der Stelle nicht vermögend , beträchtliche Empfindungen über den Abschied zu haben und zu malen .
Da gab ihm Albano -- über die Lippe konnte er_es nicht bringen -- den ganzen Brief .
Unter dem Lesen wurde Roquairols ganzes Gesicht häßlich , sogar in des Freundes Auge . --
Er schleuderte dann ein so flammendes Zornauge gegen Albano , daß dieser es erwiderte unwillkürlich und unwissend .
" O , wahrlich , ich verstehe
Alles ( sagte Karl ) .
So musste es sich lösen .
Warte nur bis Morgen ! "
Alle Muss keln an ihm waren rege , alle Züge irre , Alles bewegt , so wie im heftigen Gewitter kleine Wölkchen umeinander wirbeln .
Albano wollte ihn fragen und halten .
" Morgen , morgen ! " rief er und stürmte davon .
87. Zykel .
Am Morgen erhielt Albano einen sonderbaren Brief von Roquairol , zu dessen Verständnis einige Nachrichten von seinem Verhältnis mit Rabatten vorausstehen müssen .
Nichts ist schwerer , wenn man seinen Freund recht liebt , als dessen Schwester kaum anzusehen .
Nichts ist leichter -- nur das Umgekehrte ausgenommen -- als nach der Entzauberung durch Stadtherzen die Bezauberung durch Landherzen .
Nichts ist einem Simultanliebhaber , der Alle liebt , natürlicher als die Liebe gegen Eine darunter .
Es braucht nicht erwiesen zu werden , daß der Hauptmann in allen drei Fällen auf einmal gewesen , da er zum erstenmal zu Rabatten sagte , sie habe sein sogenanntes Herz .
Sie hätte freilich die Hamädryade in einem solchen Giftbaum , durch dessen Saft so viele Amors Pfeile vergiftet wurden , nicht so nahe anbeten sollen ; aber sie und ihre meisten Schwestern werden von den männlichen Vorzügen gegen den männlichen Mißbrauch davon verblendet .
Anfangs ging Manches gut ; die reine Unschuld seiner Schwester und seines Freundes warf ein fremdes Zauberlicht auf den widernatürlichen Bund .
Das Vorzüglichste war , daß er als Konzertmeister seiner Liebe wenig mehr von Rabatten bedurfte als die -- Ohren ; Lieben war bei ihm Sprechen und Handlungen sah er bloß für die Zeichnung unserer Seele , Worte aber für die Farben an .
Es gibt eine doppelte Liebe , die der Empfindung , und die des Gegenstandes . --
Jene ist mehr die männliche , sie will den Genuß ihres eigenen Daseins , der fremde Gegenstand ist ihr nur der mikroskopische Objekt- oder Subjekt-Träger , worauf sie ihr Ich vergrößert erblickt ; sie kann daher leicht die Gegenstände wechseln lassen , wenn nur die Flamme , in die sie als Brennstoff geworfen werden , hoch fortlodert ; und durch Taten , die immer lang , langweilig und bei schwerlich sind , genießet sie sich weniger als durch Worte , die sie zugleich malen und mehren .
Hingegen die Liebe des Gegenstandes genießet und begehret Nichts als das Glück desselben , ( so ist meistens die weibliche und elterliche , ) und nur Handlungen und Opfer tun ihr Genüge und wohl ; sie liebt , um zu beglücken , wenn jene nur beglückt , um zu lieben .
Roquairol hatte sich längst der Liebe der Empfindung gewidmet .
Daher musste er so viel Worte machen .
Überhaupt wurde sein Herz erst durch den Transport über die Zunge und Lippe recht feurig und trinkbar ; am Rheinfall wäre er nicht von der besten nämlich gerührtesten Laune gewesen , bloß weil er zum Lobe desselben -- da der Fluß Alles überdonnert -- Nichts hätte vorbringen können , vor erhabenem Lärm .
Sein Roman mit Rabatten nach der Liebes-Erklärung war in verschiedene Kapitel abgeteilt .
Das erste Kapitel bei ihr versüßte er sich dadurch , daß sie ihm neu war und zuhörte und bewundernd gehorchte .
Er schilderte ihr darin große Stücke von der schönen Natur ab , mischte einige nähere Rührungen dazu und küßte sie darauf ; so daß sie seine Lippen wirklich in zwei Gestalten genoß , in der redenden und in der handelnden ; von ihr wollte er wie gesagt nur ein Paar offene Ohren .
In diesem Kapitel nahm er noch einige Möglichkeit ihrer -- Heirat an ; die Männer vermengen so leicht den Reiz einer neuen Liebe mit dem Wert und der Dauer derselben .
Er machte sich an sein zweites Kapitel und schwamm darin selig in den Tränen , aus denen er es zu schreiben suchte .
In der Tat gewährte ihm diese Augenlust mehr wahre Freude als fast die besten Kapitel .
Wenn er so neben ihr saß und trank --
denn wie ein totes Fürsten-Herz begrub er gern sein lebendes in Kelche -- und nun anfing zu malen sein Leben , besonders seinen Tod , und seine Leiden und Irrtümer vorher und seinen Selbst- und Knabenmord auf der Redoute und seine weggestoßene Liebe für Linda : wer war da mehr zu Tränen bewegt als er selber ?
-- Niemand als Rabette , deren Augen -- durch ihren Va ter und Bruder so wenig mit Männertränen bekannt geworden als mit Elephanten- , Hirsch- und Krokodilstränen -- desto reicher in seine Trauer und Liebe , aber nicht so süß als bitter überströmten .
Das goß wieder neues Öl in seine Flamme und Lampe , bis er am Ende wie jener Schüler des Hexenmeisters von Goethe die Besen , welche Wasser zutrugen , nicht mehr regieren konnte .
Poetische Naturen haben eine mitleidige ; gleich der Justiz besolden sie neben der Folterbank einen Wundarzt , der die gebrochenen Glieder sogleich wieder ordnet , ja sogar vorher die Stellen der Quetschungen reguliert .
Der Mann sollte nie seinetwegen , ausgenommen vor Entzückung , weinen .
Aber Dichter und alle Leute von vieler Phantasie sind Zauberer , welche -- gerade als Widerspiele der verbrannten Zauberinnen -- leichter weinen , obwohl mehr vor Bildern als vor dem rohen , wunden Unglück selber , um die armen Zauberinnen auf die schlimmste Wasserprobe zu setzen .
Trauet nicht !
Auf dem Machinel len-Giftbaum werden die Regentropfen giftig , die von seinen Blättern rollen .
Indes muß es nie verschwiegen werden , daß der Hauptmann in diesem zweiten Kapitel seinen Entschluß bestärkte , die gute und so weiche Rabette wirklich zu -- ehelichen ; " du weißt , ( sagt ' er zu sich , ) was im Ganzen an den Weibern ist , ein Paar Mängel auf oder ab tun wenig ; deine männliche Narrheit , sie wie die Zins- und Deputattiere ohne Fehl zu fordern , ist doch wohl vorüber , Freund . "
-- Jetzt setzt ' er sich hin , um zu seinem dritten Kapitel einzutunken worin er spaßte .
Seine Lippen-Allmacht über das zuhorchende Herz erquickt ihn dermaßen , daß er häufige Versuche machte , ob sie sich nicht halb tot lachen könnte .
Weiber nehmen in der Liebe aus Schwäche und Feuer das Lachkraut am leichtesten ; sie halten den komischen Heldendichter noch mehr für ihren Helden , -- und beweisen damit die Unschuld ihres Auslachens .
Aber Roquairol liebte die Lachende weniger .
In seinem vierten Kapitel -- oder Sektor , oder Hundsposttag , oder Zettelkasten , oder wie ich sonst ( lächerlich genug ) statt der Zykel Abteile -- in seiner vierten Jubelperiode sage ich , hielte es , so zu sagen , härter mit ihm .
Rabette würde es endlich gewohnt und satt , daß er immer abstieg und den zwischen den Rädern hängenden Teertopf der Tränendrüse aufmachte , um den Trauerwagen zu teeren .
Tiefes Rühren und Bewegen wurde ihm täglich saurer gemacht und vergället , er mußte immer längere und grellere Trauerspiele geben .
Da fing er an zu merken , daß die Zunge des Landmädchens nicht eben die größte Landschaftsmalerin , Seelenmalerin und Silhouettrice sei und daß sie zu ihm wenig mehr zu sagen wisse als : Du mein Herz !
Er machte deshalb im vierten Kapitel seltenere Besuche ; das half wieder viel , aber kurz .
Glücklicher Weise gehörte die halbe Meile von Pestiz nach Blumenbühl zu Rabettens Schönheitslinien und Strahlen in der Stadt , in Einer Straße oder gar unter Einem Dache wäre er zu kalt geblieben vor Nähe .
Die natürlichste Folge aus einem solchen Kapitel ist das fünfte , oder das Wechselkapitel , das einige Flammen noch durch den immer schnelleren Wechsel von Vorwürfen und Versöhnungen aufbläst , so daß beide sich wie elektrische Körper kleine , wechselnd anziehen und abstoßen .
Zuweilen trank er Nichts und fuhr sie bloß an , zuweilen nahm er sein Glas und sagte zu ihr :
Ich bin der Teufel , Du der Engel .
Den größten Stoß gab seiner Liebe sein Vater durch den Beifall , den er ihr wider Verhoffen schenkte .
Dem Hauptmann war gänzlich so als begeh' er die Silberhochzeit , wenn er einmal die goldene feiere .
Im Dienste der Liebesgöttin wird man leichter kahl als grau ; er war schon gegen die Silberbraut moralischkahl .
Zum Glücke trieb er kurz vor dem Flammensonntag in Lila * ) alle Vernachlässigungen und Sünden so weit , daß er am Sonntag im Stande war , sie zu verfluchen ; nur nach Zürnen und Sündigen konnte er leichter lieben und beten , wie der kriechende Springkäfer sich nur aufschnellt , auf den Rücken gekehrt .
Es ist wohl * )
Wo Albano zum letztenmal selig mit Lianen war . wenigen Lesern aus jenem Sonntag entfallen , wenigstens entgangen -- daß Roquairol Morgens mit Rabatten im Flötentale gesessen -- daß Rabette da beklommen und einsam gesungen -- und daß er aufgelöst seinem von der Liebe verherrlichten Freunde aufgestoßen .
Die Tal-Sache ist natürlich : nach so langem Kühl- ( nicht Kalt- ) Sinn -- an diesem luftigen , freien Otaheiti-Tage -- bei so Vielem was er in den Händen hatte ( eine fremde -- und eine Flasche . ) -- neben ihrem Herzen so warm und doch so ruhig wie die Sonne droben -- neben der einsamen Waisen-Flöte , die er rufen ließ -- und bei seinem herzlichsten Wünsche , von einem solchen Tage und Himmel etwas zu profitieren -- -- da sah er sich ordentlich genötigt , wahre Rührung vorzuholen , über seine Vergangenheit sich auszulassen ( er glich den alten Sprachen , die nach Herder viele Präterita und kein Präsens haben ) -- ja über seinen Tod ( auch ein Bruchstück der Vergangenheit ) -- und dann wie auf einem Himmelswege weiter zu gehen .
Freilich ging er nicht weit ; er ließ wieder sein H. Januars Blut flüssig werden , nämlich seine Augen , und also vorher sein eigenes und forderte dann der entzückten , im schönsten Himmel umhergeschleuderten Seele nichts Geringeres ab als -- da sie vor dem zugeworfenen Schnupftuch verstummte wie der Kanarienvogel unter dem übergeworfenen -- ein schwaches Singen .
Rabette konnte nicht singen , sie sagte es , sie weigerte sich , sie sang endlich ; aber sie dachte unter dem leeren Singen an Nichts weiter als an ihn und sein wildes , nasses Gesicht .
Das schlimmste Kapitel unter allen , die er in seinen Roman brachte , ist wohl das sechste , das er in der Illuminationsnacht in Lila niederschrieb .
Anfangs hatte er die stumme , glanzlose Zuschauerin einsam stehen lassen , indem er hinter dem Venuswagen voll fremder Göttinnen nachlief und aufsprang .
Allmählich kroch Eine Freude nach der anderen herzu und gab ihm den Tarantelbiß , dem ein krankes Toben folgte .
Da Mäßigkeit eine wahre stärkende Arznei des Lebens ist :
so nahm er zu dieser kräftigen Arznei , um sie nicht in immer stärkeren Dosen brauchen zu müssen , ungemein selten die Zu flucht und gewöhnte sich durchaus nicht an sie .
Endlich erschienen an ihm wie am sinesischen Porzellan * ) die Gestalten durch Füllen ; er trat mitleidend und liebend zu Rabatten und glaubte mit ihr , gegen sie weich oder gut zu sein , da er_es bloß gegen Alle war .
Er wollte sie aus dem feindlichen Augen- Heer entführen , um bei ihr den Kuß zu suchen , dem das Verbot und die Entbehrung wieder den Honig gab ; aber sie weigerte sich , weil da , wo das Auge aufhört , der Verdacht anfängt , als er zum Unglück die Blinde aus Blumenbühl ansichtig wurde und zur scheinbaren Wache Rabettens rufen konnte , um diese aus der Versuchung unter Menschen in die Versuchung in der Wüste zu führen .
Sie ungestüm-liebend an sich drückend wie nie -- daß die arme , diesen Abend so verlassene Seele über die Wie * )
Die Sineser konnten sonst auf Porzellan Fische und andere Gestalten malen , die nur sichtbar wurden , wenn man das Gefäß anfüllte .
Lettres edifiantes etc. XII. recueil .
Wiederkehr aller ihrer Freuden weinte -- und zu ihr redend wie ein Engel , der wie keiner handelt , gelangt er mit ihr im stillen Tartarus , wo alles blind und stumm war , unwillkürlich an .
Rabette hatte die Blinde nicht entlassen ; aber als sie in den Katakombengang eingingen der nur zwei Personen fasset , wenn nicht die dritte im Wasser schleichen will , wurde die augenlose Magd an die Pforte gestellt , um so_mehr da er sich nicht gern von einer überflüssigen Zuhörerin wollte hemmen lassen .
Und was war denn mitten im Guckkasten des Grabes auch zu scheuen ?
Drinnen sprach er über die überall ausgestreckten Zeigefinger des Todes " und daß sie hinwiesen , das Leben , so dumm es auch sei , nicht noch dümmer zu machen , sondern lustig . "
Er setzte sich mit ihr liebkosend -- wie der Würgengel unsichtbar neben dem blühenden Kinde sitzt , das im alten Gemäuer spielt und dem er den schwarzen Skorpion in die zarten Händchen drückt -- ; es war die Stelle , wo er mit Albano , gegenüber dem Gerippe mit der Äolsharfe , in der ersten Bundesnacht gesessen , als Titan III. S ihm der Freund die Entsagung Linda's beschwor .
Seine Zunge strömte wie sein Auge -- Er war weich wie nach dem Volksglauben Leichen weich sind , denen Traurede nachsterben -- Er warf Feuer-Kränze in Rabettens Herz , aber sie hatte nicht wie er Wortströme zum Löschen -- sie konnte nur seufzen , nur umarmen ; und die Männer versündigen sich am leichtesten aus Langeweile an guten , aber langweiligen Herzen -- Schneller sprangen Lachen und Weinen , Tod und Scherz , Liebe und Frechheit ineinander über ; das moralische Gift macht die Zunge so leicht als physisches sie schwer -- Die Arme ! die jungfräuliche Seele ist eine reife Rose , aus der , sobald Ein Blatt gezogen ist , leicht alle gepaarte nachfallen ; seine wilden Küsse brachen die ersten Blätter aus -- Dann sanken andere -- Umsonst wehet der gute Genius fromme Töne aus der Harfe des Todes und rauschet zürnend im Orkus-Flusse der Katakombe herauf-- Umsonst !-- Der schwärzeste Engel , der gern foltert , aber lieber Unschuldige als Schuldige , hat schon vom Himmel den Stern der Liebe gerissen um ihn als Mordbrand in die Höhle zu tragen .
Der Wehrlosen enges , armes Lebens-Gärtchen , worin nur wenig wächst , steht auf dem langen Minengang , der unter Roquairols ausgedehnten Lustlagern wegläuft ; und der schwärzeste Engel hat die Minen-Lunte schon angesteckt -- Feurig frisst der gierige Punkt sich weiter .
Noch steht ihr Gärtchen voll Sonnenschein und seine Blumen wiegen sich -- der Funke nagt ein wenig am schwarzen Pulver , plötzlich reisset er einen ungeheuren Flammen-Rachen auf -- Und das grüne Gärtchen taumelt , zersprengt , zerstäubt , in schwarzen Schollen aus der Luft herab an ganz fernen Stellen -- Und das Leben der Armen ist Dampf und Gruft . -- --
Aber Roquairols ausgebreiteten , weiten und zusammengewurzelt Lust-Parks widerstanden dem Erdstoße viel kräftiger .
-- Beide traten dann betrübt --
denn dem Hauptmann war eine kleine Laube aufgeschleudert -- aus dem Minirgange heraus , trafen aber die Blinde nicht mehr an , die suchend sich verlaufen hatte , sondern stießen nur dem umherirrenden Albano auf , der sehr trauerte und tobte , ob er S 2 gleich diesen Abend Nichts verloren hatte als -- Freuden .
Lasst uns die Betrogene und ihre Mit- Millionen mit einigen Worten vor einen milden Richter führen ! --
Nicht Das allein wird dieser Richter wiegen , daß sie , vom Blütenstaube eines rauchenden Freuden-Frühlings betäubt , stumm-erstickt mit dem jungfräulichen Schleier , erlegen dem Sturm der Phantasie -- da Weiber um so leichter vor der fremden und poetischen fallen , je seltener ihre eigene weht und ihnen das Feststehen angewöhnt -- den Lohn eines ganzen jungfräulichen Lebens sterben ließ :
sondern Das mildert am stärksten das Urteil , daß sie Liebe im Herzen trug .
Warum erkennt es denn das Männer-Geschlecht nicht , daß die Liebende in der Stunde der Liebe ja Nichts weiter tun will als Alles für den Geliebten , daß die Frau für die Liebe alle Kräfte , gegen sie so kleine hat und daß sie mit derselben Seele und in derselben Minute eben so leicht ihr Leben hingäbe als ihre Tugend ? --
Und daß nur der fodernde und nehmende Teil schlecht sei , besonnen und selbstsüchtig ?
Das letzte oder siebente Kapitel seines Räuberromans ist sehr kurz und widersprechend .
Den dritten Tag besucht er sie in ihrem Garten , war zärtlich , vernünftig , nüchtern , zurückhaltend als wäre er ein Ehemann .
Da er sie voll Kummer fand , den sie doch nur halb aussprach : so kam er aus Angst für ihre Gesundheit mehrmals wieder ; und als diese nicht im Geringsten gelitten , blieb er -- weg .
Gegen Albano war er während besagter Angst demütig ; und nach derselben wie sonst , aber nicht lange .
Denn als seine Schwester , die er vielleicht unter allen Menschen am reinsten liebte , durch Albano's Wildheit erblindete : warf er , eben wegen der Ähnlichkeit der Schuld , auf diesen einen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle dessen Verwandte .
Rabette bekam jetzt Nichts weiter von ihm als -- Briefe und Entschuldigungen , kurze Gemälde seiner wilden Natur , die freien Spiel-Raum haben müsse und die einer fremden angeheftet , diese bloß eben so sehr mit der Kette zerschlagen und drücken müsse als sich selber .
Alle Einwürfe Rabettens wusste er so gut zu heben , da sie nur in Worten , und nicht in Minen und Tränen bestanden , daß er am Ende selber einsah , er habe Recht ; und der von diesem stürzenden , glatten Maibaum erschlagenen Maiblume blieb fast Nichts übrig als das rechte letzte Wort , nämlich die stumme Lippe , die es dem Mörder nicht erst meldet , daß er das Herz getroffen und zerstöret habe .
88. Zykel .
Hier ist Roquairols Brief an Albano :
" Einmal muß es geschehen , wir müssen uns sehen wie wir sind und dann hassen , wenn es sein muß .
Ich mache Deine Schwester unglücklich , Du meine und mich dazu ; das hebt sich auf gegenseitig .
Du verzerrest Dich aus meinem Engel immer heftiger zu meinem Würgengel .
Würge mich denn , aber ich packe Dich auch .
Jetzt sieh mich an , ich ziehe meine Maske ab , ich habe konvulsivische Bewegungen auf dem Gesicht , wie Leute , die genossenen Gift überstanden !
Ich habe mich in Gift betrunken , ich habe die Giftkugel , die Erdkugel verschluckt .
Frei heraus !
Ich jauchze nicht mehr , ich glaube Nichts mehr , ich jammere nicht einmal recht tapfer .
Ausgehöhlt , verkohlt vom phantasti schen Feuer ist mein Baum .
Wenn so zuweilen die Eingeweidewürmer des Ich_es , Erbosung , Entzückung , Liebe und dergleichen wieder herum kriechen und nagen , und einer den anderen frisst :
so sehe ich vom Ich herunter ihnen zu ; wie Polypen zerschneide und verkehr ich sie , stecke sie ineinander .
Dann sehe ich wieder dem Zusehen zu und da das ins Unendliche geht , was hat man denn von Allem ?
Wenn Andere einen Glaubens-Idealismus haben , so habe ich einen Herzens-Idealismus , und jeder , der alle Empfindungen oft auf dem Theater , dem Papier und dem Erdboden durchgemacht , ist so .
Wozu dient ? --
Wenn du jetzt stürbest , sage ich mir oft , so wäre ja Alles , da alle Radien des Lebens in den kleinen Punkt eines Augenblicks zusammenlaufen , weggewischt , unsichtbar ; mir ist dann , als wäre ich Nichts gewesen .
Oft sehe ich die Berge und Flüsse und den Boden um mich an und mir ist , als könnten sie jeden Augenblick auseinander flattern und verrauchen und ich mit .
Das künftige Leben , da das anwesende kaum eines ist , und Alles , was daran hängt , gehört unter die Entzückungen , denen man zusieht ; zumal unter einer , in der Liebe .
Da Du so leicht jede Verschiedenheit von Dir für Entkräftung hältst :
so sage ich Dir gerade heraus : steige nur weiter , knete Dich nur mehr durch , hebe nur den Kopf aus den heißen Wogen der Gefühle höher , dann wirst Du Dich nicht mehr in sie zerlaufen , sondern sie allein verwalten lassen .
Es gibt einen kalten , kecken Geist im Menschen , den Nichts etwas angeht , nicht einmal die Tugend ; denn er wählt sie erst und er ist ihr Schöpfer , nicht ihr Geschöpf .
Ich erlebte einmal auf dem Meer einen Sturm , wo das ganze Wasser sich wütend und zackig und schäumend aufriß und durcheinanderwarf , indes oben die stille Sonne zusah ; -- so werde !
Das Herz ist der Sturm , der Himmel das Ich .
Glaubst Du , daß die Romanen- und Tragödienschreiber , nämlich die Genies darunter , die Alles , Gottheit und Menschheit , tausendmal durch- und nachgeäfft haben , anders sind als ich ?
Was sie -- und die Weltleute noch reell erhält , ist der Hunger nach Geld und nach Lob ; dieser fressende Magensaft ist der tierische Leim , der hüpfende Punkt in der weichen Fluß-Welt und Fließ-Welt .
-- Die Affen sind Genies unter dem Vieh ; und die Genies sind -- nicht bloß vor höheren Wesen , wie Pope von Newton sagt -- sondern auch hier unten Affen , im ästhetischen Nachmachen , in der Herzlosigkeit , Bosheit , Schadenfreude , Wollust und -- Lustigkeit .
Letztere und Vorletztere beding ich mir aus .
Gegen die Longueurs im Lebens-Buche , das kein Mensch versteht , gibt_es Nichts als einige lustige Stellen , an die ich nicht mehr denke , sobald ich sie gelesen .
Um nur wegzukommen über das höckerige , kalte Leben , will ich doch mir lieber Rosenkelche als Dornenreiser unterstreuen .
Die Freude ist schon Etwas wert , weil sie Etwas verdrängt , ehe man sich mit schwerem Haupte niederlegt ins Nichts .
So bin ich ; so war ich ; da sah ich Dich und wollte Dein Du werden -- aber es geht nicht , denn ich kann nicht zurück , aber Du vorwärts , Du wirst mein Ich einmal -- und da wollte ich Deine Schwester lieben !
Sie ver zeihe es mir !
Hier trinke reinen Wein !
Ich weiß am besten , wie weit es mit den Weibern geht -- wie ihre Liebe beglückt und beraubt -- wie jede Liebe sich gleich anderem Feuer an viel besserem Holze entzündet als ernährt -- und wie überall der Teufel Alles holt , was er bringt . -- --
O , warum kann denn keine Frau nur soweit und nicht weiter lieben als man haben will ?
Gar keine ? -- Meinetwegen ; überall wollen schlaffe Prediger uns von jeder vergänglichen Lust abhalten durch die nachfahrende Unlust .
Ist denn die Unlust nicht auch vergänglich ? --
Rabette meinte es gut mit mir , aus demselben Grunde des Wunsches , warum ich_es mit ihr und mir so meinte .
Aber , weiß es denn Jemand , welche Fegfeuer-Stunden man mit einem fremden Herzen durchwatet , das voll ist , ohne zu füllen und dessen Liebe man am Ende hasset-- vor welchem , aber nicht mit welchem man weint und nie über Gleiches und dem man sich jede Rührung zu enthüllen scheuet , aus Furcht , sie in Nahrung der Liebe verwandelt zu sehen -- aus dessen Zorn man den größeren Zorn und aus dessen Liebe man den kleineren saugt ?
-- Und nun vollends auf immer in diese Peinlichkeit die heiteren Verhältnisse eingeschraubt , die uns sonst über die peinlichen emporhalten sollen -- auf immer das lang gewünschte Götter-Glück des Lebens in einen platten Schein und Kupferstich verkehrt , -- das Herz in eine Brust und Larve -- das Mark des Daseins in spitze Knochen -- Und doch bei allen Vorwürfen der Kälte nur ans Schweigen gekettet , unschuldig und stumm auf die Folter gebunden -- und Das eben ohne Ende ! --
Nein , lieber den Wahnsinn her , den man aus dem Tempel der Liebe sowohl wie der Eumeniden holt !
Lieber recht unglücklich-entbrannt , ohne Hoffnung , ohne Laut , bis zur Bleichheit und Wut als so geliebt- nicht liebend ! --
Wer einmal in dieser Hölle brannte , Albano , der -- fährt immerfort in sie ; das ist das neue Unglück .
Verschmerze ich nicht das Leben und den Tod und die Wunden und Stacheln vorher und bin gewiß nicht schwach ? --
Doch bin ich nicht im Stande , einer empfindsamen Rede -- oder Klavierphantasie -- oder Vorlesung oder Vor Singung Einhalt zu tun , und wenn mir der Schmerz in Person eine von allen Göttern unterschriebene Drohung vorhielte , daß eine Zuhörerin , die ich nicht leiden kann , sogleich darauf meine Liebhaberin würde und daraus meine Geliebte und Hölle .
Die Griechen gaben dem Amor und dem Tode dieselbe Gestalt , Schönheit und Fackel ; für mich ist_es eine Mordfackel , aber ich liebe den Tod und darum den Amor .
Längst war mir mein Leben eine tragische Muse ; gern gebe ich dem Dolche einer Muse die Brust ; eine Wunde ist fast ein halbes Herz . --
Höre weiter !
Rabette hat eine schöne Natur und folgt ihr , aber meine ist für sie eine Wolke mit leerer , vergänglicher Bildung und Gestalt ; sie versteht mich nicht .
Könnte sie es , so vergebe sie mir am ersten .
O , ich habe sie wohl mißhandelt , als wäre ich ein Schicksal und sie ich .
Zürne , aber höre .
In der Illuminationsnacht führte ihre Sehnsucht und meine Leerheit im Feuerregen der Freude uns wärmer aneinander -- unter den glattgepanzerten und mattgeschliffenen Hofgesichtern blühte ihr aufreche tiges so schön und so lebendig , wie ein frisches Kind auf der Bühne und am Hofe -- Wir gerieten in den Tartarus -- Wir saßen an der Stelle , wo Du mir Deinen Verzicht auf Linda geschworen -- In meinen Sinnen glühte der Wein , in ihren das Herz -- O , warum hat sie , wenn man spricht und strömt , keine andere Worte als Küsse und macht einen sinnlich aus Langeweile -- und zwingt zum Sprechen ihrer Sprache ? --
Meine wahnsinnige Kühnheit , die mir die Phantasie und der Rausch einhauchen und die ich kommen sehe und doch erwarte , ergriff mich und trieb mich wie einen Nachtwandler . --
Aber immer ist Etwas in mir hellblickendes , das selber das Zuggarn des Wahnsinns strickt , über mich wirft und mich verhüllt darin führt .
-- So sieh mich in jener Nacht mit dem brennenden Netz um das Haupt , der Totenbach murmelt zu mir , das Skelett greift durch die Harfe --
Aber umschlungen , vergittert , verdunkelt , geblendet vom Feuer-Geflechte der Lust acht ' ich weder Vernichtung noch Himmel noch Dich und jenen Abend , sondern ich schlinge Alles durcheinander und ins Geflechte -- Und so sank die Unschuld Deiner Schwester ins Grab und ich stand aufrecht auf dem Königssarg und ging mit hinunter .
Ich verlor Nichts -- in mir ist keine Unschuld -- ich gewann Nichts -- ich hasse die Sinnenlust ; -- der schwarze Schatte , den einige Reue nennen , fuhr breit hinter den weggelaufenen bunten Luftbildern der Zauberlaterne nach ; aber ist das Schwarze weniger optisch als das Bunte ?
Verdamme Deine arme Schwester nicht ; sie ist jetzt unglücklicher als ich , denn sie war glücklicher ; aber ihre Seele ist unschuldig geblieben .
Bewahrt lag ihre Unschuld in ihrem Herzen wie ein Kern in der steinigen Pfirsichschale ; der Kern selber zersprengte in der nährenden , warmen Erde seinen Panzer und drängte sich grünend ans Licht .
Ich besuchte sie nachher .
Alle ihre Seelenschmerzen gingen in mich über ; zu allen Taten und Opfern für sie fühlte ich mich leicht ; aber zu keinen Empfindungen .
Macht was Ihr wollt , Du und mein Vater , ich werde mich in diesem dummen Stoppel-Leben , wo man in der Freiheit so wenig erntet , nicht vollends in das enge dreißigjährige Gehege der Ehe bannen .
Bei Gott ! für den erbärmlichen erpreßten Sinnen-Rausch habe ich schon bisher und unter ihm mehr ausgestanden als er wert ist .
Nicht Das , was ich gestern bei Dir gelesen , gibt mir diesen Entschluß -- das frage Rabatten über ihn -- und meine Freimütigkeit gegen Dich ist ein Willkürliches Opfer , da die Mysterie unter zwei hätte ohne mich eine bleiben können :
sondern ich will nicht von Dir verkannt sein , gerade von Dir , der Du , bei so wenigen Reflexen deines Inneren , so leicht nachteilig vergleichst und nicht merkst , daß Du meine Schwester in Lila gerade so , nur mit geistigeren Armen , opfertest und ihre Augen und Freuden in den Orkus warfst .
Ich tadle Dich nicht ; das Schicksal macht den Mann zum Unter-Schicksal des Weibes .
Die Leidenschaften sind poetische Freiheiten , die sich die moralische nimmt .
Du hieltest mich doch nicht für zu gut , ich bin Alles , wofür du mich nahmst , nur aber noch mehr dazu ; und das Mehr- Dazu fehlt Dir noch selber .
O , wie fliegt mein Leben schneller , seit ich weiß , daß Sie * ) kommt !
Das Schicksal , das so oft Gewicht und Räder spielt und den Perpendikel des Lebens mit eigener Hand auswirft , hebt den meinigen aus und alle Räder rollen der seligen Stunde unbändig entgegen .
Sie ist meine erste , meine reinste Liebe ; vor ihr riß ich alle meine blühenden Jahre aus und warf sie ihr hin auf ihren Weg als Blumen ; für Sie opfer ich , wage ich , tue ich Alles , wenn Sie kommt .
O , wer in der leeren Schaum- und Gaukel-Liebe Nichts fürchtet , was sollte der in der rechten , lebendigen Sonnen-Liebe scheuen oder weigern ?
-- Du Engel , du Würgengel , Du flogst herein in mein kahles , ebenes Leben .
Du fliehst und erscheinst , bald hier , bald da , auf allen meinen Steigen und Auen , o verweile nur so lange bis ich vor Deinen Füßen mir mein Grab aufgewühlt habe , während Du zu mir heruntersahst ! -- Albano , ich schaue die Zukunft und greif ihr * ) Linda . ihr vor ; ich sehe recht deutlich das lange über den ganzen Strom gespannte Netz , das Dich fassen , schnüren und würgen soll ; Dein Vater und noch Andere ziehen darin Euch beide einander zu , Gott weiß warum . --
Darum , kommt Sie jetzt und dein Reisen ist nur Schein . --
Meine arme Schwester ist bald besiegt , nämlich ermordet ; besonders da man dazu bei ihrem Geisterglauben keine andere Stimme braucht als jene körperlose , die über dem alten Fürstenherzen dem Deinigen die Grenze anwies !
Welche Lichter in der Zukunft , die zwischen finsteren Verhältnissen und Gebüschen , in Mord- Winkeln brennen ! --
Wie es sei , ich trete in die Höhlen hinein ; ich danke Gott , daß das ohnmächtige , kalt-schwitzende Leben wieder einen Herzschlag , eine Leidenschaft gewinnt ; und dann oder jetzt tue gegen mich , der ich sicher und versteckt und unredlich handeln konnte , was Du magst .
Schlage Dich heute oder morgen mit mir .
Es soll mich freuen , wenn Du mich in den längsten Schlaf auf den Rücken bringst .
O , das Opium des Lebens macht nur Anfangs lebhaft , dann schläfrig , o so schläfrig !
Gern Titan III. T will ich nicht mehr lieben , wenn ich sterben kann .
Und so ohne ein Wort weiter , hasse oder liebe mich , lebe aber wohl !
Dein Freund oder Dein Feind . " 89. Zykel .
" Mein Feind ! " rief Albano .
Der zweite heiße Schmerz schlug vom Himmel in sein Leben ein und der Wetterstrahl brannte grimmig wieder hinauf .
Als ein herzloser Rumpf der vorigen Freundschaft war ihm Roquairol vor die Füße geworfen ; und er fühlte den ersten Haß .
Diese Giftmischung von sinnlicher und geistiger Schwelgerei , dieser Gärbottich von Sinnenhefe und Herzens-Schaum -- dieser Vertrag von Liebes- und Mordlust und gegen dasselbe schuldlose Herz -- dieser geistige Selbstmord des Gemüts , der nur ein luftiges , umherschweifendes , sich wechselnd verkörperndes Gespenst übrig ließ , auf das kein Verlaß mehr bleibt und das ein tapferer Mann schon zu hassen anfängt , weil er diesen weichen Gift-Nebel nicht packen und bekämpfen kann -- das Alles erschien dem Grafen , der ohne die Übergänge und Mitteltinten der Gewohnheit und Phantasie aus dem vorigen Lichte der Freundschaft in diese Abenddämmerung geführt wurde , noch schwärzer als es war .
Neben die flache Wunde , die sein Familienstolz in der mißhandelten Schwester empfing , kam die tiefe giftige , daß Roquairol ihn mit sich und Lianen Zerstörung mit Rabettens ihrer verglich .
" Bösewicht ! " knirschte er ; auch die kleinste Ähnlichkeit schien ihm eine Verleumdung .
Allerdings hatte Roquairol an ihm sich verrechnet und seine poetische Selbst-Verdammnis zu sehr auf Rechnung eines poetischen Richterspruchs aufgesetzt .
Wie man im Geräusche unwissend lauter spricht , so wußte er , wenn die Phantasie mit ihren Katarakten um ihn brauste , nicht recht was er rief und wie stark .
Da er oft doch weniger Schwärze an sich fand als er schilderte :
so setzte er voraus , der Andere finde dann sogar noch weniger als er selber .
Auch hatte er im poetischen und sündigen Taumel sich am Ende das moralische Zifferblatt selber beweglich gemacht , daß es mit dem Zeiger T 2 ging ; in dieser Verwirrung wurde ihm nicht gezeigt , wo Unschuld war .
Hätte er vorausgesehen , daß seine brieflichen Beichten in feindlicheren Winkeln an- und abprallen würden als einstmals seine mündlichen :
er hätte sie anders gerichtet .
Vor Erschütterung konnte Albano nicht sogleich den kurzen Scheidebrief -- keinen Fehdebrief -- an den Verlorenen schreiben , sondern zögerte in der Gewißheit , daß der Hauptmann nicht selber komme -- als er kam .
Denn Zögern vertrug er nicht ; körperliche und geistige Wunden nahm er als theatralische auf ; zu sehr gewohnt , Menschen zu gewinnen , verwandt er_es zu leicht , Menschen zu verlieren .
-- Eine schreckliche Erscheinung für Albano ; nur der aufgestellte lange Sarg des getöteten Lieblings ! --
Daß nun über dieses kräftig-knochige Gesicht , sonst die Feste ihrer Seelen , die Furchen des Unkrauts sich krümmten , daß dieser Mund , den die Freundschaft so oft auf seinen gelegt , ein Pest-Krebs , eine deckende Rose des Zungenskorpions für die trauend-annahende gute Rabette gewesen , Das zu sehen und zu denken war reiner Schmerz .
-- Kaum hörbar war Gruß und Dank ; stumm gingen sie auf und ab , nicht neben- sondern wider einander .
Albano suchte seinen Zorn in die Gewalt zu bekommen , um Nichts als die Worte zu sagen : gehe von mir und lasse mich Deiner vergessen .
Er wollte Lianen im Bruder schonen , der ihn das Opfermesser derselben gescholten ; ungerechte Vorwürfe erhalten uns in der nächsten Zukunft besser , weil wir sie zu keinen gerechten wollen werden lassen .
-- " Offen " bin ich , siehst Du -- ( fing Roquairol gemäß " Sicht an , weil seine Wallungen halb vertropft " und verschrieben waren ) -- sei es auch und " antworte dem Brief . "
-- " Ich war Dein Freund -- nun nicht mehr " sagte Albano erstickt .
-- " Dir habe ich doch Nichts getan " versetzte jener .
" Himmel ! Laß mich nicht Viel reden ( sagte " Albano ) .
Meine elende Schwester -- Meine " Unschuld an der Gräfin Kommen -- Meine " elende , verworfene Schwester -- -- O Gott ! " empör ' mich nicht -- Ich achte Dich nicht mehr " und da gehe ! "
-- " So schlage Dich ! " sagte der Hauptmann , halb seelen- , halb wein-trunken .
" Nein !
( sagte Albano laut-einatmend wie zum Seufzer des Zorns ) Dir ist Nichts heilig , nicht einmal ein Leben ! "
Dieser Zögling des Todes warf den eigenen Lebenstagen und Freuden und Planen so leicht alle fremde nach in die Gruft ; das meinte Albano und dachte nur an die kranke , so leicht an fremden Wunden sterbende Liane , die Liebe war ( statt der Freundschaft ) wie ein milderndes Weib vor seine aufgebrachte Seele gegangen ; aber der Feind verstand ihn falsch .
" Du mußt , ( spottete wild der Hauptmann , )
" Deines soll mir teuer sein ! "
-- " Himmel und Hölle !
ich meinte ein besse " res ( sagt ' er ) -- Verleumder , gegen Deine " Schwester habe ich nicht so gehandelt wie Du " gegen meine -- ich habe sie nicht elend ma " chen wollen , ich bin nicht wie Du ! --
Und ich " schlage mich nicht ; ich schone sie , nicht Dich . "
-- Aber der Höllenfluß des Zorns , den er durch Liane in flaches Land hatte leiten und seichter machen wollen , schwoll davon wie unter Zauberhand auf , weil Roquairols Lüge ihres Hinopferns dabei so nahe lag .
" Du fürchtest Dich " sagte der erbitterte Roquairol und nahm doch zwei Degen von der Wand .
" Ich achte Dich nicht -- und schlage mich nicht " -- sagte Albano , ihn und sich mehr reizend , da er doch sich bezwingen wollte .
Da trat Schoppe herein ; " er fürchtet sich " wiederholte jener gewaffnet .
Albano gab errötend mit drei brennenden Worten die Geschichte .
" Ein Wenig müsset Ihr Euch vor mir schlagen ! " rief der Bibliothekar voll alten Haß gegen Roquairols poetisches Blend- und Gaukel-Herz .
Albano lechzend nach kaltem Stahl , griff unwillkürlich danach .
Der Kampf begann .
Albano fiel nicht an , aber immer wütender wehrte er sich ; und wie er so den zornigen Affen des vorigen Freundes , mit dem Dolch in der Hand sah , der aus den blühenden Beeten der schönsten Tage aufgeackert war und in welchen er mit seinen Wunden getreten ; und wie der Hauptmann mit wachsendem Stur me auf ihn fruchtlos einblitzte :
so sah er auf dem grimmigen Gesicht den dunklen Höllenschatten wieder stehen , der darauf gestanden und gespielt als er unter sich die sträubende Rabette erwürgte ; -- die Aufziehbrücke der Gesichter , worauf sonst beide Seelen zusammenkamen , stand hoch , auseinandergerissen in die Luft .
Glühender blickte Albano , zorntrunkener griff er den Währwolf der verschlungenen Freundschaft an -- plötzlich hieb er ihm wie eine Tatze das Gewehr ab : als Schoppe vom ungleichen Schonen und Fechten entflammt , mit Rabettens Namen die Rache rufen wollte und schrie :
" Die Schwester , Albano ! " --
Aber Albano verstand darunter Karls Schwester -- und schleuderte das Eine Schwert dem anderen nach und Feuertropfen standen in seinem Auge und verzogen unförmlich das feindliche Gesicht vor ihm .
" Albano ! " sagte zornerschöpft Roquairol , auf den weinenden Regenbogen des Friedens bauend ; " Albano ? " fragt er und gab ihm die Hand .
" Lebe froh , aber gehe , noch bin ich unschuldig , gehe ! " versetzte Albano , der hart das Gewitter des ersten Zorns über sich fühlte , das zwischen seine Gebirge eingesenkt , fortschlug .
" Ins Teufels Namen " geht !
Am Ende werde ich auch angesteckt " fuhr Schoppe dazwischen .
" In solchem Namen " geht man gern ! " sagte der Hauptmann , dem in Schoppens Gegenwart immer die Zungenmuskeln erfroren und ging schweigend ; aber Albano sah ihn längst nicht mehr an , weil er keine fremde Erniedrigung vertrug , sondern , wie jede starke Seele , mit der gebückten Menschheit zugleich sich selber niedergebogen empfand , so wie große Thronen keine Knechts-Abzeichen in ihrer Nähe dulden * ) .
Schoppe fing nun an , ihn an seine frühesten Weissagungen über Roquairol zu erinnern und sich das große Propheten-Quartett zu nennen -- dessen unheilbare Mund- und Herzensfäule zu rügen -- dessen theatralische Festigkeit mit dem römischen Marmor und Porphyr zu vergleichen , der außen eine Stein-Rin * ) Z. B. der deutsche kaiserliche Hof keine Bedienten-Livreen . de habe , innen aber nur Holz * ) -- anzumerken , dessen innere Besitzung heiße wie die des deutschen Ordens , nur eine Zunge -- und überhaupt so heftig gegen alle Selbst-Zersetzung durch Phantasie , gegen alle poetische Weltverachtung sich zu erklären , daß ein Anderer als Albano wohl eben den Eifer für einen Schutz gegen das leise Gefühl einer Ähnlichkeit nehmen konnte . -- --
Schoppe hoffte sehr , Albano höre ihm glaubend zu und werde zürnen , lachen und antworten ; aber er wurde ernster und stiller ; -- er sah den rechtschaffenen Bibliothekar an -- und fiel ihm heftig und stumm an den Hals -- und trocknete schnell das schwere Auge .
O , es ist ein finsterer Trauertag , der Begräbnistag der Freundschaft , wo das ausgesetzte , verwaiste Herz allein heimgeht und es sieht die Todeseule vom Totenbette derselben schreiend über die ganze Schöpfung fliegen .
Albano hatte anfangs noch heute nach Blu * )
In Rom scheinen Gebäude aus beiden zu bestehen , haben aber nur den Anwurf davon . menbühl gehen und seine verlassene Schwester auf das Trauergerüste der Wahrheit führen wollen ; aber jetzt war sein Herz nicht stark genug dazu , seine eigenen Worte an die Schwester zu ertragen oder ihre Tränen ohne Maß und ohne Tröster .
Ein und zwanzigste Jubelperiode .
Die Leseprobe der Liebe -- Froulay's Furcht vor Glück -- der betrogene Betrüger -- Ehre der Sternwarte .
90. Zykel .
Seit dem vertilgten Bunde und seit Gaspards Briefe war Albano's Auge nach der schönsten Ruine der Zeit -- wenn man die Erde selber ausnimmt , -- nach Italien gerichtet und sein verletzter Blick hielt an diesem neuen Portale seines Lebens fest , das ihn vor das Schönste und Größte , was Natur und Menschen schaffen können , führen sollte .
Wie taten ihm die Feuer-Berge und Roma-Ruinen und ihr warmer , blaugoldener Himmel schon ihren Glanz auf , wenn er die leidende Liane vor sie führte und die frommen Augen erquickt die Höhen maßen !-- Ein Mensch , der mit der Geliebten nach Italien reiset , hat dadurch , eben weil er Eines von beiden entbehren könnte , beide verdoppelt .
Und Albano hoffte diese Seligkeit , da alle Zeugnisse , die ihm über Lianen Genesung begegneten , diese versprachen .
Den D. Sphex -- der Einzige , der für sie eine Grube öffnete und darin die Totenglocke goß und jedem schwor , mit den Blättern falle sie -- sah er nicht mehr .
Er wollte indes -- sagte er sich -- bei der ganzen Mitreise nur ihr Glück , gar nicht ihre Liebe .
So sah er sich immer in seinem Selbst-Spiegel , nämlich nur verschleiert ; so hielt er sich oft für zu hart , wiewohl er es so wenig war ; so hielt er sich für den Sieger über sein Herz , als sein schönes Angesicht schon kranke , blasse Farben trug .
Die Gegenwart stand noch dunkel über ihm , aber ihre benachbarten Zeiten , die Zukunft und Vergangenheit lagen voll Licht .
Welche Reise , worauf eine Geliebte , ein Vater , ein Freund , eine Freundin schon unterwegs die Merkwürdigkeiten sind , zu welchen andere erst ziehen ! --
Die Fürstin war die Freundin .
Seit Gaspards Briefen an sie und an ihn , seit der Hoffnung einer längeren und nähern Gegenwart , überwältigte sie alles Gewölk um sich her immer glücklicher , um den Freund nur aus einem blauen Himmel anzulachen und anzuleuchten .
Sie allein am Hofe schien den barschen Jüngling , dessen stolze Offenheit so oft gegen den verdeckten Hof-Stolz und besonders gegen den offenen des Fürsten anrennte , mild und recht zu nehmen ; sie allein schien -- da Nichts seltener in und von Zirkeln , erraten wird als schöne Empfindsamkeit , zumal von höfischen , zumal die männliche -- sanft die seinige auszuspähen und teilend fortzuwärmen .
Sie allein ehrte ihn mit jener strengen , bedeutenden Achtung , die so selten die Menschen geben so wie fassen können , weil sie immer nur Liebe und Leidenschaft nötig haben , um -- Recht zu geben , unfähig , anders als bei Kometen-Licht , bei Kriegsflammen und bei Freudenfeuern die beste Hand zu lesen .
Alles was er war , setzte sie bei ihm bloß voraus ; seine Vorzüge waren nur ihre Forderungen und seine Schutzbriefe ; sie machte seine Individualität weder zu ihrem Muster noch zu ihrem Widerschein , beide waren Maler , keine Gemälde .
Er hörte zwar oft , daß sie männlich-strenge sei , zumal als Befehlshaberin , aber doch nicht , daß sie weiblich-grausam werde .
Für das gewöhnliche Höflings-Gewürme , das sich auf seinen Wurm- Ringen nur durch Kriechen Höhen gibt , war sie abstoßend und marternd ; ob sie gleich als Neu-Gekommene , hätte ein neugebohrnes Kind sein sollen , das den älteren Kindern Rosinen mitbringt .
Am Sonntage , wo an Höfen , wie in Berlin auf der Bühne , immer geistige Volksstücke aufgeführt werden , war sie unter den Sonntagskindern , die mehr Geister sehen als haben , ein Montagskind , das sich einen zu finden wünscht , der -- sei er immer nicht geadelt -- doch ein Original von der Kopie zu unterscheiden weiß sowohl am eigenen Ich als im -- Bilderkabinett .
Deswegen dankten viele Herren und noch mehr Damen Gott , wenn sie ihr Nichts zu sagen brauchten als : Gott befohlen !
Auf diese Weise erschien sie dem Grafen , seines Vaters täglich werter .
Wie in einen warmen Sonnenschein des Frühlings trat er zum erstenmal in den schmeichelnden Zauberkreis der weiblichen Freundschaft , die auch hier der Liebe zwei Schwingen goß und formte aus den Wachszellen des genossenen Honigs ; es war aber bei ihm die Liebe gegen Liane , der die Freundin am leichtesten Flügel nach Italien geben konnte .
Er fühlte , daß bald eine Stunde der überfließenden Achtung schlagen werde , wo er ihr den hoch ummauerten Klostergarten seiner vorigen Liebe vertrauend öffnen könnte .
Denn sie machte ihm so oft Raum , ihr nahe zu sein , als es nur der enge Bezirk eines Thrones und die alles verratende hohe Lage desselben vergönnen wollten .
Aber Etwas störte , bewachte bekriegte beide , eine wie es schien Nebenbuhlerische Nachbarin .
Es war die sonderbare Julienne , die immer , wenn es anging , aus ihrer Loge auf die Bühne der Fürstin trat und das Spiel verwirrte .
Häufig kam sie ihm nach ; einigemal hatte er von ihr Einladungen bekommen , wenn gerade die der Fürstin nachfolgten , denen denen also jene wie es schien hatte zuvorkommen sollen .
Was wollte sie ? --
Wollte sie von einem Jüngling , den sie so oft durch ihre Männer-Verachtung und durch ihr zorniges , blitzschnelles Funkenschlagen aufgebracht , etwan Liebe , vielleicht bloß weil er ihr freundliches Anblicken immer so warm erwidert hatte gegen eine so teure -- Freundin seiner Geliebten ? --
Oder wollte sie von ihm nur Haß gegen die geehrte Fürstin , und zwar aus Neid und gewöhnlicher Weiber-Ähnlichkeit mit dem Elfenbein , dessen weiße Farbe so leicht zur gelben wird und das nur durch das Erwärmen wieder die schöne bekommt ? --
Diese Fragen wurden mehr wiederholt als beantwortet von einem Abende , wo er und Julienne bei der Fürstin waren .
Eine gute Vorlesung sollte von Göthe's Tasso die Gemälde- Ausstellung geben .
Schöne Kunst und nichts als Kunst war für die Fürstin die Passauer-Kunst gegen Hof- und Lebens-Wunden ; und überhaupt war ihr das Weltgebäude nur ein vollständiges Bilder- und Pembrokisches Kabinett und Antikenkabinett .
-- Die Leserollen wurden von der Titan III. U Direktrice , der Fürstin , so verteilt , daß sie selber die Fürstin bekam -- Julienne die vertraute Leonore -- Albano den Dichter Tasso -- ein jungwangiger Kammerherr den Herzog -- und Froulay Alphonso .
Dieser Letztere -- der Kunststücke Kunstwerken vorzuziehen wußte und die fürstliche Kammer jeder Kunstkammer -- stand wider sein Herz zum Einfahren in den Musenberg fertig da , von der Fürstin mit dem Berghabit dazu angetan .
So täglich mehr in die poetische Mode eingezwängt sah er freilich aus wie sonst eine Mißgeburt , die absichtlich mit angeborenen Pluderhosen , Kopfputzen und dergleichen auf die Welt trat , um den modischen Weltlauf so zu verdammen wie ein Kassel'scher Gassenkehrer .
Albano las mit äußerer und innerer Glut -- nicht gegen die lesende sondern gegen die vorgelesene Fürstin , aus Angewohnheit seines unter dem Leben fortglühenden Herzens -- und die Fürstin las die Rolle ihrer Rolle freilich sehr gut .
Ihr artistisches Gefühl sagte ihr es -- auch ohne Einblasen des zärtlichen -- , daß in Göthe's Tasso -- der sich meistens zum ita lienischen Tasso verhält wie das himmlische Jerusalem zum befreiten -- die Fürstin fast die der Fürstinnen ist ; nie ging der Musen- und Sonnengott schöner durch das Sternbild der Jungfrau als hier .
Nie wurde die verschleierte Liebe glänzender entschleiert .
Der Minister las den auf Tasso und Albano einzankenden Kraft-Prosaiker Alphonso so gut weg wie ein reitender Trompeter die festen Noten auf seinem Ärmel ; in der Tat , er fand den Mann ganz verständig .
Die Prinzessin mochte im allgemeinen poetischen Konzert ungefähr einige Viertelstunden mit der Ripienstimme mitgesprochen haben als sie plötzlich den schönen Band von Göthe's Werken , der dreimal da war , lebhaft hinwarf und mit ihrem Ungestüm sagte : " eine dumme Rolle .
Ich mag sie nicht ! "
Alle Welt schwieg ; die Fürstin sah sie bedeutend an ; die Prinzessin diese noch bedeutender , und ging hinaus , ohne wieder zu kommen .
Eine Hofdame las gelassen fort .
Für die meisten Anwesenden war dieses Zwischen-Schauspiel eigentlich das interessante U 2 steh ; und sie dachten ihm unter dem Lesen des Letzteren gern weiter nach .
Die Fürstin , welche längst geglaubt , jene liebe den Grafen , freute sich über die Unbesonnenheit ihrer Gegnerin .
Albano , ob ihm gleich ihr warmes Auge von jeher aufgefallen war , erklärte sich das Entweichen aus dem Unmut über die Subordination ihrer Lese-Rolle und überhaupt aus der Unverträglichkeit beider Frauen .
Denn da Julienne auf eigene Kosten die Fürstin vernachlässigte und ihre Meinung wenig zudeckte :
so erschien auch die der Fürstin unwillkürlich ; sobald eine Person ihren Haß entblößet , so kann die zweite schwer den ihrigen verstecken vor der dritten .
Als Albano nach Hause kam , fand er folgendes Blatt auf seinem Tisch :
" Die F. -- lockt Dich .
Sie liebt Dich .
Mit Eklat sendet sie nächstens den M. -- zurück , um ihrer Tugend Relief zu geben und Dir zu imponieren .
Fliehe sie ! --
Ich liebe Dich , aber anders und ewig .
Nous nous verrons un jour , mon frere . "
Wer Schriebs ? --
Nicht einmal über das Entree-Billet dieses Fehde-Billets konnte der Bediente Rechnung ablegen .
Wer Schriebs ?
-- Julienne ; dahin liefen wenigstens alle Wege des Wahrscheinlichen zusammen ; nur lagen dann rund um ihn Wunder .
Bedeutend war die französische Unterschrift , die gerade unter dem Bilde seiner Schwester , das ihm der Vater auf Isola bella * ) gegeben , ebenfalls stand ; aber Zufall war möglich .
Er untersuchte jetzt diese neue Silberader seines Dianen-Stammbaums auf dem Probierstein seiner ganzen Geschichte .
Seine Mutter und Julienne ihre waren mit seinem Vater in Einem Jahre nach Italien gegangen ; beide waren ungewöhnliche Weiber und Freundinnen gewesen und von beiden sein Vater der Freund .
Die Möglichkeit eines verhüllten Fehltritts seines Vaters war da .
Eben so leicht konnten Julienne die Spuren dieses Irrwegs gewiesen sein .
Dann würde ferner aus ihrer Schwesterliebe Licht auf ihren ganzen * ) Titan I. S. 56. bisherigen Wendelgang fallen :
ihr liebender Anteil an Albano , ihr warmer Blick , ihr Liebes- Wettrennen mit der Fürstin -- ihr Briefwechsel mit seinem Vater -- ihr Anwerben des Grafen für die Romeiro , das sie eben so wie es schien erhitzte gegen die Fürstin als erkältete gegen Lianen -- am meisten die Sonderbarkeit ihrer Liebe gegen ihn , die sich nie weiter und offener entwickelte , Alles dieses gab Anschein , daß es nur ein verwandtes Schwesterblut sei , was so oft auf ihren runden Wangen loderte , wenn sie ihn zu lange unbewußt angeschaut .
Er machte nach diesem Schritt sogleich den Sprung ; er vermutete nun auch , daß sie allein ihrer Linda zu Liebe ihn mit dem Zauberspiegel des Geister-Wesens zu blenden gesucht .
Was das Verhältnis der Fürstin gegen den Minister anlangt , so war ihm jedes Wort darüber eine Lüge .
Er ließ sich eben so schwer eine gute Meinung von anderen nehmen als eine schlimme .
Gewöhnliche Menschen geben leicht die gute dahin und halten die schlimme fest ; weichere werden leicht versöhnt und schwer entzweiet .
Er war beiden ungleich .
Bisher hatte er sich der Fürstin Freundschaft mit dem Minister , ihre Landes-Visitationsreisen mit ihm und dergleichen so leicht aus ihrer männlichen Klugsicht und Vorsicht abgeleitet , welche über das künftige Erb-Land ihres Bruders zugleich Wache halten und Aufschluß haben wollte ; und bei dieser Wahrscheinlichkeit , da der Minister sich in die verwandten Rollen eines Zizerone und Aufsehers gleich sehr schickte , beharrte er noch .
Die Woche darauf führte eine Begebenheit herbei , welche ein größeres Licht in das dunkle Billet zu werfen schien .
91. Zykel .
Die versprochene Begebenheit hat wieder in älteren Begebenheiten ihre Wurzel , die sich zwischen der Fürstin und dem Minister zugetragen ; diese schicke ich hier voraus .
Der Minister war sehr bald von seinem Freund Bouverot , der mit seiner klebrigen Spechts- Zunge das Gewürm aller Geheimnisse ungesehen aus allen mürben Thron-Ritzen leckte , mit einem Verzeichnis alles dessen , was die Fürstin von Schönwäsche und Schutt in sich verbarg , versehen worden ; er halte ihn belehrt , daß sie kalt wie ein erhaben-geschliffenes Eisstück , nie selber , sondern nur andere schmelzen wolle ; daß sie zu den selteneren Koketten gehöre , welche wie die süßen Weine durch Wärme sauer werden , und nur durch Kälte süßer ; und daß sie daher eine der schlimmsten Angewohnheiten -- die jedem die ärgsten Händel mache -- an sich habe .
Es war nämlich folgende : sie hatte ein Herz und wollte es nie wie ein totes Kapital in der Brust leiden sondern es sollte sich verzinsen und umlaufen -- Der Liebhaber wurde deshalb anfangs von Tag zu Tag aufgeweckter und heiterer , dann von Stunde zu Stunde --
Er wußte alle Holzwege , Hohlwege , Diebsgänge und kürzere Fußsteige in diesem Liebesgarten ordentlich auswendig und wollte die Schäfer-Viertelstunde auf seiner Repetieruhr voraussagen , wo er anlangen würde in der Laube -- Es war ihm gar nicht unbekannt ( sondern komisch ) , was es bedeute , daß er bei ihr von Sentenzen zu Blicken , von diesen zum Händekuß , dann zum Mundkuß gelangte , worauf er sich im Wisthon schen Kometenschweif ihres Ellen- und Meilenlangen Haars wie in einer Vogel-Schneuß , wo aber die Schlinge auch die Beere war , dermaßen verstrickte , verhaftete und Krummschloß , daß er wußte , wie viel Uhr es geschlagen hatte auf seiner Repetieruhr -- Aber dann gerade , wenn alle Wolken vom Himmel gefallen schienen , fiel er selber wie aus beiden in einen Korb von ihr -- Das war der schlimme Punkt .
-- In der Tat , deutsche Prinzen aus den ältesten Häusern , die sonst Alles versucht hatten , sahen sich unmoralisch , ja lächerlich gemacht und wußten gar nicht , was sie dabei denken sollten --
Denn die Fürstin wunderte sich öffentlich über solche Scheusale , gab aller Welt eine Kopie von ihrem Fehdebrief , zeigte aller Welt die Röte und Höhe ihres Truthennen-Halses -- und ließ einen solchen altfürstlichen Versucher oder wer_es war , nie mehr vor ihr stolzes Angesicht .
Da Prinzen ( in solchen Fällen ) wissen was sie wollen :
so breiteten sie freilich aus , sie wisse nicht was sie wolle ; und oft erst lange nach einem Erb-Prinz kam der appanagirte Bruder desselben Hofes , und später der legitimierte .
Gleichwohl blieb dasselbe ; nämlich sie blieb dem sphärischen Hohlspiegel gleich , der zwar das , was nahe an ihm steht , groß und aufgerichtet hinter sich malt , es aber , sobald es gar in seinen Brennpunkt tritt , unsichtbar , und dann darüber hinaus , ganz verkleinert und umgestürzt in die Lüfte hängt .
Ihre Liebe war ein Fieber der Schwäche , bei welchem Darwin , Weikard und andere Brownianer durch Reizmittel z. B. Wein einen langsameren Puls erschaffen und eben daraus die Kur verheißen .
Soweit Bouverot an den Minister ! --
Aber dem Minister geschah damit ein unsäglicher Gefallen .
Denn Prinzen-Sünden schlugen gar nicht in sein Brotstudium ein .
Als sie sich daher für die Nähe seines Verstandes und seiner kräftigen Physiognomie entschieden und ihn zum Minister ihrer innersten Angelegenheiten in Haarhaar berufen hatte :
so war_es in ihm feierlich niedergelegt und beschworen , niemals , sie mochte immer die Güte selber sein , ihr Ehrenräuber zu werden aus ihrem Strohwitwer .
Anfangs kam er wie alle Vorgänger leicht mit bloßen , reinen Gefühlen und Diskursen davon ; es wurde noch Nichts von ihm begehrt , als daß er zuweilen unversehens einen geheimen Blick voll liebender Zartheit auf sie hinschieße ; auch musste er sich sehnen .
Jenen schoß er hin ; Sehnen trieb er auch auf ; -- und so stand er sich für ein solches Liebes-Glück noch glücklich genug .
Aber dabei blieb es nicht .
Kaum war ihr Albano erschienen :
so wurde der Stachelgürtel und das Härenhemd des reinen Ministers unverhältnismäßig rauher und stechender gemacht und die stärksten Forderungen nämlich Gaben verdoppelt , damit der arme Joseph schneller ihre Ehre anfiele und dadurch in seinen Untergang rennte , der des Grafen Köder werden sollte .
Jetzt war er schon so weit herabgebracht , daß er in ihrem Flughaar für ihn giftiges Raupenhaar webte und knüppelte -- er mußte Seufzer-Seifenblasen aus seiner Pfeife auftreiben -- er mußte öfter außer sich sein , ja sogar ( wollt ' er sich nicht als einen heuchlerischen Schuft fortgejagt sehen ) halb-sinnlich werden , obwohl noch dezent genug .
Inzwischen zu einer Versuchung war er vom Teufel selber nicht zu versuchen .
Wenn er nur daran Dach te , grausend , daß der kleinste Fehltritt ihn von seinem Ministers-Posten werfen könne :
so ließ er sich eben so gut pfählen und vierteilen als bezaubern .
Für einen Dritten , nicht für beide -- diese litten -- wäre_es vielleicht ein Fest gewesen , wahrzunehmen , wie sie ( wenn ich ein zu niedriges Gleichnis brauchen darf ) einem Paar übereinander gezogener seidener Strümpfe glichen , welche für und durcheinander , wenn man sie ausgezogen * ) in gewisser Ferne hält , sich ätherisch aufblasen und füllen , sogleich aber platt und matt zusammenfallen , wenn sie einander berühren .
* ) Symmer beobachtete Folgendes : weiße und schwarze Strümpfe bei trockenem , kaltem Wetter übereinander getragen , sind , wenn man den äußeren bei dem unteren Ende , den inneren beim oberen auseinander zieht , entgegengesetzt geladen , der weiße positiv , der schwarze negativ ; in der Ferne blasen sie sich gegen einander auf und suchen sich ; einander berührend , hängen sie platt und breit danieder .
Fischers Physik . Wörterbuch. I. B.
In die Länge fiel_es freilich dem alten Staatsmann lästig , der tanzenden Pagerie der Liebesgötter als ihr Oberältester vorzuspringen , in Cypripors Triumphwagen eingespannt -- einen Blumenkranz auf der Staatsperücke -- in den Augen zwei Vauklüsens Quellen -- die Brusthöhle eine verschüttete Dido's Höhle -- im Knopfloch den Pfeil im Herzen oder das Herz am Pfeile tragend -- und auf das Kapitol fahrend , um da nach römischer Sitte nicht sowohl zu opfern als geopfert zu werden . -- --
Es fächelte Nichts als die Blech-Kästen , die ihm zu Hause die Regierungs- und Kammerboten hinsetzten , den schachpatten Mann wieder frisch und kühl der ein schachmatter werden wollte .
Er las mit ihr den Katul , sie mit ihm die besseren Gemälde aus des Fürsten Kabinett ; es wurde ihm erlaubt , sie durch seine Latinität für ihre artistischen Gaben zu belohnen -- aber er blieb doch wie er war .
Wenn Weiber etwas durchsetzen wollen , so werden sie , sobald die Hindernisse immer wiederkehren , am Ende blind und wild und wa gen Alles .
Die Reise nach Italien rückte so nahe ; noch immer wollte der Minister seine Hochachtung für die Geliebte nicht fahren lassen -- wiewohl eben aus ihrem eigenen Motive der Abreise , mit deren Nähe er sich zur frohen Ertragung eines so kurzen Feuers ermunterte -- ; ihre Heftigkeit für den Grafen nahm durch dessen Ruhe zu , weil Kälte starke Liebe stärkt , so wie physische Kälte Starke kräftiger , und Schwache kränker macht -- ; Froulay , als ein alter Mann , war wie es schien , fähig ein ganzes Säkulum lang so auf das Ziel loszuschleichen , ohne einen einzigen unentbehrlichen Sprung zu zu tun , da Alte wie Schiffe immer langsamer gehen , je länger sie gingen , und aus einerlei Grund , weil beide durch den Ansatz von Unrat , Muscheln und dergleichen schwerfälliger geworden -- -- Kurz die Fürstin fragte am Ende nach Nichts , sondern es ging so :
Der Fürst war verreiset , die Fürstin zu Gevatter gebeten aufs Land .
Der Schloßvogt auf einem ihrer Landschlösser , der schon im Jahre vorher den Minister gebeten , hatte sich nicht entblödet , sich an diesem Treppen-Strick mit seinem Deßendenten unter dem Arm noch weiter herauf zu machen und oben auf dem Throne , ihr , der Fürstin selber sein Landeskindlein in die Arme zu legen .
Gern lassen sich Fürsten herunter -- an dünnen Raupenfaden -- ( wie hinauf ) ; sie schätzen das gute dumme Volk und wollen die armen Kriech- und Zwergbohnen -- denn sie wissen wohl , wie wenig daran ist -- dadurch etwas heben und so zu sagen stängeln und stiefeln , durch das Fürstenstuhl-Bein .
Der Minister war als sogenannter " Altgevatter " ohnedies invitiert .
Der Herbsttag war heller , lauterer Frühling , und die Herbstnacht stand unter einem glänzenden Vollmond .
Höfe wünschen sich so sehr auf das Land , in die Idyllen murmelnder Quellen , rauschender Gipfel und blökender Schweizereien und Pächter hinein ; -- Höfe -- d. h. Hofleute , Hofdamen und dienende Kammerherrenstäbe und andere -- sehnen sich so sehr unter Menschen ; wie Tiere der Dezember-Hunger , so treibt sie ein edler vom Thron- Gebirge in die platten Ebenen herab ; nicht daß sie die Langeweile flöhen , sondern sie begehren nur eine andere , da ihre Kurzweile eben in der Abkürzung und Abwechslung ihrer Langeweile besteht .
Kaum hatte der Hof seine erste Sehnsucht nach dem Volke , mit welchem er eine halbe Viertelstunde auf vertraulichem , dialogischem Fuß lebte , gestillt : so kam er wieder zu sich selber und zerstreute sich in den fürstlichen Garten , um die Sehnsucht nach der Natur in nicht kürzerer Zeit zu befriedigen .
Eine Zeugin der Taufzeugin versprach an der Fürstin und des Kindes Stadt Christentum .
Diese selber knüpfte den Minister wie einen Kammerherrn an sich .
Der Altgevatter sah in einen verdammt langen Abend hinaus , worin er ihre Prozessionsfahne würde herumtragen müssen .
Zum Genuß des Abends war Konzert , und zum Genusse des Konzerts Spiel arrangiert ; und zum Genusse des Letzteren hatte sich die Fürstin mit Froulay allein gesetzt , um unter dem allgemeinen Spielen der Instrumente und Karten ungehört mit ihm zu reden .
Plötzlich wurden die zwei Pfunde , die in seiner Brust aufgehangen waren -- denn mehr wiegt nach den Anatomen kein Herz -- um zwei Zentner schwerer , als sie ihn fragte , ob ob er standhaft sei , vertrauen und für sie wagen könne .
Er schwor , schon als Fürstin dürfe sie jede Aufopferung und Verehrung von seinem Doppeltpfünder erwarten .
Sie fuhr fort : sie habe ihm heute wichtige Dinge über sich und den Fürsten anzuvertrauen ; sie wolle , wenn die Foule fort wäre , mit ihm allein sprechen ; er brauche bloß von der Gartenseite die kleine Treppe herauf an die Tür des Bibliothekzimmers zu gehen ; diese sei aufgeschlossen ; am poetischen Bücherschrank sei links in der Wand eine Springfeder , deren Druck ihm die Tapetentüre des Zimmers öffne , wo er sie erwarten sollte .
Sogleich stand sie auf , das Ja voraussetzend .
Wie es jetzt in den beiden Pfunden seines 64löthigen Herzens hergieng , kann bloß seinen Todfeinden ein Vergnügen , es zu erfahren sein .
So viel lag mit langen , dicken , steinernen Buchstaben wie auf einem Epitaphium geschrieben ihm vor , daß nach wenig Stunden , wenn die anderen Herren , sonst noch größere Sünder als er , ruhig in den schönen , den Schloßhof formierenden Dienerhäusern schnarchen Titan III. X dürften , daß dann für ihn schuldlosen Schelm bald die Wolfs- nämlich die Schäferstunde schlagen werde , wo er auf der blumigsten Aue unter das Schächter-Messer knien müsse .
Aber er tat sich -- zornig , daß sein Glaube an weibliche und fürstliche Frechheit wahr rede -- stille Schwüre aller Art , daß er , setze man ihm auch zu wie den größten Heiligen und Weltweisen , doch wirtschaften wolle wie beide , z. B. wie der alte Zeno und Franz .
Die Fürstin suchte ihn den ganzen Abend weniger als sonst .
Endlich empfahl er sich mit dem ganzen Hof , aber mit der Aussicht , nicht wie dieser unter Seiden-Matrazen sondern unter kalte Lauben zu schleichen .
Er rückte auch , seiner gewiß , auf der Treppe an -- machte das Bibliothekzimmer auf -- fand die Springfeder ließ sie springen und trat durch die Tapetentüre in das fürstliche -- Schlafgemach .
" Es ist also gewiß " -- sagte er und fluchte in seinem Inneren herum wie er wollte , unter dem Liebesbrief-Beschwerer ganz breit zerdrückt hinliegend .
Im Seitenzimmer linker Hand hörte er sie schon und eine Kammerfrau , die ausklei dete .
Rechts klaffte die Türe eines zweiten , aber erleuchteten Zimmers .
Er stand lange im Zweifel , sollte er in dasselbe treten , oder unter dem Lichtschirm des dunklen Ortes verbleiben .
Endlich griff er zum Schirm der Nacht .
Während seines Passens und ihres Häutens hielt er Leseprobe oder Probekomödie seiner Rolle ; jetzt kam er mit sich überein , im Notfalle -- und falls man ihn zu sehr poussierte -- um so mehr , da der Ort mehr gegen sie spräche als gegen ihn selber , indem jeder fragen müßte , ob er wohl sonst würde hergekommen sein -- in einem solchen Notfalle , wo nur die Wahl zwischen Satire und Satyr bliebe , sich auf der Stelle umzusetzen in einen ehrerbietigen -- Faun .
Schnell schritt die Fürstin herein , aber gegen das helle Zimmer hin : " ich brauche Dich nicht mehr " rief sie der Kammerfrau zurück .
" Diable ! ( schrie sie im Schlafzimmer , den langen Minister ersehend ) wer steht da ? --
Hanne , Licht ! "
-- " Ciel !
( fuhr sie ihn erkennend fort , aber französisch , weil Hanne keines verstand ) -- Mais Monsieur ! --
Me voilà donc compromi X 2 se ! --
Quelle meprise ! --
Vous vous êtes trompe de chambres ! -- Pardonnes , Monsieur que je sauve les dehors de mon sexe et de mon rang .
Comment aves-vous pu -- -- "
Sie sagte Alles , vielleicht um die deutsche Zeugin zu blenden , mit zornigem Akzente .
Der Altgevatter -- der sich nach allen bisherigen Genüssen so fühlte wie ein Hahn , der viele lebendige Käfer verschluckte und dem sie nun im geängstigten Kropfe Lebensgefahr drohen -- schwieg nicht , sondern versetzte deutsch , indem er die Tapetentüre aufmachte , er habe eben wie sie befohlen die Bücher aus der Bibliothek in das helle Zimmer gelegt und sei im Herweg begriffen gewesen .
Er ging sogleich durch die Tapete hindurch , sie aber konnte vor Schrecken schwer sich erhalten , ließ am Morgen den Arzt kommen und schickte ihr Gefolge zurück .
Froulay , -- so sehr , er ihre Romane den spanischen ähnlich fand , worunter nach Fischers Behauptung , die besten die Gauner-Romane sind -- wußte zuletzt selber nicht , woran er war .
Die Kammerfrau mußte mit dem Gelübde des Schweigens Profeß tun , das sie hielt so streng sie konnte , aber nicht strenger .
Am Morgen stiegen wenige vor ihren eigenen Haustüren ab , die meisten vor fremden , um die Neuigkeit auszuschiffen samt dem Verbote der Fürstin , die Sache eklatant zu machen , weil_es sonst der Fürst erführe .
War je das vornehme Pestiz in Massa glücklich :
so war_es an diesem Morgen .
Nichts fehlte der allgemeinen Freude als eine Kammerfrau , die nur so viel französisch verstanden hätte wie ein Jagdhund .
92. Zykel .
Albano vernahm das Gerücht , der Minister war ihm längst als eine kalte Seelen-Leiche verunreinigend erschienen ; jetzt haßt er ihn noch mehr als quälenden , blutsaugenden Toten .
Für die Fürstin stand ihm bisher sein Herz .
Sie war ihm ein blauer Tag-Himmel , worin Anderen nur eine heiße Sonne blitzt , woran er aber aus dem Geheimnis der Freundschaft und der Seelentiefe sanfte Sternbilder gefunden .
Allein jetzt seit dem Gerüchte , das wie die Zauberer neben Moses , Ruß in ihren Himmel warf , stand sie für ihn unter neuen Lichtern glänzend .
Der Haß , den er schon von Natur d. h. aus Stolz gegen jedes Gerücht hatte , weil es beherrscht und nicht zu beherrschen ist , wirkte mit frischem Feuer in ihm ; er entschloß sich , eben weil Liane die Tochter entweder ihres Erbfeindes oder ihres Liebhabers und weil die Fürstin deren Nebenbuhlerin sein soll , auf sein Herz und das davon erkannte frei zu wagen und gerade jetzt der Fürstin seine Bitte um Vermittlung für Lianen Mitreise , d. h. für seinen Himmel , offen zu vertrauen .
Am Morgen darauf kam der Fürst zurück -- die Prinzessin ließ sogleich anspannen -- gegen Abend kam sie mit einem Wagen mehr in die Stadt .
Das Gerücht durchlief alle Spieltische , die spanische Gräfin Romeiro sei im Schlosse angelangt .
Gerüchte sind wie Polypen ; das Verwunden und Zerstören vervielfacht sie ; nur das Ineinanderstecken macht einen aus zwei ; -- das Gerücht von Linda's Ankunft schlang das Gerücht von Froulay's Ehrenraub in sich .
Aber Albano !
-- Wie die Entdeckung einer neuen Welt , kehrte diese seine alte um .
Linda , dieser ausländische Tropikvogel , flog seinem nahen Vater voraus , der wie ein reiches Land vor ihm aus der Ferne aufstieg -- Der Boden , wo er so viel Dornen und Blumen gefunden , sank bald hinter seinem Rücken mit allen Schätzen und Tagen ein . --
Nur Liane darf nicht mit verschwinden ; diese Muse seiner Jugend muß er mit ins Land der Jugend ziehen .
Durch diese gewöhnlichen Zauberkünste des Herzens war von Linda's Nähe eine unüberwindliche Sehnsucht nach Lianen in ihm wach geworden .
Er war nun entschieden , die Fürstin an ihr früheres Versprechen , den Lebensbalsam einer südlichen Reise auf Lianen kranke Nerven zu gießen , zu mahnen und durch sie noch früh genug , ehe die Verwirrung des drängenden Augenblickes etwas vereitele , die Ministerin zu bestimmen und zu gewinnen , welche wie alle Hofmenschen gewiß schwer einem fürstlichen Wünsche und einer Glücks-Perspektive widerstehen werde .
Blieb aber Liane zurück aus eigener oder fremder Schuld :
so war es sein Vorsatz und Schwor , vor keiner Gewalt , selber der väterlichen nicht , aus dem Vaterland der ewigen Braut zu weichen , sondern einzuwurzeln vor ihrem Kranken-Kloster bis sie daraus entweder frei und heiter wieder in das offene Leben geht oder dunkel-eingeschleiert sich ins finstere Nonnen-Chor der Toten verbirgt .
O , wieder zu kommen , sie im romantischen Boden der alten Zeit zu suchen , und sie nirgends zu finden als hinter dem Sprach-Gitter der Erbgruft -- diesen Gedanken hielt sein Herz nicht aus .
Die Fürstin führte ihm selber die Gelegenheit seiner Bitte zu ; sie schickte ihm zu einer astronomischen Partie auf der Sternwarte eine Einladung durch ihre treue Hofdame Haltermann :
" Ich soll Ihnen bloß Folgendes Wort " lich schreiben ( schreibt diese ) : Kommen Sie " heute auch aufs Observatorium , ich und mei " ne gute Haltermann gehen dahin . "
Diese Haltermann , ein Fräulein von wenigen Reizen und Geistesschwungfedern , aber vielen Glaubenslehren und frühzeitigen Runzeln , hing der Fürstin schon seit Jahren unauflößlich an , Alles verschweigend und alle ihre " Stelldichein " ( Randes Vous ) begünstigend , bloß weil sie sagte : meine Fürstin ist rein wie Gold und nur wenige kennen sie wie ich .
Günstiger konnte Albano's Wünsche kein Zufall kommen .
Er stand am frühesten auf der schönen Sternwarte mitten in der lieblichen Nacht .
Es war einige Tage nach dem Vollmond ; seine glänzende Welt verschloß sich noch hinter die Erde , aber das angelassene Springwasser seiner Strahlen hob sich in Ansätzen herauf .
Auf allen Bergspitzen schimmerte schon ein blasses Licht , als falle der ferne Morgen überirdischer Welten auf sie .
Durch die Täler streckte sich noch das lichtscheue schwarze Erdentier der Nacht aus und bäumte sich auf gegen die Berge .
Das Bergschloß Lianen war unsichtbar und zeigte wie ein Welt-Stern nur ein Licht .
Plötzlich war der Herbstpurpur auf allen Gipfeln um das Schloß vom Monde silbern betauet und es regnete leuchtend an den weißen Wänden und in die weißen Gänge des Gartens nieder -- endlich lag ein fremder blas sehr Morgen , durch alle Lauben dämmernd , im Garten , gleichsam das zarte Leuchten eines hohen , ganz reinen Geistes , der nur in der heiligen stillen Nacht die tiefe Erde betritt und da Nichts sucht als die reine , stille Liane . --
Als Albano blickte und träumte und sich sehnte , kam die Fürstin mit ihrer Haltermann herauf .
Der Professor brach sich vor Verehrung gegen sie fast entzwei , und ließ den Fix-Sonnen keinen astrologischen Einfluß auf sein gerades Stehen zu .
-- Albano und die Fürstin fanden sich mit einem Gewinn gegenseitiger Wärme wieder .
Aber die erste Frage der Fürstin war : ob er die spanische Gräfin gesehen .
Gleichgültig sagte er , von der Prinzessin sei er seit ihrer Ankunft eingeladen worden , sei aber nicht gekommen .
" Ma belle-soeur bewundert sie am meisten ( fuhr die Fürstin fort ) , aber sie ist_es ein wenig wert .
Sie ist majestätisch gebaut , länger als ich , und schön , zumal ihr Kopf , ihr Auge und Haar .
Doch ist sie mehr plastisch als malerisch schön , eher einer Juno oder Minerva ähnlich als einer Madonna .
Aber sie hat Eigenheiten .
Sie verträgt sich mit keinen Frauen , außer den schlichten und blindguten ; daher ihre Kammerfrauen für sie leben und sterben .
Die Männer hält sie für schlecht und sagt , sie würde sich verachten , wenn sie je die Frau oder Sklavin eines Mannes würde ; aber sie sucht sie der Kenntnisse wegen .
Dem Fürsten hat sie ohne Not , wenn sie auch Recht hatte , Bitterkeiten gesagt .
Er lacht darüber und sagt , sie liebe ohnehin Nichts , nicht einmal Kinder und Schoßhunde .
Sie müssen sie sehen .
Sie liest Viel , sie lebt bloß mit der Prinzessin und scheint es , nach ihrem Putze zu schließen , wenigstens an unserem Hofe auf keine Eroberungen anzulegen . "
Albano sagte , manche dieser Züge wären ja herrlich , und brach kurz ab .
Während des Gesprächs hatte der Professor fleißig Alles recht gestellt und festgeschraubt und war jetzt des Anfangs gewärtig .
Er bemerkte die helle sommerlaue Nacht -- ging mit einigen Einleitungen in den Mond voraus , um die sechs Augen auf die beträchtlichsten Mondsflecken zu lenken -- schattete vorläufig einige Schatten droben ab -- führte an den Krater Bernoulli ( " ich bediene mich Schrötersger Namen " sagte er ) -- das höchste Gebirge Dörfel ( " es besteht freilich aus drei Höhen " sagte er ) -- den Landgrafen von Hessenkassel ( " den Berg Horeb aber nennt ihn Hevel " sagte er ) den Montblanc -- die Ringebürge überhaupt und schloß mit der listigen Versicherung , es gebreche freilich der Warte noch sehr an Instrumenten .
Die Haltermann sehnte sich unbeschreiblich nach dem Landgrafen von Hessenkassel im Mond und trachtete nach dem Sehrohr .
" Es ist nur ein Flecken im Planeten , mein Kind ! " sagte die Fürstin .
-- " Und so ist_es wohl mit dem Montblanc droben auch nichts ? " fragte sie getäuscht .
Die Fürstin nickte und schaute ins Sternrohr ; der magische Mond hing als ein Stück Tag-Welt dicht am Glase :
" Wie vergeht sein schönes blasses Licht und seine ganze Magie in der Nähe !
Als wenn Zukunft Gegenwart wird ! " sagte sie zum Erstaunen des Professors , der aus dem Weltkörper gerade erst in der Nähe etwas machte .
Sie ersucht ihn um den Ring des Saturns .
" Es sind eigentlich zwei , Ihre Durchlaucht ; aber der Sternwarte fehlet zur Zeit noch ein Instrument es zu sehen " sagte er und zielte wieder nach Vorschuß .
Albano sah rund umher seine Lebensgärten glänzen vom warmen Schimmer eines Nachfrühlings ; und sein Inneres erbebte süß und schmerzlich .
Er nahm einen Kometensucher und flog unter den Gestirnen umher , nach Blumenbühl , in die Stadt , auf die Berge , nur nicht auf das weiße Schloß mit dem erleuchteten Eckzimmer und dem kleinen Garten ; das ganze Herz kehrte vor Scham und Liebe um vor der Tür des Paradieses .
Jetzt ging die Haltermann auf einen Wink zum Aufbruch mit dem Sternseher voraus hinab , um der Fürstin einen zeugenlosen , freien Augenblick zuzuwenden .
Albano stand edel im Mondschimmer vor ihr , sein Auge war glänzend , seine Züge gerührt ; sie faßte seine Hand und sagte : " wir mißverstehen einander gewiß nicht , Graf ! "
Er drückte die ihrige und seine Augen quollen voll .
" Nein , Fürstin !
( sagte er " sanft , )
Sie geben mir Ihre Freundschaft .
Ich " verdiene sie nicht , wenn ich ihr nicht ganz ver "traue .
Ich gebe Ihnen jetzt die Probe mei "nes offenen Vertrauens .
Sie kennen vielleicht " die Geschichte meines Glücks und meines Ver- "lusts ; Sie kennen den Minister . "
-- " Leider , leider !
( sagte sie ) auch Ihre harte Geschichte , edler Mann , wurde mir bekannt . "
" Nein , ( versetzt ' er heftig , ) ich war härter als mein Schicksal , ich quälte ein unschuldiges Herz , ich machte eine gehorsame Tochter elend , krank und blind . --
Aber ich habe sie verloren ( fuhr er mit steigender Rührung fort und kehrte sich seitwärts , um Lianen schimmernde Wohn-Höhe nicht zu sehen ) und ertrage es wie ich kann , aber ohne heimliche Wege zum Wiederbesitz -- Nur das Opfer darf dort drüben nicht gar verbluten bei der harten , engherzigen Mutter . --
O , die Honigtropfen der Freuden , Sie und Italiens Himmel könnten sie wohl heilen -- Sie stirbt , wenn sie bleibt , und ich bleibe , um zuzusehen --
Freundin ! o , wie groß ist meine Bitte ! "
-- " Sie sei Ihnen gern gewährt !
Übermorgen fahr ich zur Mutter und Tochter und bestimme diese gewiß für die Reise , in sofern es von mir abhängt .
Aber ich tue es -- um auch offen zu sein -- bloß aus echter Freundschaft für Sie ; denn das Fräulein gefällt mir nicht ganz mit ihrem Mystizismus und liebt gewiß nicht wie Sie ; sie tut Alles für die Menschen bloß aus Liebe zu Gott ; und das liebe ich nicht . "
-- " Ach , so dachte ich sonst auch ; aber wen " soll die Göttliche sonst lieben als Gott " sagte er in sich und die Nacht versunken und für die Fürstin zu hyperbolisch -- sein schimmerndes Auge hing fest am weißen Bergschloß und Frühlinge wehten vom Monde herab auf dem beglänzten Wege seiner Augen hin und her ; und der schöne Jüngling weinte und drückte heftig der Fürstin Hand , aber er wußte beides nicht .
Sie ehrte sein Herz und stört es nicht .
Endlich kamen Beide die hohe Treppe herunter , wo sie der Astronom freudig erwartete und beiden gestand , wie sehr ihn , frei zu re den , ihre Anhänglichkeit und Achtung für die Sternkunde nicht nur erfreue , sondern auch ermuntere .
" Übermorgen gewiß ! " mit diesen Worten schied die Fürstin , um dem sinnenden , vollen Jüngling Trost und Träume mitzugeben .
Zwei Zwei und zwanzigste Jubelperiode .
Schoppe's Herz -- gefährliche Geister-Bekanntschaften .
93. Zykel .
Jetzt war Albano wieder auf die Irions-Räder der Uhr geflochten .
Die Fahrt und Antwort der Fürstin sollte plötzlich Lichter in der dunklen weiten Höhle aufstecken , in der er so lange gegangen war , ohne zu wissen , ob sie fürchterliche Bildungen und giftige Tiere verschließe oder ob sie mit glänzenden Bogen und unterirdischen Säulenhallen sich wölbe und fülle .
Über Lianen Zustand hatten bisher zwei Hände , Augusti's und der Ministerin , den Schleier festgehalten ; beides waren Menschen , die Titan , III. Y ungern auf die Frage antworteten , wie befinden Sie sich .
Aber auf der Fürstin ließ er nun seine ganze Seele ruhen , seit dem astronomischen Abende ; von welchem er jetzt kaum begriff , wie er da gegen eine Freundin so viel und mehr von seiner Liebe sprechen können als je gegen einen Freund .
Allein ungern spricht der Mann vor einem Manne seine Empfindung aus und gern vor einem Weibe , ein Weib aber am liebsten vor einem Weibe .
Indes hielt ihn die Fürstin durch die feinste Schmeichelei , die es gibt , durch entschiedenes stilles Achten in Banden ; dem wörtlichen Lobe war er eben so Gram und gewachsen , als dem tätigen gewogen und zinsbar .
Bis zur Ankunft der Entscheidung verlief eine verworrene Zeit ; wie ein Mensch , der in der Nacht reiset , hörte er Stimmen und sah Lichter , und ihrer feindlichen oder freundlichen Bedeutung fehlte ein Morgen .
-- Rabette lag krank und verblutete am matten Herzen ; denn nicht er hatte aus ihm den blutstillenden Dolch , nämlich Karls Liebe , herausgezogen , sondern dieser selber war ihm zuvorgekommen mit bitter-süßen Tränen über die bittersten .
Letzterer war ihm einmal begegnet , mit hereingedrücktem Hut und grimmig-stechendem Blick ohne Gruß . --
Überall hörte er , daß jener umsonst Linda's und Julienne Doppelthor belagere und berenne ; dieses und Lianen Kranksein machte den tropischen Wilden gleichsam zum wilderwachsenen Knaben aus einem Wald .
Auch in der jetzigen Absonderung -- auf der Walstatt des Freundes -- hielt es Albano für eine Wunde des Menschen , daß Karl nicht von ihm voraussetzte -- denn diesem Mangel schrieb er den Gassen-Grimm zu -- , er werde die Gräfin nicht zu sehen suchen .
Sogar im Bibliothekar schien seit einigen Tagen ein Geheimnis zu lauern ; dieser aber ging , seit es ihm in dessen Tiefen immer lichter geworden und er hinter dessen komische Larve hineingesehen bis zum redlichen Auge und liebevollen Mund , -- sein Herz so nahe an , zumal nach so vielen Trennungen .
Denn auch der Lektor hielt sich nach seiner Gewohnheit , um keines Menschen oder gar abtrünnigen Y 2 Freundes Liebe zu werben , von ihm geschieden ; was denselben Jüngling kränkte , der es innerlich billigte .
Seit einigen Tagen war nämlich Schoppe in eine andere Tonart umgesetzt , und sein eigener Restant und Nachsommer geworden .
Es fing damit an , daß er an einem elenden Heulied den ganzen halben Tag auf dem Waldhorn verblies ; den übrigen halben versang er daran mündlich .
Stadt zu lesen und zu schreiben ging er in der Stadt und Stube auf und ab .
Alles was er sonst schnell abmachte , Laufen , Verschlingen des Essens , Sprechen , Rauchen , Befehlen , Auffahren , das ging jetzt mit Klöppeln zwischen den Füßen und stand fast .
Sein langsames Auffahren und sein zarter , leiser Schritt konnten Kennern seiner Vorzeit lächerlich vorkommen .
Seinen großen , herrlichen Wolf-Hund , von dem er sich täglich zehnmal mit den Vorder-Pfoten umhalsen ließ und dessen am Felle aufgezogene Brust er so gern auf seine drückte , wenn er mit ihm ein Langisches- und Konsistorial- Colloquium hielt , vernachlässigte er in dem Grade , daß der Hund attent wurde und nicht wuß te was er denken sollte .
Wie wenig konnte er sonst das Geschrei eines geprügelten Hundes ertragen , ohne zur Haustür als Schutzherr hinauszufahren , weil er glaubte , man könne wohl Menschen wie Hunde traktieren aber Hunde nicht ! --
Jetzt konnte er das Schreien hören , bloß weil er es wie es schien nicht hörte .
Wie er sonst oft zu Albano ging um bloß auf und ab und fortzugehen ohne ein lautes Wort -- weil er sagte : " daran erkenne ' ich eben " den Freund , daß er mich oder sich nicht unter " halten sondern bloß da setzten will " -- so kam er jetzt noch stummer , berührte oft wie ein spielendes Kind zärtlich des lesenden Albano's Achsel und sagte , wenn dieser sich umsah :
" Nichts ! "
Albano fragte indes der Veränderung nicht nach ; denn er wußte , er entschleiere sie ihm doch zur rechten Zeit .
Ihre Herzen standen wie offene Spiegel gegeneinander .
So lag nun der dunkle Wald des Lebens mit durcheinander und tief ins Dickicht hinein laufenden Steigen vor Albano , als er auf dem Kreuzwege seiner Zukunft stand und auf den Genius wartete , der entweder als ein feindseeli ger oder als ein guter ihm Lianen Entscheidung bringen sollte .
Endlich kam aus dem finsteren Wald ein Genius , aber der dunkle und gab ihm dieses Blatt von der Fürstin :
" Lieber Graf !
Wahr bin ich immer und schone lieber nicht .
Das kranke Fräulein v. F. ist nicht mehr im Stande , eine Reise zu machen oder davon zu profitieren .
Ich nehme innigen Anteil daran .
So gern ich Ihnen heute selber Trost zuzusprechen wünschte :
so hoffe ' ich doch nicht nach dieser Nachricht die Gelegenheit dazu zu haben .
Ihre Freundin . "
Welcher finstere Wolkenbruch aus dem jugendlichen Morgenrot !
So war also die geheime Freude , die er bisher nährte , der Vorbote des entsetzlichen Schlags gewesen , das sanfte Tönen vor dem Wasserfall * ) .
Daß gerade seine Liebe das glühende Schwert werden mußte , das durch Ihr Leben drang , o das betrachtete er immer so , das schmerzt ihn so !
Aber * )
Auf Wilhelmshöhe geht ein langer musikalischer Ton dem Fallen der Wasser voraus . kein Auge wurde naß ; der Wermut des Gewissens verbittert sogar den Schmerz .
Wenn der Mensch sein eigener Freund nicht mehr ist , so geht er zu seinem Bruder , der es noch ist , damit ihn dieser sanft anrede und wieder beseele ; -- Albano ging zu seinem Schoppe .
Er fand ihn nicht , aber etwas anderes .
Schoppe führte nämlich ein Tagebuch über " sich und die Welt " , worin sein Freund lesen durfte was und wenn er wollte ; nur musste er_es vergeben , wenn er darin -- da es durchaus so geschrieben wurde als sähe es niemand weiter -- zornige Fächerschläge und noch dazu mit dem harten Ende wegtrug .
" Warum soll ich dich mehr schonen als mich ? " sagte Schoppe .
Zu diesem Du waren sie gekommen , ohne sagen zu können wann , so sehr sie sonst mit dieser Herzens-Kurialie , mit diesem heiligsten Seelen-Dualis gegen andere geizten ; " denn ich danke Gott , ( sagte Schoppe , ) daß ich in einer Sprache lebe , wo ich zuweilen Sie sagen kann , ja sogar , wenn die Menschen und Schelme danach sind , zwischen jedem Komma Euer so wohl Wohl- als Hoch- und Sonst-Geboren . "
Albano fand das Tagebuch aufgeschlagen und las mit Erstaunen dieses : " Amandus-Tag .
Ein dummer und äußerst merkwürdiger Tag für den bekannten Hesus oder Hanus !
* )
Ich kann mich schwer bereden , daß es der arme Donnergott verdiente , hinter der langen Proserpina ** ) nachzugehen und ihr endlich ins Gesicht zu gucken , auf die Stirn , auf den Mund , auf den Hals !
O Gott !
Wenn ein solcher Gott nun auf dem Platze geblieben wäre ! --
Als Pastor fido stand er zum Glück wieder auf und ging davon .
O Höllengöttin , Hesi Himmelsstürmerin , du hast dich zu seinem Himmel gemacht , kann er dich je lassen ?
Nachmittags .
Der Pastor wird sein eigenes Hatzhaus , er weiß nicht zu bleiben ; er wohnt nun in allen Gassen , um seine Jeanne d' Arc-en- * ) Beides ist der Name des alten deutschen Donnergottes ; er meint sich aber damit selber . ** )
Die Molosser nannten alle schönen Weiber Proserpinen .
Ciel * ) zu erblicken , und leidet genug .
Aber Hesus , sind nicht Leiden die Dornen , womit die Schnalle der Liebe verknüpft ? --
Heute ging Freitag ** ) mit der Fürstin auf die Sternwarte .
-- Der Wind ist Südostost -- 13 Monatsschriften in 1 Stunde gelesen -- Spener sieht das Leben im glänzenden Vergrößerungsspiegel Gott verklärt und poetisch so gut als einer .
Sapinenstag .
Mit dem Pastor wird_es ärger , wenn ich recht sehe .
Er ist auf dem Wege , sich einen Billetdoux-Beschwerer anzuschaffen , sich Nachts im Bette zu pudern und der Schelm wirft in der Hitze , wie Milch die warm steht , schon poetische Sahne auf .
Lasse nur der Himmel niemals zu , daß er mit seiner Höllengöttin je in einen vernünftigen Diskurs gerate , Gesicht vor Gesicht , Atem gegen Atem , und die zwei Seelen untereinander gemengt ! -- Wahrlich , der Flins *** ) raffte ihn * )
So sollte man Schillers heilige Jungfrau nennen . ** )
Sein Albano . *** )
So nannten die Wenden den Tod . weg , Hesus verschlänge ein tausendjähriges Reich auf einmal ; ich Sorge , er würde vom Göttertrank zu wild und wäre zu schwer zu bändigen von mir .
Abends .
Ist_es nicht schon so weit mit dem Pastor , daß er sich einen Autor aus dem Wimmer-Jahrzehnt des Säkuls ( er schämt sich ihn zu nennen ) geborgt hat und sich vom dummen Zeuge rühren lassen will , indem er über den Effekt nachsinnt , den der Autor im 14ten Jahre auf ihn gemacht .
Freilich stößt er ihm im jetzigen wie ein Nachtwächter am Tage auf ; aber er ruft sich doch das Rufen zurück und hat neue Rührung über die alte .
So lächelt mich die Deklination cornu in der Grammatik noch bis auf diese Stunde an , weil ich mich entsinne , wie leicht und behend ich in den goldenen Kindheitsmonden den ganzen Singularis behielt .
Simon Jud. Verdammt !
Ein schönes Gesicht und ein falscher Maxdor machen im Kurs von einem Jahre ein Paar hundert , Schelme die sich bloß im Wünsche zu behalten und wegzuschaffen unterscheiden .
Hesus feindet und ficht schon Millionen Nebenbuhler an ; wie Knopfmacher und Posamentierer , oder wie Gelb- und Rotgießer , so lassen so nahe Handwerker einander nicht aufkommen .
Recht , Höllengöttin ! daß du alle Männer hassest ; das ist doch etwas für den Pastor , eine Wundsalbe .
-- Scioppius , die beiden Scaliger und die kräftigen Schlegel u. s. w. " -- --
Hier kommt das Tagebuch auf andere Dinge .
Ein altes Porträt , zu welchem Schoppe sich selber gesessen , hatte er retouchiret ; eine Beilage als Inserat für das Pestizer Wochenblatt kündigte dessen Bestimmung an :
" Endes Unterschriebener , ein Porträtmaler aus der niederländischen Schule , macht bekannt , wie er sich in Pestiz gesetzt , und daß er bereit ist , alles von jedem Stand und Geschlecht zu malen , was ihm sitzt .
Als Probe , was er leiste , kann man bei ihm ein Selbstportrait besehen , das ihn vorstellt wie er nieset , und es zugleich mit ihm daneben zusammenhalten .
-- Ich schneide auch aus .
Peter Schoppe. No. 1778 . "
Vermutlich sollte das die Höllengöttin bewegen , einmal dem niesenden Maler zu sitzen .
Albano mußte mitten im tiefen Schmerze erstaunen .
Anfangs hatte er nach seiner einfachen Natur geglaubt , er selber sei unter dem Hanus verstanden .
Jetzt kam Schoppe .
Sanft sagte Albano zuerst : " ich habe auch dein Tagebuch gelesen . "
Der Bibliothekar fuhr mit einem Exklamations-Fluche zurück und sah glühend zum Fenster hinaus .
" Was ist , Schoppe ? " fragte sein Freund .
Er drehte sich um , sah ihn starr an , und sagte , die Gesichtshaut auseinander ringelnd , wie einer , der sich die Zähne putzt , und die Oberlippe aufziehend , wie ein Knabe , der in ein Butterbrot beißet : " ich liebe . " und lief im Feuer die Stube auf und ab , klagend dabei , daß er noch so etwas an sich erleben müsse in seinen ältesten Tagen .
-- " Lies mein Tagebuch nicht mehr ( fuhr er fort ) .
Frage nach keinem Namen , Bruder ; kein Teufel , kein Engel , nicht die Höllengöttin darf ihn wissen -- Einst vielleicht , wenn ich und Sie in Abrahams Schoß sitzen und ich auf ihrem -- --
Du bist so betrübt , Bruder ! "
-- " Fliege froh in der Sonnenatmosphäre der Liebe !
( sagte sein Freund in der Gewissenstrauer , die den Menschen einfach , still und demütig macht )
Ich werde dich nie fragen oder stören !
Lies das ! "
Er gab ihm das Blatt der Fürstin und sagte noch , während jener las , zu ihm :
" Verflucht sei jede Freude wo Sie keine hat .
Ich bleibe hier , bis sie lebt oder nicht ! "
-- " Auch bleibe hier , " versetzte Schoppe unwillkürlich-komisch .
" Sei ernsthaft ! " sagte Albano .
" Sonst konnte ich_es , ( sagte er weinerlich , ) seit ehegestern nicht mehr ! "
Albano hieß indes Schoppens Absonderung von der Reisegesellschaft gut ; beide erhielten einander auch in der Freundschaft die köstlichste Freiheit .
Von Hofmeister-Begleitung war bei beiden nicht die Rede .
Schoppe lachte oft Hofmeister von vielen Kenntnissen und Lebensarten aus , wenn sie annahmen , er erziehe aus oder an Albano etwas .
" Das Säkulum erzöge , ( sagt ' er , ) nicht ein Tropf -- Millionen Menschen , nicht einer -- eigentlich höchstens ein pä dagogisches Siebengestirn leuchte nach , nämlich die 7 Alter des Menschen , jedes Alter ins nächste hinein -- das Individuum gleiche sehr der ganzen Menschheit , deren Revolutionen und Verbesserungen weiter nichts als Umarbeitungen einer Schikanedrieschen Zauberflöte durch einen Vulpius wären ; indes schwebe doch um das tolle , dissonierende Stück ein Mozartischer Wohllaut worüber man den Vater und den Sprachmeister verwinde , "
-- " Wozu schleichen und brummen wir Sünder hier herum ?
Laß uns zu Ratto ! " sagte Schoppe .
Äußerst ungern bequemte sich Albano dazu , er sagte , der Keller habe etwas Unheimliches für ihn und eine schwüle Ahnung drücke seine Brust .
Schoppe erklärte die Ahnung aus dem Druck der Balken seines eingestürzten Luftschlosses , die auf seiner Brust noch lägen , und aus der Erinnerung an den jetzt im Abgrund fliegenden Roquairol , der einmal ihm im Keller zugetrunken und nachher ihm in Lila gebeichtet habe .
Albano folgte endlich , erinnerte ihn aber an das Eintreffen einer anderen Ahnung , die er auf der Höhe vor Arkadien gehabt .
" Wir spielen beide nicht die besten verliebten Figuren , indes ziehen wir in den Keller " sagte Schoppe unterwegs und legte seinen Liebling ganz ungewöhnlich-hart auf die Folterleiter seines Spaßes ; sonst , als er nicht selber liebte , war er eines zarten , schonenden , ernsten Schweigens darüber so fähig , jetzt aber nicht mehr .
94. Zykel .
Im Keller war der alte Ab- und Zulauf bekannter und fremder Gesichter .
Albano und Schoppe stiegen mit einander auf jene reinen Höhen der Musenberge , wo wie auf physischen der Dunstkreis des Lebens leichter aufliegt und der Äther näher an die kürzere Luftsäule reicht .
Auf ihrem Ararat trösten sich die Männer leichter als die Weiber in ihren Tempethälern .
Nachdem Schoppe , durch die gewitterhafte Luft von Punsch und Liebe feuriger , ziemlich lange den Blitz-Funken seines Humors hatte im Zickzack und verkalkend durch das Weltgebäude schießen lassen :
so trat plötzlich ein Unbekannter , wie ein Totenkopf gänzlich kahl und so gar ohne Augenbraunen , aber welk- und rosenwangig an ihren Tisch und sagte mit eiserner Mine zu Schoppe :
" Binnen heute und 15. Monaten seid Ihr wahnsinnig geworden , Spaßvogel ! "
" Oho ! " fuhr Schoppe äußerlich auf , aber innerlich zusammen .
Albano wurde blaß .
Jener faßte sich wieder , starrte die widerwärtige Gestalt , die die welke , aber rosenrote Haut auf scharfen hohen Gesichtsknochen hin und herrollte scharf und mutig an und sagte : " wenn Ihr mich versteht , prophetischer Galgen- und Spaßvogel , und nicht selber wahnsinnig seid :
so bin ich im Stande darzutun , daß man sich sehr wenig daraus zu machen habe , aus der Tollheit . "
Hierauf bewies er -- aber doch abgekühlt , abgebrannt , und verlassen von seinem Bilder-Heer -- -- Wahnsinn wie Epilepsie gebe mehr dem Zuschauer als dem Spieler Schmerzen -- denn er sei nur ein früherer Tod , ein längerer Traum , eine Tag- statt Nachtwandelung -- meistens gebe er , was das ganze Leben , Tugend und Weisheit , nicht könne , eine fort fortdauernde angenehme Idee * ) -- auch wenn er , was selten sei , in eine peinliche schmiede , so werde diese doch ein Panzer gegen alle körperlichen Leiden des Menschen -- er habe daher nie für sich den Wahnsinn gefürchtet , so wenig als den Traum , könne aber an anderen weder das Reden in beiden noch den Anblick davon ertragen .
" Uns schaudert ( sagte Albano , ) ein Mensch , der schlafend zu uns spricht wie zu einem Abwesenden oder der wachend nur allein mit sich redet ; und höre ' ich mich selber allein , so ist es dasselbe . "
" Ich bin kein Philosoph ; " sagte gleichgültig der Kahlkopf , dessen vollendete glänzende Kahlheit mehr fürchterlich als häßlich war .
Schoppe fragte erbittert , " wer er denn sei , quis und quid und ubi und quibus auxilüs und cur und quomodo und quando ** ) "
-- " Quando ? -- * )
Ein Engländer bemerkte , daß unter den fixen Ideen des Irrhauses selten die der Unterwürfigkeit vorkomme ; meistens bewohnen es Götter , Könige , Päpste , Gelehrte . ** )
Wenn . Titan III. Z Nach 15. Monaten komme ich wieder --
Quis ? --
Nichts , Gott braucht mich bloß , wenn er jemand unglücklich machen muß , " sagte der Kahle und bat sich ein Glas und die Erlaubnis mit zu trinken aus .
Albano sagte , es gern erlaubend , im Frageton , er sei wohl erst angekommen ?
" Eben vom großen Bernhard " sagte der Kahle , aber widriger mit jedem Wort , weil sein altes Rosen-Gesicht ein Zickzack konvulsivischer Verziehungen war , so daß immer ein Mensch nach dem anderen dazustehen schien .
Er ging ein wenig hinaus .
Schoppe sagte ganz außer sich : " ich ergrimme immer mehr " gegen ihn wie gegen ein gräuliches , hüpfendes " Fieberbild .
Um Gottes Willen lasse ' uns fort .
"-- Es ist mir immer hinter mir als stoße mich " eine böse Faust auf ihn zu , damit ich ihn ab " würge .
Auch wird er mir immer bekannter , " wie ein vermooster Todfeind . "
Albano versetzte sanft :
" Sieh , meine Ah " nung ! --
Aber nun ich ihr nicht gehorcht , " muß ich auch sehen wo hinaus es geht . "
Seine mutige Natur , seine romantische Geschichte und Lage ließen ihn nicht wegrücken von einer so abenteuerlichen Perspektive .
" Aber warum ( fragte Schoppe den Kah "len , da er wieder kam ) schneidet Ihr so vie " le Gesichter , die eben nicht zu Eurem Besten " ausfallen ? "
-- " Sie kommen ( sagt ' er ) von Gift her , das man mir vor zehn Jahren gegeben -- Habt Ihr gesehen , wie aqua toffana in Menge genommen verzieht ? --
In Neapel zwang ich_es einem sechzehnjährigen schönen Mädchen hinein , das schon einige Jahre damit gehandelt hatte , und ließ es vor mir sterben .
Es gibt wohl nichts Gottloseres als Giftmischerei . "
-- " Abscheulich ! " -- rief Albano ergriffen von einem innersten Widerwillen gegen den Mann ; Schoppen hatte der Grimm ordentlich abgespannt .
Jetzt trat eine arme , magere Tischlersfrau , Liqueur zu holen , herein , welche die Augen vor Scham und Schwäche nieder- und halb zugezogen trug ; sie getraute sich nicht aufzusehen , weil die ganze Stadt wußte , daß sie Nachts gewaltsam aus dem Bette in die Gasse getrieben werde , um einem Leichenzuge , der dann durch dieselbe nach eine Z 2 gen Tagen wirklich ziehe , in seinem Vorspiele und Vorbilde vor ihr zuzuschauen .
Kaum hatte sie der Kahle erblickt , als er sich das Gesicht bedeckte :
" Es ist ein einziger Unschuldiger unter " uns ( sagt ' er , ganz bleich und unruhig ) -- " der Jüngling hier , " indem er auf Albano zeigte .
Eben donnerte oben ein Wagen mit sechs Pferden vorüber .
Schoppe sprang auf , fragte zweimal schnell den sinnenden Albano : " gehst du mit ? " kehrte sich zornig von dessen Nein weg , trat dicht vor den Kahlen und sagte wütend : " Hund ! " --
und kehrte sich um und ging fort .
Am Kahlen regte sich keine Mine auf der bleichgebliebenen Haut , sondern nur die Hand ein wenig , als sei in ihrer Nähe ein Stilett zum Griff , aber er sah ihm mit jenem Blicke nach , vor welchem das Mädchen in Neapel starb .
Albano ergrimmte über den Blick und sagte :
" Mein Herr , dieser Mann ist ein durchaus redlicher , treuer , kräftiger Mensch ; aber Sie haben ihn selber gegen sich erbittert und müssen ihn freisprechen . "
-- Mit sanfter , schmeichelnder Stimme versetzte er : " ich kenne ' ihn nicht erst seit heute , und er kennt mich auch . " -- Albano fragte , ob er vorhin mit dem großen Bernhard den Schweizerberg gemeint .
" Wohl !
( versetzt ' er )
" Ich reise jährlich hin , um eine Nacht mit mei "ner Schwester zuzubringen . "
-- " Meines Wissens sind nur Mönche da " sagte Albano .
-- " Sie steht unter den Erfrorenen in der Klosterkapelle * ) , ( versetzt ' er , ) ich bleibe die ganze Nacht vor ihr und sehe sie an und singe Hören . "
Sonderbar fühlte sich Albano während des Zuhörens verändert -- was er nur dem Punsch zuschreiben konnte -- , es war weniger Rausch als Glut , eine fliegende Lohe brauste über seine innere Welt und der rote Schein irrte an ihren fernsten Grenzen umher ; nun war ihm als stehe er ganz mit dem Kahlkopf auf Einem Boden und könne mit diesem bösen Genius ringen .
-- " Ich hatte auch eine ( sagte " Albano ) -- kann man Tote zitieren ? "
-- " Nein , aber Sterbende , " sagte der Kahle .
-- " Huh ! " sagte Albano bebend .
-- " Wen wollt Ihr se * ) Bekanntlich lehnen sie da unverwest aneinander . hen ? " fragte der Kahle .
-- " Eine lebende Schwester , die ich noch nicht gesehen . " sagte glühend Albano .
" Es kommt ( sagte der Kahle , ) auf ein wenig Schlaf an , und daß Ihr noch wisset , wo die Schwester an ihrem letzten Geburtstag war . "
-- Zum Glück war Julienne , die er für seine Schwester nahm , an dem ihrigen im Schlosse zu Lila gewesen .
Er sagte es ihm .
" So kommt mit mir ! " sagte der Kahle .
In dieser Minute brachte ihm Schoppens Bedienter einen Stockdegen und folgendes Blatt :
" Bruder , Bruder , trau ihm nicht -- Hier hast " du eine Waffe , denn Du bist gar zu tollkühn "-- Stich ihn gleich durch , macht er nur Mine "-- Allerlei unbekannte Leute haben diesen " Abend nach Dir und Deinem Orte gefragt -- " Mir ist , als sei mir vor der Bestie gar kein " Leben gesichert .
Deines , Ihres -- Hüte Dich " und komme !
Schoppe .
" Erstich ' ihn aber , ich bitte Dich . "
" Fürchtet Ihr Euch etwa " fragte der Kahle .
-- " Das wird sich zeigen " sagte Albano zornig und nahm den Stockdegen und ging mit ihm .
Als beide durch das kleine dunkle Vorzimmer des Kellers gingen , sah Albano in einem Spiegel seinen eigenen Kopf in einen Flammen-Ring gefasst .
Sie kamen aus der Stadt ins Freie .
Der Kahle ging voraus .
Der Himmel war sternenhell .
Dem Grafen war als höre er die unterirdischen Wasser und Feuer der Erdkugel und der Schöpfung brausen .
Kaum erkannte er draußen den Weg nach Blumenbühl .
Plötzlich lief der Kahle links Feld ein ; die magere Tischlerin stand auf der Blumenbühle Straße ganz starr und sah vertieft eine Leiche ziehen , die unsichtbar vorübergieng und hörte die ferne Glocke , die der Stumme trägt , der Tod .
So schien es .
Da folgte Albano dem Kahlkopf verwegener nach , die Geisterfurcht tötet die Menschenfurcht .
Beide gingen stumm nebeneinander .
In der fernen Tiefe schien es als schwebe ein Mensch , ohne zu schreiten und rege zu sein , fest und langsam in den Lüften weiter .
Am Kahlen zuckte unaufhörlich die weiße Haut und eine unsichtbare Faust nach der anderen zog sich aus dem Ton seines Gesichts und zeigte den Griff ; einmal lief auf ihm das Gesicht des Vaters des Todes * ) vorüber .
Plötzlich hörte Albano um sich das dumpfe Gemurmel und Durcheinandersprechen eines Gewimmels ; nichts war um ihn .
" Hört Ihr nichts ? " fragte er .
" Es ist alles still , " sagte der Kahle .
Aber das Gewimmel murmelte und lispelte begierig und heiß fort als könne es nicht fertig und einig werden ; -- der kühne Jüngling schauderte , die Tore des Schattenreichs standen weit offen in die Erde , Träume und Schatten schwärmten aus und ein und flogen nahe ans helle Leben .
Beide traten ans Laubgehölze vor Lila ; da half sich ein Knabe mit einem unförmlichgroßen Kopfe auf zwei Krücken heraus und hatte eine Rose , die er dem Jüngling nickend anbot .
Albano nahm sie , aber der Kleine nickte unaufhörlich , als wolle er sagen , er möge doch daran riechen .
Albano tat es -- und Plötze * )
Der ihm auf Isola bella erschienen war . lich zog ihn die Theaterversenkung des Lebens , ein bodenloser Schlummer , in die dunkle Tiefe .
Als er belastet erwachte , war er allein und ohne seine Waffe , in einem alten bestäubten gotischen Zimmer -- ein mattes Lichtlein streute nur Schatten umher -- er sah durch das Fenster -- Lila schien es zu sein , aber auf die ganze Landschaft war Schnee gefallen und der Himmel weiß bewölkt , und doch stachen sonderbar die Sterne durch .
Was ist das , stehe ich im Larventanz der Träume , fragt er sich .
Da ging eine Tapete auf-- eine verhangene weibliche Gestalt mit unzähligen Schleiern auf dem Angesicht trat herein -- stand ein wenig -- und flog ihm an sein Herz .
" Wer ist_es ? " fragte er .
Sie drückte ihn heftiger an sich und weinte durch die Schleier hindurch .
" Kennst Du mich ? " fragt er .
Sie nickte .
" Bist Du meine unbekannte Schwester ? " fragt er .
Sie nickte und hielt ihn mit festen Schwesterarmen , mit heißen Liebestränen , mit ungestümen Küssen an sich fest .
" Rede , wo lebst Du ? "
Sie schüttelte , " Bist Du gestorben oder ein Traum ? "
-- Sie schüttelte .
-- " Heißest Du Julienne ? "
-- Sie schüttelte .
" Gib mir ein Zeichen deiner Wahrhaftigkeit ! "
-- Sie zeigte ihm einen halben goldenen Ring auf einem nahen Tisch .
" Zeige dein Gesicht , damit ich Dir glaube ! "
-- Sie zog ihn vom Fenster weg .
" Schwester , bei Gott , wenn Du nicht lügst , so hebe die Schleier ! "
-- Sie wies mit dem ausgestreckten langen umwickelten Arme nach etwas hinter ihm .
Er bat immer fort , sie deutete heftig nach einem Orte hin und drückte ihn von sich ; endlich folgte er und kehrte sich seitwärts --
Da sah er in einem Spiegel , wie sie schnell die Schleier aufriß und wie darunter die veraltete Gestalt erschien , deren Bild ihm sein Vater auf Isola bella mit der Unterschrift gegeben .
Aber als er sich umkehrte , fühlte er auf seinem Gesicht eine warme Hand und eine kalte Blume ; und sein Ich zog wieder ein Schlaf hinunter .
Als er erwachte , war er allein , aber mit seiner Waffe und an der Waldstelle , wo er zum erstenmal eingeschlafen war .
Der Himmel war blau , und die lichten Bilder schimmerten -- die Erde war grün und der Schnee verwischt -- den halben Ring hatte er nicht mehr in der Hand -- um ihn war kein Laut und kein Mensch .
War alles der verwehte Wolkenzug der Träume gewesen , das kurze Wirbeln und Bilden in ihrem Zauberrauch ?
Aber das Leben , die Wahrheit hatte ja so lebendig an seiner Brust gebrannt ; und die Schwestertränen lagen noch auf seinem Auge .
" Oder wären es nur meine Brudertränen " sagte sein verwirrter Geist , als er aufstand und in der hellen Nacht nach Hause ging .
Alles war so still als schlafe das Leben noch fort -- er hörte sich und fürchtete , es zu wecken -- er schaute seinen gehenden Körper an : ja , dachte er , dieses dichte um uns gewickelte Bette spielt uns eben die Qualen und Freuden des Lebens zu .
So wie wir schlafend unter herüberfallend Bergen zu ersticken glauben , wenn das Deckbette sich auf unsere Lippen überschlägt , oder über klebendes Glut-Blech zu schreiten , wenn es mit zu dicken Federn die Füße drückt , oder als nackte Bettler zu frieren , wenn es sich kühlend verschiebt :
so wirft diese Erde , dieser Leib in den siebzigjährigen Schlaf des Unsterblichen Lichter und Klänge und Käl te und er bildet sich daraus die vergrößerte Geschichte seiner Leiden und Freuden ; und wenn er einmal erwacht , ist nur wenig wahr gewesen !
" Gott , warum kommst du so spät -- und so blaß ? " fragte Schoppe , der in Albano's Zimmer lange auf ihn gewartet hatte .
" O , frag mich heute nicht ! " sagte Albano .
Drei und zwanzigste Jubelperiode .
Liane. 95. Zykel .
Nie fuhr sich Schoppe mit mehr Flüchen an , als am Morgen unter Albano's Erzählung und zwar darüber , daß er nicht geblieben war , um dem Kahlen , dem Schwungrad so vieler Geister-Bewegungen , mitten unter dem Drehen in die Speichen zu fahren .
Er flehte inständig den Grafen an , doch bei der nächsten Erscheinung -- zumal in Italien -- dem Kahlen ohne Schonung die Larve abzureißen , und bliebe das Leben darin hängen .
Den Jüngling hatte die Nacht zu stark bewegt ; daher sprach er ungern und flüchtig davon .
Da in ihm alle Empfin Dunen sich ernster und übermächtiger regten als in Roquairol :
so hatte ' er nicht wie dieser Freude an ihrem Malen sondern Scheu davor .
Er suchte das kleine alte Schwesterbild auf , das ihm sein Vater auf der Insel gegeben ; -- welcher treffende Widerschein des nächtlichen Spiegelbildes !
Dieses Alter-Moos an einer Schwester mußte , bloß um damit ihre Ähnlichkeit zu überdecken , durch Kunst gesät sein .
Die Vermutung auf Julienne gab er nach dem Nein der Verschleierten und bei der Unwahrscheinlichkeit einer solchen Nachtrolle wieder auf und setzte die Höhen-Berechnung aller dieser unbegreiflichen Lufterscheinungen auf die Hilfe seines so nahen Vaters hinaus .
Ach über allen seinen Gedanken zog in Geier-Kreisen unaufhörlich eine ferne dunkle Gestalt , der Würgengel , der auf die hilflose Liane hungrig niederfliegen wollte !
Das Starren der Leichen-Seherin auf dem Blumenbühle Weg -- zumal nach dem trüben Blatte der Fürstin -- gaukelte jetzt in den dunklen durcheinanderkreuzenden Laubgängen , worein sein Le bensweg getrieben war , als ein flatterndes Schreckbild fort .
Ein neuer , einziger Entschluß stand jetzt in seiner Seele wie ein starrer Arm am Wege fest , der immer nach Einer Richtung zeigte , auf die Blumenbühle Straße : " du mußt zu ihr -- " sagte der Entschluß -- sie darf nicht in dem " Wahne deines Zürnens und deiner alten Här : " te sterben -- du mußt sie wieder sehen , um " ihr abzubitten , und dann weinest du , bis ihr " Grab aufgeht und sie wegnimmt . " -- O , wie werde ich dann , sagte er zu sich , vor dem Sterbe-Throne dieses Engels mein hartes , stolzes , wildes Herz zerknirschen und alles , alles womit ich die sanfte Seele in Lila blind und wund gemacht , zurücknehmen , damit sie nicht zu sehr verachte die kurzen Tage ihrer Liebe und damit doch ihr Herz verscheide mit einer kleinen letzten Freude von mir ! --
Und das , o Gott , bescheide uns ! "
-- Vergeblich trug Schoppe darauf an , daß er mit ihm die Expeditionsstube der Nacht- Wunder , die so wahrscheinlich im gotischen Tempel anzutreffen sein mußte , suchen sollte ; noch an diesem Tage , wollte er vor die bleiche Geliebte dringen .
Auffallend bestand Schoppe auf dem Besuch von Lila fort , und verlangte diesen zuletzt , voreilig befehlend -- ; aber jetzt war es verdorben und Albano's Stirn verpanzert .
" Verflucht ! wozu lasse ich mich denn in diesen Tränentöpfen kochen " sagte Schoppe und fuhr hinaus .
Aber nach kurzer Zeit kam er wieder , mit einem Blatte von -- Gaspard , worin dieser auf heute Relais-Pferde von der Post verlangte , und mit einem Vorschlag von sich selber , dem Vater entgegen zu gehen .
Wie erfrischend wehte die väterliche Nähe über Albano's schwüle Wüste ! -- Gleichwohl sagte er das zweite Nein ; das lange Wollen und Streiten und jede Stunde hüllte ihm Lianen immer finsterer in ihre Wolke und er dachte bange an seinen Traum über sie auf Isola bella * ) ; -- und am Ende * )
Wo sie ihm in der Wolke zerflossen war , als er sie umfassen wollte .
Ende stutzte er argwöhnisch über das bedenkliche Zurückzerren .
Und darin irrt er nicht ; Schoppe handelte nach ganz anderen Begebenheiten als er noch erfahren hatte .
Der Lektor nämlich , der mit alter kluger Redlichkeit über den abtrünnigen , aber von ihm überall gelobten Jüngling von fernen Wache hielt durch den stellvertretenden Schoppe , hatte diesem den aufgetürmten bleischweren Wolkenbruch gezeigt , der sich nun gesenkt gegen das Haupt des edlen Jünglings herbewegte ; nämlich Lianen ganz nahen Tod .
Früher war der Streit mit den Eltern , gleichsam diese poetische Härte für Lianen Nerven , noch Eisenwein gewesen , die nachher im weichen Wasser der Entsagung , Herbstruhe und Andacht schmolzen .
Es gibt eine warme Windstille , welche Menschen wie Schiffe zerlässt ; eine Wärme , worin das Wachsbild des Geistes zerrinnt .
Täglich kam noch dazu der fromme Vater und breitete ihre Schwingen aus , löste sie ab von den Erden-Hoffnungen und Erden- Bangigkeiten und führte sie in den Glanz des göttlichen Thrones . --
Die schönen Frühlings Titan III. A a lüfte ihrer geendigten Liebe ließ sie wieder wehen , aber in höherer Stelle , es waren dünne , milde Äther-Zephyre , Blumen-Hauche .
-- Sie wußte jetzt zugleich , sie sterbe und liebe Gott .
Sie stand wie eine Sonne schon ruhig und fern an ihrem Himmel , aber wie eine Sonne schien sie folgsam um den kleinen Tag ihrer Mutter zu gehen und wärmte sie sanft .
-- Ihre Tränen entflossen so süß wie Seufzer , wie Abendtau aus Abendrot -- Wie man selig-wogend sinkt in heiteren Träumen , so floß sie mit schwimmendem Körper-Gewand auf dem Todesflusse , lange getragen , langsam angezogen .
Nur ein einziger irdischer Widerstand hatte bisher den süßen Fall gebrochen -- die heisse Erwartung der kommenden Romeiro , dieser ihr so innig befreundeten Freundin ihrer Freundin Julienne .
Endlich erschien ihr diese und ergriff ihre Phantasie zu sehr ; denn gerade die Flügel der Phantasie waren an diesem sanften , steten Schwane * ) zu stark .
Wie stellte sich die * )
Ein Schwan kann mit dem Flügelschlag einen Arm zerbrechen .
Kranke unter diese glänzende Göttin herunter !
Wie fand sie sich unwürdig der vorigen Liebe für Albano ! --
So wenig hatte Spener , der nur vor Gott demütig war , sie hindern können , zwei Kleinode aus ihrem vorigen Leben in ihr jetziges verklärtes heraufzunehmen , die alte Demut vor Menschen und das alte bekümmerte Sorgen für Geliebte .
Julienne mochte ihr noch so oft abgeraten haben , sie schlang sich doch an einem Abende -- wo sie Albano's Wegziehen nach Italien vernommen -- um Linda's Herz und sagte ihr mit gewöhnlicher Überwallung , nur Albano verdiene sie .
Linda antwortete bewundernd : sie fasse eine Liebe nicht , die sich selber vernichte ; in Ihrem Falle würde sie sterben .
" Und tue ich_es denn nicht ? " sagte Liane .
Julienne bat gleich darauf Lianen , die verlegene edle Gräfin darüber zu schonen .
Liane schwieg unbeleidigt ; aber der neue Wunsch ergriff sie nun , ihren verlorenen Albano noch einmal wiederzusehen und ihm ihre vorige Treue und seinen Irrtum zu beweisen und ihm mit sterbendem Herzen ein neues großes zu verma A a 2 chen .
Sie war sehr offenherzig mit allen letzten Wünschen ihrer heiligen Seele .
So lange die Mutter und Augusti konnten , hielten sie ihr die Hand , damit sie sich eine so giftige schwarze Blume als die Freude eines solchen Wiedersehens sein müßte , nicht ans kranke Herz steckte .
Aber sie versicherte ihre Mutter , was könne es ihr in diesem Jahre schaden , da sie ja erst im künftigen -- nach Karolinens Weissagung -- von hinnen gehe ? --
Indes suchte man ihr das letzte Ziel immer hinauszurücken in der Hoffnung , daß Gaspard den Grafen wegführe , und mit dem Vorsatz , nur im Notfalle aller verlorenen Hoffnungen ihr diese tödliche zu stillen .
Da wandte sie sich mit ihrem Wünsche an ihren Bruder ; aber dieser halb aus erbitterter Eitelkeit , halb aus Liebe gegen die Schwester , schilderte Albano von der kälteren Seite , sagte , er ziehe in ein frohes Land , verschmerze sie leicht u. s. w. Wie entrüstete sich beinahe die sanfte Seele , weil sie daraus mit weiblicher Scharfsicht einen nahen Bruch der Liebe gegen Albano und Rabette und eine Wiederkehr der Neigung für die dableibende Linda entdeckte !
Sie hatte schon längst die lange Unsichtbarkeit Rabettens untersucht .
Denn diese arme Seele war seit ihrem Falle , seit dem Begräbnis ihrer Unschuld , durch keine Bitten und Befehle zu zwingen gewesen , vor die Freundin der ewigen Unschuld mit dem niedergeworfenen Sünder- Auge zu treten ; und jetzt war es ihr vollends unmöglich , seit ihr durch Linda's Ankunft und Besuche auch das kleinste schillernde Gewebe ihres fliegenden Sommers zertreten war und ihr Mund voll Qual dumpf am hereingezogenen Leichenschleier erstickte .
" Bruder , Bruder , ( sagte " Liane begeistert , ) bedenke , was unsere armen " Eltern von uns Kindern haben !
Ich erfülle " ihnen keine Hoffnung ; auf Dir ruht jede ; " " ach " wie wird unser Vater zürnen ! " setzte sie mit alter Scheu und Liebe dazu .
Der Bruder hielt es für Recht , die Wahrheit ( über Rabettens Hinab " und Wegstoßen ) , welche diesmal die Gestalt einer bewaffneten Parze haben würde , von ihr zu entfernen , und setzte an die Stelle der Wahrheit seine Bruder-Liebe .
Daher hatte er bisher die einzige Gelegenheit , mit der Gräfin zu sprechen , entbehrt -- Lianen Kranken Stuhl .
" Du mußt sterben ( sagte er einmal im " Enthusiasmus zu ihr ) ; es ist gut , daß Dein " Gewebe so zart ist , damit es das Durcheinan " dergreifen so vieler Tatzen entzwei reißet -- " Was hättest Du bis in Dein 70. Jahr nicht lei " den können unter Menschen und Männern ! "
Auch er glaubte -- aus eigener Erfahrung -- daß es mehr Weiber- als Männer-Schmerzen gebe , so wie es am Himmel mehr Mond- als Sonnenfinsternisse gibt .
So stand es bis in die Nacht , wo Albano den Kahlkopf , die Spiele der Finsternisse und die verschleierte Schwester sah ; in dieser sprang eine Saite nach der anderen in Lianen Leben , sie wurde schnell verändert und am frühen Morgen empfing sie schon das Abendmahl aus ihres Speers Hand .
Der Lektor bekam diese trübe Nachricht von der Ministerin um 9 Uhr Morgens .
Darum suchte er mit solchem Eifer durch Schoppe den Jüngling vom Anblick einer verscheidenden Braut zu verdrängen .
Später kam Gaspards Billet , welches beide auf den Gedanken brachte , ihn zum Entgegenfahren zu locken und -- durch eine Nach richtet an den Vater -- diesen zu bereden , wenigstens auf einige Tage mit Albano vor dem nahen Erdfall umzukehren , damit dieser sinke , ehe ihn der Sohn betreten .
Aber auch das , wie schon erzählt worden , schlug fehl ; Albano bekannte Schoppen geradezu seinen Argwohn irgend einer unheimlichen Begebenheit .
Dieser wollte eben eine Antwort geben , als sie ihm ersparet wurde durch einen keuchenden Boten aus Blumenbühl , der an Albano folgendes Blatt von Spener überbrachte :
" P. P. Ew. Hochgeboren Gnaden soll in aller Eile melden , daß das totkranke Fräulein von Froulay noch heute mit Denselben zu sprechen sehnlichst verlangt , daher Sie um so mehr zu eilen haben , da selbige nach eigener Aussage höchst wahrscheinlich ( und um so mehr , als Patienten dieses Genre immer ihren Tod richtig vorauszusagen wissen ) den heutigen Abend schwerlich überleben , sondern aus dieser Leiblichkeit einziehen wird in die ewige Herrlichkeit .
Ich für meine Person brauche Ew. Gnaden als einem Christen wohl nicht erst zu vermahnen , daß wohl ein sanftes , stilles , frommes Betragen und Gebet bei dem Sterbebette dieser herrlichen Braut Christi , von deren Tod jeder wünschen wird : Herr , mein Tod sei wie dieser Gerechten ! nicht aber grausame weltliche Trauer sich gebühre und gezieme , der ich mit sonderbarem Respekte verharre Euer .
Hochgeboren Gnaden Untertäniger Joachim Spener Hofprediger. P. S.
Kommen Dieselben nicht sogleich mit dem Erpressen :
so bitte sehr um einige Zeilen Antwort . "
Albano sagte kein Wort -- gab das Blatt seinem Freunde -- drückte leise dessen Hand -- nahm den Hut -- und ging langsam und mit trockenen Augen auf die Gasse hinaus , auf den Weg nach dem Bergschloß .
96. Zykel .
Schaudernd lief er draußen um die Stelle vorbei , wo in der vorigen Nacht die Leichen- Seherin gestanden hatte , um ihre in schwarze Menschen verwandelten Träume langsam von der Bergstraße herunterziehen zu sehen .
-- Es war ein stiller , warmer , blauer Nachsommer- Nachmittag -- das Abendrot des Jahres , das rotglühende Laub , zog von Berg zu Berg -- auf toten Auen standen die giftigen Zeitlosen unverletzt beisammen -- auf den übersponnenen Stoppeln arbeiteten noch Spinnen am fliegenden Sommer und richteten einige Fäden als die Taue und Segel auf , womit er entfloh -- der weite Luft- und Erdkreis war still , der ganze Himmel wolkenlos -- und die Seele des Menschen schwer bewölkt .
Albano's Herz ruhte auf der Zeit wie ein Kopf auf dem Enthauptungsblock -- -- Nichts sah er im weiten Himmelsblau als die darin fliegende Liane , nichts , nichts auf der Erde als ihre liegende leere Hülle .
Er zuckte , da ihm plötzlich auf der Blumenbühle Höhe das weiße Bergschloß entgegen glänzte .
Er rannte hinab -- wild vor dem verhaßten entstellten Blumenbühl vorbei -- und draußen in den tiefen Hohlweg hinauf , der zum Bergschloß führt .
Da aber dieser sich in zwei aufsteigende Täler spaltet ; so verirrte sich der vom Schmerz verschleierte Mensch in das linke und eilte zwischen dessen Wänden immer heftiger , bis er nach langem Treiben auf die Höhe heraustrat und das schimmernde Trauerschloß hinter sich erblickte .
Da war ihm als rühre sich die weite hinabliegend Landschaft wie ein stürmendes Meer durcheinander mit wogenden Feldern und schwimmenden Bergen ; und der Himmel schaute still und hell auf das Bewegen nieder .
Nur unten am westlichen Horizonte schlief eine lange dunkle Wolke .
Er stürmte wieder bergab und kam in wenigen Minuten im kleinen Blumengarten des Trauerhauses an .
Als er heftig durch ihn schritt , sah er oben an den Schloßfenstern mehrere Menschen-Rücken ; wenn sie sich umkehren , ( sagt ' er , ) so wird sogleich die Sage umlaufen : der Mörder kommt .
Jetzt trat die Ministerin an ein Fenster , wandte sich aber schnell um , da sie ihn erblickte .
Er stieg schwer die Treppe hinauf , der Lektor kam ihm gerührt entgegen , sagte zu ihm :
" Fassung für Sie und Schonung " für andere !
Sie haben keinen Zeugen Ihrer " Unterredung als Ihr Gewissen " und machte dem stummen Jüngling das stille Krankenzimmer auf .
Vom Schmerz belastet und gebückt trat er leise hinein .
In einem Krankenstuhl ruhte eine weißgekleidete Gestalt mit weißen , tiefen Wangen und ineinander gelegten Händen und lehnte den Kopf , den ein bunter Grasblumenkranz umzog , an die Seitenlehne .
Es war seine vorige Liane .
" Sei mir willkommen , Albano ! " sagte sie mit schwacher Stimme , aber mit dem alten , aufgehenden Sonnen-Lächeln und reicht ihm die mühsam gehobene Hand entgegen ; das schwere Haupt konnte sie nicht erheben .
Er trat hin , sank auf die Knie und hielt die teure Hand , und die Lippe zitterte stumm .
" Sei mir recht willkommen mein guter Albano ! " wiederholte sie noch zärtlicher in der Meinung , er habe es das erstemal wohl nicht gehört ; und alle Tränen seines Herzens riß die bekannte wiederkommende Stimme in Einem Regen nieder .
" Auch du , Liane ! " Stamm mehlte er noch leiser .
Mühsam ließ sie ihr Haupt auf die andere ihm nähere Lehne herüberfallen ; da schauten ihre lebensmüden blauen Augen recht nahe seine feurigen nassen an ; wie fanden beide ihr Angesicht von Einem langen Schmerz entfärbt und veredelt !
Rotwangig und vollblühend und Schmerzen tragend war Liane in das kalte fremde Totenreich der schweren Prüfung für die höhere Welt gegangen und ohne Farbe und ohne Schmerzen war sie wiedergekommen und mit himmlischer Schönheit auf dem irdisch-verblühten Gesicht -- Albano stand vor ihr , auch bleich und edel , aber er brachte auf dem jungen kranken , eingefallenen Angesicht die Kämpfe und die Schmerzen zurück und im Auge die Lebens-Glut .
" Gott , Du hast Dich verändert , Albano " -- fing sie nach einem langen Blicke an -- " Du siehst ganz eingefallen aus -- Bist Du so " krank , Lieber ? "
-- fragte sie mit der alten Liebes-Bekümmernis , die ihr weder der fromme Vater noch der letzte Genius , der den Menschen erkältet gegen das Leben und Lieben ehe er es entrückt , aus dem Herzen nehmen Konen ten .
-- " O , wollte Gott !
Nein , ich bin_es " nicht " sagte er und erstickte aus Schonung den inneren Sturm ; denn er hätte so gern seinen Jammer , seine Liebe , seinen Todes-Wunsch ausgerufen vor ihr mit einem tödlichen Schrei , wie eine Nachtigall sich zu Tode schmettert und vom Zweige stürzt .
Ihr erkältetes Auge ruhte , sich erwärmend , lange auf seinem Angesicht voll unaussprechlicher Liebe und sie sagte endlich mit schwerem Lächeln :
" So liebst Du mich also wieder , " Albano ! --
Du hattest Dich auch in Lila " ganz geirrt .
Erst nach langer Zeit wird mein " Albano es erfahren , warum ich von Ihm ge " wichen bin , nur zu Seinem Wohl .
Heute , " Heute an meinem Sterbetage sage ich Dir , " daß mein Herz Dir treu geblieben . -- Glaube ' " es mir ! --
Mein Herz ist bei Gott , meine " Worte sind wahr -- Sieh !
Darum bat ich Dich " heute zu mir -- denn Du sollst sanft , ohne " Reue , ohne Vorwurf auf Deine erste Jugend " liebe herübersehen in Deinem künftigen lassen " gen Leben . --
Heute wirst Du nicht böse " über die kleine Linda , daß sie vom Sterben " spricht -- Siehst du wohl , daß ich damals " Recht hatte ? --
Hole mir das Blatt dort ! " --
Er gehorchte ; es war ein mit zitternder Hand gemachter Umriß von ihr , der Linda's edlen Kopf vorstellte .
Albano sah das Blatt nicht an .
" Nimm es zu Dir , " sagte sie ; er tat es .
" Wie bist Du so willig und gut !
( sagte sie ) " Du verdienst Sie -- ich nenne Sie Dir nicht "-- als den Lohn Deiner Treue gegen mich .
" Sie ist Deiner würdiger als ich , Sie blüht " wie Du , siecht nicht wie ich ; aber tue
Ihr nie " Unrecht -- Deine Liebe zu Ihr ist mein letzter " Wunsch -- -- Wirst Du mich betrüben , festes " Gemüt , durch ein heftiges Nein ? "
-- " Himmels-Seele ! --
( rief er und blickte sie bittend an und brachte ihr das Totenopfer des erstickten Neins ) ich antworte Dir nicht -- Ach vergib , vergib der früheren Zeit ! " --
Denn nun sah er erst , wie demütig , leise und doch innig die zarte , stille Seele ihn geliebt , die noch jetzt im zerfallenden Körper ganz wie an Lilars schönen Tagen sprach und liebte , so wie die schmelzende Glocke im brennenden Turm noch aus den Flammen die Stunden tönt .
" So lebe nun wohl , Geliebter !
( sagte sie " ruhig und ohne Träne und ihre matte Hand " wollte seine drücken ) Reise glücklich in das schö "ne Land !
-- Habe ewigen Dank für Deine " Liebe ' und Treue , für die tausend frohen Staun " den , die ich dort erst verdienen will * ) , für " Lilars schöne Blumen ... .
Die Kinder meiner " Chariton haben sie mir aufgesetzt ** ) ... ... Je ne " suis qu'un songe -- --
Was wollte ich Dir " sagen , Albano ?
Mein Lebewohl !
Verlasse " meinen Bruder nicht ! --
O , wie Du weinst !
" Ich will noch für Dich beten ! " --
Die Sterbenden haben trockene Augen .
Das Gewitter des Lebens endigt mit kalter Luft .
Sie wissen es nicht , wie ihre lallende Zunge einschneide in die weit aufgerissenen Herzen .
Die sanfteste Seele wusste es nicht , wie sie ein * )
Sie hielt ihr hiesiges Leben für ein ruhiges Spiel- und Kinder-Leben , erst das zweite für das tätige . ** )
Hier und weiter redet sie zwar irre ; aber sie weiß es doch , daß der Grasblumenkranz von Charitons Kindern ist .
Schwert nach dem anderen durch ihren Albano stieß , der es nun fühlte , daß er der Heiligen , der schon die Frühlingswinde , die Frühlingsdüfte des ewigen Ufers entgegen zogen , nichts mehr sein , nichts mehr geben konnte , nicht einmal die Demut nehmen .
Als sie es gesagt , richtete ihr Haupt mit der Blumenkrone sich begeistert auf , sie zog ihre Hand aus seiner und betete laut mit Inbrunst :
" Erhöre mein Gebet , o Gott ! und " lasse Ihn glücklich sein bis er eingeht in Dei "ne Herrlichkeit .
Und wenn er irret und wankt , " so schon ihn , o Gott , und lasse mich ihm er " scheinen und ihm zureden .
-- Dir aber allein , " du Allgütiger , sei Preis und Dank gesagt für " mein frohes , stilles Leben auf der Erde , du " wirst mir nach der Ruhe droben schenken den " schönen Morgen , wo ich arbeiten kann . . . . " Wecke mich früh aus dem Todesschlafe . . . . . " Weckt mich , weckt !
. . . . . Mutter , das Mor " genroth * ) liegt schon auf den Bäumen . " -- --
Da * )
Sie sieht das Herbstlaub .
Da stürzte die Mutter ins Zimmer mit anderen Menschen .
Der todesschlaftrunkne Blick und das Irrereden sagten an , daß nun der kalte Schlaf mit offenen Augen komme .
" Erscheine mir , Du bist ja bei Gott ! " rief Albano sinnlos .
Umsonst wollte ihn Augusti wegführen ; ohne Antwort , ohne Regung stand er eingewurzelt fest .
Liane wurde immer blasser , der Tod schmückte sie mit dem weißen Brautkleid des Himmels an ; da hörte sein weinendes Auge auf , die Qual gefror , und das weite , schwere Eis der Pein füllte die Brust .
Unverrückt hing Lianen Blick an einer lichten Stelle des sanft Bezogenen Abendhimmels wie forschend und erwartend , daß der Himmel aufgehe und die Sonne gebe .
Gleichgültig gegen alle stürmte ihr Bruder jammernd herein :
" gehe nicht zu Gott , ich sehe Dich sonst " nie mehr -- sieh mich an , segne , heilige mich , " gib mir deinen Frieden , Schwester ! "
-- Sie war still in die lichter aufbrechende Sonnenwolke vertieft .
" Sie hält Dich für mich ( sage " te Albano zu Karl wegen ihrer ähnlichen " Stimmen ) , und gibt Dir keinen Frieden ! "
Titan .
III. B b -- " Stiehl meine Stimme nicht , " sagte Karl zornig .
-- " O , lasst Sie in Ruhe " , sagte die Mutter , aus deren gebückten Augen nur kleine , sparsame Tränen auf den Kranz der Tochter zitterten , deren mattes , nach dem Himmel aufblickendes Haupt sie an sich angelehnt mit beiden Händen hielt .
Auf einmal , als die Sonne die Wolken wie Augenlider aufschlug und hell herunterblickte , erschütterte sich die stille Gestalt ; Sterbende sehen doppelt , sie sah zwei Sonnenkugeln und rief an die Mutter geschmiegt : " ach Mutter , wie groß und feurig sind Seine Augen ! "
-- Sie sah den Tod am Himmel stehen .
" Bedecket mich mit dem Leichenschleier , ( flehte sie ängstlich ) -- meinen Schleier ! "
Ihr Bruder griff nach ihm und deckte damit die irren Augen und die Blumen und Locken zu ; auch die Sonne zog schonend wieder das Gewölk über sich .
" Denke ' an den allmächtigen Gott ! " rief ihr der fromme Vater zu .
" Ich denke an ihn " antwortete leise die Verhüllte .
Die Aurora der zweiten Welt steht schwarz vor den Menschen , sie bebten alle .
Albano und Roquairol ergriff fen und drückten einander die Hand , dieser aus Haß , Albano aus Qual wie man in Metall knirscht .
Das Zimmer war voll unähnlicher befeindeter Menschen , die der Tod gleich machte .
Seitwärts sah Albano eine fremde hereingeschlichene ihm widrige Gestalt ; es war sein unkenntlicher Vater , dessen große , düstere Augen scharf und hart auf dem Sohne hafteten .
-- Aus dem zweiten Zimmer blickten zwei lange verschleierte weibliche Gestalten auf die dritte und sahen kein Gesicht und niemand ihres .
Liane spielte mit den Fingern am Schleier .
Der Abend stand im Zimmer und die Stille zwischen dem Blitze und dem Donnerschlag .
" Denke an den allmächtigen Gott ! " rief Spener .
-- Sie antwortete nicht -- er sprach weiter : " an unsere Quelle und an unser Meer , er al " lein steht Dir jetzt im Dunklen bei , wo Dir die " Erde und die Menschen aus der Hand entsinn " ken und alle Lichter des Lebens . "
-- Plötzlich fing sie an und sagte ganz freudig-leise und schnell hintereinander , wie wenn der Mensch im Schlafe spricht , und immer entzückter und schneller :
" Karoline -- hier , hier , Karoline -- B b 2 das ist meine Hand -- wie bist Du so schön ! " --
Der unsichtbare Engel , der ihre erste Liebe geheiligt , der ihr Leben begleitet hatte , schimmerte wieder wie ein aufgegangener Mond über das ganze dunkle Sterben und der Glanz verschmolz die kleine Mainacht leise mit dem großen Frühlingsmorgen der anderen Welt .
Nun lehnte die verschleierte Nonne des Himmels ganz still an der Mutter -- Der Todesengel stand unsichtbar und zornig unter seinen Opfern -- Mit großen Flügeln hing die Todes-Eule der Angst sich über die Menschen- Augen und hackte mit schwarzem Schnabel in die Brust herab und man hörte nichts in der Stille als die Eule -- Düster wälzten sich des Ritters melancholische Augen in ihren tiefen Höhlen zwischen der stillen Braut und dem stillen Sohne hin und her ; und Gaspard und der Würgengel schauten einander finster an . --
Da klang aus Lianen Harfe ein heller , hoher Ton lang in die Stille ; die Parze , die an ihrem Leben spann , kannte das Zeichen , hielt innen und stand auf , und die Schwester mit der Schere kam .
Lianen Finger hörten auf zu spielen und unter dem Schleier wurde es still und unbeweglich .
" Dein Kopf ist schwer und kalt , meine Tochter , " sagte die trostlose Mutter .
" Reißt den Schleier weg " rief der Bruder ; und als er ihn herunter zog , ruhte Liane zufrieden und lächelnd darunter , aber gestorben -- die blauen Augen offen nach dem Himmel -- der verklärte Mund noch Liebe atmend -- die jungfräuliche Lilien-Stirn von der tiefer herabgesunkenen Blumenkrone umwunden -- und bleich und verklärt vom Mondschein der höheren Welt die fremde Gestalt , die groß aus den kleinen Lebendigen unter ihre hohen Toten trat .
Da quoll die goldene Sonne durch die Wolken und durch die Tränen hindurch und übergoß mit dem blühenden Abendlicht , mit dem jugendlichen Rosen-Öhl ihrer Abendwolken die entfärbte Himmelsschwester , und das verklärte Antlitz blühte wieder jung .
Am Himmel schlugen alle Wolken , berührt von ihren Flügeln , als sie durch sie zog , in lange rote Blüten aus -- und durch den hohen über die Erde geblähten Nebelflor glühten die tausend Rosen hindurch , die gestreut und gewachsen waren auf der Wolken-Bahn , worauf die Jungfrau über die Erde zu dem Ewigen ging .
Aber Albano , der verlassene Albano stand ohne Tränen und Augen und Worte unter den gemeinen Klagestimmen des Schmerzes im rosenroten Abendfeuer des heiligen Verklärungs-Zimmers , unter dem irdischen Getümmel neben der stillen Gestalt ; in tiefer Vergangenheit zeigte ihm der Schmerz ein Medusenhaupt und er sah es noch an , als sein Herz schon davon versteinert war und er hörte immer das finstere Haupt die Worte murmeln :
" Wie bitter hatte die Tote in Lila über den harten Albano geweint ! "
-- Ihr Bruder sagte auf seiner Folter viele grausame Worte zu ihm ; er vernahm sie nicht , weil er dem grausameren Gorgonenhaupt zuhörte .
" Sohn ! ( rief Gaspard Cesara ernst ) Sohn , kennst Du mich nicht ? "
Durch das schwere Leichen-Herz blitzt ihm eine Lebens- Stimme ; er blickt umher , und auf den Vater , ordnet sich erschreckend die Gestalt und stürzt auf seine Brust und ruft nur " Vater ! " und immer wieder : " Vater ! " --
Er rief fort , ihn heftig wie ein Feind umflechtend und sagte :
" Vater , das ist Liane ! " --
Noch heftiger wurde die Umarmung , nicht aus Liebe , nur aus Qual .
-- " Komme zu dir , und zu mir , lieber Albano ! " sagte der Ritter .
" O , ich will es tun , Sie ist nun gestorben , Vater ! " sagte er erstickt und nun zerriß sein Schmerz am Vater wie ein Gewölk am Gebirge , in Eine unaufhörliche Träne -- sie strömte fort als wollte sich die innerste Seele verbluten aus allen offenen Adern -- aber das Weinen wühlte nur die Qualen auf wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld , er wurde trostloser und ungestümer und wiederholte dumpf das alte Wort .
" Albano ! ( sagte Gaspard nach einiger Zeit mit stärkerer Stimme ) willst Du mich begleiten ? "
-- " Gern , mein Vater ! " sagte er und folgte ihm , wie der Mutter ein blutendes Kind mit seiner Wunde .
-- " Morgen will ich schon sprechen , " sagte Albano im Wagen und nahm die väterliche Hand .
Die weit offenen Augen hingen geschwollen und blind an der warmen Abendsonne fest , die schon auf dem Gebirge ruhte -- er blieb lächelnd und bleich und in seinem leisen , sanften Weinen -- und er merkte es nicht , daß die Sonne unterging und er in der Stadt ankam .
" Morgen , mein Vater ! " sagte er kraftlos und bittend zum Ritter ; und schloß sich ein .
Man hörte nichts mehr von ihm .
Vier und zwanzigste Jubelperiode .
Das Fieber -- die Kur. 97. Zykel .
Lange blieb Albano im Nebenzimmer stumm .
Der Vater überließ ihn der heilenden Stille .
Schoppe wartete auf ihn geduldig um ihn tröstend anzusehen und anzuhören .
Endlich hörten sie ihn darin heftig beten :
" Liane erscheine mir und gib mir den Frieden ! "
Gleich darauf trat er stark und frei wie ein entketteter Riese heraus , mit allen Blut-Rosen auf seinem Gesicht -- mit Blitzen in den Augen -- mit hastigem Schritt .
" Schoppe , ( sagt ' er , ) komme mit " auf dir Sternwarte , es hängt am Himmel ein " heller , hoher Stern , auf dem wird Sie begra " ben ; ich muß das wissen , Schoppe ! "
Die edle Seele lag in der gewaltigen Hand des Fiebers .
Er wollte mit ihm hinaus , als er den Ritter erblickte , der ihn starr anschaute :
" Erstarre nur nicht wieder , mein Vater ! " sagte er , umarmte ihn nur leise und vergaß , was er gewollt .
Schoppe holte den Doktor Sphex .
Albano ging wieder in sein Zimmer und langsam darin mit gesenktem Haupt , mit gefalteten Händen auf und ab und redete sich tröstend zu : " warte doch nur bis es wieder ausschlägt . "
-- Sphex kam und sah und -- sagte " es sei ein einfaches entzündliches Fieber . "
Aber keine Gewalt brachte ihn dahin , sich für das Bette oder nur für eine Ader-Wunde zu entkleiden .
" Wie , ( sagt ' er schamhaft ) Sie kann mir ja zu jeder Stunde , erscheinen und den Frieden geben , -- Nein , Nein ! "
Der Arzt verschrieb einen ganzen kühlenden Schneehimmel , um damit diesen Krater Vollzuschneien .
Auch diesen Kühlungen und Frost-Zuleitern weigerte der Wilde sich .
Aber da fuhr ihn der Ritter mit der ihm eig einen donnernden Stimme und mit dem Grimm des Auges an , der das immerwährende aber bedeckte Zornfeuer der stolzen Brust verriet :
" Albano , nimm ! " --
Da besann und fügte sich der Kranke und sagte :
" o , mein Vater , ich liebe Dich ja ! "
Durch die ganze Nacht , deren Wächter und Arzt der treue Schoppe blieb , spielte der wahnsinnige Körper seine glühende Rolle fort , indem er den Jüngling auf- und abtrieb und bei jedem Ausschlagen der Glocken betend niederzuknien zwang :
" Liane , erscheine doch und gib mir den Frieden ! "
Wie oft hielt ihn der sonst Zeichen-Arme Schoppe mit einer langen Umarmung fest , um nur dem Umhergetriebenen eine kurze Ruhe zuzuspielen .
-- Unbegreiflich waren am Morgen dem Arzte die Kräfte dieser eisernen und weißglühenden Natur , die Fieber , Pein und Gehen noch nicht gebogen hatten , und auf welcher alle verordnete Eisfelder trocken verzischten ; -- und fürchterlich erschienen ihm die Folgen , da Albano noch immer sein Selbst-Mordbrenner blieb und bei jedem Staun den-Schlage auf den Knien nach der himmlischen Erscheinung lechzte und blickte .
Aber sein Vater überließ ihn wie eine Menschheit den eigenen Kräften ; er sagte , er sehe mit Vergnügen eine solche seltene ungeschwächte Jugendkraft und sei gar nicht in Furcht , auch ließ er ungestört alles für die Reise nach Italien packen .
Er besuchte den Hof , d. h. alles .
Wer es wußte , was er den Menschen abzufordern und abzuleugnen pflegte , dem gab diese allgemeine Gefälligkeit gegen alle Welt die Schmerzen eines verwundeten Ehrgefühls , wenn ihn Gaspard auch anredete .
Er besuchte zuerst den Fürsten , welcher an ihm , ob ihn gleich der Ritter in Italien ruhig die vergiftete Hostie der Liebe samt ihrem Giftkelch hatte empfangen lassen immer mit Angewöhnung hing .
Der Ritter besichtigte mit ihm den Zuwachs der neuen Kunstwerke ; beide glichen scharf und frei ihre Urteile darüber gegeneinander aus und gaben einander Aufträge für die Abwesenheit .
Darauf ging er zur Reisegefährtin , zur Fürstin , gegen welche zwar sein aufreibender Stolz nicht Ein Blütenstäubchen der vorigen Liebe übrig gelassen , die aber im glatten , kalten Spiegel seiner epischen Seele , in welchem alle Figuren sich rein- aufgefasst und frei bewegten , vermöge ihrer kräftigen Individualität als eine Hauptfigur den Vordergrund bewohnte .
Da er Freiheit , Einheit , sogar Frechheit des Geistes weit über sieches Frömmeln , Nachheucheln fremder Kräfte und bußfertigen Zwiespalt mit sich selber , setzte :
so war die Fürstin sogar mit ihrem Zynismus der Zunge ihm " in ihrer Art lieb und wert . "
Sie erkundigte sich mit vielem Feuer nach seines Sohnes Zustand und Mitreise ; er gab ihr mit seiner alten Ruhe die besten Hoffnungen .
Die Prinzessin Julienne war unzugänglich .
Daß sie es hatte sehen müssen , wie die treue Gespielin ihrer Jugendzeit ein feindlicher , rauher Arm vom blumigen Ufer in den Todesfluß hineinzogen und wie die Arme ermattet hinuntergeschwommen , das warf sie hart danieder und sie wäre gern dem Opfer nachgestürzt .
Sie war gestern nicht im Stande , mit den zwei Verschleierten hinzugehen .
Jetzt eilte Gaspard zur einen davon , zur Gräfin Romeiro , wo er auch die andere fand -- die Prinzessin Idoine .
Diese hatte unmöglich so viel von ihrer Gesichts- und Seelen- Schwester in allen Briefen lesen können , ohne selber aus ihrem Arkadien zu ihr herzureisen und die schöne Verwandtschaft zu prüfen ; aber als sie im Schleier ankam im Schmerzenhause , hatte schon ihre Verwandte den ihrigen über das brechende Auge gezogen ; und als er aufging , sah sie sich selber verloschen und im tiefen Spiegel der Zeit ihr eigenes Sterbe-Bild .
Sie schwieg in sich selber gleichsam wie vor Gott , aber ihr Herz , ihr ganzes Leben war bewegt .
Die Ähnlichkeit war so auffallend , daß Julienne sie bat , nie der gebeugten Mutter zu erscheinen .
Idoine war zwar länger , schärfer gezeichnet und weniger Rosenfarbe als Liane in ihrer Blütenzeit ; aber die letzte blasse Stunde , worin diese neben ihr erschien , machte die bleiche Gestalt länger und das Angesicht edler und zog die blumige jungfräuliche Verhüllung vom scharfen Umriß weg .
Idoine sprach wenig zum Ritter und sah nur zu , wie ihre Freundin Linda ordentlich in kindlicher Liebe überfloß gegen seine fast väterliche .
Beide Jungfrauen behandelte er mit einer achtenden , warmen und zarten Moralität , welche einem Auge ( z. B. dem des Fürsten ) wunderbar erscheinen mußte , das oft Zeuge der ironischen Unbarmherzigkeit gewesen , womit er wurmstichige , anbrüchige Herzen -- halb eingepfarrt in Gottes Kirche und halb in des Teufels Kapelle -- , scheue weiche empfindsame Sünder , innerlich-bodenlose Phantasten , z. B. Roquairols gern in einer langsamen Spirale frecher Reden immer tiefer und froher in den Mittelpunkt der Schlechtigkeit hinabzudrehen pflegte .
Der Fürst dachte dann , " er denkt gerade wie ich " ; aber Gaspard machte es mit ihm eben so .
Auch die wankende , blasse Julienne schlich endlich herein , um ihn zu sehen .
Man umgieng , so weit man konnte , ihretwegen das offene Grab der Freundin ; aber sie fragte selber nach dem kranken Geliebten derselben recht angelegentlich .
Der Ritter -- welcher für die meisten wichtigen Antworten sich ein eigenes Phrases- Buch des Nichts , besondere Rede-Eisblumen angeschafft hatte , dergleichen waren , " es geht so gut es kann " oder " man muß es erwarten " oder " es wird sich wohl geben " -- bediente sich der letzten Redeblume und versetzte : " es wird sich wohl geben . "
Als er nach Hause kam , hatte sich nichts gegeben , sondern hoch war die Flut des Übels gestiegen .
Der Jüngling lag nieder -- angekleidet auf dem Bette , -- unvermögend mehr zu gehen -- brennend -- irre redend -- und doch bei jedem Glockenschlage seine alte Bitte in den hohen versperrten Himmel rufend .
Bis hierher hatte sein kräftiges , festes Gehirn die Vernunft wenigstens für alles , was Lianen nicht betraf , fest zu behalten gewußt ; aber allmählich ging die ganze Maße in die Gehrung des Fiebers über .
Vergeblich waffnete sich sein Vater einmal , da er kniete und um die Erscheinung der Toten bat , mit dem ganzen Sturm und Donner seiner Persönlichkeit ; " gib mir den Frieden " betete Albano sanft weiter und sah ihm sanft dabei ins Gesicht .
Schoppe Schoppe nahm jetzt mit der Mine eines wichtigen Geheimnisses den Vater allein und sagte , er wisse ein unfehlbares Mittel .
Gaspard bezeugte seine Neugierde .
" Die Prinzessin " Idoine ( sagt ' er , ) muß nach erbärmlichen Kein " Dreien gar nichts fragen , sondern keck , wenn " es eben schlägt und Er kniet , Ihm als der " selige Geist erscheinen und den fatalen Frie " den schließen . "
-- Wider alles Vermuten sagte der Ritter unmutig :
es ist unschicklich .
Umsonst suchte ihn , der predigende Schoppe in die Sonnenseite zu rücken -- bloß in die Winterseite zog er weiter hinein bei dem Anschein fremder Absicht ; in eine sanfte Wärme konnte ihn niemand bringen als nur er sich selber .
-- Zuletzt ließ Gaspard nach seiner Sitte über dem ewigen Grundeis seines Charakters so viel Treibeis obengenannter Phrasen schwimmen , daß Schoppe stolz und zornig schwieg .
Noch dazu gingen die Anstalten zur Abreise fort , als sei der Vater Willens , den Sohn brennend aus dem Fieber-Brande zu ziehen und wahnsinnig aus den alten Liebes-Zirkeln zu reißen .
Schoppe machte ihm seinen Vorsatz daheim Titan III. C c zu bleiben , bekannt ; er sagte , er habe nichts dagegen .
Nun fühlte Schoppe an seinem eigenen ritzten Gesicht den schneidenden Nord dieses von ihm sonst beschützten Charakters ; " traue keinem langen , schlanken Spanier , sagte Kardanus mit Recht "
* ) sagte er .
Albano war krank und daher nicht trostlos .
Er schöpfte aus der Lethe des Wahnsinns die dunkle Betäubung gegen die Gegenwart ; nur , wenn er kniete , spiegelte sich im Strom seine zerrissene Gestalt und ein wolkiger Himmel . --
Er hörte nichts davon , wie die Dürftigen ihre Namen nannten , um dankend um die ruhende Wohltäterin zu weinen , vor deren Klagen jetzt das heilende Saitenspiel ihrer Minen taub und stumm lag -- Er hörte nichts von dem Toben ihres Bruders , noch vom lau * )
Die Stelle heißet in Kardan praecept .
ad filios c. 16 so : Longobardo rubro , Germano nigro , Hetrusco lusco , Veneto claudo , Hispanolongo et procero , mulieri barbatae , viro crispo , Graeco nulli confidere nolite .
ten ( akustisch-gebauten ) Schmerze ihres Vaters , oder von der starren in dumpfe Qual gewickelten Mutter -- Er wußte ' es nicht voraus , daß die bleiche Charis in ihrem Krönungszimmer an einem Abende zwischen Lichtern zum letztenmal der Erde erscheinen werde , bekränzt , geschmückt und schlummernd -- Ihm starb zwar in jeder Stunde eine unendliche Hoffnung , aber jede gebar ihm auch eine neue . -- -- " Armer Bruder , ( sagte Schoppe am anderen Tag im edlen Zorn ) ich schwöre Dir_es , Du bekommst heute Deinen Frieden . "
-- Der blasse Kranke sah ihn bittend an .
" Bei Gott ! " schwor Schoppe und weinte beinahe .
98. Zykel .
Schoppe hatte sich vorgesetzt , um den Ritter -- der den Abend halb an den Minister und halb an Wehrfritz in Blumenbühl verteilte -- sich gar nicht zu bekümmern , sondern geradezu vor die Prinzessin Idoine mit der großen Bitte zu treten .
Vorher wollte er sich den Lektor dazu holen als Türhüter oder Billeteur der versperrten Hoftüren und als Bür C c 2 gen seiner Worte . --
Aber Augusti erschrak unbeschreiblich ; er versicherte , das gehe unmöglich an -- eine Prinzessin und ein kranker Jüngling -- und gar eine ridiküle Geister-Rolle u. s. w. und der eigene Vater sehe es ja schon ein .
Schoppe wurde darüber ein aufspringendes Sturmfaß und ließ wenig Flüche und Bilder liegen , die er nicht gebrauchte über den menschenmörderischen Widersinn der Hof- und Weiber-Dezenz -- sagte , diese sei so schön gebildet und so blutig quälend wie eine griechische Furie -- sie binde an Menschen wie Köchinnen an Gänsen die Hals-Wunde nur nach dem Verbluten zu , damit sich die Federn nicht besteckten -- und er sei so gut ein Courtisan schloß er zweideutig als Augusti und kenne Dezenz ; " auch der Fürstin , die Ihn doch so gern " hat , darf ich_es nicht vortragen ? "
Augusti sagte : der Fall ist nicht verschieden .
" Julienne auch nicht ? " --
Auch nicht , sagte er .
-- " Auch dem so satanischen Satan nicht ? "
-- " Ein guter Engel ist doch dazwischen , ( versetzte Augusti ) den Sie wenigstens schicklicher als Vorbitter brauchen können , weil er dem Vliesritter von Zesara Verbindlichkeiten schuldig ist -- die Gräfin von Romeiro . "
-- " O , warum nicht gar ? " sagte Schoppe betroffen .
Der Lektor -- unter die niemals eigenhändigen Menschen gehörig , die alles gern durch die dritte , sechste , fernste Hand nach einer der Fingersetzung ähnlichen Hände-Setzung tun -- legte seine Bereitwilligkeit , ihn bei Linda einzuführen , und ihr Vermögen , in dieser " epineusen Affäre " zu wirken , dem Nachdenker näher vor .
Schoppe fuhr ungemein hin und her -- schüttelte oftmals heftig den Kopf und stockte doch plötzlich -- flog und schüttelte noch heftiger -- sah mit scharfer Frage den Lektor an -- endlich stand er fest -- schlug mit beiden Armen nieder und sagte :
" Der Donner und das " Wetter hole die Welt !
Nun gut , es sei !
Ich " will vor Sie -- -- Himmel , warum bin ich " denn Ihnen so zu sagen so lächerlich , jetzt " gerade meine ich ? "
-- Gleichwohl hatte der höfliche Lektor das Lächeln der Lippen nur in das Lächeln der Augen versetzt .
-- Auf Schoppe's Gesicht stand die Wärme und Eile des Selbst Siegers .
Wie Menschen zugleich harthörig unter dem gemeinen Lebens-Getöse sein können und doch den feinsten musikalischen Lauten offen * ) : so waren Schoppens innere Ohren verhärtet gegen das Volks-Gepolter des allgemeinen Treibens , aber durstig zogen sie alle weiche , leise Melodien der heiligeren Seelen ein .
Der Lektor -- den Grafen weit herzlicher liebend als dieser ihn -- nahm stürmisch den Bibliothekar sogleich mit fort ins Schloß , weil eben jetzt die recht-erlesene Hof-Ferien-Stunde sei , von 41/2 bis 51/2 .
Schoppe sagte , er sei dabei .
Im Schloß befahl Augusti einem Diener , der ihn verstand , Schoppen ins Spiegelzimmer zu führen .
Er tat es ; brachte Lichter nach ; und Schoppe ging langsam mit seinem verdrußlichen Gefolge stummer flinker Spiegel-Urangutangs auf und nieder , seiner Rolle und Zukunft nachrechnend .
Seltsam fühlte er sich jetzt betroffen von seinem jungen , frischen Gefühl der bisherigen Freiheit , die er eben suspendierte ; * ) Z. B. der Kapellmeister Naumann . er erkannte sie an , hielt sie fest , sah sie an , sprach ihr zu : gehe nur ein wenig fort , rette Ihn und dann komme wieder ! --
Seine eigene Vervielfältigung ekelte ihn : " müsset Ihr mich stören , ihr Ich_es ? " sagte er , und er legte sich_es nun vor , wie er stehe vor der reichsten , hellsten Minute und feinsten Goldwaage seines Daseins , wie ein Grab und ein großes Leben liege auf dieser Waage , und wie sein Ich ihm schwinden müsse wie die nachgemachten gläsernen Ich_es umher . -- -- -- Plötzlich flog ihn eine Freude an , nicht über den Wert seines Entschlusses , sondern über die Gelegenheit dazu .
Endlich gingen nahe Türen auf und dann die nächste . --
Da trat mit noch halb zurückgewandtem Kopfe eine große Gestalt herein , ganz in lange schwarze Seide eingehüllt .
Wie ein entzückter Mond auf hohen Laubgipfeln , stand auf der seidenen dunklen Wolke ein üppig-blühender schmuckloser Kopf voll Leben vor ihm , mit schwarzen Augen voll Blitze , mit dunklen Rosen auf dem blendenden Gesicht und mit einer thronenden Schnee-Stirn unter dem brau einen Locken-Überhang . -- --
Schoppen war , da sie ihn ansah , als liege sein Leben im vollen Sonnenschein , und er fühlte ängstlich , daß er sehr nahe an der Königin der Seelen stehe .
"H. v. Augusti ( fing sie ernst an , ) hat mir " gesagt , daß Sie eine Bitte für Ihren kranken " Freund in meine Hände geben wollen .
Sagen " Sie mir solche klar und frei , ich werde Ihnen " gern und bestimmt und offen antworten . "
Alle Rollen-Erinnerungen waren in ihm zu Boden gesunken und aufgelöst ; aber der große Schutzgeist , der unsichtbar neben seinem Leben flog , stürzte sich mit feurigen Flügeln in sein Herz und begeistert antwortete er :
" Auch " ich ! --
Mein Albano ist tödlich krank -- er " ist im Fieber seit gestern Abends -- er liebte " das verstorbene Fräulein Liane -- er ist auf " die Greifgeier-Schwinge des Fiebers gebun " den und wird hin und her gerissen -- er stürzt " bei jedem Glocken-Ausklang auf die Knie " und betet , dicht an der Glutseite der Van " tasie liegend , immer heißer :
erscheine mir und " gib mir Frieden -- er steht aufrecht und an " gekleidet auf dem hohen Scheiterhaufen der " phantastischen Kreis-Flammen und lechzet , und " brät und dorret sehr aus und krümmt sich nie " der wie ich wohl sehe . . . . "
" O , finisses donc !
( sagte die Gräfin , wel " che den Venus-Kopf schaudernd zurückgebo " gen und langsam geschüttelt hatte ) Fürchter "lich !
-- Ihre Bitte ! "
" Nur die Prinzessin Idoine ( sprach er " zu sich kommend , ) kann sie erfüllen und Ihn " erretten , wenn sie Ihm erscheint und Ihm " Frieden zusagt , da sie eine so nahe Aß -- * )
" Kos -- * ) Kopie und Nebensonne von der Ver- " storbnen sein soll . "
-- " Ist das Ihre Bitte ? " sagte die Gräfin .
" Meine größte " sagte Schoppe .
" Hat Sie sein Vater hergeschickt ? " sagte sie .
" Nein , ich ; ( sagt ' er ) der Vater , damit ich klar " und frei und bestimmt sei , will es nicht . "
-- " Sind Sie nicht der Maler des niesenden " Selbst-Portraits ? " fragte sie .
Er verbeugte sich und sagte : " ganz gewiß ! "
Als sie ihm geantwortet , in einer Stunde höre er die Entscheidung , machte sie ihm eine kurze achtende * )
Er wollte Assinanz und Kosekante sagen .
Abschiedsverbeugung -- und die einfache , edle Gestalt verließ ihn mitten in seinem trunkenen Nachschauen ; und er war unwillig , daß die kindischen Spiegel umher der einzigen Göttin so viele Nachschatten nachzuschicken wagten .
Zu Hause fand er zwar den Wahnsinnigen , dessen Ohren allein nur in der Wirklichkeit fortlebten , wieder auf den Knien vor dem sechsten Glockenschlage ; aber seine Hoffnung blühte jetzt unter einem warmen Himmel . --
Nach einer Stunde erschien der Lektor und sagte mit bedeutend-froher Mine :
es gehe recht gut , er hole einen Ausspruch des Arztes über die Krankheit und dann entscheid es sich danach .
H. v. Augusti gab ihm mit hofmännischer Ausführlichkeit den bestimmteren Bericht : die Gräfin flog zur Fürstin , deren Achtung für den künftigen Reisegefährten sie kannte und sagte ihr , sie würde es in Idoinens Falle ohne Bedenken tun . --
Die Fürstin bedachte sich ziemlich und sagte , hierüber könne nur ihre Schwester entscheiden -- Beide eilten zu ihr , malten ihr alles vor und Idoine fragte erschrocken , was sie für ihre Ähnlichkeit und ihre wohlwohl Lende Reise könne , daß man sie so tief in solche phantastische Verwicklungen ziehen wolle . --
In dieser Sekunde trat Julienne blaß herzu und sagte , sie habe schon seit dem Morgen Nachricht davon , das Erscheinen sei einer so guten Seele Pflicht . --
Da antwortete Idoine sich und alles bedenkend und mit Würde : es sei gar nicht das Ungewöhnliche und Unschickliche , was sie schrecke , sondern das Unwahre und Unwürdige , da sie mit dem heiligen Namen einer abgeschiedenen Seele und mit einer flachen Ähnlichkeit einen Kranken belügen solle .
-- Die Gräfin sagte , sie wisse darauf keine Antwort und doch sei ihr Gefühl nicht dagegen -- Alle schwiegen verlegen . -- --
Die gewissenhafte Idoine war im weichsten Herzen bewegt , das unter dem Gewichte einer solchen Entscheidung über ein Leben zitternd erlag . --
Endlich sagte Linda mit ihrem Scharfsinn :
es wird aber doch eigentlich kein moralischer Mensch getäuscht , sondern ein Schlafender , ein Träumer , und Einbildung und Lüge soll ja an ihm nicht bestärkt , sondern besiegt werden .
-- Julienne nahm Idoinen mit sich , um ihr den Jüngling , den sie so wenig wie Linda gesehen , wahrscheinlich näher zu malen . -- Bald darauf kam Idoine mit dem Ausspruche zurück :
" Wenn der Arzt ein Zeugnis gibt , daß ein Menschen-Leben daran hänge :
so muß ich mein Gefühl besiegen . "
" Gott weiß es , ( setzte sie bewegt dazu , ) daß ich es eben so willig tue als unterlasse , wenn ich nur erst weiß was recht ist .
Es ist meine erste Unwahrheit . "
Der Lektor eilte von Schoppe zum Doktor , um von ihm unter vielen Wendungen gerade das schicklichste Zeugnis mitzunehmen .
Schoppe wartete lange und ängstlich -- nach 7 Uhr kam ein Blatt von Augusti :
" Halten Sie Sich bereit , Punkt 8 Uhr kommt die bewußte Person ! "
-- Sogleich ließ er , um die Fieberaugen zu schonen , im Krankenzimmer statt der Wachslichter die magische Hänge-Lampe aus Beinglas brennen .
Den kranken Jüngling zündete er mit Geschichten von Wiedergekommenen noch stärker an , und riet ihm , mit langen Feuer-Gebeten vor der festen Todespforte zu knien , damit Ihr milder , barmherziger Geist sie aufreisse und ihn auf der Schwelle heilend berühre .
Kurz vor acht Uhr kamen in Sänften die Fürstin und ihre Schwester .
Schoppe wurde selber schaudernd von dieser auferstandenen Liane ergriffen .
Mit funkelndem Auge und versperrtem Munde führte er die schönen Schwestern in die Kulisse , auf deren Bühne draußen sie schon den Jüngling beten hörten .
Aber Idoinens zarte Glieder zitterten vor der ungeübten Rolle , worin ihr wahrhafter Geist sich verleugnen sollte ; sie weinte darüber und der fromme schöne Mund war voll stummer Seufzer ; oft mußte die Schwester sie umarmen , um ihr Mut zu machen .
Die Glocke schlug -- fürchterlich-heiß flehte der Wahnsinnige drinnen um Frieden -- die Zunge der Stunde gebot -- Idoine schickte einen Blick als Gebet zu Gott .
-- Schoppe öffnete langsam die Türe . -- --
Drinnen kniete mit gen Himmel gehobenen Armen und Augen ein schöner in der magischen Dunkelheit blühender Göttersohn im eisernen Zauberkreise des finsteren Wahnsinns und rief nur noch : o Frieden , Frieden ! --
Da trat die Jungfrau begeistert wie von Gott gesandt hinein ; weißgekleidet wie die Verstorbene im Traumtempel und auf der Bahre , mit dem langen Schleier an der Seite , aber höher gestaltet , weniger Rosenfarbe , und mit einem schärferen , helleren Sternenlicht im blauen Äther des Auges , und ähnlicher der Liane unter den Seligen und erhaben als komme sie als ein verjüngter Frühling von den Sternen wieder , so trat sie vor ihn -- sein greifender Flammenblick erschreckte sie -- leise und wankend stammelte sie :
" Albano habe Frieden ! "
-- " Liane ? " stöhnte seine ganze Brust und seine weinenden Augen bedeckte er darniedersinkend .
" Frieden ! " rief sie stärker und mutiger , weil sie nicht mehr sein Auge traf und irrte , und sie entwich , wie ein überirdischer Geist die Menschen wieder verlässt .
Die Schwestern schieden still und voll hoher Erinnerung und Gegenwart .
Schoppe fand ihn noch kniend , aber entzückt dahinblickend , ähnlich einem im Sturm erkrankten Schiffer auf den tropischen Meeren , der nach langem Schlaf an einem stillen rosenroten Abend die Augen aufschlägt vor dem brennenden Untergang der Sonne -- und die schlagende Wellen-Bahn wallet Rosen- ein und Flammenbeet in die Sonne und das sprühende Gewölk zerspringt in stumme Feuerkugeln -- und die fernen Schiffe schweben hoch im Abendrot und schwimmen fern über den Wogen . --
So war es dem Jüngling .
" Ich habe nun meinen Frieden , guter Schoppe ( sagt ' er sanft ) und nun will ich in Ruhe schlafen . "
Verklärt , aber blaß stand er auf , legte sich auf das Bette und in wenig Minuten sank das matte so lange im heißen Fieber-Sande watende Gemüt auf die frische , grüne Rasenbank des Schlummers nieder .
Fünf und zwanzigste Jubelperiode .
Der Traum -- die Reise .
99. Zykel .
Spät fuhr der Vlies-Ritter an .
Schoppe zeigte ihm erfreuet das schlafende Gesicht , dessen Rosenknospen wie in feuchter warmer Nacht aufzubrechen schienen .
Der Ritter zeigte sich sehr erheitert darüber und noch mehr der spät nachschauende D. Sphex .
Dieser fand den Puls nicht nur voll , auch langsam und auf dem Wege zu noch mehr Ruhe ; er führte zugleich Chaudeson und mehrere offizinelle Beispiele an , daß große Geistes-Leiden sich durch das Opium von innen , die Schlafsucht , sehr glücklich gehoben hätten .
Zuletzt Zuletzt machte Schoppe den Vater mit Idoinens ganzer Kurmethode bekannt .
Stolz versetzte Gaspard :
" Sie wußten aber meine Meinung noch , H. Bibliothekar ? "
-- " Gewiß , aber auch meine " sagte erbittert der betroffene Schoppe .
Der Ritter ließ sich indes in nichts weiter ein -- ganz nach seiner Weise , über sein Ich , könnte es auch noch so viel dabei gewinnen , nie nur das kleinste Licht zu geben -- sondern erteilte dem Freunde ein sehr kaltes Zeichen zum Zurückzug .
Den Morgen darauf fand Schoppe seinen Geliebten noch in der Seelen-Wiege des Schlafes .
Wie er sproßte und blühte ! --
Wie der Atem der entketteten Brust sich nun gleich einem freien Menschen nur langsam , aber stark bewegte ! --
Indes hielt Gaspards gepackter Wagen , der den Jüngling nach Italien rollen sollte , schon am Morgen mit schnaubenden , scharrenden Pferden vor der Tür und der Ritter erwartete jede Minute das Aufwachen und -- Einsitzen .
Der Arzt kam auch -- pries Krisis und Puls -- fügte bei , der Weinsteinrahm ( den er Titan III. D d mit verschrieben ) sei der Lebens-Rahm -- und sagte dem Vater geradezu ins Gesicht , als dieser den Jüngling wecken wollte zur Abfahrt , " er habe in seiner Praxis noch niemand gekannt , der so wenig von kritischen Punkten gewußt wie er ; jeder Wecker sei hier ein Mörder und er verbiete es recht ausdrücklich als Arzt . "
-- Von Stunde zu Stunde wurde Schoppe gegen den Vater unwilliger ; er dankte -- wenn er des Ritters abspülendes Ein- und Anströmen an dieses fruchttragende Eiland bedachte -- jetzt Gott , daß Albano nicht nur die Hitze sondern auch die Härte eines Felsen hatte .
Der Ehre- und Kunst-Liebende Sphex bewachte wie eine drohende Äskulaps-Schlange das Kopfkissen und wurde heiterer -- Schoppe verblieb da , gefasst gegen jede Härte .
-- Der Ritter nahm in des Sohnes Namen von jedem Abschied und trieb weiche Herzen nach Hause ; denn die Pflegemutter Albine und andere durften den Schlafenden nicht einmal sehen -- weil ihm Tränen ein verdrußlicher kalter Staubregen waren . --
Die Fürstin und ihr Gefolge fuhr schon mit den bunten Wimpeln der Hoffnung auf dem Wege nach dem , glänzenden Italien .
-- Der Abend wurde nun unwiderruflich zur Abfahrt angesetzt , zumal da in der Nacht die entschlummerte Liane in das Schlafgemach geführt werden sollte , das die Menschen nicht wieder öffnen .
Den blühenden Endymion überdeckte schon Lächeln und Freuden-Glanz als ein vorlaufender Morgenstern seines wachen Tags .
Seine Seele ging lächelnd in der funkelnden Höhle der unterirdischen Schätze umher , die der Geist des Traums aufsperrt ; indes das gemeine Auge des Wachens blind vor dem nahen von Schlaf ummauerten Geister-Eldorado stand .
Endlich öffnete ein unbekanntes Wonne-Übermaß Albano's Auge -- der Jüngling erstand sogleich mit Kraft -- warf sich mit der Entzückung der ersten Erkennung dem Vater an die Brust -- und schien im ersten , träumerischen Rausche sich des vorbeigezogenen Gewitters hinter seinem Rücken nicht zu erinnern , sondern nur des seligen Traums -- und erzählte trunken diesen : D d 2 " Ich fuhr in einem weißen Kahn auf einem finsteren Strom , der zwischen glatten , hohen Marmorwänden schoß .
An meine einsame Welle gekettet flog ich bange im Felsen-Gewinde , in das zuweilen tief ein Donnerkeil einfuhr .
Plötzlich drehte sich der Strom immer breiter und wilder um eine Wendeltreppe herum und hinab . --
Da lag ein weites , plattes , graues Land um mich , das die Sonnen-Sichel mit einem eklen , erdfahlen Licht begoß .
-- Weit von mir stand ein untereinander gekrümmter Lethe-Fluß und kroch um sich selber herum . --
Auf einem unübersehlichen Stoppelfelde schossen unzählige Walkyren * ) auf Spinnenfäden pfeilschnell hin und her und sangen :
" " des Lebens- " " Schlacht , die weben wir " " ; dann ließen sie einen fliegenden Sommer nach dem anderen unsichtbar gen Himmel wallen .
Oben zogen große Weltkugeln ; auf jeder * ) Walkyren sind reizende Jungfrauen , die vor der Schlacht diese weben und die Helden bestimmen , die fallen müssen . wohnte ein einziger Mensch , er streckte bittend die Arme nach einem anderen aus , der auch auf einer stand und hinüberblickte ; aber die Kugeln liefen mit den Einsiedlern um die Sonnensichel und die Gebete waren umsonst . --
Auch ich sehnte mich .
Unendlich weit vor mir ruhte ein ausgestrecktes Gebirge , dessen ganzer aus den Wolken ragender Rücken golden und blumig schimmerte .
Quälend watete der Kahn in der flachen , trägen Wüste des abgeplatteten Stroms . --
Da kam Sandland und der Strom drückte sich durch eine enge Rinne mit meinem zusammengequetschten Kahne durch .
Und neben mir ackerte ein Pflug etwas Langes aus , aber als es aufstieg , verdeckt es ein Bahrtuch -- und das dunkle Tuch zerfloß wieder in eine schwarze See .
Das Gebirge stand viel näher , aber länger und höher vor mir und durchschnitt die hohen Sterne mit seinen Purpurblumen , über welche ein grünes Lauffeuer hin und her flog .
Die Weltkugeln mit den einzelnen Menschen zogen über das Gebirge hinüber und kamen nicht wieder ; und das Herz sehnte sich hinauf und hinüber .
" " Ich muß , ich will " " rief ich rudernd .
Mir schritt ein zorniger Riese nach , der die Wellen mit einer scharfen Mondsichel abmähte ; über mir lief ein kleines festes Gewitter aus der zusammengepreßten Dunstkugel der Erde gemacht , es hieß die Giftkugel des Himmels und schmetterte unaufhörlich nieder .
Auf dem hohen Gebirge rief eine Blume mich freundlich hinauf ; das Gebirge watete der See dämmend entgegen ; aber es rührte nun beinahe an die herüberfliegenden Welten und seine großen Feuerblumen waren nur als rote Knospen in den tiefen Äther gesät .
Das Wasser kochte -- der Riese und die Giftkugel wurden grimmiger -- zwei lange Wolken standen wie aufgezogene Fallbrücken nieder und auf ihnen rauschte der Regen in Wellen-Sprüngen herab -- das Wasser und mein Schiffchen stieg , aber nicht genug .
" " Es geht hier ( sagte " " der Riese lachend , ) kein Wasserfall herauf ! " "
Da dachte ich an meinen Tod und nannte leise einen frommen Namen . -- --
Plötzlich schwamm hoch im Himmel eine weiße Welt unter einem Schleier her , eine einzige glänzende Träne sank vom Himmel in das Meer und es brauste hoch auf -- alle Wellen flatterten mit Floßfedern , meinem Schifflein wuchsen breite Flügel , die weiße Welt ging über mich , und der lange Strom riß sich donnernd mit dem Schiffe auf dem Haupte aus seinem trockenen Bette auf und stand auf der Quelle und im Himmel , und das blumige Gebirge neben ihm -- und wehend glitt mein Flügel-Schiff durch grünen Rosen-Schein und durch weiches Tönen eines langen Blumen-Duftes in ein glänzendes , unabsehliches Morgenland . -- --
Welch ein entzücktes , leichtes , weites Eden !
Eine helle , freudige Morgensonne ohne Tränen der Nacht sah von einem Rosenkranz umschwollen mir entgegen und stieg nicht höher .
Hinauf und hinab glänzten die Auen hell von Morgentau :
" " die Freudentränen der Liebe liegen drunten , ( sangen oben die Einsiedler auf den langsam ziehenden Welten , ) und wir werden sie auch vergießen , " "
Ich flog an das Ufer , wo der Honig blühte , am anderen blühte der Wein ; und wie ich ging , folgte mir auf den Wellen hüpfend mein geschmücktes Schiffchen mit breiten als Segel aufgeblähten Blumen nach -- ich ging in hohe Blütenwälder , wo der Mittag und die Nacht nebeneinander wohnten , und in grüne Täler voll Blumen- Dämmerungen und auf helle Höhen , wo blaue Tage wohnten , und flog wieder herab ins blühende Schiff und es floß tief in Wellen-Blitzen über Edelsteine weiter in den Frühling hinein , der Rosensonne zu .
Alles zog nach Osten , die Lüfte , und die Wellen und die Schmetterlinge und die Blumen , welche Flügel hatten , und die Welten oben ; und ihre Riesen sangen herab :
" " wir schauen hinunter , wir ziehen hinunter , ins " "Land der Liebe , ins goldene Land . " "
Da erblickte ich in den Wellen mein Angesicht und es war ein jungfräuliches voll hoher Entzückung und Liebe .
Und der Bach floß mit mir bald durch Weizen-Wälder -- bald durch eine kleine duftige Nacht , wodurch man die Sonne hinter leuchtenden Johanniswürmchen sah -- bald durch eine Dämmerung , worin eine goldene Nachtigall schlug -- bald wölbte die Sonne die Freuden-Tränen als Regenbogen auf , und ich schiffte durch , und hinter mir leg ten sie sich wieder als Tau brennend nieder .
Ich kam der Sonne näher und sie stand schon im Ähren-Kranz ; " " es ist schon Mittag , " " sangen die Einsiedler über mir .
Träge , wie Bienen über Honigfluren , schwammen im finsteren Blau die Welten gedrängt über dem göttlichen Lande -- vom Gebirge bog sich eine Milchstraße herüber , die sich in die Sonne senkte -- helle Länder rollten sich auf -- Lichtharfen , mit Strahlen bezogen , klangen im Feuer -- Ein Dreiklang aus drei Donnern erschütterte das Land , ein klingender Gewitterregen aus Glanz und Tau füllte dämmernd das weite Eden -- Er vertropfte wie eine weinende Entzückung -- Hirtenlieder flogen durch die reine , blaue Luft und noch einige Rosenwölkchen aus dem Gewitter tanzten nach den Tönen . --
Da blickte weich die nahe Morgensonne aus einem blassen Lilienkranze und die Einsiedler sangen oben :
" "o Seligkeit , o Seligkeit , der Abend " " blüht . " "
Es wurde still und dämmernd .
An der Sonne hielten die Welten umher still , und umrangen sie mit ihren schönen Riesen , der menschlichen Gestalt ähnlich aber höher und heiliger ; wie auf der Erde die edle Menschengestalt in der finsteren Spiegel Kette der Tiere hinabkriecht :
so flog sie droben hinauf an reinen , hellen , freien Göttern von Gott gesandt -- Die Welten berührten die Sonne und zerflossen auf ihr -- auch die Sonne zerging , um in das Land der Liebe herabzufließen und wurde ein wehender Glanz -- Da streckten die schönen Götter und die schönen Göttinnen gegeneinander die Arme aus und berührten sich , vor Liebe bebend ; aber wie wogende Saiten vergingen sie Freude-zitternd dem Auge und ihr Dasein wurde nur eine unsichtbare Melodie und es sangen sich die Töne :
" " ich bin " " bei Dir und bin bei Gott " "
-- Und andere sangen :
" " Die Sonne war Gott ! " " -- Da schimmerte das goldene Gefilde von unzähligen Freudentränen , die unter der unsichtbaren Umarmung niedergefallen waren ; die Ewigkeit wurde still und die Lüfte ruhten und nur das fortwehende Rosenlicht der aufgelösten Sonne bewegte sanft die nassen Blumen .
Ich war allein , blickte umher und das einsame Herz sehnte sich sterbend nach einem Ster ben .
Da zog an der Milchstraße die weiße Welt mit dem Schleier langsam herauf -- wie ein sanfter Mond schimmerte sie noch ein wenig , dann ließ sie sich vom Himmel nieder auf das heilige Land und zerrann am Boden hin ; nur der hohe Schleier blieb -- Dann zog sich der Schleier in den Äther zurück und eine erhabene , göttliche Jungfrau , groß wie die anderen Göttinnen , stand auf der Erde und im Himmel ; aller Rosenglanz der wehenden Sonne sammelte sich an ihr und sie brannte , in Abendrot gekleidet .
Alle unsichtbaren Stimmen redeten sie an und fragten :
" " wer ist der Vater der Menschen und ihre Mutter und ihr Bruder und ihre Schwester und ihr Geliebter und ihre Geliebte und ihr Freund ? " "
Die Jungfrau hob fest das blaue Auge auf und sagte :
" "Gott ist_es ! " " -- Und darauf blickte sie mich aus dem hohen Glanze zärtlich an und sagte :
" " Du kennst mich nicht , Albano , denn Du lebst noch . " " -- " " Unbekannte Jungfrau , ( sagt ' ich , ) ich schaue mit den Schmerzen einer Liebe ohne Maß in Dein erhabenes Angesicht , ich habe Dich gewiß gekannt -- nenne Deinen Namen . " "
-- " " Wenn ich ihn nenne , so erwachst Du " " sagte sie .
" " Nenne ' ihn , " " rief ich . --
Sie antwortete und ich erwachte . " 100. Zykel .
" Du kannst doch eine Nacht wachen und " fahren ? " mit dieser Frage führte ihn der Vater eilig an den reisefertigen Wagen , um ihn noch mitten im warmen Traume mit den eingewiegten Erinnerungen zu entführen und um besonders der bleichen Braut vorzufahren , die in dieser Nacht auf demselben Weg in die letzte Erbschaft des Menschen ziehen sollte .
" Im Wagen sollst Du alles hören , " versetzte Gaspard auf des Sohnes sanfte Frage nach dem Ziel .
Noch lichttrunken vom glänzenden Lande der Träume gehorchte Albano willig und blind .
Er sah noch Lianen in hoher Göttergestalt auf dem Abendroten von Freuden übertauten Sonnenboden stehen , und sein Auge voll Glanz reichte nicht herunter in den Erden-Keller auf die abgeworfene enge Puppen-Hülse der befreiten , fliegenden Psyche .
Schoppe begleitete ihn an den Fackel-Wagen , aber verschwiegen , um nicht sein Herz durch eine Nachricht seines Zieles zu wecken ; er drückte dem geliebten schönen Jüngling feurig die wiederdrückende Hand und sagte nichts als : " wir sehen uns wieder , Bruder ! "
Darauf trat er , keines abschiednehmenden Blickes vom herrischen Vater gewürdigt , bewegt von seinem warm Nachgrüßenden Freunde zurück ; und fliegend rollte der Wagen mit zurückwehenden Fackeln in die helle , hohe Sternennacht hinaus .
Neu und ernst breitete sich vor dem Genesenen die dämmernde Schöpfung aus .
Der Saturn ging eben auf und der Gott der Zeit reihte sich als ein sanfter blitzender Juwel in den schimmernden Zaubergürtel des Himmels .
Mit zugebundenen Augen wurde der unwissende Jüngling von der Senne seiner Jugend herabgeführt , und aus dem Hirtentale seiner ersten Liebe hinweg und den großen , ewigen Sternbildern der Kunst entgegen und in das göttliche Land , wo der dunkle Äther des Himmels golden und die hohen Ruinen der Erde anmutig und die Nächte Tage sind .
Kein Auge schaute auf die Blumenbühle Höhe hinüber , von der eben jetzt ein schwarzes Wagengefolge langsam mit aufrecht-brennenden Trauerfackeln wie ein ziehendes Schattenreich herunter ging , um das stille gute Herz , worin Albano und Gott gelebt , mit seinen toten Wunden an den sanften Ort der Ruhe zu führen .
Flammend rollte der Fackel-Wagen die Bergstraße nach Italien hinan .
Tränenlos und weit ruhte Albano's Auge am schimmernden , unaufhörlich gehenden Schöpfrad der Zeit , das ewig Sternbilder in Morgen einschöpfte und in Westen ausgoß ; und seine kindliche Hand faßte leise die väterliche .
Ende des dritten Bandes .

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TextGrid Repository (2025). Paul, Jean. Titan: Teil 3. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0ks.0