Erstes Buch " Sprüche eines Steinklopfers " Ja , was willst du denn ?! wie denkst du dir die Welt ?!
Allein , auf die eigene Kraft nur gestellt dein eigener Zähler , dein eigener Nenner , ohne Freunde , die den Rücken dir decken , bei ärmlichstem Neid an allen Ecken , ohne Vettern , ohne Gönner , ohne Namen , ohne Geld ... allein , auf die eigene Kraft nur gestellt ... ja , wie denkst du dir die Welt !?
* " Doch ... nur Groll nicht und Hassen Herr werden lassen !
Es ist so wenig , was das Leben gibt , es ist so viel , was jeden Tag zerstiebt ... such lieber zu fassen , wo es dich liebt ! " [ I ] O nur ein paar Tage nun , Liebste , so köstliche Sonne , so strahlenden Himmel , so lockende Luft ... und alle Brunnen beginnen zu springen , und alle Gärten beginnen zu singen , alle Farben beginnen zu glühn , und alle Harfen fangen an zu klingen , und alle Herzen fangen an zu blühn ... * Frühlingsverse ... mitten im Winter !
... aber es ist vielleicht das Beste , das man hat , gleich so töricht werden zu können , wenn einmal ein bißchen Sonne durchkommt !
Wenn ich gewußt , wo dich finden , hätte ich dir sogar ein paar Veilchen gebracht .
Sonst war nichts .
Eine kurze Karte von der Mutter : auch dieser Winter müsse ja wohl einmal ein Ende nehmen !
Wie es gehe ?
und viele Grüße ! auch von Helmut !
Seit die Sonne wieder weg , ist alles freilich wie immer : man fühlt Armeen in der Faust und steht wie ein Betteljunge vor dem Leben ... selig ein paar elende Abfälle zu erwischen !
Dieses ewige Zersplittern und Zerreiben mit Artikelschreiben ! und dieses Feilschen-müssen um halbe Pfennige !
Und seit du die Abendstunden bei Dreiwegs angenommen hast , hat man vollends nichts mehr !
Fünfzig Mark monatlich !
Gewiß ! gewiß !
... aber ... unsere ganze Freude ! alles , was wir hatten ! unsere Quellen ! unsere Kraft , den ganzen Sinn unseres Daseins ... für fünfzig Mark !!
Wir haben lange genug darüber geredet , ich weiß , ich weiß !
wir vertrösteten uns : es sei ja nur für den Winter und wir hätten Frühling und Sommer dafür dann um so schöner !
wir wollten vernünftig sein ... und stark ! ja ja ! vernünftig !! vernünftig !!!
O wenn ich doch einmal so vernünftig sein dürfte : nicht mehr so » vernünftig « zu sein ! wenn ich doch einmal den Mut fände , alle Einwände und Bedenken über den Haufen zu lachen und keine Brücken mehr zu suchen , um über den Bach zu kommen ... sondern dich auf den Arm zu nehmen und durchzuwaten !
Es gibt ja doch Menschen , die in ihrem gesamten Dasein nicht ein Mal so » vernünftig « sind , wie wir tagaus tagein ... und denen alles trotzdem dreimal besser glückt als uns !
wie machen sie_es ?
wie fangen sie das an ?!
Es ist besser , sagen wir , erst aufzuräumen und sauberen Tisch zu machen ... und die Hände frei zu kriegen ... wir haben dann den Frühling dafür und den Sommer ! gewiß !
doch wenn es Frühling und Sommer wird , räumen wir immer noch auf ... immer neuen Kram ! und vertrösten uns auf den Herbst ! und vom Herbst wieder auf den Frühling ... und so betrügen wir uns das ganze Leben entlang !
Es ist die Schwere unserer eigenen Seele , Hani , die uns so zu Boden bindet !
II Von Hani Aber Jost !
Liebster !
Herzliebster ! wozu das alles wieder !
du machst dir nur das Herz schwer und mir mit !
Wir müssen unser Leben nun doch einmal nehmen , wie es ist ! und wenn wir weiter wollen , müssen wir nun einmal erst das Geröll bei Seite schaffen , das uns den Weg verschüttet ! sind wir auf der Höhe , ist die Bahn frei !
Lache lieber !
es dankt es dir kein Mensch , wenn du nicht lachst !
du selber nicht !
Und ... weißt du :
ich glaube , die anderen haben auch nicht mehr !
man vergleicht zu viel von der Straße aus !
ich glaube , es ist alles nur , wie du immer sagst : der eine wohnt im ersten , der zweite im zweiten , der dritte im dritten Stock und der vierte im vierten .
Aber was in den Zimmern steht und was die Menschen darin leben , ist im Grund immer das gleiche .
Tisch bleibt Tisch , und Stuhl Stuhl ! und ob es sich in dem einen ein bißchen bequemer sitzt als in dem anderen , ist am Ende Nebensache ! man kann doch nicht den ganzen Tag darin sitzen ! und die Ersten-Stock-Menschen haben ebenso ihr Geröll bei Seite zu schaffen und müssen ebenso » vernünftig « sein wie wir !
Sei nicht so mutlos !
Ein großes Ziel ergeht sich nur , erstürzen kannst du_es nicht !
Und wir sind ja noch so jung !
Man fängt ja doch eigentlich erst an mit Dreißig ! Vorher ist alles nur ein Hin- und Hersuchen und Probieren und Punkt-Abstecken !
Lache , Liebster , lache !
du hast es mich gelehrt , ich will_es dich wieder lehren !
III Ja ja ! es ist ein ewiges über Gestrüpp und Zaun und Hecken Kletten-Müssen und ...
Glauben haben an das , was über den Bergen liegt , ist alles !
... aber :
Man muß es jung zu was bringen , sonst bringt man_es überhaupt zu nichts !
man muß im Frühling siegen , wenn man siegen will !
so lange man noch Glauben hat ! Später ... siegt man nicht mehr ! später ... läßt man den Dingen ihren Lauf und sagt :
es geht auch so !
Nur ... jung auf den Thron kommen , ist schön !
IV Es ist wieder wunderherrlich ! die Sonne flittert auf meinem Schreibtisch hin und her , neugierig wie ein kleines Mädchen ... und deine Schwarzwälderuhr tickt : Hab Mut ! habe Mut ! es wird gut ! es wird gut ! und ich sitze und freue mich und lerne lachen und denke an meine Liebste und grüße dich !
Bloß wollen , was man kann , ist Handwerkerei !
Können , was man will !
da liegt !
Aber die Sonne muß scheinen !
* Das Klingeln draußen hört heute wieder kaum auf ! doch immer Leute , denen man helfen soll ! niemand , der einem selber einmal hülfe !
Und du stehst nie da !
und ich hätte so Sehnsucht , dir über das Haar zu streichen ... und dir in die Augen zu kucken und dich zu küssen !
Nicht auf den Mund : nein , nein !
nur auf die Stirn ! nur auf die Hände ! und ganz still mich zu deinen Füßen zu legen , wie dein alter Bernhardiner und dir zuzusehen ... wie man als Junge auf der Wiese oder im Wald lag und einer Quelle oder einem Bach zusah : wie es ausperlte und rann und rieselte ... oder den Baumwipfeln , wie sie im Sommerwind sich hin und herbogen ... oder den Wolken , wie sie über das Tal hinzogen , still und weiß !
* Eine Frage , Liebste ... so klein , daß man darüber lachen kann , und doch so groß , daß man ganze Bücher darüber schreiben könnte :
was ist klüger : wie ein Kind die besten Bissen bis zuletzt aufzuheben ? oder : sie zu nehmen , wie sie kommen ?
Ich weiß es nicht !
V Gestern war der junge Dichter da ... der vorige Woche die Manuskripte geschickt hatte .
Einundzwanzig ganze Jahre !
Ob ich Zeit gehabt ? obs was sei ?
mein Urteil entscheide sein Schicksal !
Seine Familie sei natürlich dagegen , und er selber könne vorläufig auch noch nichts Greifbares aufweisen , aber ... wie man selber einmal redete !
Wort für Wort !
Weiß Gott , ich möchte gerne helfen , wenn jemand so kommt und Rat möchte ... ich weiß , wie froh ich selber an einem freundlichen Wort gewesen wäre ! und wie dankbar , selbst für den kleinsten Fingerzeig !
Ich habe alles immer selber finden müssen und mir überall immer erst den Kopf einrennen ... und bis auf dich und Helmut hat mir eigentlich kein Mensch auch nur einen Buchstaben weit geholfen ... und gerade in Zeiten der Entscheidung .
Aber es war vielleicht ganz gut !
... die Leute raten immer rückwärts , anstatt vorwärts , auch wo sie selber sagen müßten , daß ein Rückwärts kaum mehr möglich !
Sie raten immer von ihrem Standpunkt aus , anstatt von dem Punkt aus , auf dem man selber steht .
Doch ... was soll man sagen ?!
Was heißt Talent ?
was ist aus einer Handvoll Papier mit Versen oder Novellen viel zu sehen ?!
Was er geschickt hatte , war , wie dergleichen immer ist .
Es war gut , wenn er in einem Jahr was Besseres macht !
es war schlecht , wenn er in einem Jahr nichts Besseres macht !
Es war , wie man eben anfängt ! wie vielleicht auch Goethe angefangen ! wie ein Kind anfängt , Mensch zu werden , mit bruchstückhaftem Wiedergeben irgendwo gehörter Dinge .
Aber so ein junger Mensch will eine Antwort , an die er sich halten kann .
Was soll man da sagen ?
Soll man sagen : Sieh Mal : Verse , wie der und der und der sie macht ... das muß man nachgerade können ! das ist heute einfach Voraussetzung ! und was du gemacht hast , ist ganz viel für den Anfang , aber ... aber ... was denkst du dir ? wo willst du hin ? willst du ... Schriftsteller werden oder Dichter ?
Du meinst , das sei dasselbe ! und Schriftsteller nur allgemeine Bezeichnung für Adreßbuch und Steuererklärung , ein harmloserer Ausdruck für etwas , das ... na ja !
aber das ist falsch ! ich habe Jahre gebraucht , bis ich es auseinander halten lernte , und ich kann es stellenweise heute noch nicht ... und dabei ist Schriftsteller und Dichter so zweierlei wie Maurermeister und Baumeister oder Marmor und Marmorstuck !
Oder soll man brutal sein : wie steht es denn ?
Hast du so viel Geld , daß du zur Not davon leben kannst , sind alle anderen Fragen zunächst Nebensache !
Hast du das nicht ... dann ... ja , dann laß es lieber bleiben !
dann werde lieber überhaupt nichts !
wer heute den Ehrgeiz hat , etwas Besonderes werden zu wollen , einerlei was , muß zuerst den Ehrgeiz haben , über so viel Geld verfügen zu können , daß er tun und lassen kann , was er will , und warten bis man zu ihm kommt !
Ob er_es erbt , erjobbert oder pumpt , ist gleichgültig ! nur haben muß er_es !
* Die Hauptfrage ist fast selbstverständlich immer : ob man mehr Talent für Lyrisches oder für Dramatisches oder Novellistisches habe ?
Schon als Junge aber schien mir eine solche Frage sinnlos ... und diese Scheidung ist immer noch sakrosanktes Dogma !
Ich glaube nicht an spezialisiertes Dichtertum !
ich glaube nicht an verschiedenartig angeborene Begabungen !
ich glaube nicht an naturgetrennte Talente !
Der liebe Gott ist kein Apotheker ! der liebe Gott ist Künstler ! und macht aus dem Vollen , was er macht !
Ich glaube an gar nichts als an die Kinderstube , in der einer aufwächst , und an den Willen , den man als Gehirn mitbekommt !
Und wenn hundert und tausend Sach-und Fachverständige kommen und es hundert- und tausendmal besser wissen ... es ist doch so !
der liebe Gott stammt aus einer Zeit , in der es noch keine Spezialisten gab ! und ist Künstler und nicht Sachverständiger und Fachmann , Gott sei Dank ! und das ist das Ur-Göttliche an ihm !
» Man hat es oder hat es nicht ! « Entweder :
es kann einer reiten , und dann kann er es ebenso gut auf einem Rappen als auf einem Schimmel und lernt es auch auf einem Maultier ... oder :
es kann einer nicht reiten , und dann bricht er sich auf einem Schaukelpferd das Genick !
* Und wenn einer wissen will : ob er Talent habe ?
ob er was könne ? quäl ihn nicht mit Zweifeln und Bedenklichkeiten , sondern frag ihn einfach :
was er damit mache , wenn er auf der Straße einen Bierflaschenverschluß finde ?
ob er sich zutraue , eine Dampfmaschine daraus zu machen ?!
Sieht er dich dumm an , so nimm ihm das nicht übel ! aber er soll dann auch sein Dichten- oder Musikmachen- oder Malen- wollen bleiben lassen !
Sagt er ja , mag er versuchen , obs ihm glückt !
Goethe konnte es !
und konnte es ... obschon es damals noch gar keine Dampfmaschinen gab !
VI Von Hani Heute Nachmittag war Hella bei mir zum Kaffee .
Mit drei prachtvollen Marschall-Niel-Rosen und mit einer kleinen Vase von ihrer Mutter !
Sie wollte gerne meine Wohnung sehen ... und war begeistert .
So möchte sie_es auch haben ! das sei schon lange ihr Traum !
... und dabei hat sie es dreimal schöner und besser !
Sie staunte über meine vielen Bücher ... und wollte gar nicht mehr von unserem Fensterplatz weg .
Es ist ein prächtiges Mädel ... so gar nicht Berlin .
Du solltest sie wirklich kennen lernen .
Du hättest Freude an ihr !
Es ist was Köstliches , um solch aufwachende Menschenseele ! dieses durstige Wissen- wollen und dieses selige Sich-Blenden-lassen- können von jedem schönen Schein !
Das Bild von dir , das du damals für den Vater eingerahmt , habe ich ruhig hängen lassen ! die anderen habe ich weggetan !
Wir spielten dann noch eine Zeitlang vierhändig , bis ich wieder weg mußte .
Ob sie wiederkommen dürfe ?
Es sei zu schön und zu gemütlich hier !
so ganz anders , als bei ihren Freundinnen : das sei alles nur Flitterkram ! und sie habe mich so gerne ! ich sei so klug !
* Übrigens ...
Recht gegeben habe ich dir ja immer !
... aber empfunden habe ich_es heute sozusagen zum ersten Mal , Hella gegenüber : was du meinst , wenn du sagst : Hauptsache bei einer Frau sei : daß sie gutes Wachs wäre ! nicht zu weich und nicht zu hart !
Es ist vielleicht überhaupt Hauptsache !
* Und dann kam noch ein Brief von deiner Mutter .
Ich habe ihn in meiner Schulschublade liegen lassen !
Verzeih !
Wir hätten so lange nichts von uns hören lassen !
sie würde sich so freuen , wenn es dir endlich mit etwas glückte ! und ob du nicht kommen könntest dieses Jahr ? die Menschen dort nähmen alles so ernst und schwer und niemand wolle mit ihr lachen ! und ob wir wieder Backwerk haben möchten ?
Mir ist immer , als ob es meine eigene Mutter wäre .
Ich habe die meine ja kaum gekannt .
Auch wenn sie nicht mehr so kann , wie sie wohl möchte .
Es ist ein stiller , fester Punkt in all dem Geschiebe .
Ich sehe sie immer noch , wie wir damals ankamen , in dem großen Stuhl , am Fenster mit den Blumen , und wie sie mir die Hand gab : So also siehst du aus ?! und wie sie mich dann küßte ... daß all die Angst weg war , die mir das Herz zugeschnürt hatte .
Wir müssen wieder einmal hin ... im Sommer ! was meinst du ? all die Tage war eine Sehnsucht nach ihr um mich herum .
Ich schreibe ihr gleich heute Nacht noch : Du seiest vergnügt und ich auch ! und es gehe gut und aufwärts !
Und dahin müssen wir es bringen , Liebster , daß sie deiner Mutter einmal ein Denkmal setzen wie in Frankfurt der Frau Rat ! du brauchst keines !
Tausend Grüße und Küsse .
VII Ich hätte Lust , mich einmal an einen Roman zu versuchen !
Was meinst du ?
Mit der Übersetzung für Imhof bin ich allmählich zur Hälfte durch .
Es ist eine Pferdearbeit .
Und ob mit » Herzblut « noch viel zu wollen ist , wird mir immer zweifelhafter .
Ich fürchte nur :
ich komme nicht darüber weg und es bleibt mir wie ein wüstes Bergsturzfeld im Leben liegen .
Bloß ein Buch zu machen freilich , wie es alle können , ist ein kümmerliches Vergnügen .
Unser ganzer Roman von heute ist überhaupt kaum mehr ernst zu nehmen .
Er ist längst bloßes Handwerk geworden und hat so wenig mehr mit Kunst zu tun , wie ein modernes Mietshaus .
Man hat sich daran gewöhnt und denkt , es müsse so sein .
Gewiß , aber ... seine ganze Form und Technik , seine ganze Art hat sich innerlich längst so überlebt und erledigt , wie die alte Landpost von Turm und Taxis !
Mumie !
Ins Museum damit ! und in die Leihbibliotheken !
Hundertfünfzig Jahre sind ja auch ein aller Ehren wertes Alter ! aber nur Lebendiges schafft Leben !
Du hast immer Angst , wenn ich so etwas sage !
Doch , was soll diese uferlose Breimacherei um die willkürlichsten , äußerlichsten und nebensächlichsten Dinge ?! was sollen all diese ... ausführlichen Schilderungen seltener Landschaften und merkwürdiger Begebenheiten ! und ... als ob alles für kleine Kinder wäre , denen Punkt für Punkt immer erst erklärt werden müsse !
Weiß der Himmel , wer in seinem Leben niemals einen grünen Esel mit roten Flügeln gesehen hat , wird sich trotz spannendster Darstellung kein Bild von ihm machen können !
Der Mensch ist die Hauptsache und am Menschen wieder seine Seele ! nicht der Kram um ihn herum !
Doch es kommt eben ganz darauf an :
was einem wertvoller scheint :
Einer oder Auch- einer zu sein ?! und was einem mehr Spaß macht : in ausgetretenem Mietshaus zu wohnen und mit Hinz und Kunz und Hans und Gans zusammen Feste zu feiern oder auszuziehen und sich eigenen Grund und Boden wo zu schaffen und zu versuchen :
selbst zu bauen ! VIII Schwarzer Schnee wieder auf den Dächern ... graugrauer Himmel von früh bis Abend ... nirgendwo ein Tropfen Sonne ... nirgendwo ein froher Klang ... und die Tage so kurz und die Nächte so lang ! und der Frühling so weit ... und nirgends ein Ende und nichts , drauf man sich freuen könnte !
Schwarzer Schnee auf allen Dächern ... graugrauer Himmel von früh bis Abend ... nirgendwo ein Tropfen Sonne ... nirgendwo ein froher Klang !
IX Von Hani Himmele grau !
. ach ja !
. und wenn es noch lange so bleibt , kann ich auch nicht mehr ! und ich hätte mich so freuen können , wenn es wieder ein bißchen hell gewesen .
Ich war eingeschlafen gestern , so als ob beim Aufwachen heute die Sonne scheinen müsse oder als ob irgend etwas Schönes auf dem Tisch läge , wenn ich ins Zimmer käme ... aber deine Verse waren das einzige und ein Guten-Morgen-Triller-Liedchen unseres Dompfaffs !
Himmele grau !
... beim Frühstück fiel mir ein , wie du mir einmal erzähltest , du habest nie im Dunklen einschlafen wollen als Kind , es hätte immer Licht sein müssen ! oder es hätte jemand da sein müssen und ... eines Abends einmal hättest du durchaus aufstehen wollen und Adda gehen und so lange gequält , bis man dich ans Fenster getragen .
Du hättest dann hinausgeguckt , aber höchst enttäuscht den Kopf geschüttelt :
» Himmele grau ! « und zu weinen angefangen ...
» Baba gehen ! «
Addio !
Schule gehen !
X Himmele grau ! ja ja ! ja ja !
ich muß Sonne haben !
ich habe immer Sonne haben müssen ! trotz aller Sehnsucht aber geht es mir eigentlich heute noch so ... jeden Tag !
so oft ... ich wo ein Fenster aufmache : Himmele grau !!
Man ist im Grunde freilich bloß selber daran schuld !
Man kommt immer und ewig mit Voraussetzungen und Forderungen und will Dinge und Menschen , wie sie gar nicht sein können und wie sie nie gewesen sind , so lange die Welt steht ... und ist dann ... enttäuscht !!
Warum lernt man nicht endlich , sich auf das Wirkliche einzustellen ! und sich an dem , was möglich ist , zu freuen ! alt genug wäre man wahrhaftig dazu !
Wer bei Nacht Sonne will , ist ein Kind !
Wir könnten das allmählich wiesen und lassen dennoch immer und überall wieder den Kopf hängen und jammern ! wozu ?
Es kann nicht immer gut Wetter sein , es muß auch regnen zwischenhinein !
Man verklärt zu viel ! und belügt sich damit und läßt sich belügen ! unsere Wünsche belügen uns ! unsere Bücher ! unsere Kunst !
Wir müssen realer werden ! wirklichkeitsmöglicher ! von Uranfang an !
Seifenblasen sind Seifenblasen und können nur Sekunden dauern ! warum sind wir unglücklich , wenn sie zerplatzen ? anstatt uns zu freuen , so lange sie leuchten !
Die Welt ist , wie sie ist ! die Menschen sind keine Engel !
Könige liegen nicht mit der Krone im Bett !
Warum begreifen wir das noch immer nicht ?!
Es ist kein Verzicht : Grenzen zu erkennen und sich auf das , was möglich ist , zu beschränken !
Im Gegenteil !
Luftschlösser bauen ist keine Kunst ! aber ein Haus , das auf der Erde steht , fest und froh ! und war es noch so klein und bescheiden !
Darin ... werde Meister !
XI Ich glaube , das ist die ganze Not : wir messen unsere Träume an dem zu kurzen Maßstab der Wirklichkeit und die Wirklichkeit an dem zu großen unserer Träume !
XII Meine Streichholzzeit fiel mir heute ein , ich weiß nicht , wie so !
das halbe Jahr bei Erdmannsdörfer !
Eine arge Dummheit ! wie alles , das man nicht durchführt ! aber ...
Was hat man seiner Kunst nicht alles schon zu Liebe getan ! mein Gott ! und du mit ! und vielleicht noch mehr , als ich selber ! was haben wir ihr nicht schon für Opfer gebracht ! jahraus , jahrein ! bei hundert und tausend unscheinbaren kleinen Dingen !
Alles , wonach man sich sehnte , hat man vertagt und immer wieder vertagt ! noch nicht ! später ! auf alles , was einem Freude gemacht , verzichtet und immer wieder verzichtet ! noch nicht ! später !
Das ganze Leben hat man sich verpfuscht ! und was hat man dafür gehabt ?! und was wird man dafür haben ?!
» Ein berühmter Mann zu werden « !
Vielleicht ! wenn man lange genug Geduld hat !
Doch : ob das am Ende nicht das törichteste aller Truggebilde ist ?!
* Imhof will seine Übersetzung zum 1. Juli .
Er soll sie am 1. Juni haben .
Ich bin selber froh , wenn ich damit fertig . XIII Große Gesellschaft bei Försters . Merkwürdig ... es sind drei ganz verschiedene Welten , in denen ich hier lebe .
Drei große Kreise .
In dem einen kennt man mich gewissermaßen nur als Freund ... in dem anderen gelte ich als Dichter ... im dritten als einstiger Schriftleiter !
Joppe , Gehrock , Frack !
Manchmal lache ich darüber , manchmal stimmt es mich auch traurig !
Im Grunde Sitz ich überall immer zwischen allen Stühlen ! und wenn man fragt : was ich sei ? welchen Beruf ich hätte ?
... ja , was bin ich eigentlich ?!
ich weiß es nicht !
... Nichts !! nichts bin ich !
Ich war ... Pfarrer , wenn man so will , und bin_es nicht mehr !
ich war Buchhändler und bin_es nicht mehr !
ich war Philologe und bin_es nicht mehr !
ich war Schriftleiter und bin_es nicht mehr !
Streichholzkorrespondent !
Theaterbesprecher !
ich war , was ihr wollt , und bin_es nicht mehr !
... ich ... ich bin ... Mensch und ... heiße Jost und ... Seifried ... und lebe von meinen ... Renten ! und in stillen Stunden habe ich mitunter den verwegenen Wunsch , ganz am Ende :
es unserem Herrgott nachzutun und mir eine Welt zu schaffen im Kleinen , nach meinem Herzen , und mit Menschen darin , die alles waren , was man sein kann , und nichts mehr sind , als eben Menschen .
XIV Es wird nun doch Frühling ! es wird nun doch Frühling !
Warm und die Luft so wunderbar weich und weiß , und der ganze Himmel so Licht , so tief , so weit , und die Sonne zwischen großen und kleinen ballen Wolken so treu , so gut und gütig , wie ein altes liebes Großmütterchen , das alles erlebt hat , was zu erleben ist ... mit stillen heiteren Augen heruntergrüßend zu ihrer Erde ...
Ich sitze am Fenster und lasse sie mir ins Gesicht scheinen und über die Hände ... weder Mensch noch Schriftsteller noch Dichter noch sonst was ... nur ein Blumenkern in der Erde , der den Frühling spürt und zu quellen und zu schwellen anfängt und Luft und Licht und Sonne entgegen will !
Und draußen überall heimliches Lachen und Seligkeit , und Jung und Alt in blitzblank weißen Kleidern mit bunten Bändern und lustig hellen Hüten auf dem Kopf ...
Woher haben sie das alles so schnell ? haben sie alle auch nur gewartet wie wir ?!
O wie froh es macht , diese Frühlingsfröhlichkeit und diese weißen Kleider überall !
Und nun ist sie plötzlich wieder weg und verschwunden ... hinter Wolken ... wie die Mutter zu Hause ... wenn junges Volk da war ... wenn sie ein Stündchen mit uns geplaudert hatte , nahm sie mich in eine Ecke :
es wird mir zu viel , weißt du !
ich gehe jetzt !
ich wollte ja bloß sehen , ob ihr vergnügt seid !
XV Wann werden wir wohl einmal unsere weißen Kleider antun dürfen , Hani ?
Wozu lebt man ?!
Hundert Jahre habe ich dich nicht gesehen ! hundert Jahre habe ich deine Stimme nicht gehört ! hundert Jahre habe ich deine Hand nicht in der meinen gehabt ! wozu lebt man ... wenn man immer und immer auf alles und alles verzichten soll ?!
Wenn wir Könige wären , die da sonst hätten , was ihr Herz begehrt ... Könige können auf viel verzichten ! aber wir ?
es ist unser alles ! unsere Krone !
Ich weiß kaum mehr , wie du aussiehst !
wie geht es dir ?
was treibst du ?
was machst du ? lachst du ? oder bist du traurig ?
ich möchte deine Stimme wieder einmal hören !
ich möchte deine Hand wieder einmal in der meinen haben ! mir ist , als wärest du bloß ein Traum !
Ich habe Sehnsucht zu dir , wie ein müdes Kind zu seiner Mutter , und Heimweh , wie man in der Fremde Heimweh nach der Heimat hat !
Es ist ja alles Fremde ! wo ich gehe und wo ich stehe und wohin ich sehe !
was soll ich mit meinem Herz voll Sonnenfreude zwischen allen diesen kalten Menschen ?! was soll ich mit ihrer Welt voll Sorge , Not und Zweifel und Bedenken und Kleinlichkeiten ?!
Ich möchte fröhlich sein und singen und lachen , und sie drohen mit der Faust : wie kannst du lachen , wo so viel Jammer um dich her !
ich möchte trösten , und sie schreien : nimm uns unsere Not , und wir wollen fröhlich sein !
ich möchte sagen : wollt und versucht und ihr werdets ! und sie höhnen : schaffe uns Brot und Vergnügen ! und wir sind_es !
Nicht einer weiß , wer ich bin ! nicht einer weiß , woher ich komme ! nicht einer weiß , wohin ich gehe !
Ich möchte Schild und Schwert bei Seite stellen , und sie zwingen mich zum Kampf und nennen mich Träumer und Bettler und sehen die Krone nicht , die ich ihnen bringen möchte !
Doch sie haben Recht :
ich bin Träumer !
ich bin Bettler ! und du bist es mit , Hani , und alle , die an die Sonne glauben ! und ... wir werden immer Bettler bleiben in dieser Welt !
XVI Warum sind wir nicht beisammen ? warum ... warum ... heiraten wir nicht wie andere ehrenhafte Bürgersleute ?! warum haben wir nicht längst geheiratet ?!
Weil wir alles immer zu schwer nehmen ... und keinen Mut haben ! weil wir jeder Forderung von außen mehr Berechtigung zuerkennen als uns selbst und dem , das uns heilig , und glauben : das sei stark ! weil wir zum Leben aufsehen , wie zu etwas Großem ! wie zu etwas , das über uns steht ! und auf den Knien vor ihm liegen , wie Hörige vor ihrem Herrn ! Anstatt ... anstatt : Warten und Karten über Bord zu werfen und die Anker zu lichten und frisch und fröhlich unserem Glück und unserer guten Sache zu vertrauen ! anstatt ... zu nehmen , was wir wollen ! verdient oder unverdient !
was man erzwingt , entscheidet ! anstatt ... aufzustehn und zu brechen , was sich nicht biegen lassen will ! entweder ... oder ! und selbst Herr zu sein :
ich habe Recht , nicht du ! und ... so will ich und so geschieht ! XVII Von Hani Liebster , herzliebster Jostel !
du sollst dir doch nicht diese Sorgen machen .
Du hast es mir so oft nun doch versprochen !
Auch unsere Gärten werden blühn ! auch unsere Felder werden noch reifen !
Glaube_es doch endlich !
Natürlich wäre es schön und niemand wäre seliger als ich ! aber , mein Gott , es kann nun doch einmal nicht sein fürs Erste ! und so ins Blaue hinein wie Kinder fröhlichen Herzens fröhliche Dummheiten zu machen ... dazu sind wir allgemach zu alt geworden , Liebster , da hilft nichts ! das ist so !
Sobald fünftausend Mark in der Sparkasse sind , werfe ich alles weg und komme und komme !
Wenn wir zehn Jahre jünger wären , ja !
Mit Zwanzig-Fünffundzwanzig kann man alles wagen ! und es glückt auch meist !
man ist eben jünger und anspruchsloser !
Mit dreißig-fünfunddreißig trägt alles gleich ein ganz anderes Gesicht : man ist Überlegsame geworden ! hat sich mehr verzweigt und verwurzelt !
und nimmt es schwerer , in der Tat !
weil man eben ... weniger leicht wurde !
man hat mehr zu hüten und vergeudet sich weniger !
man greift nicht mehr so nach den Sternen , wie als Kind ! man weiß , es reicht nicht !
man übersieht mehr ! sich , seine Wünsche , die Welt ! und ist haushälterischer !
Nicht , weil man weniger möchte ! nein , nein ! man will sogar mehr !
man ist zehnmal anspruchsvoller und wählerischer ... eben weil man reicher , freier und gesammelter wurde ... sieh : so , wie wir uns ja auch immer nur lieber haben , von Jahr zu Jahr ... nicht mehr so waghalsig , nicht mehr so blind stürmisch wie zuerst und doch ... viel froher , viel stolzer , viel tiefer und verwurzelter !
Also !
... tausend Küsse ! und ... mehr Selbstvertrauen ! mehr Herr-Bewußtsein ! XVIII Ja , ja !
wenn wir zehn Jahre jünger wären ! da liegt !
Zehn Jahre jünger sein , ist alles !
... ... ... .... ... ... ... .
Du bist ein liebes kluges tapferes Mädel , Hani !
ich küsse dich und habe dich lieb !
Mehr Herr-Bewußtsein ! ja ja ! ja ja ! das ist ein gutes Wort ! mehr Herr-Bewußtsein ! der Hausknecht in uns ist unser ganzes Elend !
Diesen Hausknecht tot schlagen können , wäre zehn Jahre jünger werden !
XIX Hast du vielleicht Verdruß gehabt irgendwo ?
Meine Barometer und Seismographen sind so sonderbar unruhig seit ein paar Tagen !
Oder sollte mit der Mutter etwas los sein ? oder mit Helmut ? oder mit Hiesel Heinz ?
Du schüttelst immer den Kopf , wenn ich dergleichen sage , aber ich glaube nachgerade doch immer mehr , daß die Menschen viel enger zusammenhängen und weit unmittelbarer miteinander leben , durch jede Ferne hindurch , als unser armseliger Verstand uns erkennen und begreifen läßt ... ganz stofflich !
All die Rätsel und Wunder sind ja Rätsel und Wunder nur in Folge unserer Unzulänglichkeit , und alles wäre höchst einfach und natürlich , und trotzdem noch viel wunderbarer , wenn wir die Lösung hätten !
Aber : es ist zu laut geworden in der Welt , und es wird immer lauter , und man verliert sich immer mehr an all dem Lärm ob Äußerlichkeiten und findet immer weniger Ruhe : den stillen Strömen zu lauschen , die in der Tiefe unseres Lebens gehen , und auf die Wunderwelt , durch die sie führen , jenseits des groben Scheins der Dinge , mit dem wir uns genügen müssen !
Vielleicht aber findet der Mensch doch eines Tages noch das Wort , das die verschlossenen Türen öffnet ... in einer Zeit , in der er aus dem Lärm der Täler sich hinausgerungen endlich auf die Berge !
XX Ich küsse dich und sage dir guten Morgen !
Wie hast du geschlafen ?
was hast du geträumt ?
Wie ferne Musik klingt es noch um mich her und mir ist , als säßen wir immer noch am » großen Fenster « in den Dünen und du lachtest : guck , die vielen Schwalben ! und wie herrlich grün schon alles wieder ! und als horchten wir auf das breite Rauschen der Wipfel über uns und schritten am Waldsaum hin ... die Havel zu Füßen , mit ihren Kähnen , weit und offen ... und der ganze Himmel ein einziges flammendes Abendrot ... und hinter uns , schwarz und brausend der Wald , durch den wir uns durchgesucht ... ans ...
Meer ! und hinter dem Wald die Stadt ... der wir entronnen !
... Tausend Grüße ! tausend Küsse ! und hat man auch nur alle vier Wochen einmal ein paar solche Stunden ... man fühlt wieder Leben !
Liebe !
Freude ! man ist wieder jung und hat wieder Flügel !
* Wer nichts hineinfühlen kann freilich in diese stillen märkischen Landschaften , wird auch nichts herausfühlen ! wie bei allem !
Wer Stein ist , dem wird ewig alles Stein sein ! wer nicht klingt , wird nie was klingen machen !
es liegt an dir , an mir , nicht an der Welt ! wer nicht Gott ist , wird Gott nie begreifen !
* An Dichtern fehlt nicht ... weder an alten noch an jungen !
Es ist wie ein weiter Frühling über der Erde ... aber an Menschen ! an Menschen , die sich mit ihnen freuen wollen , die mitdichten und mitleben , was sie machen , und ... darüber hinausschaffen ! an Menschen , die sich losfinden können aus ihren dunklen Häusern und hinausgehen und sagen zu sich und denen , die um sie sind : Seht einmal : lauter junges köstliches Leben an allen Enden , frisches Grün und Keime und Knospen ! und wie das drängt und treibt und singt und klingt !
Kommt und freut euch dran und singt und klingt mit !
es ist alles ja nur für euch !
... und viel wichtiger und nützlicher , als all der Staub und Kram , mit dem ihr tagelang zu Haus euch Mühe macht !
Hier ist das Leben ! * O es wäre so viel , so viel Freude , so viel Liebe in der Welt , so viel siegende Kraft , daß gar kein Leid aufkäme ... wenn man den Mut hätte , sie offen zu zeigen ! wenn man sie nicht immer scheu und ängstlich in dunkle Winkel verstecken müßte , vor Neid und Mißgunst , bis sie schließlich versinkt und erstickt wie Glut unter Asche !
O diese ewig schwarzen und grauen Kleider überall !!
XXI Laß sie reden , Liebste , so viel sie wollen !
Ibsen ... nein , keine Million Schattenmännlein wird seine Sonne in die Tiefe zwingen !
Laß dich nicht irre machen !
Ibsen ... ist Hochgebirge !
Es glückt freilich nur dem , der Glauben hat und ihm entgegengeht und Mühe und Geduld nicht scheut , zu warten und wochen- ja vielleicht monatelang : seine Firnen nebelfrei und wolkenlos in ihrer Pracht und Klarheit zu erfassen .
Blutlose Schemen !
... mag sein !
Aber diese blutlosen Schemen werden noch leben , wenn die ganze Traraherrlichkeit von heute längst wie ein Dorrer Kehrichthaufen hinter den großen Zaun gefegt sein wird !
Ich grüße dich , einsamer König in Thule du ! XXII Kunst !
Kunst !
... mein Gott , was meinen sie , wenn sie so von ... Kunst reden !
Was ist Kunst ? was sie auf den Theatern spielen ? was in Ausstellungen , Museen , Galerien an Bildern hängt ?
was auf Plätzen und in Gärten und Palästen an Denkmälern steht ? was in Opernhäusern und Konzertsälen an Musik gemacht wird ? oder was die Tausende von Büchern bringen , die jedes Jahr durch die Buchläden wandern ?
Ist es das , was sie meinen ? und wenn ... wozu macht sich der Mensch das alles ? wozu erfand er es ?
was will er damit ?
Sie sagen : Kunst müsse sich Selbstzweck sein ?
Was heißt : sich Selbstzweck sein ?
Entweder ist alles sich Selbstzweck oder nichts !
Aber sie ereifern sich darüber :
Kunst solle nichts sollen !
Kunst solle nur sein ?
Ja , kann denn Etwas sein , ohne etwas zu wollen ? und ist ein Wollen ohne Sollen denkbar ?
Was ist , trägt einem Ziele zu ! bewußt oder unbewußt ! und was einem Ziele zuträgt , wird die Beziehungen und Bedingungen dieses Zieles in sich haben und diese Beziehungen und Bedingungen sind der Zweck und das Soll , das jeder Sinn sich selber setzt .
Es ist ein ewiger Streit , ob ein Hecht lebendig oder tot mehr wiegt. * Kunst sei Leben , nicht Kunst !
* Kunst für das Volk !
Kunst für das Haus !
Kunst für die Schule !
Kunst für den Alltag !
mein Gott ! wollt lieber doch den Alltag endlich für die Kunst !
... Herauf , statt hinunter ! XXIII Einmal ist Jeder ... Dichter ! aber er bleibt es nicht , wenn nicht jedes neue Buch eine Sprosse höher greift und weiter sieht oder tiefer lotet !
Stehenbleiben ist Handwerk !
* Wir grübeln zu viel und vergrübeln uns immer tiefer in Graben und Gruben ! wir begreifen bloß noch Bäume und keinen Wald mehr !
wir sehen bloß noch Lichtspielflecken und keine Sonne !
Was soll das ?
was schafft das ?
was schafft das an dem , das so Not täte ?! XXIV Ich weiß nicht :
sollte es wirklich das Höchste und Letzte sein : eine Handvoll Menschen mit irgendwelchem Schicksal möglichst wirklichkeitsmöglich auf die Bühne zu stellen ?
Wäre es nicht auch ein Ziel : zu versuchen : diese Menschen über ihre Wirklichkeit hinauszutragen zu Höherem ?
Wäre es nicht auch ein Ziel , und vor dem allem noch : zuerst sich selbst zu einem Menschen zu machen , der der Wirklichkeit gewachsen und über sie hinaus weiß ?! und sich erst dann das Wort zu erlauben ? nicht bloß nachzugestalten , sondern voranzugehen ?
Aber ... Mensch und Dichter ist ja ... zweierlei !!
ich vergesse das immer wieder !
XXV Bleibe fest !
es eilt mit nichts : gut Ding will Weile ! nur sei dir klar , wohin du zielst und wisse , ob du Wohnhaus oder Wirtshaus oder Kirche bauen willst !
Dann aber weg- und wag-gemut ans Werk von Berg zu Berg !
Und wenn sie kommen und ... sie kommen immer und wissen immer besser , was du sollst , als je du selbst : baust du ein Wohnhaus , wollen sie ein Wirtshaus ! baust du ein Wirtshaus , wollen sie eine Kirche ! und ihre Gründe o ! sind immer gut : für sie ist_es ein Geschäft , das du bezweckst ! für dich ein Teil von dir !
Laß sie und lache ! und Bau und mache getrost , was du für gut hältst , weiter !
nur hüte dich vor Schnörkeleien !
Die großen Linien sind es , die entscheiden !
die halte rein ! XXVI Der liebe Gott ist immer mit den großen Bataillonen ! ist das nicht ein prachtvolles Wort ?! ob du wohl herausfindest , von wem es ist !
Der . liebe . Gott . ist . immer . mit . den . großen . Bataillonen !
Aber das eben ist das Trübe ! das man alles immer mit so ganz unzulänglichen Mitteln bewältigen muß ... und unwilligen Menschen gegenüber !
Großes wie Kleines !
Doch es wird wohl immer so gewesen sein und wohl immer auch so bleiben :
man wird immer nur Sträflinge haben , um Amerika zu entdecken ! XXVII Nein , nein , Hani ! sprich nicht von » selbstverständlich siegender Überlegenheit des Höheren « !
... wir lassen uns nur immer wieder Sand in die Augen streuen und täuschen , weil wir ... eben gerne glauben möchten , es sei , wie du sagst : selbstverständlich siegende Überlegenheit eines Höheren ... nein ! nein :
Es kann einer zehn Marschallstäbe im Tornister tragen ... wenn er es nicht versteht , sich hochzuvettern , oder wenn er nicht zu Boden tritt , was ihm im Weg steht , und sich durchtrommelt , bleibt er sein Lebtag Hintermann !
Auf Grund bloß ehrlichen Genies bringt es keiner weiter als zum Feldwebel !
Man ... man müßte nur ... allmählich ... damit rechnen lernen !
Nein ! es kann einer können , so viel er will ... er bleibt Nebenherlaufer , wenn er sich zu gut dazu ist , sich mit Mitteln in die Höhe zu bringen , die ... die ... einem eben um so niedriger scheinen , je höher man möchte ! XXVIII Überleg dir einmal :
Man ist ja doch eigentlich ... Hanswurst , wenn man denkt , wie man denkt ! und ... herumsieht :
wie billig es am Ende ist :
ein » bedeutendes Talent « , ein » geistreicher Kopf « , ein » großer Künstler « genannt zu werden ! überlege dir das einmal ! aber durch !
und mit allem , was damit zusammenhängt !
Man braucht nur eine Zeitung in die Hand zu nehmen : es ist ja beinahe Narrenhaus und kaum zu glauben trostlos : was da gut und schlecht und groß und klein genannt wird und was da alles eine Rolle spielt , und was für Leute mir nichts dir nichts in den Adelstand erhoben und zu Prinzen und Fürsten aus Genieland ausgerufen werden ! auf allen Gebieten ! und mit welcher Unverfrorenheit der durchsichtigsten Geschäftsmacherei Vorschub geleistet und mit welcher Gewandtheit aus einem ehrlichen Menschen ein Känguruh und aus einem alten Strohbündel ein Lorbeerkranz gemacht wird , wenn_es darauf ankommt ... und mit welcher Anmaßung der kleinste Kellnerlehrling als Kulturmacher auftritt !
Noch mehr als Narrenhaus freilich ist es , wenn man liest : mit welchen Einnahmen da mitunter Leute in der Welt stehen ... jeder Zoll ein Lump ! aber mit Einnahmen , von denen unser einer zwei , drei Leben lang in sorglosem Überfluß leben könnte ! wenn man liest : wie ganze Vermögen ... Menschen in die Hand gegeben , die ein hinkebeiniger Zufall von heute auf morgen vom Erhabenen ins Zuchthaus bringt ... und wenn man liest : wie dabei dann noch auf mildernde Umstände oder auf Unzurechnungsfähigkeit erkannt wird ... Flöte hat ganz Recht :
Es ist ein melancholisches Dasein :
Nur Kipper und Wipper bringen es noch zu was ! und das Mindeste ist , einmal gesessen zu haben !
Vermag einer aber erst eine geschickte Wechselfälschung nachzuweisen ... alle Achtung ! das ist so gut wie ein Patent ! das ist ein Vertrauensmann !
Zwei , drei Jahre ... und er verfügt über Millionen !
Herrgott im Himmel , warum nimmt man diesen ganzen Schwindel eigentlich noch ernst ?! XXIX Wer schreibt endlich einmal die ungeheure Komödie all dieses großen und kleinen Trebertrocknertums unserer Zeit ?! und hat den Mut , die Folgerungen zu ziehen ? rückwärts und vorwärts ! wer wagt sich endlich an die große Nachrechnung der Bücher der Menschheit , die so lang schon Not täte , um Soll und Haben einmal klar zu stellen ?! rücksichtslos und unerbittlich bis aufs Letzte ?!
wer wagt ihn , diesen Riesenkrach ?! kommen muß er ja doch eines Tages !
* Nietzsche !
ja , er hat es versucht !
Läutet die Glocken , wenn sein Name genannt wird !
Er hat es versucht ... er dachte königlicher als Jahrhunderte !
Aber was er fand , war Schande ! und Zorn darüber brach ihm das Herz !
Läutet die Glocken , wenn sein Name genannt wird !
* Und ... es bricht uns allen das Herz , Klein und Groß : zu diesem ewigen Kampf und Zwiespalt verdammt zu sein zwischen dem , das wir leben müssen und das wir leben möchten !
Wozu erzieht man uns , wie wir erzogen werden und lehrt uns eine Welt , wie sie sein soll , anstatt die Welt , wie sie ist und immer war und ewig bleiben wird ?
Wozu stellt man uns in ein Leben , in dem die Faust entscheidet , mit gebundenen Händen und Predigt uns von Kindesbeinen an , was man uns Predigt :
Sei wahr und gerecht und treu !
Tu deine Pflicht !
Ein ehrlich Können findet immer Anerkennung !
Recht geht vor Macht !
Der Bessere siegt , werde ein Besserer !
... Warum sagt man nicht : der Stärkere siegt , werde ein Stärkerer !
* Es bricht uns allen das Herz !
Allen , die sich nicht genügen :
Zufall eines Zufalls zu sein , Nichts eines Nichts ! allen , die Sehnsucht haben zur Sonne und Leben eines Lebens , Sinn eines Sinns sein wollen und in Einklang mit den Menschen ihrer Erde und in Fröhlichkeit mit ihnen wandern möchten Hand in Hand von Höhe zu Höhe !
XXX Über Bord mit deinen Träumen ! es sind Lügen ! sie machen dich nur schwach !
Die Welt war immer wie sie ist : es war alles immer nur Kauf und Handwerk und Mache !
Richte dich danach ! XXXI Es ist leicht , Gegensätzlichem aus dem Weg zu gehen ! und abzulehnen , was einem nicht paßt , und zu sagen , man sei Sieger !
Beweis , was du kannst , und zwing , was dir zuwider ist !
* Die moderne Großstadt schafft keinen Dichter im alten Vollsinn des Wortes ... aber wer es werden will , muß durch ihre Schule gehen !
Und nicht bloß der Künstler !
Jeder , der den Blick über die Berge frei haben will ! XXXII So bin ich nach Berlin gekommen !
So bin ich hier !
... und so will ich hier aushalten !
... und siegen oder fallen !
Nicht : zum Vergnügen ! wie gute Freunde behaupten ! weiß Gott nicht !
es ist kein Vergnügen , Tag für Tag verhöhnen zu lassen , was man für sein Bestes hält , und Nacht für Nacht sich herumzuquälen : bist du der Narr , der du hier scheinst !
Sondern klar zu werden über mich und über die Dinge der Welt und zu erproben , was ich kann und will und Hand und Herz und Hirn zu härten und hart zu werden und Herr zu werden ... im Kampf und ... wo er am lautesten tobt !
Ich hätte in Schwaben bleiben können , ich hätte es leichter und ruhiger und freundlicher gehabt ... hier : wohin ich sah , nirgends ein Weg ! wohin ich fühlte , alles fremd und Feind ! wohin ich horchte , auch nicht ein verwandter Klang ! auf Schritt und Tritt nur Argwohn , Abwehr , Achselzucken !
Dinge und Menschen gell und grell und schrill und schroff ... mich bis ins Innerste verletzend , ahnungslos , durch ihre bloße Art ! mit Füßen tretend , was mir heilig war !
Und doch : Berlin ist die Welt !
Berlin ist das ...
Leben ! und ich will Herr drüber werden und mit seinen eigenen Waffen will ich_es zwingen ! und ... ich werde es ! XXXIII Mag sein , daß ich , was ich will , vom Vater habe und daß es Soldatenblut ist ... er war so !
» Menschen gibt_es genug , aber keine Kerle und viel zu viel Weibsleute ! «
Er sollte Schreiber werden , wie er es nannte , Aktenmensch !
weil kein Geld da war , ihn durch eine Kadettenanstalt gehen und Offizier werden zu lassen , wie er gerne wollte !
Zwei , drei Jahre hat er es ausgehalten ... eines Tags dann aber nahm er Feder und Tintenfaß und warf_es durchs Fenster und ging unter die Soldaten :
» Man wird immer , was man ist ! «
Ich war kaum zwanzig , als er starb , und meinte , daß ich ihm nur wenig zu danken habe ! doch je älter ich werde , um so mehr erkenne ich , wie viel er mir gab ... es war nur eben Eichensaat !
... und um so öfter sehe ich ihn auf meinem Wege mir entgegenkommen : rechts halten , Junge ! dort drüben kommst du nicht durch !
Früher , so lange es ebener ging , im Tal , war es mehr die Mutter ... * Worte und Ermahnungen machen es nicht !
Vorbild und Beispiel ist alles !
Ich hatte mich beim Basteln eines Tags geschnitten .
Es blutete , und ich weinte und kam zu ihm .
Er sah sich_es an und verband es dann .
Ob es weh täte ? und als ich jammerte , lachte er : recht so !
es soll weh tun ! warum bist du so ungeschickt !
... Ich glaube , ich wurde dreißig , bis ich verstehen lernte , daß er mir auf diese Weise mehr gegeben , als wenn er mich bedauert hätte ... und so bitter ich diese lachende Härte damals auch empfunden ... heute danke ich sie ihm ... und sein Bild überm Schreibtisch ... lacht ! XXXIV Nein , Liebste , nein ! so » berühmt « werden wir niemals werden !
Kuck , ich habe zwar eine Zeitlang Pfarrer werden wollen ... aber ... ich habe mir niemals aus einer schwarzen Schürze meiner Mutter einen Talar gemacht !
ich bin nie weder auf einen Stuhl noch auf einen Tisch geklettert , um Predigten zu halten oder Gedichte zu deklamieren ! und das ist erste Vorbedingung , wenn man berühmt werden will , zumal für einen Schwaben .
Du kannst alle Literaturbücher und Lebensläufe darüber nachschlagen .
Ich habe das damals versäumt , und nachholen läßt es sich nun nicht mehr !
Ob ich dann als Knabe das träumerisch in mich gekehrte Wesen zur Schau trug , das man zur Schau getragen haben muß , oder ob ich besonders aufgeweckt war , wie andere wieder von später berühmt gewordenen Leuten verlangen ... weiß ich wirklich nicht mehr recht .
Ich werde wohl wie jedes Kind gewesen sein , einmal so und einmal so !
Doch ... wenn ich noch einmal auf die Welt komme , werde ich vorausdenkender zu Werke gehen und mich von vornherein mehr nach den Forderungen unserer Literatologen richten .
Einen gewissen Ersatz dafür jedoch Hab ich darin , daß die Mutter schon Verse machte , ja sogar ganze Gedichte ! und das beruhigt mich einigermaßen !
denn daß die Mutter schon » poetisch veranlagt « , ist eigentlich eine noch notwendigere Vorbedingung für jeden , der später als Dichter berühmt werden will .
Du weißt ja doch : es ist nicht der Gesamtcharakter , sondern es sind die einzelnen Sonderbefähigungen der Eltern , die sich weitererben ... schächtelchenweise ... in Pillenform vielleicht ... als feste Bestandteile ... wie ... wie etwa Geldpapiere oder Bilder oder Bücher oder Töpfe und dergleichen .
Du kannst das gar nicht wörtlich und buchstäblich genug verstehen !
Sieh : wenn zum Beispiel deine Mutter eine Frau war mit reichem quellendem Gemüt , in dem , was sich ihr entgegentrug , wie in sattem samenoffenem Boden Nahrung fand ... eine Frau , die alles gleichsam mit den Wurzeln lebte , voll selbstlos unermüdlich ausgleichender Güte und Sorge und Sorglichkeit ... eine Frau , bei der das Herz das stille Tor zur Welt bildete ... so vererbt sich von all dem zunächst ... nichts !
aber wenn sie sich geübt hatte , weil sie eben war , wie sie war , diesem ihrem inneren Leben dann und wann in ... Versen , Zeichnungen oder auf dem Klavier sichtbare Form zu geben ... diese Geschicklichkeiten sind das Wesentliche ! und es ist klar : woher du dein » dichterisches « , » zeichnerisches « oder » musikalisches « » Talent « hast !
Geerbt , wie man einen Weißzeugschrank , eine Ziehharmonika oder silberne Salatgabeln erbt !
Oder wenn dein Vater vielleicht , im Gegensatz dazu , ein Mann war , dem es vor allem Freude machte : etwas entstehen und werden und wachsen zu sehen und zuzugreifen und sich zu regen und zu betätigen ... der aus diesem Grunde vielleicht nicht Schreiber , sondern Soldat wurde ; der aus diesem Grunde vielleicht in Mußestunden mit Vorliebe gärtnerte und Rosen zog ; der aus diesem Grunde vielleicht , was um ihn herum , lieber selber machte , als daß er in den Laden ging und es kaufte ... der da sagte : ein bißchen denken und du kannst es auch ! und ein bißchen mehr denken und du kannst es besser ! und sich aus einem alten Spinnrad eine Laubsägemaschine erfand ... so vererbt sich nicht etwa dieser Kern seines Wesens , aus dem alles hervorgeht : seine Spannkraft und Schaffensfreude , sondern :
das einzelne Talent !
Wenn nun also eines solchen Vaters Junge Dichter wird ... so sage nicht etwa :
Gedichte machen und ein guter Soldat sein , oder :
Gedichte machen und Rosen ziehen , oder :
Gedichte machen und Laubsägemaschinen erfinden sei im Grunde ganz dasselbe !
... um Gottes Willen , sage so was nicht !
du blamierst dich rettungslos !
Sämtliche Professoren würden sich auf den Kopf stellen ! sämtliche Literaturgeschichten müßten umgeschrieben werden ! sondern sage : das sei in der Tat unbegreiflich ! unsere Erkenntnis habe eben doch ... Grenzen !
* Wenn einer einen Vater hatte , der trank und er wird selber Trinker ... so wird er das lediglich , weil sein Vater eben trank !
Daß der Herr Papa mehr für Kümmel , der Herr Sohn mehr für Kognak , beweist höchstens ein Aufsteigen der Linie .
Wenn du nun sagtest : der Sohn trinkt , aber nicht , weil der Vater trank , sondern weil der Vater ein Lump war , der keinen Halt hatte , und der Sohn dasselbe ist und schließlich auch nichts Besseres zu tun weiß , als eben zu trinken ... so lacht man dich bloß aus !
Nur die äußere , sichtbare Begabung vererbt sich ! nicht die Bodenart , der sie entwächst ! nur Folge , nicht Ursache !
* In Wirklichkeit , weißt du , wird es wohl immer so gewesen sein und auch so bleiben :
Ob Herr oder Knecht , Genie oder Tropf : von der Mutter das Herz , vom Vater den Kopf !
Gute Nacht !
Es ist wieder spät und ich will ins Bett .
Einen ordentlichen Schlaf zu erben , ist ebenso notwendig , und überhaupt noch viel , noch recht viel , das weit wichtiger als bloßes Versemachen- können , und zumal für einen Dichter . XXXV Einmal werden wir ja so weit kommen !
... aber wenn wir so weit sind , Liebste , einen Jungen zu haben ...
Hellmut soll er heißen , mit zwei l , und im Frühling soll er auf die Welt kommen ! und gut soll er es haben , o so gut ! so gut , als ich es selber hatte , und noch besser :
er soll sich nicht all den überflüssigen Kummer machen müssen , den ich mir machte !
Wir wollen ihn bei Zeiten lachen lehren und froh zu sein ! die Menschen meinen immer , man lerne das von selbst ! und Augen und Ohren aufmachen und begreifen , was um ihn herum vorgeht , sobald er nur kann , und nicht bloß von Eins zu Eins , durch Wände durch und über Berge weg !
und frei sprechen soll er lernen ! aufstehen , ohne verlegen zu werden , und losreden ! eine Kunst notwendiger fast als bares Geld !
Freisprechen ist Frei-Denken und Frei-Denken ist : an jedem Punkt in jedem Augenblick marschfähig und gefechtsklar seine Truppen in der Hand zu haben !
Und werden soll er , was er Lust hat : Gärer , Klärer , Wehrer , Währer !
Schichter , Sichter !
Vorwärts !
Rückwärts !
Bismarck !
Richter ! bloß nicht Dichter !
* Ich möchte ein Buch für ihn anlegen ... » Spruchbuch für Klein-Hellmut « .
Was meinst du ?
Groß-Hannie und Groß-Jost lernen am Ende auch noch etwas daraus . XXXVI Sonntag .
Ich wollte arbeiten , aber es ging nicht ! und dann fingen ... die Glocken draußen an zu läuten ... und Glockenläuten ist so furchtbar , wenn man allein ist und nichts hat , auf das man sich freuen kann ... und ich rannte weg !
Und draußen dann : alles Arm in Arm , in hellen Kleidern , vergnügt und lustig , lachend und lärmend ...
Ich weiß , es ist auch nicht so !
ich weiß , ich weiß , es ist auch mehr Sorge und Verdruß und Unfriede als Fröhlichkeit , sobald man ein paar Schritte näher tritt ... überall ! aber es sieht so aus und ... man glaubt es , weil man es selbst nicht hat ... und weil es so schön zu glauben wäre !
man ist eben ein Kind ! und steht und beneidet all das junge Volk umher , das nichts als plaudern und lachen und tanzen und küssen will !
Wie nett das ist ! und wie sich das freuen kann an ein paar Rosen , die_es geschenkt bekommt ! an einer bunten Lächerlichkeit , die es in einer Würfelbude gewinnt ! an einem warmen Abendessen !
Man möchte es auch einmal ... man möchte auch einmal ... Nein , lache nicht , Liebste !
ich weiß ja , ich weiß :
ich hielte es keine halbe Stunde aus und liefe davon , ich weiß ... und du hast Recht ... von Montag früh an alle Tage , die ganze Woche , Tag und Nacht ... ich kann keine Frau brauchen , die nicht Mithelferin sein kann bei meiner Arbeit !
... nur Sonntag Abend hast du Unrecht , Hani !
Sonntag Abend soll sie nichts als lachen helfen und ... vergnügt sein !
Und kommt man heim , ist alles schweigsam , müde und Nacht ... und man verkriecht sich in sein Bett und ... es ist wieder einmal ein Tag vorbei !
wie so viele !
wie so viele ! XXXVII Es lebe das Leben !
es lebe die Liebe !
es lebe der Rebe goldsonniger Wein !
es lebe alles , was singt und lacht , was fröhlich ist und fröhlich macht ! aber der Teufel hole die Kunst , die einem Leben und Liebe verhunzt ! XXXVIII Ich sinke wieder ... und nirgends eine Hand !
Tausend Freunde und nicht einen !
Nicht einen , der sich einmal die Mühe nähme , den eigenen Kram auszuschalten und in meine Welt zu denken ! nicht einen , der ein paar verlorene Stunden übrig hätte , was ich möchte , von meinen Wegen aus zu sehen !
Anstatt ein helfendes Wort zu suchen , bleiben sie an Kleinlichkeiten hängen und ereifern sich ob Dingen , die ganz Nebensache und die man alle längst sich selbst schon vorgehalten und erledigt !
Nicht einen , Hani , zu dem man sagen könnte : Sieh , dort in der Ferne , über den Waldrücken und Felskuppen , das weiße Schloß dort , mit den blitzenden Zinnen ... dort möchte ich hin ! dort , denke ich mir ... was ich mir eben denke !
... Glaubst du , daß sich_es lohnt ? glaubst du , daß ich_es kann ?
Anstatt aufs Ziel zu halten , schütteln sie den Kopf und reden : Ja , da bist du falsch !
da hättest du von allem Anfang an gleich anders gehen müssen ! über das Tal zu kommen , gibt es keinen Weg ! und sieh dich vor :
es stehen Wetter am Himmel ! kehre lieber um !
Mein Gott !
Weg oder Nichtweg ist ganz einerlei !
es handelt sich ums Ziel ! und über Täler kommt man allemal ! und blitzt und wettert , blitzt und wettert eben !
Tausend Freunde und nicht einen , Hani ! dem der Mühe wert wäre , zu verstehen , um was ich Kämpfe !
Sie sehen nur Hemmungen und Hindernisse und lahmen überall an ihrem eigenen ewigen Nein ! anstatt ... mein Gott ! anstatt ... was soll denn solch Geschwätz !
ich muß und will doch von dem Punkt aus weiter , auf dem ich einmal stehe , ob er falsch ist oder nicht !
ich stehe doch da und will doch weiter und ... Weg oder Nichtweg ist ganz einerlei !
es handelt sich ums Ziel !
Ich weiß nicht : vielleicht können sie nicht anders ?!
... aber ... ich kann_es doch , wenn man zu mir kommt :
So und so ... siehst du vielleicht noch Licht ?! weißt du vielleicht noch , wie ein Weiter möglich ?
ich kann es doch und weiß daher doch , daß man_es kann !
man muß nur wollen freilich !
Doch ich will ... nicht bitter werden !
Aber immer bloß geben ! immer bloß geben !!
Ich bin ja reich genug !
... noch immer , ja ! ich habe immer noch den alten Jugendmut und meine alte Siegeszuversicht und habe noch immer mir das Herz nicht gallig machen lassen ...
Doch hie und da kommt eben auch und ... packt einen und wirft einen zu Boden und wenn von allen auch nicht einer dann ein ermutigendes Wort hat und begreift , was einem wieder Glauben geben könnte ... und wenn man sieht : wie es jedem immer nur um sich und seinen Eigenkram zu tun ist , und wie ganze Welten zwischen einem liegen , so nahe man sich steht ... und wenn der Vater über dem Schreibtisch auch mit dem Kopf schüttelt oder stumm bleibt ... weißt du , dann ... dann springt man auf , und das sind die Augenblicke dann , in denen ... ein Zufall einem die Zügel aus der Hand nimmt und die ganze Karre in den Abgrund jagt ... oder ... in denen etwas untergeht in einem ... ungesehen und ... lautlos , wie ein leck gewordenes Schiff im Sturm des Ozeans in die Tiefe sinkt .
Wenn du dann wenigstens da wärest , meine alte Mitwanderin , wenn man sich einmal verlaufen hat und meint , es gehe nicht mehr weiter ! und wenn du bloß lachtest :
Durch , Jost ! irgendwo !
Was andere können , das kannst du auch !
Aber deine Schule ist ja wichtiger als meine Seele und ich muß mich beugen !
Es ist ja auch so : deine Schule ist wichtiger als meine Seele ! XXXIX Du bist die Welt , Hani ... und dir , der Welt , sage ich :
Es lohnt sich nicht !
es lohnt sich nicht , Hani !
Es sind unsere Träume , an die wir uns verbluten und von denen wir nicht loskommen !
Unsere Träume sind unser » Schicksal « !
Wir wollen sie zum Leben zwingen und es sind ... Träume ! XXXX O daß du gerade jetzt nicht da sein kannst ... in meiner tiefsten Not !
Vielleicht aber ist das immer so ?! daß man immer allein ist in seiner tiefsten Not ! Vielleicht ... vielleicht muß das so sein ! vielleicht ... ich weiß nicht !
ich will auch nichts wissen !
... Schlafen ! schlafen ! schlafen ! und in einem neuen Leben erwachen ! XXXXI An was ich schriebe ? und ob ich einen guten Stoff hätte ?
ein guter Stoff sei alles !
... Und sie reden darüber , weißt du , wie ... wie Gevatter Schuster von gutem oder schlechtem Leder redet ... so ganz Handwerker ! bis in die Seele ! und wenn du einwirfst : der Stoff sei dir eigentlich Nebensache !
so sehen sie dich an , als ob du vom Mond herunterkämest : an einem ungeeigneten Stoff scheitere selbst das größte Talent ! und macht man weiter :
das eben sei doch der ganze Jammer : unsere gesamte Literaturwissenschaft begriffe Kunst und Künstler überhaupt bloß vom Stoff- und Handwerkerstandpunkt aus !
so entrüsten sie sich : wie man so was sagen könne ?! und wenn man antwortet : verzeiht !
ich komme doch auch nicht gerade aus einem Mustopf ! ich habe das alles auch einmal geglaubt !
ich bin selber aufgewachsen in einer Welt , für die da unverbrüchlich feststand :
Stoff und Handlung sei ... sei Hauptsache ! und wer was machen wolle , müsse nach einem brauchbaren Stoff suchen ! hier schon zeige sich seine Begabung und sein Genie ! und ... wenn ich trotzdem nun sage :
diese Dinge seien eigentlich Nebensache , so werde ich mir doch wohl irgend etwas dabei denken !
Aber man hört gar nicht zu , man rückt sich auf seinem Stuhl zurecht und erklärt : dann sei überhaupt nicht zu reden !
Schluß !
Und so bei allem !
Wenn ich sage : Lyrik , Epos und Drama sind nicht gesonderte Künste und Dinge für sich !
nur eben für den Handwerker ! oder wenn ich sage : wer was kann , zwingt ein und denselben » Stoff « ebenso zu Lyrik , wie zu Roman oder Drama ! oder wenn ich mich vollends versteige : wer was kann , der könnte , was er kann , ebenso gut wie als Dichter auch als Tonkünstler oder als Maler oder als Bildhauer , wenn er nicht » zufällig « aufs Dichten verfallen wäre ... Beethoven hätte ebenso gut Böcklin und Böcklin Beethoven werden können ! » man hat es oder hat es nicht « !
... dann fühlen sie sich beleidigt und werden grob und sagen : man sei ein verworrener Gesell und habe sein Einmaleins nicht gelernt !
Früher , als ich noch dachte , wenn einer einen Kopf und zwei Augen habe , so müsse er damit auch sehen und denken können , nahm ich mir dergleichen zu Herzen und lief jedes Mal alle die Wege zurück , die ich gegangen : ob ich nicht doch was übersehen und seitab geraten wäre ?!
Jetzt denke ich bescheidener :
Ob sie oder ich ... wozu Beweis ?!
wer durchaus Esel sein will , seist ! und glaube ruhig weiter , was ich glaube !
Und Maler sind noch schlimmer .
Öl ist dicker als Tinte ! XXXXII Recht haben ?! nein !
ich will nicht » Recht haben « ! ich habe nie Recht haben wollen !
mein Lebtag nicht ! bei Nichts !
Widerlegt mich und es ist gut !
Ich will nichts » besser wissen « ! ich streite nicht , wer dickere Waden hat ? habt sie !
so dick ihr mögt !
Ich will bloß den Kopf hoch kriegen über all den Wirrwarr ... für mich und , wenn ihr wollt , auch für euch ! weiter nichts !
Ich will bloß , daß man nicht immer und immer alles nur verneint und brüchig macht , sondern mit vorwärts schafft !
Es ist ja zum Verzweifeln , dieses ewige Gezerre :
in dieser Richtung läge kein Weg !
Ich weiß auch nicht , wo er liegt !
ich suche , wie ihr !
also laßt uns zusammen suchen ! und finden wir nach rechts nicht weiter , muß es nach links glücken ! nur vom Fleck kommen müssen wir und heraus endlich aus dieser gottverlassenen Zerfahrenheit ! XXXXIII Ja , ja ! die guten Freunde ! es ist ein trauriges Lied , Hani !
Es ist ein trauriges Lied , das Lied von den guten Freunden !
Anstatt zu sagen : glückt einem was , so wollen wir uns darüber freuen ... es kann nicht Jeder Goethe oder Tizian oder Michelangelo sein !
Anstatt zu sehen , wie es andere machen und allem die Hand zu bieten , was auf gleichem Weg marschiert , wenn nicht aus Freundschaft , wenigstens aus Klugheit :
Einer allein zwingt nicht !
es heißt zusammenhalten ! wer die Fahne trägt , ist einerlei !
es gilt die Sache durchzubringen ... verreden und Fehden sie sich gegenseitig , biertischgeistreich , ihren Witz zu üben , weil jeder klüger sein will als der andere ... und seine Krawatte für die genialste hält ! und während dessen geht es , wie es eben geht !
Ja , ja ! es ist ein trauriges Lied , das Lied von den guten Freunden ! XXXXIV O nein , es ist nicht die » Gleichgültigkeit des großen Publikums « , wie es immer heißt , an der so vieles scheitert und zu Grund geht und vielleicht gerade das Beste !
Wir wollen einmal ehrlich sein : die Gleichgültigkeit des großen Publikums ist jedem ganz gleichgültig , so lang er zu den Strebenden gehört ... es ist die Gleichgültigkeit und innere Unfriede der guten Freunde ... es ist der versteckte Widerwille so und so viel verfahrener Ritter und Zaunkönige , die zu einem gleichen Ziele träumen ... es ist die lautlos heimliche Gegnerschaft all der hundert kleinen Duodezgenies männlichen , weiblichen und sächlichen Geschlechts , die von den täglichen und wöchentlichen Lokalanzeigern allerorten in die Welt gesetzt und großgepäppelt werden !
Unsichtbar und unfaßbar steht es an allen Ecken und sperrt den Weg : was ich nicht selbst kann , sollst auch du nicht können ! XXXXV Aber ... anstatt sich Mühe zu geben , anstatt sich vor sich selbst eine Berechtigung zu erwerben , mitzureden ... anstatt sich erst als Mensch durchzuklären durch all den Wust und Wirrwarr und sich ein festes Bild der Welt zu schaffen , und wäre es nur in Umrissen ... setzt es sich hin und schmiert darauf los ... Gedichte , Novellen , Romane , Theaterstücke und nennt sich Künstler , Dichter ! und läßt sich von anderen so nennen und feiern und mit Kränzen begrüßen ... ohne ... ohne auch nur eine Sekunde lang dabei rot zu werden !
Wie kommt das dazu ? wer erlaubt ihm das ?! wer gibt so was ein Recht : mit ungewaschenen Händen nach der höchsten Krone zu greifen , die der Mensch zu vergeben hat ?!
Finger weg !
Himmeldonnerwetter : ein Buch ist keine Spielerei ! ein Buch ist eine Verantwortung !! und wie kommen unsere Zeitungen dazu , von all diesem Schund und Plunder wie von Kunst zu reden !!
Mein Gott , ich habe doch auch schon allerlei gemacht , aber ich Maße mir noch lange nicht an , mich deshalb Dichter zu nennen !
Dichter- sein ist schwerer , als Gedichte und Novellen und Theaterstücke schreiben ! und hat vielleicht gar nichts damit zu tun !
* Aber freilich : Mensch und Dichter ist ja zweierlei ! und man kann ein sehr kleiner Mensch und doch ein genialer Dichter sein !
Woher kommen all solch sonderbare Sätze ... die gar nicht in die Zeit gehören , die in ganz entgegengesetzter Richtung laufen , nach denen trotzdem aber jeder wie nach festen Maßstäben mißt und urteilt ?
... und es ließe sich ein ganzes Buch solcher Kuckuckseierlinge zusammenfinden !
Wie entsteht dergleichen ? wie gewinnt so etwas Boden und Ausbreitung ? und wie hält es sich ? mitten unter völlig anderen Lebensbedingungen ?
Es ist wie falsches Geld : wer nachprüft , erkennt es !
aber niemand will daran verlieren , und so wandert es schweigend von Hand zu Hand !
Warum aber wird es nicht von Staats wegen eingezogen und umgeprägt ?! wenn ein Finanzminister in seinem Lande eine solche Wirtschaft litte , würde er gehenkt ! XXXXVI Von Hani Du bist ein furchtbarer Mensch ! die halbe Nacht hast du mich gekostet ! und rot geworden bin ich deinetwegen wie in meinem ganzen Leben noch nicht : Denke dir , gestern Abend , wir hatten eben Leuthold vor , und ich plauderte darüber mit Frau von Dreiweg ... kommt Hella : ob ich » Sprüche eines Steinklopfers « kenne , von Jost Seifried ? und hält mir einen weiß gebundenen Band entgegen .
Bei Sägefelds seien sie alle begeistert .
Lise habe es von ihrem Bräutigam geschenkt bekommen !
Das ganze Herz stand mir still und das Blut schoß mir ins Gesicht wie einem Schulmädchen , das man auf einer Dummheit ertappt hat !
Nach dem Essen mußte ich dann vorlesen !
ich verhaspelte mich aber derart , daß ich mich schließlich mit Kopfweh herauslügen mußte !
Zu dumm !
Ob ich was von dir wüßte ! und wo du lebtest ?
Ich sagte : ja ! hier !
ich kennte dich sogar !
du wärest vor Jahren einmal bei meinem Vater gewesen !
Was du sonst geschrieben ?
und warum ich noch nie etwas von dir gesagt hätte ?
Dann las Hella noch und dreimal besser als ich ! und ich saß und hätte am liebsten laut aufgeweint !
so stolz ich auch darüber war !
Gemerkt hat niemand was ! aber ich ärgere mich trotzdem , daß ich mich so überraschen ließ und daß man es sich immer mit irgend einer Angst verderben muß , wenn einmal was Schönes wäre !
Zu Haus , im Bett kam es dann .
Ich weiß nicht , warum !
Zank nicht !
ich glaube , es war bloße Freude !
Hast du gegen sechs Zeit , dann komme in unsere kleine Konditorei , und ich erzähle weiter !
Ich schicke mit Rohrpost , dann kriegst du alles noch zum Frühstück .
Es war sehr schön ! sehr !
irgendwo freilich steht eine leise Traurigkeit !
aber eine helle Stunde so ist eben doch höheres Leben und ... ich danke dir dafür ! und küsse dich und ... wir wollen uns nicht unterkriegen lassen , Liebster , gelt ?! von nichts ! XXXXVII Von Hani Hast du noch was tun können ?
Hast du noch ein paar Gedanken gehabt ?
Den Aufsatz , von dem du sagtest , laß lieber ! gerade wenn dir an der Sache selber liegt .
Dank hättest du doch nicht davon und es hat keinen Zweck , immer für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen , laß sie sich selber die Finger verbrennen . Dir hilft auch keiner !
Ich malte mir unterwegs noch aus , wie es gewesen wäre , wenn ich Frau von Dreiweg gesagt hätte :
Ja , ich kenne ihn !
er ist auch als Mensch soweit ganz vernünftig und auch liebenswürdig , wenn er gerade bei guter Laune .
In der letzten Zeit freilich haperte es damit .
Er ist ein bißchen verdrießlich und zappelig geworden und meint immer : jeder andere wisse und könne dreimal mehr als er , und jedes dumme Buch , das in einem Schaufenster liege , sei wichtiger , als was er selber mache ! und so quält er an sich herum und wer sich selber quält , quält auch andere !
Aber im ganzen gehört er dennoch zu den » besseren Menschen « , wenn man ihn zu nehmen weiß und machen läßt und Vertrauen hat !
Er ist ein bißchen Sonderling , und es dauert lange , bis man ihm näher kommt .
Er ist wie ein altes Schloß , in dem alles sorglich verdeckt und zugehängt ist , und Fremde bekommen überhaupt nichts zu sehen als die äußeren Vor- und Veranda-Zimmer ... höchstens daß er für den einen oder anderen einmal eine ... Kuriosität herbeiholt !
Erst , wenn er fühlt und weiß , daß er es nicht mit bloßer Neugier zu tun hat , schließt er ein paar Türen auf und schlägt da oder dort einen Fensterladen zurück !
Aber ich ... ich kriege jeden Morgen Blumen , so schön als es gibt !
und darf durch alle Säle gehen , wann und wie ich will , und alle Vorhänge abnehmen und mich freuen an all den stillen Schätzen und Köstlichkeiten überall und darf auf die Türme klettern und im Park sitzen und Blumen pflücken ... ich darf nur sagen , was ich will , und alle Diener stehen mir zur Verfügung ...
Ich ... ich bin die Königin , der da gehört , was er hat ! und all das Schöne , das er findet und zusammenträgt , ich weiß es immer lange schon voraus ! ich ... bin_es , die mithelfen darf und für die er macht , was er macht ! ich ... bin seine Liebste ! und im Sommer , wenn der Park ums Schloß voll Rosen steht ... wird Hochzeit gefeiert !
Was meinst du , wie sie alle staunen würden : wenn ich plötzlich mit einer Krone in der Hand vor ihnen stünde !? ich glaube :
sie glaubten gar nicht ! XXXXVIII Ein Hoch auf die Königin ! und auf den Sommer , da die Rosen blühn und Tal und Wald und Welt entlang Jubellieder und Glockenklang und tief in stillen Mitternächten tief im Park ums alte Schloß tausend Nachtigallen schlagen und die alten goldenen Sagen aus verschollenen Kindertagen leben-jauchzend auferstehn !
Ein Hoch ... auf die Königin !
... und auf den Sommer , da die Rosen blühn ! XXXXIX Von Hani Vielleicht aber wäre es doch schön !
Sie würden dich einladen , und man hätte dann und wann eine Art Heimat und brauchte sich nicht immer hintenherum zu drücken und in Wirtshäusern zu sitzen , unter tausend fremden Menschen ... irgendeiner und irgendeine ...
Null unter Nullen ... man wäre der und der und die und die und hätte sein Gesicht ! und dürfte stolz aufeinander sein ! und vielleicht käme auch sonst etwas für dich dabei heraus !
Sie haben nach allen Seiten hin Beziehungen durch ihre Kunstanstalt und eine Menge Freunde und Menschen , die einem vielleicht von Wert sein könnten .
* Nein , es ist doch besser : nichts zu sagen !
ich habe_es mir heute Nacht noch überlegt .
So gern ich sie habe , und so freundlich sie sind ... wir wollen unsere Liebe lieber für uns behalten ... in aller Stille !
Ich fürchte , weißt du ... von Dreiwegs würden natürlich so und so viel andere davon hören , und wenn die Leute so was wissen , so reden sie darüber und fragen und fragen , wie sie eben fragen und wie man vielleicht selber früge ! und ... und trotz aller Vorsicht ist auf einmal ein Sprung da , und niemand weiß woher !
Man soll sein Allerheiligstes verschließen !
du hast Recht ! man soll Kindern keine Kostbarkeiten zum Spielen geben !
Kinder sind Kinder und müssen zerbrechen , was ihnen Freude macht !
Und dann ... nein ! nein !
Sie wollen Taten sehen und begreifen dies und jenes nicht und wundern sich : warum wir nicht heiraten ! warum ... ja warum du nicht einmal einen Roman oder ein Stück schreibest wie der oder der !
Sie würden uns als höchstes Ziel hinstellen , worüber wir längst hinaus sind ... was längst hinter uns liegt ... mit Herzblut bezahlt !
... sie würden uns zurückzerren wollen in überwundene Kämpfe ... und ... nein ! nein , Liebster ! wir wollen unsere Liebe für uns behalten !
Im Gegenteil ! wir wollen sie lieber noch mehr verstecken !
wir wollen sie vergraben ... ganz tief ... draußen im Park ... und Rosen darüber pflanzen ...
Und wenn sie dann kommen und stehen bleiben und staunen über ihre Pracht ... niemand soll wissen , was darunter vergraben liegt !
Es ist besser so !
es ist besser so ! XXXXX Ja ja , Hani ! du bist immer wieder doch mein altes , liebes , kluges , tapferes , wachsames Mädel !
du hast Recht !
Hüte vor dem Alltag , was du Heiliges hast !
er verstaubt es dir !
er macht dir_es zu Leid mit seinem Neid !
er macht dir_es zu Last !
Hüte vor dem Alltag , was du Heiliges hast !
Aber ... aber ... das alles sind nur immer neue Mauern ! und man kommt immer weniger heraus aus all der Schwere ... o mein Gott ! und ich habe es so satt , dieses ewige :
mich und dich Steckenmüssen ! dieses ewige :
Duck dich ! duck dich ! duck dich !
Anstatt dreinhauen zu dürfen ! einmal nur !
Ich möchte ... ich sein ... endlich ! und du sollst du sein dürfen !
Aber ... es ist schon unser » Schicksal « : alles immer vergraben zu müssen und gerade unser Bestes !
wir kommen nicht los davon !
Und ich fürchte bloß , Hani : wenn es dennoch eines Tags wird , daß wir endlich Kranz und Schmuck anlegen dürfen ... dann haben wir ihn so tief vergraben und sind so weit weg davon , Hani , und die Rosen , die wir darüber pflanzten , sind so verwelkt , daß wir gar nicht mehr zurückfinden ! oder ... wenn ... dann hat die alte Diebin , die alle betrügt , uns darum bestohlen , und Rost und Würmer haben seinen Glanz gebrochen !
Aber ... seist darum ! seist darum !
.. .
Es soll uns niemand weinen sehen , Hani , gelt ?!
Wir wollen lachen ... und mit Lachen uns aus Eisen eine noch viel stolzere Krone schmieden !
Eisen ist ... ehrlicher als Gold !
... und :
» Lieder eines Schwertschmieds « soll das nächste Bändchen heißen ... und dann :
» Tor auf « !
Zweites Buch " Sturmbruch "
Auch das , sieh , darfst du dir nicht nehmen lassen vom Kampf des Tages und von seinen Sorgen :
dann und wann ein stilles Säumen- , stilles Traumenkönnen an blühenden Hecken hin und Feld und Wald entlang ... und wäre_es auch nur für eine kurze halbe Stunde am Abend , ehe die Sonne untergeht ... hoch auf der Heide draußen ... Hand in Hand mit einem Menschen , den du lieb hast und zu dem du nichts zu reden weiter brauchst , als sieh , da drüben ! oder : dort ! und hier ! und der dich doch versteht und alles weiß und mit dir froh ist ohne viele Worte !
... am Abend , ehe die Sonne untergeht !
I Wir sind zu alt geworden , wir müssen wieder jung werden , Liebste ! dieses ewige Warten-Müssen hat uns ängstlich gemacht ! und ängstlich- werden ist alt- werden ! dieses Warten- und Zurückhalte-Müssen , dieses : nie sein dürfen , wie man möchte ! wie man ist !
wir waren fröhlicher früher und ... es ging uns viel schlechter ! und wenn es einmal geht , wie wir immer möchten , Hani ?
ich weiß nicht ... ich weiß nicht ...
Es sind unsere Wünsche , die uns elend machen und undankbar gegen das Erreichte ! und unsere Angst um sie untergräbt uns die Zuversicht ! und Zuversicht haben sie leben !
Wir waren fröhlicher früher ... und freudiger ! trotz allen Sorgen !
wir lachten über sie , wie man über Dinge lacht , die da sind , aber gar nicht in Frage weiter kommen ! wie Kinder , denen man ab und zu ein gutes Wort gibt , die aber im Kinderzimmer zu bleiben haben , bis man ruft ... und nun ... nun sind sie plötzlich groß geworden und wollen mit am Tisch sitzen , mitreden , mitentscheiden ! und wollen , daß man Rücksicht auf sie nimmt , daß man sich nach ihnen richtet und das und das ihretwegen tue : sie seien die Hauptsache ! nicht wir ! und es sei unsere Pflicht ... es sei unsere Pflicht !
... ... Pflicht !!
... ..... .
Wir sind zu alt geworden !
wir müssen wieder jünger werden , Liebste !
II Ich möchte wieder einmal lachen ... ich habe so lange nicht gelacht !
... und fröhliche Menschen sehen und fröhlich sein ! und aus dem ewigen Papier heraus , in dem man sitzt ! leben ! leben ! eine Stunde Fröhlichkeit ist mehr als dieser ganze Plunder !
Hast du Zeit ? hast du Lust ? einmal leichtsinnig zu sein und mithinauszufahren ins Grüne ... und Wein zu trinken und zu lachen ?!
Sage ja ! sage ja , Liebste ! und komme ! und rede nicht von vernünftig sein und sparen !
Wir sind immer vernünftig gewesen ! wir haben immer gespart ... und nichts dabei gewonnen !
ich will es einmal haben , wie es andere haben ! und sein , wie andere sind !
ich will nicht an morgen denken ! morgen soll für sich selber sorgen !
ich will lustig sein und Wein trinken und lachen und aus dem ewigen Papier heraus , in dem man erstickt ! leben ! ein Mal , ein Mal , Hani ?!
III Geld !?
Geld !? und immer , immer wieder :
Geld !
Geld ! mein Gott ! ist Geld denn wirklich alles ?! und wenn ... was nutzen fünfzig Mark im Monat mehr , wenn der innere Mensch zerrieben und kaputt ist , bis er dieser ... fünfzig Mark sich freuen darf !
Wir haben auf so viel schon verzichtet , Hani ... freiwillig ! weil wir zu stolz waren , uns schenken zu lassen oder zu nehmen , was uns nicht Zustand vor uns selber ... weil wir es sauber um uns haben wollten ... wir haben so viel Rosen ungebrochen verblühen , so viel schöne Tage ungenossen verrinnen lassen ... um sagen zu können : seht , man kann auch das !
... aber ... ich mag nicht mehr !
ich will auch mein Teil vom Leben haben endlich ! verdient oder unverdient ! sauber oder nichtsauber !
Ich habe alles immer allen anderen gelassen : Freude , Liebe , Ehre , Anerkennung , Geld ! und habe dabeigestanden ... ohne Murren und ... ohne Neid ... ohne Neid , Hani ! und das ist das Schwerste !
Ja , ich habe mit geholfen , wenn ich konnte , und mich gefreut , wenn_es einem glückte !
... ich will nun endlich aber auch mein Teil ! ich will auch endlich an den Tisch ! ich habe auch Hunger allmählich !
ich bin nicht weniger als andere ! ich mag nicht mehr warten und am Boden liegen ... ich will auf und ... fliegen ! und du , Liebste , fliege mit !
... und laß es werden , wie es früher war ...
Sieh ... es verkrüppelt alles in mir , wenn du immer wieder mit Dingen kommst , gegen die ich so machtlos bin , weil der Hausknecht in mir sagt :
du habest recht !
du hast ja recht !
ich weiß ! ich sage es selber ! aber ... komme lieber doch einmal mit Dingen , bei denen dir ... der in mir zustimmt , der eben doch Herr ist , trotz allem ! und eines Tags doch eben Sieger sein wird !
er dankt dir_es mehr und königlicher , als er heute den Mut hat , dir zu sagen !
Und wenn du_es Leichtsinn nennen willst , dann nenne es so !
doch lache dazu !
denn sieh : das bißchen » Leichtsinn « , das ich habe dann ... es ist mein Bestes ... meine ganze Kunst vielleicht ! es sind meine Flügel , und ich lasse sie schon selbst nicht übermütig werden !
ich stutze sie schon selbst mir oft genug ! aber sie wachsen immer wieder nach ! und ... Gott sei Dank , daß sie es tun !
Sie müssen mich tragen und dich mit ! und ich hoffe : ein bißchen weiter , als wohin Herr Hinz und Kunz und Hans und Gans an ihrem Nachmittagspaziergang kommen !
IV Nun läßt du mich auch Sonntags noch allein ! und so ein einsamer Sonntag ist so entsetzlich !
Ich stand lange auf dem Lützowplatz ... alle Fenster hell erleuchtet ... und dachte mir aus , wie du da oben säßest , neben irgend einem Frack , der dich mit Schmeicheleien unterhielte und dir seine Ansichten über Kunst und Literatur vortrüge ... es muß aber langweilig gewesen sein dann wurde gespielt ... Beethoven ... mir war als müssest du es sein !
... bis ich wie ein kleiner Junge zu weinen anfing und in die Nacht hineinlief .
Weißt du , laß dich Sonntags nicht mehr einladen !
Wochentags , so oft es sein muß , den Sonntag aber , Liebste , laß uns gehören !
So ein einsamer Sonntag bricht einem jeden Glauben , ob man will oder nicht !
Ich war zu Hause und arbeitete .
Mit einem Ruck aber war plötzlich alles wie abgeschnitten , und die Stille des Zimmers fing an zu singen , wie Grillen singen , immer lauter und lauter ... und ich rannte weg ... dem bißchen Sonne nach , das noch über die Dächer flimmerte !
Doch wohin man sieht : der armseligste Kerl hat Weib und Kind , die mit ihm Sonntag machen und vergnügt sind , einerlei : wie ! und betrachtet es , als sein allererstes selbstverständlichstes Recht :
Weib und Kind zu haben ... und unsereiner steht da ... eine Welt von Seligkeit in der Brust ... und das Herz voll Sehnsucht und ... hat es nicht und kann es nicht ! und breitet die Arme aus und greift ins Leere !!
O Kunst ! o Kunst !!
V Sieh , meine Seele ist ein töricht Kind !
sie ist so einsam und allein inmitten des Gewühls , das um sie her , und sehnt nach Ausruhn sich mitunter und nach einem Menschen , o ! vor dem sie sein darf , wie sie ist , waffenlos und ohne Arg und Aber ... nach einem Menschen , dem sie plaudern darf , was sie bewegt , ohne Angst , verlacht zu werden ... töricht froh und töricht traurig ... wie ein Kind zu seiner Mutter tausend dumme Dinge plaudert ... und will zu dir !
du sollst es sein und niemand anders !
O komme und gehe auf ihr Geplauder ein und höre ihr zu und habe sie lieb , auch wenn sie noch so kleinlaut manchmal und verzagt ... sie ist es ja nur deinetwegen ... und sage ihr ein paar gute Worte und sei freundlich ! ein sorgenvoll Gesicht geht wochenlang ihr nach und macht sie nur noch ängstlicher und scheuer und entfremdet dich ihr !
Kinder haben kein Verständnis für Sorgen ! und ... sie ist doch unser Kind ... ein Stück von mir , ein Stück von dir ! und will doch keine Freude haben ohne dich !
VI War es nicht wunderschön wieder , sage ! in unserem alten Grunewald ? und ist es nicht immer wieder wunderschön , so oft wir nun schon da waren ?!
Weißt du noch , das allererste Mal ? mit deinem Vater , eines Samstag nachmittags ? und wie unverbaut und frei und offen damals alles noch ? und ... wie wir am See entlang gingen , über die Brücke , und wie dein Vater sagte , wie schön es wäre , hier ein Häuschen zu haben ! und wie wir aussuchten , wo es stehen müsse und wo es die meiste Sonne hätte ...
Ich glaube , es war wirklich mehr als bloßer Wunsch , ich glaube es war eine Lebenswurzel wie bei meinem eigenen Vater auch : irgendwo auf einer Höhe ein Häuschen zu haben ... nicht groß ! nicht köstlich ! nicht aus Besitzsucht ! nur um einen festen Punkt zu wissen und von ihm aus dann Wege zu schaffen .
Doch dann kam die Bürgschaftsgeschichte und er starb .
Und mit einem Mal dann wurden Straßen und Grundstücke abgesteckt und man begann zu bauen , und Villa um Villa schoß empor , und wir ... wir standen und ... freuten uns , wie prächtig es wurde ... ohne Neid ! und ... träumten vielleicht auch , was er träumte !
... doch nun ... nun ist alles abgegittert und abgezäunt und gesperrt und gehört anderen , und man kann nirgends mehr hinein und muß auf der Straße für alle bleiben oder eben weitergehen und suchen , ob man anderswo ein Fleckchen findet ... VII Ach ja , es muß schön sein , Hani : in silberner oder goldener Wiege auf diese Welt geboren zu werden und von vornherein so hinausgehoben zu sein über den ganzen Jammer : jeden Tag von vorn anzufangen ! jeden Tag aufs neue sich immer erst das Eisen graben zu müssen , um das Schwert zu schmieden , mit dem man siegen möchte !
O es muß schön sein : mit unverbrauchter Kraft in Morgenfrühe in den Kampf reiten zu können ! VIII Du hast ganz recht , gewiß :
Man braucht nur die Frau anzusehen , die einer hat , um zu wissen , wie weit er es bringt ! der Mann kommt immer auf die Höhe der Frau !
Du hast ganz recht ! obgleich ... obgleich ... es sind natürlich immer hundert wechselnde Momente , die in Frage kommen , und jedem Fall seine besondere Farbe geben ... doch im allgemeinen wird es stimmen : der Mann hebt die Frau zunächst auf seine Höhe und sinkt dann auf die ihre !
Aber merke dir deinen Satz ebenfalls , Liebste !
Es ist eine ungeheure Verantwortung , die du der Frau damit zuwirfst ! hast du das erwogen ? und ... du weißt doch : die Verantwortung haben heißt :
Herr sein !
Herr sein aber heißt nicht : sich bedienen lassen und befehlen können und sich schön anziehen und spazieren gehen !
Herr sein heißt : hart sein können gegen sich selbst und Tag und Nacht wach sein und nie müde werden !
Herr sein heißt : am Steuer stehen und jede Tiefe und Untiefe erkennen und jeden Zufall blitzschnell in die Zügel zwingen und schuld sein an allem , das geschieht , ob Glück , ob Unglück , bis aufs kleinste ! hast du das erwogen ?! und ... will die Frau eine solche Verantwortung ? und wenn sie will ... ist sie reif dazu ?
und ist ihr Auge allezeit so ruhig , unbeirrt und klar , daß es weiter sieht als von heute auf morgen und übermorgen ?
Um bloßes Wissen handelt es sich nicht , das lernt sich schnell ! und kann sie sich auf ihr Herz , kann sie auf ihre Hand sich so verlassen in jedem Augenblick , daß sie nicht zittert , wenn es zu entscheiden gilt ?! und zu entscheiden über Leben und Tod vielleicht ?!
Und wenn das alles ... weiß sie , daß sie damit verzichtet dann auf das , was bisher vielleicht ihre schönste Krone war !
* Du hast mich falsch verstanden .
Die Frau soll nicht Dienerin sein , sondern Helferin werden .
Und man sollte alle Tore und Türen für sie aufmachen !
Sie selber aber sollte , was sie voraus hat , nicht so willkürlich preisgeben und nie vergessen , daß auch der Mann nicht ernten kann , bevor er gepflügt und gesät und geeggt hat und ... bevor es gewachsen ist !
IX Ich möchte » Herzblut « wieder aufnehmen ... vielleicht läßt sich doch noch etwas herausarbeiten ... ein paar Szenen wenigstens !
Es liegt mir überall im Weg und ich komme nicht weiter und bin so wie so im Rückstand ! kaum mehr einzuholen weit !
Man hatte eben immer alle Hände voll zu tun , nur um sich die notwendigsten Vorbedingungen zu schaffen und das bißchen äußere Leben in Ordnung zu bringen !
So , wie es ist , kann es allerdings kaum mehr bleiben !
es ist zu laut !
ich habe keine Freude mehr an all dem Lärm !
Unser ganzes Schauspiel freilich ist ja immer noch bloß Kasperletheater !
Was die Menschen tun , ist einerlei !
Empfindungen und Gedanken wiegen schwerer als Taten und tragen weiter !
Taten sind nur äußere Erledigungen !
Des Menschen Seele muß endlich die Bühne werden .
Markt- und Straßen- und Wirtshausereignisse und Ehegebrechen und Kleine-Leute-Begebenheiten haben wir wahrhaftig nun genug !
X Aber Hani !
Liebste !
Mädel !
Kind !
Kind ! dich von Zeitungsbesprechungen verdrießlich machen zu lassen ! schäm dich !
Was tut es denn , wenn sie das und das und das schlecht finden ?!
ich mache doch , was mir gefällt !
was mir Bedürfnis ist !
ich dichte doch nicht für die Bedürfnisse meiner Rezensenten !
Und wenn sie von » didaktisch « reden , so belegt das ja doch nur , wie wenig sich die Leute von ihren Schulbegriffen losdenken können und wie wenig sie auf den Grund empfinden ! und wenn sie mich » Schulmeister « nennen ... ich will mich gerne so nennen lassen !
Zu einem rechten Schulmeister gehört nämlich ganz viel und vor allem , daß man drüber steht und weiß : was man will ! und wenn sie sagen : das ganze Buch enthalte kaum einen neuen Gedanken ... ein bißchen Sehnsucht , ein bißchen Sonne , ein bißchen Leid , ein bißchen Freude und recht ... einfach und bescheiden ! ja , du lieber Gott , Hani , dann ... lacht man und lacht noch einmal und legt_es bei Seite und nimmt ein Stückchen Kreide und schreibt so groß , als es irgend geht , an die Tafel :
Es ist ein wahres Glück , daß man nicht auch noch für seine Rezensenten verantwortlich zu sein braucht !
* » Neue Gedanken « ! was heißt » neue Gedanken « ?!
was wäre denn neu ?! und ... sind die Menschen mit dem Alten denn so durch , wirklich so durch , daß sie die Berechtigung hätten , derart immer nach » Neuem « zu schreien , wie es geschieht ?!
Was ist denn Kunst ?
... und ist der Künstler denn für das Publikum da oder das Publikum für ihn ? zum Donnerwetter !
Handwerker gibt es doch genug !
Ich habe bisher gemacht , was mir Freude machte , und gedenke , es auch weiter so zu halten !
* Außerdem aber :
ich glaube , man muß , um sich den Boden vorzuschaffen : wirklich erst eine Zeitlang Schulmeister gewesen sein ! still oder laut !
ich glaube , man muß es sogar auch zwischenhinein immer wieder einmal sein , wenn man immer wieder Dichter sein will !
die Füße sind_es , die Kopf und Herz den Berg hinaufbringen müssen !
XI Was war denn heute ?
so zwischen vier und fünf ?
Eine Unruhe ... daß ich schließlich aufsprang und in die Stadt fuhr ... Nicht , nach dir zu suchen ... man findet dann nie ! bloß :
Leben um mich zu haben , und zu denken , irgendwo bist du vielleicht dabei !
Und richtig , um halb sechs etwa , zuckte es , und ich entdeckte vom Omnibus herunter deinen Hut , mit den gräßlichen roten Kirschen ... und ging dann die ganze Potsdamerstraße lang hinter dir her ... und du hast nichts gemerkt , Liebste ! so nah ich mitunter war !
Beichte einmal , an wen und was du den ganzen Weg gedacht hast !
Ich wollte dir zuerst Guten-Tag sagen , aber es war so nett , so hinter dir drein zu gehen und mitten in all dem Menschengetriebe jemand zu wissen , der mir gehörte und so aufrecht und leicht und schlank und jung und fröhlich dahinschritt ...
An der Brücke bliebest du plötzlich stehen , und sahst dich um , wie man sich umsieht , wenn man meint , seinen Namen gehört zu haben und nicht weiß woher ... und ich lauerte hinter der Litfaßsäule und lachte ... und ... am Kanal dann kam ein junges Mädel auf dich zu , in weißem Kleid und mit Rosen in der Hand ... war das Hella ?
... und ihr bogt nach der Potsdamerstraße zurück ...
Bis ich aber nachkam , hatten mir die vielen Menschen euch genommen .
XII Es ist wieder , als ob ein Falke in den Wolken stünde .
Ich sehe ihn nicht , aber alles ist unruhig und flattert auseinander und duckt sich ins Gebüsch !
Es war nur der schöne Gewittersturm der letzten Tage , der mir die Seele hob !
Es ist immer nur die Sonne ... es ist immer nur Sturm , der einen trägt ... und man vermeint ...
Flügel zu haben !
Man kann eben doch nichts !
Nicht mehr wenigstens , als andere auch ... und vor allem nicht so viel , als man möchte ! und es wäre auch noch einerlei , wenn man den alten Kinderglauben hätte : daß man nichts dazu kann , wenn man nichts kann ! daß alles eben Sache angeborener Begabung !
Aber ich habe diesen Glauben nicht an dies Gottesgnadentum des Genies ... und habe ihn nie gehabt !
Es mag schöner sein und höher stimmen , es mag einen selbst mehr heiligen : sich göttlicher Herkunft und von Gott gesandt zu nennen ... es gab ja Zeiten , da Prophet wie König sich darauf berufen mußten , wenn sie sich Gehör und Geltung schaffen wollten ... die Menschen verlangten es von ihnen : von Gott gesandt zu sein ! und ihre Unselbständigkeit gab ihnen ein gewisses gutes Recht dazu !
und wem genügt , an solche Dinge so zu glauben , der mag dran glauben ... wie an hundert andere Symbole und mag so wörtlich alles nehmen , wie ein Kind die Märchen , die wir ihm erzählen ...
Aber : entweder ... oder : gibt es keinen König mehr von Gottes Gnaden , gibt es auch kein Genie von Gottes Gnaden mehr !
Wörtlich oder symbolisch !
Es mag ja höher stimmen , sich vor allen anderen als berufen und als auserwählt zu fühlen , noch höher aber , mein ich , trüge es , zu sagen : Was ich bin , ich bin_es von meines eigenen Willens Gnaden ! und was ich kann , kann jeder , wenn er will und wenn er sich die Mühe nimmt , die ich mir nahm !
Selbstverständlich nicht von heute auf morgen !
Ein jeglich Ding braucht seine Zeit , zu werden , und wo sich niemand je die Arbeit machte , vorzusorgen , wo niemand säte , wird auch niemals niemand ernten !
Vorsorge allein freilich tut_es nicht !
Es sorgen viele vor und doch vergeblich ... zum letzten Gipfel trägt nur eigene Mühe ! XIII Von Hani Man kann wohl was !
man kann wohl was !
man sollte es sich nur nicht so mutwillig schwer machen ! aber man sitzt und grübelt wieder einmal alle Wände durch , wie mir scheint , und denkt alles auseinander , anstatt zusammen .
Du hast mir selbst gesagt : es gäbe nichts Gefährlicheres ! und ich solle sofort Lärm machen , wenn ich dich bei dergleichen ertappe !
Weniger denken , mehr dichten !
Man kann so viel wie andere und ein Erkleckliches mehr , wenn_es darauf ankommt !
Man ist von Gottes Gnaden !
In allem Ernst : Jost , sei lieb und versprich mir endlich , dich nicht so zu zerreiben !
Es kann doch so nicht weitergehen !
ich will am Ende auch nicht bloß ein Häufchen abgehaspelter Nerven !
ich möchte auch noch was vom Leben haben und mit dir zusammen , nicht allein !
Allein habe ich genug von ihm gehabt , weiß Gott !
Also !
Man kann schon was !
Denke doch nur an all die schönen Briefe , die du schon bekommen ! und wenn man schreibt ... wildfremde Menschen :
jedes deiner Gedichte sei ihm ein guter lieber Freund geworden und du seiest immer mitten unter ihnen !
Was willst du mehr ? sei stolz !
man ist von Gottes Gnaden !
Frau von Dreiweg hat sich nun alle deine Bücher kommen lassen .
Sie sagte gestern Abend : deine Gedichte müßten eigentlich auf jedem Tische liegen oder , noch besser , man müßte sie wie Bilder einrahmen und an die Wand hängen , um sie jeden Augenblick wie stille Wegweiser vor sich zu haben !
Man kann schon was !
XIV Hani !
Liebste ! eine Stunde , in der wir zusammen sein könnten !
wo hast du deinen Kopf , Mädel ?
Ein Brief ist überhaupt erst geschrieben , wenn er im Schalter liegt ! merke dir das !
... wie ... ein Buch erst , wenn es gedruckt ist !
ein Raffael ohne Arme ist kein Raffael , mag er ein noch so großer Künstler sein ! ...
Im letzten Grunde freilich sind wir alle Rafaele ohne Arme ... und nicht bloß unserer Kunst , dem ganzen Leben gegenüber !
Alle und immer und überall !
Woller und Möger ! anstatt Könner !
* Mir selbst aber will ich über den Schreibtisch hängen :
Es kommt nicht darauf an , was man will ... es kommt nicht darauf an , was man kann ... es kommt darauf an , was man durchzusetzen , was man zu Tat umzuschaffen vermag ! und wie und zu welchem Ziel !
Was man will , wollen hundert andere auch !
was man kann , können hundert andere vielleicht noch besser !
was man möglich macht , entscheidet !
Richte dich danach ! dein Leben ! deine Kunst !
* Trotz alledem doch ... und wenn man könnte , was Goethe konnte :
Der Dichter kann nur Kompaß sein und weiter nicht !
was er vermag , ist immer nur : einen Klang anklingen , eine Richtung nennen , einen Weg sagen , er kann auch noch ein Stückchen mitgehen allenfalls , durchtragen aber , erfüllen , wahr machen ... muß alles jeder für sich selbst im Rahmen seines eigenen Lebens !
XV Wenn ich sage : der Schaffende schafft nur sich und kann gar nicht anders ! so werden Fünfzig von Fünfzig ohne weiteres zustimmen !
Wenn ich aber weiter sage : es sei sinnlos , den Menschen vom Künstler trennen zu wollen ! so werden Fünfundzwanzig von den Fünfzig den Kopf schütteln :
man müsse das auseinanderhalten ! das sei zweierlei !
Wenn ich dann noch weiter sage : wer als Mensch nichts wert , sei auch als Künstler nichts wert !
so werden die Fünfzig brüllen wie hundert :
man könne ein großer Dichter sein und ein ganz kleiner Mensch !
... das habe nichts miteinander zu tun !
also jede Literaturgeschichte auf jeder Seite zur Genüge beweise ! und dann ... bin ich wieder einmal » derjenige , welcher « ... und schweige !
XVI Es ist bloß Technik , was die Kunst vermag , die sich » Naturalismus « nennt , so wenigstens , wie sie sich gibt und liebt ! darüber hinaus hat sie nichts geleistet und wird es auch nicht .
Beschränkte Mittel schaffen nichts Unbeschränktes .
Und wenn sie sich weniger diktatorisch gebärdete und sich nicht als Alleinkunst ausriefe , könnte man sich dessen , das sie gab , nur freuen !
Aber sie ist nicht der Anfang eines Neuen .
Sie ist nicht entwicklungsfähig , sie ist nur variierbar .
Und der Weg , den sie auf der Bühne nahm , ist nur das folgeklare Ende der großen Linie vom alten Königsdrama über das bürgerliche Schauspiel zu dem der Vorstadt und der Bauernstube .
Schloß , Stadt , Vorstadt , Dorf ... hier hört es auf ! und darüber hinaus kommt bloß noch Wiese , Feld , Wald , Wolken , Sonne ... das alte Urreich unseres Herrgotts ! und unser Herrgott mag noch immer nicht gern mit sich und seinen Sachen Theater spielen lassen ! wer sich daran freuen will , muß zu ihm kommen und sich so daran freuen können !
Und wenn sie immer und überall von » Technik « reden und sie das Höchste nennen ... und wenn jeder auch etwas anderes darunter versteht ... was sie damit bewundern , gilt nie dem großen , sondern immer nur dem kleinen Wie !
Daß dergleichen aber überschätzt wird , ist natürlich ! die Gegenwart gehört immer der Technik ... seit sie den Turm zu Babel bauten !
... Äußerlich Mühevolleres scheint immer verdienstvoller ! und vielleicht mit Recht !
Spätere Jahre freilich fragen nicht nach Mühe und Arbeit und ehren immer nur das höhere Ziel !
Es gab ja ganze Perioden so , in denen bloß Mühsam-Handwerkhaftes sogar als Höchstes galt : sorgfältig-saubere , zierlich-feine engumgrenzte Kleinarbeit ... und Jeder hat in seinem eigenen Leben solche Zeiten !
... doch es ist kein Schaffen aus dem Vollen ! es sind Zeiten der Ermüdung , Zeiten , da man die Zuversicht verloren , das Große , das man träumte , zu erreichen .
Technik allein war nie Kunst ! weder so , noch so !
Technik ist kein Ziel !
Technik ist etwas : das man können muß ! und das dazu gehört ! es mag noch so schwer sein !
Und in ein paar Jahren schon wird man von dieser Zeit als von einer Sackgassenperiode reden und über den Lärm , den man schlug , und über die Kurzsichtigkeit , mit der man das eigene wirkliche Verdienst durch maßlose Übertreibung um seinen Wert brachte , lachen , wie man über Kinder lacht , die ihre Schule für Selbstzweck und Lesen und Schreibenlernen für eine weltumstürzende Sache halten !
Freilich , gelernt haben muß man es auch einmal !
Und was die Zeitungen » Symbolismus « nennen , das ist auch nur etwas , das man eben können muß und das dazu gehört ... wenn man sich überhaupt etwas darunter denken soll ! XVII Wenn du mit diesen Dingen nun an den richtigen Mann gerätst , dann wird er einfallen : Gewiß ! gewiß ! aber die Begriffe sind in dieser Weise denn doch zu eng und äußerlich gefaßt .
Die Theorien des » Naturalismus « und des » Symbolismus « spannen wesentlich weiter .
Sie bilden sozusagen zwei Pole , zwei große einander berührende und vollendende Bogen , das eine ist gewissermaßen der atlantische , das andere der stille Ozean , und so weiter ! dann sage ihm :
Das sei sehr richtig ! das wüßten wir auch ! je kleiner die Tat , desto größer die Theorie ! und wir hätten nichts dagegen einzuwenden !
Theorien seien uns in jeder Fassung heilig , denn wir seien gute Deutsche und sogar Schwaben !
aber um die Theorien handle es sich zunächst nicht , sondern um das , was als Tat vorliege !
Er wird dann antworten : die Theorie aber sei das Entscheidende ! sie habe das Ziel zu legen und die Gleichungen zu machen !
... dann laß ihn reden , denn mit einem Theoretiker ist in parlamentarischer Form selten fertig zu werden ! oder sage ihm allenfalls noch : alle große Kunst sei immer naturalistisch gewesen !
alle große Kunst sei aber auch immer symbolistisch gewesen !
Genau wie der Mensch zwei Hände habe , eine rechte und eine linke .
Über diesen zwei Händen aber habe er auch einen Kopf , und dieser Kopf eben sei ... die große Kunst ! XVIII Zerfahren ... müde ... Fieber ! wohin ich will , wohin ich denke , wohin ich fühle ... Bretterwände ! und dahinter : Theorien !
Ich grübelte am Roman herum ... ich möchte alles in einzelne Licht- und Schatten- und Farb- und Gedankenflecken auflösen ... es müßte dennoch aber als Ganzes wieder zusammengehen , wie sich Eichen , Buchen , Birken , Tannen zu einem Wald zusammenschließen ... aber ich finde keine Form , die Sache zu fassen !
Es müßte werden wie eine Landschaft , wie eine Stadt , von irgend einer Höhe her gesehen : im Hintergrund am Berg hinauf ein Schloßbau , Kirchtürme , Straßen und etliche hundert Häuser , so oder so , da oder dort , ab und zu ein paar grüne Bäume dazwischen ... jedes mit eigenem Leben , mit eigenen Fenstern , mit eigenem Giebel , wie es gerade gebaut wurde ... und doch nur ein hellerer oder dunklerer Punkt im Ganzen ... und das Städtchen selbst wieder nur ein Stück der ganzen Landschaft , wenn man weiter oder höher geht ... denke an Heidelberg , wenn du willst , von überm Neckar drüben her gesehen ... aber ... ich finde keine Form ! keine Form wenigstens , die weitertrüge ! die aus sich selbst heraus immer neue , wechselnde Möglichkeiten zuließe , immer neue , andere und vielleicht größere und stolzere Städte zu bauen !
Ich fühle , es gibt eine Lösung !
doch wohinaus und wie ?
Alle Wünschelruten zucken , auf Schritt und Tritt ... aber wo ich suche und grabe , es ist immer umsonst !
Klein-Däumlings Siebenmeilenstiefel wären am Ende besser !
Und ... es wird wieder nur ein Buch voll Unruhe und Sorge , und Kampf und Anklage ... ob man je einmal darüber hinauskommt ?
ich möchte so gerne immer nur lachen ! aber ich darf nicht !
das Leben will es nicht , noch immer nicht !
Was meinst du zu einem Titel : Sturmbruch ?
XIX Sieh , Liebste , das ist meine größte Angst :
mich über mich selbst zu täuschen !
Vielleicht kann ich gar nicht , was du hoffst ?! vielleicht kann ich gar nicht , was ich möchte ?! vielleicht ist , was ich möchte , schon an sich verfehlt ?! vielleicht ist alles , was ich bin und will und träume , was ich lache , was ich weine , nichts als Selbstbetrug und Überhebung ?!
Die Welt umher lebt ein so anderes Leben !
Und wenn das kommt so und mir in die Seele greift ... sieh :
Tag für Tag dann stehe ich auf meinem Söller , Nacht für Nacht , und luge , spähe und belaure , was geschieht , rundum , vom Kleinsten bis zum Größten , und hole es her und wäg es durch und zerquäle mich und messe mich ab an seinem Maße rücksichtslos : wo liegt , was aufwärts trägt ? auf meinem Wege oder draußen auf den Wegen , die die anderen gehen , mit Kling und Klang und wehenden Standarten ?!
Man hat ja niemand , der einem die Wahrheit sagt ! nicht einmal so weit , als er sie selbst vielleicht zu wissen meint !
Tausend Freunde und nicht einen !
.. .
Es sind alles Täuschungen , zwischen denen man lebt !
Täuschungen mit freundlich lieben Augen , mit freundlich lieben Worten ... und doch nur eben Täuschungen !
O Hani ... halte du wenigstens Wache , wenn ich müde werden sollte !
XX So hatte ich mir_es ausgedacht , als Schnee lag : Wir führen , wenn es wieder Sommer wäre , dann und wann hinaus ins Grüne , nach Mittag oder gegen Abend ... ich nähme ein paar Verse mit , ein paar Gedanken oder ... Träume , und ... wir plauderten darüber , wie andere über ihre Dinge plaudern , und du nicktest und du lachtest und du sagtest : ja , das wäre schön ! und so und so wäre es vielleicht noch besser , noch einfacher und klarer und doch klingender ... und alle Türen sprängen auf und alle meine Quellen fingen an zu strömen , immer voller ! und all die Berge um uns wichen auseinander und wir schritten wie in Maitagen Hand in Hand durch eine weite sonnenfrohe Welt ... und Kinder stünden an den Wegen in weißen Kleidern und mit Blumenkränzen und überall von allen Türmen wehten Fahnen !
... Und solche Stunden wären wie ein sicherer Wall ! sie wären wie ein Stückchen eigener Grund und Boden ! ein fester Punkt ! ein unverlierbar Glück !
Auch dieser Sommer aber geht zu Ende wieder und färbt sein Laub und läßt so arm uns wie wir immer waren ... vielleicht nur ärmer noch !
... Doch ... ich will dir nicht das Herz schwer machen , Liebste ! ich sage das alles nicht als Vorwurf !
ich weiß ja selbst : es kann nicht sein ... und ... füge mich drein !
es kommt nur eben dann und wann und packt mich ... wie mitten im August mitunter ein früher Herbststurm in die Wälder fällt , und was nicht feststeht , bricht und niederreißt !
Es hat nichts auf sich , mache dir keine Sorge ! was fällt , fällt wohl ! was Wurzelkraft hat , hält es durch !
XXI So oft es klingelt ... so oft es klingelt ... du ... stehst ... nie ... draußen ! so oft es klingelt ! du nie ! du nie !! immer nur andere ! immer nur Fremde , die geholfen haben wollen ! niemand , der auch mir einmal hülfe !
Und ich bin so mutterallein ! wochaus , wochein ! tagher , taghin ! und all die Rosen in meinen Gärten müssen ungebrochen verblühn !
Ich habe es nie wie andere haben dürfen ! es waren immer Peitschen hinter mir !
und man sehnt sich auch einmal nach einem guten Wort ! und möchte Schild und Schwert bei Seite legen ... ich habe immer aufrecht stehen müssen und nie ausruhn dürfen einmal oder Rast machen und glücklich sein !
es waren immer Peitschen hinter mir !
Und ... mitunter ... ist es ... wie ein heimlich Weinen irgendwo : als wärest auch du , Hani , nur ein Traum ... ... ... wie meine Jugend , immer leiser werdend und immer ferner in die Ferne sinkend ... und ich habe nichts , ihn zurückzuzwingen und zu halten trotz allem Bemühn ... und all die Rosen in meinen Gärten müssen ungebrochen verblühn ! XXII Nacht ... Mitternacht ... Vollmond ... Straßen , Gärten , Höfe ... in silberweichem Licht und tiefen blauen Schatten ... wie auf vergessenen Kinderbildern ... schlafend und träumend !
... Lautlos trete ich ins Zimmer , um nichts zu wecken , und bleibe stehen ... inmitten seiner schweigenden Dinge und setze mich in eine Ecke ... und sehe zu , wie alles träumt ... und ... träume mit ...
Das ist mein Leben : dieses stille monddurchdämmerte Zimmer ... verblichene Bilder an der Wand , und Bücher ... ein kleines Sofa in der Ecke ... Zinnkrüge und Leuchter ... am Fenster ein Schreibtisch ...
Vater und Mutter darüber ... und die Wand hin ... Bücher und Bilder !
... Das ist alles , was ich mir erwarb ! Bücher ... und Bilder !
... Leise spielt der Mond durch die Gardinen ... und bleibt an einem welken Rosenkranze hängen über einem Blatt in weißem Rahmen ... ja , ich weiß es noch , so lang es her ist !
... so lang es her ist ... ich weiß es noch ... es ist ja auch mein Leben !
.... .....
Meer und Strand , auf dunkler Mole Hand in Hand zwei Kinder , hoch überm Meer die Sterne suchend ...
Da will ich hinauf , Liebste !
» Ja , ich weiß !
und ich weiß ... daß ich dich nicht halten kann « !
Aber du darfst nicht weinen , wenn ich gehen muß ! und versprich mir : fröhlich zu sein und fleißig und brav !
» Ja , ich weiß , daß ich dich nicht halten kann , und daß der Weg da hinauf zu steil und steinig für mich wäre ... und ich will nicht weinen !
Aber wenn du oben bist , mußt du ein paar Sterne herunter werfen und einen kleinen für mich ganz allein und wenn die anderen stehen und sagen : o wie wunderschön !
dann will ich glücklich sein , Liebster , und denken : den habe ich auch gekannt und besser als alle ! und fröhlich und fleißig sein und brav ... und wenn sie fort sind , will ich ans Fenster gehen und hinaufsehen und dich grüßen , wo du auch seist ... wo du auch seist « ! XXIII Grunewald ... ich bin herausgefahren !
... ich mußte Menschen sehen !
Annemariechen bringt dir gegen Abend Rosen , drei Hände voll ... du sollst dich freuen , wenn du heimkommst , und einen Gruß haben !
* Unterwegs ... in der Bahn ... ich glaube : die Menschen sind gar nicht so fröhlich und vergnügt , wie es immer aussieht !
Wenn man hört , wovon sie mit einander reden und was ihnen wichtig und unwichtig ist ... mögen sie noch so gut angezogen sein : es ist lauter Alltag und Kleinlichkeit und Klatsch ! und dieser schläfrig-langweilige müde Ton : » Ja , das ist das Beste ! wir haben als Kinder alle Lebertran bekommen « ! weiß der Kuckuck , man merkt es heute noch !
* An der Kirche stieg eine alte Dame ein ... und wollte ein Fenster geschlossen haben ...
Die Leute lachten und machten Witze ... bis der Schaffner es endlich hochzog .
Ich hörte dann , wie sie sich bei ihrer Nachbarin entschuldigte :
sie hätte Sorge , sich etwas zu holen .
Nicht ihrer selbst wegen .
Sie sei schon fünfundsiebzig , aber ihre einzige Tochter hätte einen Sohn , der auf ihre Kosten studiere , und wenn sie sterbe , sei es damit vorbei , und drei Jahre müsse sie deshalb noch dableiben !
Ich brachte sie an der Brücke oben durch die Wagen über den Damm .
Sankt Hubertus .
Weißt du noch , wie oft wir hier gesessen haben , früher ! und Manuskripte gelesen oder Verse korrigiert oder Schach gespielt oder in den Sommer hinausgesehen !
Warum sitzen wir nie mehr so ?!
Dann fiel mir ein , was Hiesel Heinz über » Faun und Totenkopf « geschrieben :
» Geld wirst du nie verdienen ! mit so was verdient man kein Geld ! aber du wirst einmal im Buch der Dichter dafür stehen « !
Und ... dann ... kam ...
Wolf Walter ... die Treppe herunter ... und ich ging !
Er wird wohl längst vollends verkommen sein !
Ja ja : ...
» Fata . Morgana . Lügen « !
* In den Vielen überall erleuchtete Balkone und Veranden ... rot und grün verhängte Lampen ... alte Herren , Zeitung lesend , und Frauen und lachende Kinderstimmen und über allem dann und wann vertragene Takte der Musik in den Tanzgärten vorn am Brückenkopf ...
Ob man es auch noch einmal so haben wird : so auf einer Veranda zu sitzen , in grüne Gärten zu sehen , und alles sommerabendruhig , still und klar und wunschlos ?! vielleicht ! wenn man fleißig war und ... recht viel gedichtet hat und ... wenn man genügend Geduld gehabt und möglichst weit weg ist von den Tanzgärten der Jugend ... vorn am Brückenkopf !!
Warum nicht ?!
* An einem Gittertor im Dunklen ein Liebespaar .
Sie erschraken und fuhren auseinander , als ich vorbei kam ...
Dumme Kinder ! ich tu euch nichts ! seid ohne Sorge !
ich verrat euch an niemand ! o ich will eher Wache für euch halten , wenn ihr wollt ! habt euch lieb und küßt euch und umarmt euch und seid glücklich !
Guckt , so zu zweit am Zaun zu stehen in der Nacht , das kleine Leid des Tages sich zu klagen und sich zu trösten und sich zu küssen zwischendurch und den Kopf des anderen an die Brust zu drücken und sich wieder zu küssen und den ganzen Tag auf dieses Viertelstündchen sich zu freuen und bei der Arbeit sich zu sagen : Schafs ! damit du fertig wirst ! heute Abend kommt dein Schatz , dann mußt du Zeit haben !
... guckt , ich glaube : es ist das Beste , das der Mensch im Leben hat ! verderbtes euch nicht mit dummer Angst !
ihr braucht euch nicht zu schämen ! vor niemand ! und vor mir schon gar nicht ! nein , vor mir nicht ! seht :
ich bin ein alter Mann gegen euch ... ich ... muß allein herumlaufen ... den ganzen schönen Sommer wieder ... und ... ich bin sogar ein deutscher Dichter !!
Mein Gott , wie lange stand ich nicht mehr so !!
* In den Tanzsälen vorn , überall Musik ... und lauter kleine Mädchen ... jung und lieb und so lustig und nichts wollend , als tanzen und lachen und lustig sein !
Doch ich saß wie ein Störenfried dazwischen und schämte mich und ging ... sie aber tanzten und lachten und sangen weiter :
So klein wir kleine Mädchen , o nein , wir werden nicht müde ! lachen und tanzen und lustig sein und küssen macht nicht müde !
Und wenn wo wer sich wundert , und wenn wo wer was frag : und wieso am hellichten Morgen wir schon oder noch auf dem Weg , in hellem Kleidchen , mit Kreuzbandschuhchen , mit Federfächer und mit Schal ?
... Wir fragen und sagen nichts weiter , wir sagen nur : sage einmal : Als du ein kleines Mädchen warst , hast du nicht auch gelacht ? und hast du_es nicht ganz ebenso , ganz ebenso gemacht ?!
Und die Rosen am Weg und die Sonne am Himmel freuen sich und grüßen und nicken uns zu , nur vom Zaun her macht ein alter gichtbeiniger Spatz : Du , du !
Du , du !
Doch auch das hat nichts zu sagen ! der soll ganz still und friedlich sein , er hat ja doch sein Zipperlein und keinen Grund zu klagen : als er ein kleiner Junge war , hat er sehr viel gelacht und hat es nur viel toller noch als wir kleinen Mädchen gemacht !
Darum sage er lieber nicht : Du , du ! darum halte er lieber den Schnabel und freue sich seines Zipperleins ! wenn_es nicht so wäre , so hätte er keins !
und lasse uns in Ruhe !
Du , du !
Du , du ! XXIV Lügen wir uns am Ende nicht bloß etwas vor , Hani ?!
Ist all unser Stolz und unser Überlegen- sein- wollen am Ende nicht bloß ... Furcht ?! vor uns selbst und vor ... dem anderen Morgen ?! sind wir am Ende nicht bloß ... dumm ?! glattweg : dumm ?!
Die nichts wollen , haben alles ! und wir , die so viel wollen , haben nichts ! und vergeuden unsere beste Kraft in leerer Sehnsucht ?! sind . wir . am Ende . nicht . bloß . dumm ?!
Auf allen Straßen , in allen Gärten alles Arm in Arm und so nett und so jung und so fröhlich und vergnügt !
das ganze liebe Leben lachend für ein Glas Wein hinwerfend ... für zwei , drei kurze Stunden Seligkeit !
Es läßt sich mit Füßen treten und » ehrlos « nennen ... und lacht und ist vergnügt !
So sein können ! ein Mal nur ! dem ganzen Plunder die Faust zeigen und einem Augenblick die Zügel geben ! ohne lang an morgen und übermorgen zu denken ! vielleicht ist das stolzer als alles , was wir können ! vielleicht ... vielleicht ... siegt man überhaupt nur so , Hani ?!
XXV Ich sitze beim Wein ... ich sitze allein und trinke meinen Wein in mich hinein ... und denke an dies , und denke an das , vor und zurück ... an Leben , Liebe , an Glauben , an Glück ... das eine wird Stein , das andere Staub !
... und ein Windstoß wirbelt über den Garten draußen das erste welke Laub ! XXVI Und dann ... zu Hause !
Alles immer ernst und einsam , Nacht und schwer und schwarz und schweigsam ... Lampen und Lichter müßten brennen , und es müßte hell und lieb und leicht und heiter sein !
Rosen müßten auf den Tischen stehen !
Rosen und Wein ! und im Lehnstuhl in der Fensternische müßte ein kleines Mädchen sitzen ... wie auf alten Bildern ... mit großen hellen Augen und braunem Haar und feinen kleinen Händen und Mandoline spielen ... und es würde das Köpfchen drehen , wenn die Türe ginge , und nicken und wie silberne Glöckchen klänge es durch die Zimmer ... und ich würde mich zu ihren Füßen setzen und auf ihr Spiel hören und auf die Glöckchen , die durch die Zimmer läuten ... lieb und lockend wie ein altes seligsüßes Liebeslied , wenn beim Frühlingsfest der Zug der Mädchen vor den König zieht ... ... ... .....
Warum so ernst , warum so schwer ?! küße uns und lache , sieh , wir wollen nicht mehr !
Gib uns die Hand ! wir sind das Glück ! küße uns und lache und pflück und schmück dich mit unseren Rosen !
Wir sind , was du selber so gern möchtest sein : Schmetterlingsseelchen im Sonnenschein !
Spiel , Tand und Tanz , Zier , Klang und Glanz !
Wir sind wie im Wind flirrender Flaum ! wir kennen nicht Leid und nicht Sorgen ! wir sind zwischen Abend und Morgen ein kurzer , glück-seliger Traum !
Wir fragen nichts , wir klagen nichts , wir wollen nichts wissen , nicht Ja und nicht Nein ! wir wollen nur lachen und küssen und singen und selig sein !
Bringe Wein und schenke ein !
wir wollen nur lachen und küssen und singen und selig sein ! XXVII Ist es nicht auch vielleicht nur ein Deckwort ... was wir Kunst nennen ?! ist es nicht auch am Ende bloß ein großer Selbstbetrug , dem wir das Mäntelchen eines Daseins an sich umhängen ?!
Es ist gar nicht : Kunst , wonach wir uns verglühen und verzehren ! es ist ... Sehnsucht nach ... Leben !
Sehnsucht von ... Wurzeln , aus ...
Nacht und aus der Schwere der Erde heraus , nach ...
Luft und Licht und Leichtigkeit !
Sehnsucht nach einem Leben über dem , das wir so hinschleppen ! nach einem Leben in Reinheit und Frohsein und Verklärung ! wir wollen gar nicht Kunst ! wir wollen ...
Leben !! und was wir so schaffen , ist nur Verzweiflung und Stümperei , dieser Sehnsucht mit Gewalt Gestalt zu geben !
was wir wollen , ist : Rausch !
Herr sein !
König sein ! und was wir können , ist nur :
Durst !
Durst nach jauchzendem Verflammen und Einssein mit allen und allem ... in lohender nackter Menschenseligkeit !
Schlagt ihn tot , wer die Stirn runzelt !
denn er ist ein Lügner vor sich selbst !
Wie schwarze Panther liegt es im Gebüsch und lauert und stürzt los und schlägt uns die Pranken in die Brust und reißt uns die Seele aus dem Leibe und ... wir würden jauchzen : so verbluten zu dürfen ! und ... leben und ... weinen !!
* Was willst du mit einem so zerbrochenen Menschen , Hani ?! laß ihn lieber laufen !
es ist nichts und wird nie was werden ! XXVIII Von Hani Aber Jostel , lieber , herzallerliebster Jostel !! hole mich heute Abend um halb sieben ab , in Moabit , an der Brücke , ich schreibe Dreiwegs , ich käme erst nach dem Abendessen , und habe dann bis acht Uhr Zeit ! und bringe mir ein paar Rosen mit und sei gut !
Meinst du denn , ich säße nicht auch lieber irgendwo mit dir zusammen und wir kuckten in den Abend hinaus und wüßten , daß wir klaren Weg hätten !? meinst du denn , meine Schule und meine Stundengeberei mache mir Vergnügen !?
ich lache dazu , sonst wäre es vollends trostlos !
Aber meinst du denn , ich sähe nicht auch , wie das Laub schon wieder gelb wird und ... und ... meinst du denn , es sei bei mir nicht ebenso Nacht und einsam , wenn ich heimkomme !? und du stehst auch nie draußen , so oft es klingelt ! und wenn ich zu denken anfange ... meinst du denn ... aber es ist besser , nicht zu denken !
... ich komme mir dann immer wie eine verpuppte Raupe vor , die daliegt und wartet , still und stumm , bis die Sonne kommt und bis sie endlich Schmetterling werden darf , und ... Aufsatzhefte korrigiert und ...
Spürst du nicht , daß du vielleicht auch ruhiger wärest , wenn ich selber ruhiger wäre und ... weniger Sehnsucht hätte ?! soll ich keine mehr haben ?
Grüß dein kleines Mandolinchen und gib ihr einen Kuß von mir und sage ihr , sie solle dir mehr so hübsche Lieder singen !
und komme lieber schon um Viertel !
Hella hat übrigens in der Zeitung ausgegraben , daß du im » Literarischen Verein « Gedichte vortrügest .
Warum weiß ich das nicht ?!
Sie kam deswegen heute an die Schule : ob ich nicht mit ihr hingehen wolle ?
sie möchte dich so gern einmal sehen , und da du mich kennest , so würdest du mir doch wohl guten Abend sagen , und dann müsse ich sie vorstellen .
Ich fürchte schon lang dergleichen !
Was soll ich tun ?
wenn ich es abschlage ... hingehen tut sie doch ! XXIX Von Hani Wir kommen also !
Hella läßt sich nicht davon abbringen , und ihre Mutter kann nicht !
Wenn es nur schon vorüber wäre !
Ich werde ja nicht aus der Rolle fallen , und du mußt dich auch in acht nehmen , so Mädel haben schärfere Augen , als man denkt ... aber ... ich weiß nicht ... es kommt mir vor , als ob wir ein Unrecht begingen ! an uns ! an ihr !
... Es zerbricht etwas dabei !
War es nicht schön gestern ?
die zwei Stunden ? wir wollen es nun auch weiterhalten so und fröhlich bleiben , gelt ?
Eigentlich haben wir es ja unendlich gut , im Verhältnis ! denke einmal an all die Tausende , die selig wären , wenn sie es nur halb so hätten !
Wir sind gesund , alle beide , unberufen ! wir haben unser Auskommen ! mühsam , aber wer hätte_es nicht mühsam !
und trotz allem » von der Hand in den Mund leben « beinahe dreitausend Mark auf der Sparkasse !!
Überleg dir einmal , was das heißt , Liebster !
Wir brauchen uns um niemand zu kümmern ! und können tun und lassen , was uns Spaß macht !
Du vor allem bist völlig Herr deiner Zeit und kannst dir jede Arbeit legen , wie du willst !
Ist das nicht auch was , um das dich zehnmal Reichere vielleicht beneiden würden ?!
Du hast Freunde , die es wirklich gut meinen , und wohin du kommst , hat man dich gern ! und du hast eine Liebste , die dich so lieb hat , Liebster , daß sie dich nicht quält , auf Gelderwerb auszugehen , um geheiratet zu werden ! die da weiß , daß es auch noch Höheres gibt , und lieber wartet und auf ihre Weise mithilft , den Weg frei zu machen ! und du hast deine Kunst ! und ich glaube :
Kunst ist immer Kampf ! und so ein ganz klein , klein bißchen , so ein ganz lüttjes bißchen berühmt bist du am Ende auch schon ! ist das alles denn so gar nichts !
Also , Liebster , sei nicht immer so unzufrieden !
du zerreibst dir deine beste Kraft damit und strafst deine eigenen Worte Lügen , denn ich verdank es doch nur dir , was ich da predige ! und ... im Grund deiner Seele bist du ja gar nicht so , ich weiß das besser ! im Grund deiner Seele ...
Aber ich muß aufhören , ich habe noch nicht gefrühstückt ! vergiß unseren ersten Oktober nicht !
ich habe schon alle Stunden abgesagt und bin um zwei Uhr bei dir , und dann geht_es hinaus , und wir sind so vergnügt und glücklich , wie damals !
XXX Da Sitz ich nun vor deinem Brief , Hani , wie ein dummer Junge ... und freue mich , so schön ausgezankt zu werden ! und möchte dich dahaben , um ... um ... ich weiß nicht !
Du bist so lieb ! und so gut ! und wenn ich ab und zu dich sehe , bin ich ja auch wieder ruhig !
* Es ist vielleicht nur das Herbstwerden draußen , das mir in den Gliedern liegt !
ich möchte noch ein bißchen Sommer haben ! wenn das Laub fällt , ist immer wieder schon ein Jahr vorbei und ... man ist noch so weit von jedem Ziel ! und steckt immer noch in lauter Vorarbeiten ! und wird nicht fertig und wird nicht fertig ! und jede Stunde , die man dann nicht wenigstens gelebt , jeder Kuß , den man nicht geküßt , jedes Lied , das man nicht gesungen ... steht dann auf und schreit : Narr , der du wieder warst !
Gewiß , man hat es gut ! man hat es , rückwärts gesehen , besser vielleicht , als Tausende ! vorwärts aber ... und darauf kommt es an : was hat man denn ?
was hat man denn ? und wen hat man denn , wenn du nicht wärst ? die Mutter , Helmut , ja !
aber hier ? wen hat man denn ? mit dem man einmal reden könnte , wie es einem ums Herz ist oder um den Kopf , ohne Furcht : daß man faule Redensarten zur Antwort bekommt oder Gegenfragen über Dinge , um die sich_es gar nicht handelt ! wen hat man denn ? sage doch selber !
Tausend Freunde , gewiß ! und » Gleichgesinnte « ! aber ... anstatt daß einer käme , wenn er merkt , daß man herunter ist , daß irgend wo etwas nicht klappt :
was ist mit dir ? warum machst du nichts mehr ? wo fehlt ? was ist los ?
... sitzen sie in ihren Kneipen und klatschen und zucken die Achseln : man sei mürrisch und verdrießlich und schroff geworden ! und könne nichts mehr !!
Oh nein , vielliebe Freunde , man kann immer noch was !
man hat sich nur Zeit gelassen !
man wollte nur einmal Ordnung schaffen und seine Waffen nachsehen und ... doch nein !
es lohnt sich nicht !
... Flöte erzählte neulich dergleichen !
ich weiß es jedoch auch so ! schon lang !
* Mürrisch ! verdrießlich ! schroff !
Nein , nein !
ich bin immer noch ein dreimal froherer Mensch im Grunde , als sie alle ! aber ... wo darf man denn ?
wo darf man denn froh und fröhlich sein , ohne daß nicht jeder es als persönliche Kränkung nimmt ! oder als Nichtachtung , wenn man über den Plunder , ob dem er so feierlich tut , lacht ?! und wenn es einen selber einmal umwirft ... wo darf man denn ?
wo darf man denn sagen : daß man auch einmal Sehnsucht hätte nach ... nach ... nach einer Hand , die einem über das Haar striche ! nach ein bißchen Zärtlichkeit !
... ohne daß sie sofort mit den blödesten Witzen kämen ! oder ... wo darf man denn davon reden : wie man sitzt und mit seinen Gedanken herumringt !
Schon das käme ihnen lächerlich vor ! mit Gedanken ringen !
... und wie es ist : wenn man mühsam Schale um Schale gesprengt hat und einen tauben Kern findet ! und ... wenn einen dann Angst faßt und an den Grundmauern rüttelt : ob die Wege , um die man sich abmüht , am Ende doch nicht aus all der Verwirrung hinausfinden und zusammenlaufen ?!
Nein , Hani , nein !
es ist ein trauriges Lied , das Lied von den guten Freunden !
* Aber ich glaube , es geht nicht bloß mir so !
ich leide nur das Leid der Zeit !
Und es ist immer noch die große tote Zeit : zwischen Karfreitag und Ostern , in die wir hineingeboren sind und die wir nun einmal durchhalten müssen , und die als toter Punkt sich in jedem Einzelleben zwischen Dreißig und Vierzig wiederholt !
Wohin ich sehe , es ist überall ein Müdewerden , ein Wankendgewordensein an dem , wofür man bisher gekämpft ... es ist wie ein großes Waffenstrecken vor der eigenen Kritik ...
Ich wußte sonst immer , wohinaus und in welcher Richtung etwa die Gesamtstimmung sich weitertragen und wie sie sich umbiegen und ändern würde ... wir haben ja oft gelacht , wenn ich so » prophezeite « : gib acht , in einem Jahr kommt das und das und so und so :
Rot , Blau , Grün , Gelb , Grau ! und es traf immer zu !
... wohin ich fühle aber : ein Zögern und Langsamertun , ein Stillstehen und Halten , wie vor einem Ziel , zu dem die Einfahrt nicht frei ist !
ob sie überhaupt frei wird ?!
Es liegen Christtosstimmungen in der Luft , als ob sich endlich etwas klären wolle ... aber es ist noch lange nicht so weit ! XXXI Man muß dann und wann einmal in alten Büchern blättern ... Gellert , Claudius , Bürger , Uhland , Hölderlin ... ganz unvermittelt zwischen all den Kram von heute hinein !
Es ist , als ob man plötzlich aus der Stadt aufs Land käme : kleine friedlich stille Giebelhäuser mit grünen Fensterladen und Gärtchen davor , beim Pfarrhause auf dem Postplatz ein Spielmann mit einem Leierkasten und Jung und Alt in trauter Feierabendfröhlichkeit und hinter der Mauer am Graben entlang uralte knorrige Linden , weite grüne Obstgärten , Wiesen , Felder , ein Mühlbach und am Wald droben ein alter Marmorbruch und ein einsames Kapellchen auf der Höhe .
Es ist als ob man in die eigene Jugend zurückläse , als ob man jeder einzelne von ihnen selbst gewesen ... als ob man in der Heimat seiner Kindheit : festen Boden unter den Füßen , festen Himmel zu Häupten klar und einig mit sich selbst und mit der Welt und das Herz voll ungebrochener Liebe !
Man muß dann und wann einmal in alten Büchern blättern ! XXXII Es ist so fröhlich alles heute , so frei , so leicht ! als ob irgend etwas Schweres überstanden wäre !
Kleine weiße Wölkchen ziehen am Himmel und ich sitze und denke über die Dächer drüben hinüber ... es ist wie ein großes grauschillerndes Meer !
Wir müssen wieder einmal an die See !
... Wie schön das wäre : mitten in blitzendem Sonnenschein in der Düne zu sitzen und Sand zu spielen wie kleine Kinder und töricht zu sein ... oder im Wald zu gehen und den Rehen zuzusehen oder uns zu verstecken und zu suchen ... oder auf den Wiesen oder im Heidekraut zu liegen ... weißt du noch ? und uns zu küssen ...
Mund und Augen und Stirn und Haar und Hände ! o ich habe dich so lieb !
ich habe dich so lieb , Hani ! so lieb , so lieb ! XXXIII So hätte es nun schon oft sein können , den ganzen Sommer über !
Und wie vergnügt Hani selber dabei war !
wie sie wieder lachen konnte , so jung , so hell und siegend , o !
ich weiß nicht ... wie das Glück lacht , im Märchenwald ! und wie leichtfüßig flink und schlank es dahinging ... und » Schokolädchen « hatte sie sogar mitgebracht !
Und still und klar an stillem klarem Himmel die Sonne ... über dem Wald ... wie auf Rügen ! und die Havel vor uns ... wie das große Meer !
... nur daß es eben doch Herbst ist , wenn es einmal erster Oktober !
Und wie es plötzlich über uns zu klingen begann , wie ein Lied von Millionen feiner Kinderstimmen irgendwo in weiter Ferne , und gleich großen fallen wollenden Wolken daherwogte ... Schwalbenschwärme , auf der Wanderung ... immer dichter und dichter ... und in die Waldwipfel niedersank ... und das hat man sein Lebtag nicht gesehen !
so lange man schon auf der Welt herumläuft ! du nicht !
ich nicht !
wo lebt man denn ? und wonach sieht man eigentlich immer !?
... und wir standen ... wie man vor etwas Großem und Heiligem steht !
wie man steht ... in Kinderjahren und auch später , wenn man etwas erlebt , von dem man immer schon gehört hat , das man aber nahm , wie man so nimmt , was man so hört ... Gedanken , Dinge , Bücher ... unbetroffen weiter , nur mit dem Verstand ... und plötzlich ... ein Wort , ein Klang , eine Farbe und es wird eigenes Leben und irgendwo , irgendwie geht eine Türe und es ist , als zögen sich auf einen Ruck lange Gänge auf , als rissen links und rechts hundert und hundert nebelfarbene Vorhänge auseinander und als sähe man in ungeheure uferlose Tiefen ... einen Augenblick , ein paar Sekunden und es braut wieder zusammen , und das Getriebe des Tages schiebt seine Kulissen vor !
* Und nachher , die Havel entlang , im Wald ... die großen Strecken , in die der Sturm gebrochen war ... wie ein weites , wehes Schlachtfeld !
Ich möchte wohl einmal dabei sein ... wenn es so kommt und mit der Faust des Herrgotts drein fährt und die dicksten Stämme knickt , als ob es Streichhölzer wären , wenn sie eine schade Stelle haben im Inneren oder mit dem ganzen Wurzelwerk heraushebt und umlegt , wenn es nicht fest und tief und weit genug greift ! XXXIV Von Hani Auf dem Heimweg , unter der Laterne vor deinem Haus :
Eine ganze halbe Stunde stehe ich schon und warte ! wenn du oben wärest , hättest du doch Licht ! wo steckst du denn , Liebster ? warum kommst du nicht ?
Denke dir ... denke dir , Frau von Dreiweg fragte mich vorhin , aus blauem Himmel herunter :
Ob es möglich zu machen wäre ?
und wie ? und wenn , ob ich Lust hätte , mit Hella im Januar für ein Vierteljahr an die Riviera zu gehen ?
Liebster , Herzliebster , deine Hani an die Riviera !
ich bin noch glühheiß !
Hella ist ja kerngesund , aber ich glaube , sie haben Angst in Folge des plötzlichen Todes ihres Jungen im vorigen Jahr .
Sie selber könne nicht mit , ihres Fußes wegen , und Hella hätte auch nichts davon , wenn sie immer zu Hause bleiben müsse , und ich wäre die einzige , der sie sie anvertrauen würde !
Ob es möglich wäre , daß ich von der Schule aus Urlaub bekäme ?
Gern tut man_es wahrscheinlich nicht ! aber ich muß eben einmal horchen !
Sie würde mir , was ich hier aufgäbe , mit 250 Mark monatlich ersetzen ; sie hätte sich das so ausgerechnet !
ob es genug sei ?
ich solle nichts verlieren !
Sonst natürlich alles frei !
Jostel !
Jostel !
Liebster ! denke doch ! wovon wir so oft geträumt ! wie von Unmöglichem ! wo steckst du denn ? warum merkst du nicht , daß ich hier stehe ! warum kommst du nicht , wenn man eine Freude hätte !
ich könnte die ganze Nacht mit dir wach sein !
Wenn du nicht kommst , bis es halb zwölf schlägt , muß ich eben so heimgehen ! und ich hätte mich so gefreut !
Ich schicke Rohrpost .
Dann wirst du morgen früh damit geweckt und vielleicht reicht es noch , das du dann um halb acht an der Brücke bist , mich ein Stückchen zu begleiten .
Aber Punkt !
Frühstücken kannst du Frau von Dreiweg zu Ehren auch nachher noch .
Eben wird der Briefkasten geleert ! also gute Nacht !
Schade ! XXXV Wie ich mich freue , dich noch erwischt zu haben heute Nacht ! und wie ich mich über das Ganze freue , jetzt bei Tag fast noch mehr !
Gönnen wird es dir von der Schule aus niemand , darauf mußt du dich gefaßt machen !
so gern sie dich mögen ! gerade deshalb !
Was ich nicht habe , sollst auch du nicht haben !
Gegebenen Falles muß dir eben dein alter Sanitätsrat irgend eine Herzkrankheit verschreiben , oder sonst was Zweckentsprechendes .
Haben tut man schließlich alles , wenn man einen Doktor an seinen Leib läßt ! und in solchen Fällen ist das eine höchst brauchbare Einrichtung der Natur !
denn sieben Jahre lang tagaus tagein im Schulzimmer stehen und dreißig oder vierzig höheren Töchtern Bildung beibringen und in den Ferien sitzen und sich auf weitere Prüfungen vorbereiten , um ein bißchen vom Fleck zu kommen ... ist kein Grund zu nichts und keine Krankheit !
man muß immer erst wirklich kaputt sein und nicht mehr können , bevor man sich einmal erholen darf !
Aber es wird schon werden !
Meine Hani an die Riviera ! mir nichts , dir nichts ! und für ein ganzes Vierteljahr !
Mädel !
Mädel !
Wie kamst du dir vor heute beim Aufwachen ?! Wahrscheinlich ... bloß recht verschlafen und müde vom späten Heimkommen !
Aber tu mir nun die Liebe , Liebste , und verdirb dir deine Freude nicht mit dem Gedanken : daß ich nun nichts hätte !
Wir kommen schon noch einmal zusammen nach Italien , habe keine Sorge !
Ich küsse dir die lieben Hände und weiß nur eines : bleibe mir gut ! XXXVI Ich saß im Café gestern und las Zeitungen .
Mit einem Mal jedoch rissen alle Drehte durch und was ich so las ... dieses ganze Hin und Her und Hisst und Hott , mit dem die Menschen sich ihren Tag und ihr Leben wichtig und wertvoll zu machen glauben , es kam mir plötzlich wie eine endlose Händelhaberei um Nebensächlichkeiten vor und läppisch wie Kleinkindergezänk ... und mir war , als trüg es mich auf einen hohen Berg und als sähe ich alles klein wie Puppenspielkram unter mir und lauter Verse klangen um mich her ... Sommer , Sonne , Wald , Wasser , weiße Wolken und zwitschernde Schwalbenschwärme ... alles in flimmerndem blaugoldenem Glanze und mitten drin zwei Menschen ... eins mit Sommer , Sonne , Wald und Wasser und Wolken und Schwalben ... ein Klang , eine Welle , ein einziger großer schwingender , klingender Rhythmus ... und doch so fremd , so steinfremd allem wieder , so fern , wie aus einer anderen Welt !
Adam und Eva vor den Toren des verlorenen Paradieses ... die Arme breitend in unendlicher Sehnsucht ... ... ... ..... .
Wir können wohl über die Hecken sehen , wir können uns auch zurückträumen , wenn wir die Augen schließen ... vor dem Eingang aber hält der Cherub mit dem hauenden Schwert : Du bist nicht mehr , wie alle andere Kreatur !
du hast dich selber ausgeschlossen aus ihrem Kreis ! dein Wille , selbstverantwortlich zu sein für dein Geschick , stieß dich aus und scheidet dich für immer !
Und wenn ich dir auch die Tore öffnete ... du kannst doch nicht zurück !
denn deine Seele hat ihre Kindheit verloren !
Darum vorwärts ! gehe ! trage deinen Kampf !
Und werde , was du gewollt hast , werde : Gott gleich ! und schaffe aus eigener Kraft ein neues . Paradies . dir . selbst ! XXXVII Von Hani Du , es war schön , gestern Abend ! sehr schön !
du hast ganz prachtvoll gelesen , und ich gebe dir einen lieben langen Kuß dafür .
Es war wirklich schön ! und ich freue mich jetzt noch , wie die Zuhörer mitgingen .
Und der Saal war gedrückt voll .
Und mitunter war es wie in einer Kirche !
Und ich saß in meiner Ecke und sagte mir immerzu : der da oben steht und diese schönen Dinge liest , ist mein Liebster !
mein Jost ! und gehört mir , bis auf seinen letzten Gedanken ! und kein Mensch weiß davon , und das ist das Allerschönste !
Und die Verse , die er sagt , hat er alle bloß für mich gemacht ! aber wir schenken sie euch !
wir haben noch viel und noch viel schönere !
Und als sie dann dich riefen und klatschten und wieder klatschten , kam ich mir vor wie ... wie die ... Fürstinnen ... die auf dem Balkon stehen und Konfetti und Blumen und Geldstücke unter die Menge werfen !
Wenn du aber wieder liest , mußt du doch das vorletzte Gedicht als letztes nehmen , es ist stärker und wirksamer !
Und mit unserer Siezerei ist auch alles glücklich abgelaufen .
Hella war selig , daß ich sie vorstellte und daß du mit ihr gesprochen und ihr die Hand gegeben ! alles hätte nach ihr hingesehen ! und was ihr ganz besonders gefallen , das sei : daß du eigentlich nur gesprochen hättest , wie man im gewöhnlichen Leben spreche , ganz ruhig und natürlich , nur eben lauter ... und nicht wie Schauspieler , die überhaupt keine Gedichte lesen könnten ! und daß du die Reime hättest durchhören lassen , über die man sonst immer weggehe !
Sie meinte , wenn ein Dichter Reime mache , dann wolle er doch auch , daß sie mitwirkten und daß man sie mitanklingen lasse , und wenn man darüber wegspräche , so sei das , wie wenn man bei einem Musikstück wiederholende Figuren ungleich spiele .
Ist das nicht sehr klug gesagt , von einem zweiundzwanzigjährigen Mädel ! ohne Einblaserei !
Ich läse übrigens ähnlich ! ob ich dich schon öfters gehört hätte ? und braune Augen hättest du , und überhaupt : Dichter sein , denke sie sich doch am schönsten !
so da oben stehen und den Menschen geben , was sie sich selbst nicht schaffen könnten !
Hand in Hand mit den Großen der Vergangenheit !
Ich habe dich lieb , Liebster ! XXXVIII Hand in Hand mit den Großen der Vergangenheit ! das ist aber nicht von Hella , das hast du dazu gesetzt !
Hand in Hand mit den Großen der Vergangenheit !
... nein , so weit ist es noch lange nicht ! noch lange nicht , Liebste ! und wenn man noch so viel könnte !
Sieh : wer später kommt , muß immer den ganzen Weg durchlaufen , den , was vor ihm war und mit ihm ist , gegangen ist ... wer Lessing werden will , muß Gottsched und Gellert und Gleim und Klopstock nicht bloß gelesen haben , sondern wirklich auch gewesen sein ! und je später einer kommt , desto länger und desto schwerer ist sein Weg ! und je älter man wird , desto mehr erkennt man , wie weit voraus die Großen der Vergangenheit uns heute noch sind !
Freilich : wer nicht irgend einmal sich das Zeug zugetraut hat , es Schiller oder Goethe gleichtun zu können ... bringt es überhaupt zu nichts !
Aber : sie alle hatten eine feste Welt um sich und festen Boden unter den Füßen ... und wir ... wir treiben in schwankem Schiff auf wogenden Wassern und haben nichts als den Glauben :
es muß Land kommen ! und was wir sagen können , ist nichts als :
es muß Land kommen !
Haltet aus und helft lieber mit , anstatt mit Wenn und Aber euch und uns den Mut zu brechen ! ein Rückwärts gibt es nicht !
also vorwärts !
es muß Land kommen ! XXXIX O daß es so weit wäre endlich : daß man die Waffen abgürten dürfte und Friede sagen !
doch es ist noch immer nicht Zeit ! das Leben will es nicht ! noch immer nicht !!
und was ich kann ... ist immer noch voll Einsamkeit und Groll und Schwere ! und was ich möchte . . was ich möchte , o !
es wäre voll Glück , voll Jubel und Seligkeit , voll Frieden , Fröhlichkeit und Freude ... wie Frühlingshimmel , hell und klar und frei und leicht !
und reich und reif und warm und weit wie die Erde in Hochsommerzeit voll Sonne , Liederklang und Liebe !
Ein Buch ... » von den Erfüllungen des Lebens « ... ein Buch ... » an einem einsamen Sonntag zu lesen « ! und jedem , der den Mut verloren hätte zu sich selber , zu sagen : was weinst du ?! laß dein Leid ! und komme auf meine Berge mit : das ist die Welt ! das ist das Leben und das der Mensch ! und nicht dies Zweifeln und Verzweifeln unten in den Tälern , zwischen Mauern und Gehegen ... in ewiger Mühe und Not und Sorge um Kleinlichkeiten ! o mein Gott !
Hier oben , sieh : das ist die Welt ! das ist das Leben ! hier oben bist du , der du bist und der du längst sein könntest !
... wenn du nicht immer selbst die Wege dir verstelltest ! auf freier Höhe ...
Sonne nur und Wolken über dir und Sommersegen um dich her und über Nähe hin und Ferne frei . den .
Blick . auf . freies .
Meer ! XXXX Doch dann ... dann kämen die Verleger : warum schreiben Sie uns nicht einmal einen richtigen Roman oder einen Band guter Novellen , wie der und der ?!
man hat sein Geschäft doch auch nicht bloß zum Vergnügen !
Und wenn es trotzdem gedruckt würde ... dann ... dann läsen es die Leute !
Sie läsen es , wie sie Zeitungsgeschichten lesen ... wie sie alles lesen !
und sagen : es sei ein unterhaltsames oder langweiliges Buch !
... unterhaltsam oder langweilig !! und dies und das sehr ... hübsch ! sehr wahr ! und offenbar aus dem Herzen heraus geschrieben ! dies und das aber ganz unmöglich und verfehlt !
Sie reden darüber , wie sie über einen Schrank oder über einen Teppich reden , den sie wo gekauft ... sie reden darüber , wie sie über ein neues Kleid reden : dies und das hätte geschickter gemacht werden müssen und hier sei es zu weit und da zu eng ! und der Stoff sei zu dünn ! und ...
Und die zur Zunft gehören , sie machen es ebenso !
sie schreiben , wie sie über ein neues Tingeltangel -Kunststückchen schreiben und finden es leidlich oder mäßig , wie man ein Mittagessen leidlich oder mäßig findet .
Nach dem Kaffee ist es vorüber und abgetan , und morgen gibt es etwas anderes !
Und selbst die Wenigen , von denen man vielleicht dachte :
sie freuen sich darüber ! selbst diese Wenigen , sie sagen sich beim Lesen allenfalls : o ja ! wie schön , wenn es so sein könnte , wie da steht !
... aber sie nehmen es nicht für ihr eigenes Leben ! es ist Dichtung !
... und bleibt Buch ! sie stehen tagsdarauf den gleichen Fragen gegenüber und vielleicht vor ganz denselben Dingen , aber sie haben längst vergessen , was sie gestern gelesen ! und wenn es ihnen einfällt ... ach nein , es fällt ihnen gar nicht ein ! und ...
Kunst hat ja auch keinen anderen Zweck , als den , zu sein !
O warum ist man nicht Handwerker geworden ! XXXXI Wer seine Kunst nicht zum Geschäft zu machen versteht , wer sie nicht betreiben will , wie ein ehrsamer Bäckermeister sein Kuchen- und Nudelenbacken betreibt ... täte , weiß Gott , besser , es zu lassen !
Kunst ist nicht , wie ich immer meinte :
was ein höherer Mensch für sich und andere an höheren Lebenswerten schafft in schöner Form ...
Kunst ist nicht : » was große Künstler machen « ! sondern Kunst ist :
was irgend ein Klüngel auf den Markt bringt und mit freiwilligen oder unfreiwilligen Helfershelfern als Kunst ausruft und Hochklatsch , um ein Geschäft zu machen !
Und wer unter Händlern und Wechslern Prophet sein will , ist ein Narr ! XXXXII Und ... man ist ein Narr ! ja , man ist ein Narr , Hani !
Man hat dies eine kurze Leben und plagt und zerbricht es sich in törichtem Übermut , wie ein Kind sein Spielzeug !
Wozu alles mit dem Herzen schaffen !?
es lohnt sich wirklich nicht ! nimm die Hände , wie alle anderen auch !
sie machen es leichter und sind geschickter und ... lassen sich waschen , wenn sie schmutzig werden !
Es ist am Ende ja doch ganz einerlei ! ob man mit einem Gesangbuchslied oder mit Tingeltangelwitzen berühmt wird ... ob man als Siegfried im Buch der Geschichte steht oder als Hagen !
Es ist ja doch bloß Papier ! XXXXIII Ich danke dir , Liebste !
Ja ja , es ist so !
du hast recht , wie immer :
Man denkt viel zu viel an all den Kleinkram von heute und all den Markttrödel umher , anstatt an das Große , das durch die Jahrhunderte herüberdauert !
Aber das ewige Hallo und Trara all der Meßbuden an allen Ecken verzerrt sämtliche Maßstäbe .
Kein Mensch weiß mehr , worauf es eigentlich ankommt , und selbst , wer ehrlich sein will , findet kaum zurecht !
Wer am lautesten trommeln und trompeten kann , nimmt das meiste Geld ein , und wer das meiste Geld einnimmt , glaubt allen Ernstes auch das meiste geleistet zu haben !
Die Leute Glaubens erst recht !
Volle Geldbeutel überzeugen immer ! und man wird müde und glaubt allmählich selber ... und . vielleicht . leistet . er . wirklich . auch . das meiste ?!
Ein guter Kunstreiter , ein geschickter Purzelbaummacher , der jeden Abend so und so viel tausend Menschen Kurzweil schafft , leistet in der Tat etwas !
Und trotzdem ... nein : diese Moritaten- und Ballett- und Schlangenbändiger-Buden sind es nicht !
Vor den Toren auf den Hügeln draußen die stillen weißen Tempel sind die Welt ! und wehe jedem , der diese Zuversicht verliert !
sie muß der Kompaß bleiben , der ihn seinem Ziel entgegenträgt , der stille Gleichgewichtspunkt seines Lebens unverrückbar ... und ging es noch so toll um ihn herum !
Ich danke dir , Liebste ! XXXXIV Weißt du , Hani ... ich glaube : dein Glaube an mich ist alles , was ich kann !
Siegt er , sieg ich ! bricht er , breche ich !
Bleibe mir gut ! bleibe mir gut ! stille Hüterin du meiner stillen Tempel ! XXXXV Vor drei Wochen hätten wir ein Jubiläum feiern können :
es waren fünfzehn Jahre , daß » Glück und Glaube « erschienen .
Ich kam nach Hause , abends , und das Paket mit meinen Freiexemplaren lag auf dem Tisch .
Das erste eigene Buch .
Sauber und nett .
Da lag es .
Die Erfüllung eines langen Wunsches und doch wie etwas Fremdes , nicht mehr mir Gehöriges .
Mir war ... mir war :
wie wenn man aus der Heimat geht und am Berg oben stehen bleibt und zurücksieht : warum geht man eigentlich ?
man möchte gar nicht !
man hängt mit allen Fasern an dem kleinen Tal , kennt jedes Haus , jeden Weg , jeden Stein ... und vorauf in blauem Schleierdunst die Ferne , ungewiß , unbekannt , stockfremd !
man möchte gar nicht ! wozu !
was soll man da draußen ! wie ein leises Grauen kriecht im Grund ! und doch ... gehs , wies gehe !
ich stehe ... und wag !
... und wies auch fällt , ich trags ! und Schlags !
Gott grüße die Welt !
Ich nahm ein Exemplar und lief in die Stadt und meinte , jeder , der mir begegne , müsse die Empfindung haben , daß etwas Besonderes geschehen und daß ... ich derjenige ! dumm ... kinddumm ! und so schön !
dann setzte ich mich in ein Café , holte mein Buch heraus und schnitt es auf :
was eigentlich darin stehe , und ob ich_es gut fände , wenn es von einem anderen wäre ?!
und lebte Seite um Seite noch einmal durch ! und am nächsten Morgen , dachte ich , müßten alle Zeitungen was darüber bringen , und eine Menge Briefe müßte kommen und ... und man wäre » berühmt « ! und ... und ... und vor fünf Jahren wurde es » verwurstet « und du gabst noch fünfzig Mark , um zu retten , was zu retten war .
* Mit den » Sprüchen eines Steinklopfers « sind es nun gerade zwölf Bücher , die in den fünfzehn Jahren von mir gedruckt wurden , und eingebracht haben sie mir brutto-brutto : drei Mark ! und auch das ist wahrscheinlich bloß ein Versehen !
Ich habe diesen lieben Taler noch .
Ich habe ihn bei Seite gelegt damals , weil es ein Frauentaler war ... und ... ich bin es noch nicht müde und glaube immer noch !
Gestern freilich war ich traurig darüber , heute lache ich ! gestern sagte ich : was so tot liegt , kann nichts Lebendiges sein !
und altes Eisen und tote Bücher hat die Welt genug ! wozu also !? heute sage ich :
es kann ja gar nicht anders sein ! doch ... es ist nicht tot , es schläft nur ! und eines Tages bin ich hoffentlich noch weiter und bin stolz auf meinen Taler und sage : Gott sei Dank , daß es so war , wies war !
was verloren ging , ging wohl verloren !
es war eine harte Schule , aber sie war gut !
* Zeit , umzukehren , wäre es vielleicht immer noch ! und wenn ich liege und nicht schlafen kann , kommt es mitunter : wozu die Qual all eines eigenen Wegs !?
Die Straßen des Lebens sind so schön und eben und tragen ganz von selbst von Punkt zu Punkt , und wer da will , kann ruhig einmal Rast machen , wo es ihm behagt , ohne Sorge , sich zu verlaufen und kein Unterkommen mehr zu finden , ehe es Abend wird !
und anstatt wie jetzt hilflos allein herumzusuchen , säßen wir in einem kleinen Garten , Rosen um uns her , und hätten , was wir träumen !
Doch wenn ich andere dann wieder sehe und sehe , was sie haben ... und gewollt haben alle das Höchste ... und wenn ich sehe , wie ein Pfund Wurst der Inbegriff aller Glückseligkeit für sie geworden ... dann sage ich mir : Philister über dir !
du bist aus anderem Holz ! und wozu hat man sein Leben ?
Ob man so es wegwirft oder so , wen geht_es was an ?
Sie verschlafen es ! du ... verkämpf !
Durch ! und festbleiben ! und aushalten ! XXXXVI Helmut läßt grüßen !
was wir zu Weihnachten möchten ?! es sei Zeit !
es gehe sonst aber gut ! Mal so , Mal so !
man zerbreche sich zur Abwechslung nur wieder den Kopf , was ich täte und warum ich immer noch in Berlin säße und noch immer nicht an ... Heiraten dächte ?
Eine der ältesten und glaubwürdigsten alten Jungfern habe dabei erklärt : ich sei längst ja sozusagen verheiratet und hätte sogar ein Kind .
Einen Jungen .
Sie wisse das seit Jahren ...
Er sei dabei gestanden und habe ein Gesicht gemacht wie Berthold Schwarz , als er das Pulver erfunden ... und wenn so was wieder vorkäme , so möchte ich es ihn doch auch wissen lassen .
Im übrigen sähe ich daraus wohl , daß alles noch auf demselben Fleck wie immer .
Die Mutter habe auch davon gehört .
Sie habe jedoch gelacht und gesagt :
sie würde sich nur freuen , wenn es so wäre .
* Aber ... in allem Ernst , Hani ... überlege dir einmal :
sie haben recht !
wir könnten einen Fünf-Sechsjährigen Jungen haben , wie Hiesel Heinz und ... haben ihn nicht ! wir . haben . ihn . nicht . Hani ! und warum haben wir ihn nicht ?
weil wir nie ... Geld gehabt , ihn so zu haben , wie wir ihn eben haben wollten ! und wir wollen ihn nur so , weil wir sein möchten , wie man auch sein kann , wenn man will ! und weil wir uns zu gut sind , das Beste , das wir träumen , dem Achselzucken jedes hergelaufenen Philisters preiszugeben und in Gesindestuben von uns sagen zu lassen : na ja ! natürlich ! auch nicht besser als alle !
Doch was haben wir dafür ? was haben wir dafür ?
Nichts ! nichts ! nichts ... als ... gehässig dämliches Gerede ! und ganz denselben Klatsch , wie wenn es nicht so wäre !
Man ist verdammt , so oder so ! man sei wie man sei ! und dabei weiß erst noch kein Mensch etwas von dir !
Ich lache schließlich darüber , es bleibt einem ja kaum was anderes übrig ... aber : diese alten Jungfern und Jungferiche dort und hier ... ja , zum Teufel auch ! versteht das denn , was es besagt : einen Fünf-Sechsjährigen Jungen haben zu können und ihn nicht zu haben !
freiwillig nicht zu haben !
Hat das auch nur eine Sekunde lang bedacht , bevor es solch Geschwätz zusammenlügt :
was das einen vielleicht gekostet haben könnte ? weiß das denn , was dazu gehört , Dinge , die man vielleicht auch möchte , Dinge , die es seinerseits mit Zwanzig-Fünffundzwanzig Jahren schon als etwas Selbstverständliches für sich in Anspruch nimmt , Dinge , die jeder Lump als ein ihm zustehendes Urrecht fordert ... sich zu versagen ?! aus eigener Selbstzucht !? hat das überhaupt eine Ahnung davon , was es heißt :
Hans und Gans und Dumm und Dämlich an gedeckter Tafel sitzen zu sehen und zu stehen und die Zähne zusammenzubeißen und sich zu sagen : still !
du hast keinen Hunger zu haben !
Es ist für sich selbst empfindlich wie ein rohes Ei , kommt aber und verbreitet zwischen Kaffee und Kuchen , ohne mit der Wimper zu zucken , als ob es nichts wäre , harmlos schamlos das Schlechteste , das es von seinem Armenleutestandpunkt aus über jemand zu sagen weiß !!! und man hat keine Waffe dagegen ! nichts ! man kann nicht hingehen : Sie trostlose alte Jungfer Sie ! schämen Sie sich denn gar nicht , so aus blauem Himmel herunter einem Menschen , der Ihnen nie etwas getan hat , den Sie gar nicht kennen , derart an die Ehre zu gehen ?!
wie wäre es denn , wenn man zum Zeitvertreib einmal dergleichen über Ihren Herrn Sohn oder über Ihr Fräulein Tochter in Umlauf brächte ? was meinen Sie dazu ?
Doch so sind sie alle , dort und hier und überall ! und dieser Gesellschaft wegen versagt man sich etwas !
O , es ist vielleicht das einzige , das ich bereue : nicht so gewesen zu sein , wie man durchaus gewesen sein soll !
Doch nein ! nein ! und noch Mal : nein !
uns selbst zu Stolz , uns selbst zu Liebe sind wir gewesen , wie wir waren , und uns selbst zu Liebe wollen wir auch weiterhin so bleiben !
Hüte vor dem Alltag , was du Heiliges hast ! XXXXVII Von Hani Urlaub !
Ich habe ihn , Jostel !
ich habe ihn !
Liebster , Herzallerliebster !
Ein bißchen säuerlich ... aber ich habe ihn ! schwarz auf weiß ! vom ersten Januar bis zum ersten April ! in Anbetracht guter Führung und so weiter und weil ich auch schon vier Jahre da sei !
Es kommt mir jetzt fast wie eine Art Kraftprobe vor .
Ich hatte das gar nicht so bedacht .
Ich sehe auf einmal :
sie wissen , wie gern mich meine Mädels haben , und daß sie am Ende mehr verlieren würden , wenn ... wenn ...
Ich meine , ich sehe auf einmal , daß ich eigentlich die Situation in der Hand habe , und daß das vielleicht überall so ist , sobald man festen Boden unter den Füßen hat und wäre_es auch nur ein einziger Quadratmeter !
Und Rapallo soll es werden , ganz in der Nähe von Genua , von dem der Vater immer so viel erzählte !
Du mußt mir eine brauchbare Karte davon beschaffen !
Hella wird selig sein .
Sie war bereits ängstlich , es würde nichts daraus .
Und Jostel ?
was machen wir mit Jostel ?
Er muß mir unter allen Umständen in die Hand versprechen : nicht auf mißmutige Wege zu geraten , wenn ich fort bin , sonst habe ich keine Ruhe und bleibe , weiß Gott , lieber da .
Er muß vergnügt sein und sich etwas ganz Wunderschönes ausdenken zu meiner Rückkehr ! und mit Schreiben halten wir es , wie wir neulich besprachen : über hier , denn es wird schwer sein , direkte Briefe auf die Dauer vor Hella zu hüten , obschon ich auf jeden Fall ein eigenes Zimmer haben will .
Vielleicht hat Imhof einen nicht gar zu langweiligen Roman zum Übersetzen .
Denn wochen- und monatelang so gar nichts zu tun zu haben , ist am Ende auch kein Vergnügen .
Übermorgen Mittag in der kleinen Konditorei !
Wir gehen dann noch deine Sachen für die Mutter kaufen .
Meine Decke ist fertig , ein Sofakissen auch , und das Paket kann abgehen. XXXXVIII So , nun habe ich auch meine Riviera !
Gerlach war eben da .
Er wolle ein Album mit Lichtdrucken herausgeben : Rügen , in Wort und Bild .
Doch nicht bloß den üblichen Reklamekram und die landläufigen Schreibserien dazu .
Ein kleines Prachtwerk , auf das er und die ganze Firma stolz sein könne .
Was ich davon hielte und ob ich den Text schreiben würde ?
Fünf , sechs , sieben Bogen .
Hundert Mark für den Bogen ; wenn ich meinen Namen dazu gäbe : hundertfünfzig ! und für jede neue Auflage die Hälfte .
Er fahre im Frühsommer hin und photographiere .
Gerlach ! so ändern sich die Zeiten !
Aber ich freue mich darüber und vor allem über seine Anhänglichkeit , zumal ich ihn eigentlich immer schlecht behandelt habe .
Vielleicht kommt Hani dann auch für ein paar Tage und ... wir säßen wieder einmal am Meer und hätten unseren Wald und unsere Wiesen wieder und unsere alte selige Sonne !
Halte dir zu Weihnachten einen Abend frei .
Welchen ist einerlei .
Sylvester auf jeden Fall .
Dreiwegs werden dich wahrscheinlich haben wollen .
Aber das geht nicht .
Sage ihnen , du seiest da immer bei einem alten Freunde deines Vaters . Meinetwegen ... bei Professor Hartmut .
Er ist ja tot , doch das tut nichts .
Sage was du willst , nur laß dich nicht einladen .
Ich möchte auch noch was von dir haben. XXXXIX Schenken wollen wir uns nichts , so viel ich auch wüßte ! aber wir wollen uns wie immer einen Baum anzünden .
Weihnachten bei dir , Sylvester bei mir ...
Und das kleine Wachsengelchen aus deiner Kinderzeit muß wieder oben auf ... und unter den Baum kommt das Bild deines Vaters und das des meinen und der Mutter und Helmuts und deins und meins , damit alle beisammen sind ... und dann bauen wir meine Bücher auf .
Sie sollen auch dabei sein .
Es sind ja unsere Kinder .
Wir haben ja nicht bloß eins , wir haben ein ganzes Dutzend .
Und wir plaudern von ihnen :
das haben sie von dir und das von mir !
das bist du und das bin ich ! und was aus ihnen wohl noch wird ?!
... Und wenn die Lichter brennen , wollen wir uns still aufs Sofa sehen und den Arm um uns legen und ihnen zusehen und dem Baum und Mandolinchen singt uns ein kleines Lied , und wir singen mit .
* Himmele grau !
Aber guck :
es wird blau !
und ist_es auch nur ein kurzer Schein , wir wollen uns darüber freuen und wollen ihn uns zum Glauben machen , und fröhlich sein ! und wollen in Novembertagen die Hand uns geben und uns sagen : Laß wettern und wehen , es kann nichts geschehen ! und was auch Herz und Stirn uns furch , halte aus ! halte aus ! die Sonne kommt doch immer wieder durch !
* Und wenn die Lichter tiefer brennen , wollen wir uns einen Kuß geben und sagen : Wir sind zu alt geworden !
wir müssen wieder jung werden ! nur Jung- sein ist Leben ! wir dürfen unsere Sorgen nicht weiter Herr werden lassen ... sie haben uns so viel schon genommen ... wir können ihnen nicht die Türe weisen , aber sie dürfen nicht Hauptsache werden , sonst sind wir verloren !
Hüte vor dem Alltag , was du Heiliges hast !
Und ... wir wollen sagen : Wir wollen wie bisher feste Punkte für einander bleiben ... du für mich , ich für dich .
Feste Punkte muß haben in all dem Geschiebe und Getriebe , wer nicht mitgerissen werden soll ins Uferlose !
sie mögen noch so klein sein ! feste Punkte , die einem den Rücken decken und auf die man immer wieder zurück kann ... es ist ja alles Feindesland , das ganze Leben ... so wie die Mutter einer ist und Helmut !
Unsere Liebe soll der dritte sein ! und wir wollen sie rein halten vor den Menschen und heilig vor uns selbst und sie nicht zu Arbeitsorge und Grünkramhandel erniedrigen !
Und . sie . soll . feststehen , und wenn die ganze Welt ins Wanken käme ! und alle Stürme überragen ... wandelbar äußerlich vielleicht , aber immer fest und groß und stolz ... wie Rom im Wandel der Jahrhunderte ... und wenn auch eines Tags einmal die Hunnen kommen ... sie kommen immer !
sie kamen auch über Rom !
... und Tempel und Altäre brechen und verwüsten ... sie soll auch in ihren Trümmern groß sein noch und stolz und unvergänglich dann in Trümmern eben weiter dauern durch die Zeit ! XXXXX Und zu Sylvester zünden wir uns wieder den Baum an und alle Lampen und Kerzen ...
Es soll hell und froh und festlich sein und Wein und Blumen sollen auf den Tischen stehen Und wir wollen nicht traurig sein :
daß wieder ein Jahr vorbei , und wie törichte Kinder klagen :
es habe nicht gehalten und erfüllt , was es versprochen .
Das Jahr verspricht nichts .
Das Jahr ist nichts .
Wir sind das Jahr und wir müssen erfüllen , was wir wünschen !
Und wir wollen Geduld haben und Kämpfer bleiben und uns nicht vortäuschen :
was unseren Wünschen entgegensteht , es habe keine Berechtigung ! wir wollen nicht blind sein !
Wir sind zwei von Millionen und Abermillionen und müssen sehen , wie wir zurechtkommen und durchfinden .
Wir müssen das Leben nehmen , wie es ist , so weh es uns tut , und nicht bloß , wie wir es möchten .
Wir wollen seinen Forderungen und Nüchternheiten Rechnung tragen , so weit wir können , freilich ohne daß es uns die Quellen verschüttet , aus denen wir schöpfen .
Sonst finden wir überhaupt nicht mehr durch !
Wir wollen uns stählen damit und hart machen , bis wir so stahl und hart geworden , daß wir es sind , die befehlen !
Aber wie es uns die Quellen nicht verschütten darf , so soll es auch das Ziel uns nicht verwerfen , nach dem wir wandern , und unser Glaube daran soll am Himmel stehen , wie jener Stern , der die drei Weisen aus dem Morgenlande ihren Weg finden ließ .
* Wir wollen sagen , ganz klar und ruhig : Geld ? gewiß !
... es ist die Vorbedingung für alles , wie die Welt nun einmal geworden ist !
aber : Geld allein macht es nicht und ist weniger als nichts !
Es gibt auch noch anderes .
Es gibt noch Wertvolleres .
Es gibt Dinge , die das Leben dreimal reicher und kostbarer machen , als alles Geld der Welt vermag !
Freudigkeit in der Seele und Vertrauen und Zuversicht im Herzen ist freiere Höhe und auf die Dauer vielleicht siegendere Macht .
Und wenn es uns mitunter überfällt : auf was wir alles schon verzichtet haben ... wir wollen uns nicht trübe damit stimmen !
wir wollen uns aufraffen : Verzichtet ?
Nein , wir haben noch auf nichts verzichtet , wir wollen alles einmal noch haben , was wir träumen an Liebe , Glück und Glanz und Köstlichkeit ! wir haben nur gewartet , nicht verzichtet ! wir haben nur gewartet , weil wir es schlackenloser , reiner , freier , froher , stolzer haben möchten , auf der Höhe , nicht im Tal !
* Und wir werden es haben ! und alles !
.... ... ... ... ... ... ... .... wie Verschwender aber wollen wir dann die errungenen Kostbarkeiten ausbreiten um uns her und wer da kommt , soll nehmen dürfen , so viel und was er immer nehmen kann und irgend mag !
* Und wenn Kuckuckchen Kuckuck ruft , wollen wir sagen :
Kunst soll sein , was das Leben nicht sein kann !
Sie soll gut machen , was die Menschen an sich versündigen !
Sie soll uns das Herz hell halten und soll als Siegerin uns durch den Kampf helfen gegen alles , was uns binden will und unfrei machen ! gegen alles , was uns nicht sein läßt , wer und was und wie wir sind und sein möchten !
Eine Kunst , die das nicht kann , ist keine Kunst !
Sie soll uns eine Waffe sein gegen den Alltag und Ziel und Erfüllung über ihn hinaus !
* Und wenn die Glocken aufklingen , wollen wir ans Fenster gehen und sie grüßen und das junge Jahr , das sie segnen und bläuten , und uns die Hand geben :
Nicht erlahmen und nicht müde werden ist das einzige !
Und so frei und stark und stolz sein und so fest : dem , das einmal sein muß , sich zu fügen , so gut es geht , und zu genügen ! und zurückzudrängen , was wir träumen ... bis die Zeit kommt , die es reifen läßt !
Wir müssen mit uns selbst es und mit unserer Sehnsucht machen können , wie man es mit Blumen macht , die man vom Fensterbrett hereinnimmt , wenn der Winter kommt , und ins Dunkle stellt ... was abstirbt , würde doch nicht leben können !
Und treiben , wenn es Frühling wird , auch nur ganz wenige wieder frische Keime ... ein starkes Herz hegt längst schon tausend neue noch viel schönere Träume !
Zweiter Band Drittes Buch " Lieder eines Schwertschmieds "
Nun gilt es : nun zeige , daß du stark bist ! die Zähne zusammen ! und durchgerungen !
Klagen und Traurigsein hilft zu nichts , und macht nur müde !
Das Leben ist Krieg ...
Das alte Lied !
Um eine Stunde Frieden zu haben am späten Abend , gilt es , zehn im Kampf zu stehen !
Das ist so und wird wohl immer so bleiben ! und manchmal denke ich sogar : es sei gut !
Also Mut !
und fröhlich geblieben ! es soll uns noch lange nicht unterkriegen !
I Nun bist du fort !
nun kannst du gar nicht mehr kommen ! nun kannst du gar nicht mehr kommen !
... und die Rosen , die du brachtest , sind verwelkt !
Und ich ?! o , ich bin gar nicht , der du denkst !
ich lachte und tat stark und stolz und bin ... ein Kind ! und habe Angst , wie ein Kind : allein zu sein !
und sitze bei den Rosen , die du brachtest , und weine ! und weine !
ich habe Heimweh nach deiner Liebe , wie ein alter König Heimweh hat nach seiner Jugend !
Und ich habe dich nicht einmal geküßt !
ich habe dir nur die Hand gegeben , vor deinem Haus ... und wir scherzten : für ein Vierteljahr ... es sei ja kaum der Mühe wert , Abschied zu nehmen ! und ... ich höre immer noch den Schlüssel knarren , der mich auf die Straße schloß und in die Nacht ! und ...
Ich dachte , ich sei so stark !
ich dachte , ich sei gewappnet !
und sitze bei welken Rosen und begrabe mein Gesicht in ihre Blätter ! und weine ... wie ein Kind ! und weine ... wie ein Kind ! und dachte , ich könne gar nicht mehr weinen !
Und morgen kommt vielleicht eine Karte mit einem Gruß und dann ... dann weiß ich erst recht : daß du gar nicht mehr kommen kannst ! und wenn es draußen klingelt ... ich brauche gar nicht an die Türe zu gehen !
ich brauche gar nicht an die Türe zu gehen , wenn es klingelt !
... du bist_es doch nicht !
II Nein , nein ! habe keine Sehnsucht ! und verdirb dir nicht das Schöne , das du hast ! habe keine Sehnsucht ... ich weiß , was Sehnsucht haben heißt !
Denke nicht hierher , bleibe , wo du bist !
und freue dich jeder sonnigen Stunde ! wir hätten doch nicht , was wir träumen !
Sieh , wo du bist , ist Frühling ! die Bäume blühen und die Vögel singen und blauer Himmel leuchtet über blauem Meer ... und hier ?
... o ! hier ... ist alles kalt und alt und winterweh und Werktag !
... man wollte König werden und ist Narr geworden ! Hab keine Sehnsucht !
III Vergiß die stillen Stunden nicht ... im Wald , die wir uns stahlen , dann und wann , um auch einmal wie andere unbekümmert Arm in Arm zu gehen und uns zu freuen , zusammen zu sein ... spätnachmittags und gegen Abend um Sonnenuntergang !
Vergiß sie nicht , so viel sich drüber flicht an Schatten ! es war ja alles , was wir hatten ...
Und bleibe ihnen treu , wie sich_es auch füge !
und halte sie rein vor Reue und Rüge und laß sie dir durch nichts entweihen !
Es wird ja wohl auch weiter so sein , wenn überhaupt :
wir werden nur heimlich zusammen sein dürfen für zwei , drei Stunden in stillem Wald ...
Und werden wohl immer erst gegen Abend erst gegen Sonnenuntergang haben , mai-lang erwartet und erwehrt , was so viel anderen ... mühlosen Glückes ... früh schon an jauchzendem Mittag beschert !
IV Von Hani O es ist schön , wunderschön hier ! und ich habe dich lieb , Liebster ! und grüße dich und küsse dich und denke hundertmal am Tag : o , wenn Jost das hätte ! wenn Jost hier mit stände ! wenn Jost das sähe ! und ... keine Sorge ! keine Schule ! keine Unruhe ! nichts ! jeder Tag Sonntag !
Ich weiß nicht , ich möchte immer die Arme ausbreiten !
es ist alles so herrlich ! und ... mir ist , als ob ich_es eigentlich nur dir zu danken hätte ! und als ob andere gar nicht sähen , was ich sehe !
Mailand war Enttäuschung , auch der Dom. Riesenspielzeug .
Nur innen packte es mich und oben auf dem Dach , zwischen all den Turmkreuzen .
Es ist , als stünde man mitten in einer märchenhaften Klippeneinsamkeit .
Und alles Marmor und Marmor , bis auf den letzten Knopf hin !
Um so schöner war Genua .
Ich dachte immer an den Vater und an dich dabei !
Wie sich das aufbaut ! und dasteht ! jeder Häuserzug wie eine trotzige Brustwehr gegen die See : bis hierher und nicht weiter !
hier gebiete ich , der Mensch !
Und die Treppen in den alten Palästen !
Wir versuchten , sie mit der entsprechenden Würde auf und abzusteigen , doch vergeblich .
Die Menschen damals müssen eine ganz andere Art gehabt haben .
So besonders frühlingshaft ist es hier übrigens auch nicht !
wir dachten Wunder , wie grün es wäre !
wir dachten , es wäre hier jetzt , wie etwa bei uns im Mai oder im Juni , und es ist auch Winter und die Sonne geht schon recht früh über die Berge .
Wie kommt man zu solch queren Vorstellungen ?
wenn man ein bißchen überlegte , würde man sich sagen :
es kann ja gar nicht sein , und wäre weniger enttäuscht !
Es ist wärmer und ruhiger als bei uns , aber ein guter Ofen bleibt eben doch eine höchst liebenswürdige Erfindung , auch hier an der Riviera .
Ich schreibe dir , so oft ich kann , doch es wird wohl immer nur kurz werden , da Hella natürlich stundaus und ein um mich herum .
Sie kam in Mailand :
ich solle doch Du zu ihr sagen .
Ich sagte : gern ! doch es müsse dann gegenseitig sein !
Es war reizend , wie verlegen sie wurde , aber sie ist jetzt noch glücklich darüber .
Sie lacht und singt den ganzen Tag und man wird selbst wieder zwanzig dabei .
Schade , wenn man denkt , das so was über kurz oder lang dann irgend einem trübseligen Alltagsmenschen in die Hände fällt !
Ich habe ein Tagebuch angefangen und werde es dir von Zeit zu Zeit schicken .
Ich habe in meinen Briefen dann mehr Raum , von deinen Dingen zu plaudern .
Unser Haus liegt ein Stückchen am Berg hinauf , an der Straße nach Ruta .
Wir haben zwei kleine ineinandergehende Zimmer , mit der üblichen Ausstattung , aber mit großem Balkon und mit wunderbarem Blick .
Eine halbe Welt liegt uns zu Füßen : Rapallo , das Meer und die Berge des Apennin drüben , bis Sestri und weiter .
Unten am Ufer die Bahn , Tunnel an Tunnel .
Wir sehen vom Fenster aus alle Züge .
Klein wie Spielkram huschen sie vorbei und kriegen jedes Mal Grüße nach Berlin mit und abends warten wir immer den nach Rom ab .
Wie ein glühender Faden glitzert er auf und verschwindet im Berg , wie ein Mäuschen im Loch ... weg ist_es !
und ich denke dann immer , einmal sitzen auch Jost und Hani da drin und sind selig !
V Ich möchte aufräumen , so lange du fort bist ! und Hände und Herz mir frei schaffen ! es soll schön sein , wenn wir uns wiederhaben ! es soll Frühling werden endlich und Ostern !
Es liegt zu viel Liegengebliebenes um mich herum , nicht fertig Gemachtes , nicht zu Ende Gedachtes ... es zerrt an meiner Seele und macht mich unruhig , wie Feinde im Rücken , und zwingt mich immer wieder stehen zu bleiben ! und ich möchte weiter !
ich bin so wie so im Rückstand und habe nicht Schritt gehalten mit mir selbst und meinem Leben !
Ich wollte mit Dreißig mit dem Grundriß fertig sein , um ans Bauen gehen zu können ... und . es ist . noch immer . nicht . so . weit ! und bloßes Bauen ist doch auch nicht letztes Ziel ! man will in seinem Haus am Ende auch noch wohnen eine Zeitlang und ... leben !
und wäre es nur , um zu beweisen , daß es lebbar , was man wollte !
VI Herzblut lasse ich nun endgültig liegen .
Ich komme nicht in Stimmung dazu .
Es ist ja nur Kauf alles und Handwerk und Mache ... aber ... ich glaube , ich bin darüber hinaus ! der rechte Zorn ist mir allmählich abhanden gekommen und ohne Zorn wird es nichs ...
Es bleibt eben Bruchstück , was ich gewollt habe .
* Es sollte noch einmal der große Kampf werden um den Glauben unserer Jugend , den wir zu kämpfen haben , wenn wir aus der Heimat kommen :
» Über Bord mit deinen Träumen ! es sind Lügen ! die Welt ist anders , als du denkst ! « der Kampf , der eines Tages einen Riß in jedes Leben reißt , denn wir kranken alle an diesen Träumen ... wir glauben alle einmal : die Welt wäre , wie man in Kinderzeiten uns erzählt und wie wir hören und lesen .
Wir hören und lesen überall ja nur , was uns bestätigt , und nie , was uns verurteilt !
wir glauben alle einmal : die Menschen seien oder sie bestrebten sich wenigstens , zu sein , wie man uns sagt , man müsse selber sein .
Man zeigt uns immer nur das Ziel und nie den Weg !
wir nehmen alle einmal die Forderungen , die die Dichter und Richter der Menschheit aufgestellt , als erfüllte Wirklichkeit und bauen uns in kindlich gottgroßem Überglauben eine Welt zurecht , die es nie gab und niemals geben wird ... und des eigenen Lebens erwachende Kraft läutet die Glocken und wir stürmen auf und lichten die Anker und suchen und suchen und wollen finden , was wir suchen ! und was wir finden ... o , es ist nie und nirgends auch nur der Wunsch : ein eigenes Leben zu leben , einen eigenen Glauben zu glauben , eine eigene Welt sich zu schaffen ... es ist immer und immer alles nur Bequemlichkeit und Geschäft und Vorteilsucht !
Kauf und Handwerk und Mache !
Über Bord mit deinen Träumen ! es sind Lügen ! die Welt ist anders , als du denkst !
* Aber der rechte Zorn ist nicht mehr da !
ich kann nicht mehr darüber weinen ! lachen freilich , wie ich möchte , auch noch nicht !
Ich sage immer noch : die Wirklichkeit hat recht !
und beuge mich ihr und den Forderungen ihres Alltags , aber ... ich ereifere mich nicht mehr , wenn ich sehe : wie schon der bloße Schein genügt und wie alles nur Pappe und Leimfarbe ist und wie leicht es , König spielen können , wenn man die nötige Unverfrorenheit besitzt und nicht zu bürgerlich gesonnen bei der Wahl der Mittel !
ich ereifere mich nicht mehr ! das alles muß vielleicht so sein und war in keiner Gegenwart am Ende anders !
* Und Kunst ? und Kunst ?
Weißt du noch : wie wir uns vom Geschrei der anderen irre machen ließen und Sperlinge für Adler hielten ! wie wir uns von der eigenen Augenblicks-Begeisterung betören ließen , Messing für Gold zu nehmen ! wie wir uns von den Tatsachen äußeren Erfolges irre machen und zurückdrücken ließen ! wie wir mitunter heimgingen vom Theater , zerstört und zerbrochen :
ob auch uns einmal eine solche Stunde schlüge ?! und wie es uns umwarf , wenn am anderen Tag die Blätter schrien : ein neuer Dichter sei erstanden !
... und : Wo blieb dieser ganze Ruhm ? wo sind sie alle diese stolzen und bejubelten Sieger ? wer weiß noch was von ihnen ?
* Wir haben Dinge mit Kunst zusammengebracht , die gar nichts mit Kunst zu tun hatten und es wären Windmühlen gewesen , gegen die ich zu Felde gezogen , keine Ritter , keine Helden !
Und wenn es trotzdem mich zu Zeiten packt : wenn Gott und Welt Windmühlen Ritterehren erweist , daß ich auffahre : obs nicht doch der Mühe wert , zu einem Turnier zu satteln ... der rechte Zorn ist nicht mehr da .
Es war in keiner Gegenwart am Ende anders .
Wozu nach rückwärts kämpfen ? man kann Besseres !
Vorwärts ! weiter !
Lachen lernen ! und ... an dich selber glauben !
VII Und wenn sie es schroff nennen :
wenn ich sage : Du , der du es ernst meinst , halte dir den Kopf klar und das Herz ruhig :
Es ist ganz einerlei , was alles gedruckt und in die Schaufenster gelegt und auf den Bühnen gespielt wird , so viel Gutes darunter !
es ist ganz gleichgültig , ob der oder der nun noch fünf oder zehn oder fünfundzwanzig Jahre lang jeden Winter vielleicht ein neues Stück oder ein neues Buch zu Markte bringt und wenn die Zeitungen noch so laut in die Trompeten fallen ... auf die Dauer bleibt von allem doch nichts ! die Sonne , die im März den Schnee schmilzt , schmilzt es spurlos in die Erde !
Es ist ganz gleichgültig und hat nichts mit Kunst zu tun ! es ist alles nur : wie ein Töpfermeister Töpfchen dreht auf seiner Scheibe , hundert am Tag , wenn er lang genug ist !
... und wenn sie das schroff nennen ... ich fürchte , ich werde dann immer schroffer werden ... und wäre es auch nur gegen mich selbst !
* Ich weiß , die Leute nennen es » Dichter sein « : sich für einen möglichst verwickelten Vorgang irgendwo begeistern , für einen » interessanten Charakter « oder für irgend eine Frage , die gerade im Vordergrunde steht , heute rot und morgen tot ... und sich hinsetzen und die Sache zu einem Roman oder zu einem Stück verarbeiten , schlecht und recht und gottesfürchtig ... wie man in Alt-Nürnberg dichtete ! aber ich meine , wir müßten nachgerade weiter sein , als zu Hans Sachsens Zeiten selig !
* Und anderen wieder glücken ein oder zwei Würfe und dann ist_es aus !
Aber auch das ist_es nicht , was weiterhilft !
Einmal trifft auch ein Blinder ins Schwarze !
Es gilt auf jedem Punkt zu können !
Es gilt als Ganzer und auf der ganzen Linie zu siegen ! VIII Wir sollten weniger Künstler haben und mehr Menschen ! weniger Könner , mehr Woller !
Bloßes Können ist keine Kunst mehr ! und wenn ein Einzelner es noch so in die Höhe steigert !
Was man können kann , müßte man allmählich können ! und man könnte auch , man dürfte nur wollen !
Wer will , kann immer !
Genie ist Wollen ! Bloßes Können bleibt Handwerk , wenn der überragende Mensch dahinter fehlt ! und verfällt !
Bleibendes erzwingt nur der Charakter , und nur der höhere Mensch schafft Höheres ! * O , ich möchte aufspringen mitunter :
Sieht denn niemand : wie wir mit unserer ganzen Kunst , ja mit unserem ganzen Leben immer noch in bloßen Voraussetzungen herum hängen ! und daß wir nach keiner Seite mehr vom Fleck finden mit all den Kleinkinderschulbegriffen gewesener Zeiten ! daß wir endlich unsere eigenen Gesetze schaffen müssen und zu Tat machen rücksichtslos !
das ganze Leben entlang !
IX Das ganze Leben entlang , wohin man denkt ... auch nicht ein fester Punkt ! und feste Punkte sind_es , die Not tun , wenn wir weiter kommen wollen ! für jeden einzelnen wie für die ganze Zeit !
Wir zerreiben uns immer noch in Streitigkeiten um die bloßen Vorbedingungen ... in dieser Richtung läge kein Weg !
... anstatt uns endlich zu verständigen , so oder so , und alle Kraft vereint aufs letzte Ziel zu stellen !
Aber nirgends auch nur der leiseste Wunsch , aus diesem trostlosen Wackelawaia aller Dinge herauszukommen !
Es ist jammervoll , mehr als jammervoll !
X Gewiß :
wir wissen nichts und werden nichts wissen ! wir werden nie die letzten Schleier von den Dingen lösen !
wir wissen nicht , woher wir kommen !
wir wissen nicht , wohin wir gehen !
Aber : hat uns diese ganze klostergraue Weisheit auch nur einen Schritt vom Fleck gebracht , so lang die Erde steht ?
und bringt es auch nur einen Schritt vom Fleck , sie uns immer wieder als letzte Antwort vorzuhalten ? und wie Polizeiverwarnungen an allen Ecken in die Welt zu nageln : hier hört es auf !
Memento mori !
Wahrheit ? was ist Wahrheit ?!
Die Welt braucht Mut und Zuversicht und Freude ! und eine Handvoll Selbstvertrauen ist schaffender , als alles Wissen !
Amerika wäre heute noch nicht entdeckt , gäbs nicht mitunter Narren , die da lachten :
Wissen fand noch nie etwas , nur Glaube !
Gebt mir Schiffe und ich Schafs !
... und das ist vierhundert Jahre her !
XI Es ist so leicht , so leicht , wie sich_es die Menschen machen !
Sie sagen : es ist Schicksal !
ich vermag es nicht zu ändern !
Sie sagen : es ist Gottes Wille !
ich muß mich fügen ! es ist Vererbung !
ich muß es tragen !
Vorausbestimmung !
Verhängnis !
Unglück !
Tücke !
Pech ! es ist stärker als ich !
ich kann nichts dafür !
du kannst nichts dafür ! wir können nichts dafür !
Sie sagen nicht ein einziges Mal : es ist meine Schuld ! es geschieht mir recht !
ich hätte besser vorsorgen sollen und auf der Hut sein !
XII Es gibt kein Schicksal ! nein !
es gibt kein Schicksal !
Einer kann immer dafür ! und wenn man ehrlich sucht , ist man in neunundneunzig Fällen dieser Eine meistens selber !
Aber ... Epoche auf Epoche ! die ganze Geschichte !
O , was hat der Mensch nicht alles schon erfunden , seine Unmündigkeit und Unfreiheit und Feigheit zu verdecken ! und einer eigenen Verantwortung sich zu entziehen !
Wie ein kleines Kind sich vor dem » schwarzen Mann « fürchtet , fürchtet er sich vor dem bloßen Wort ! und heute mehr als je !
Anstatt aufzustehen endlich :
Die Verantwortung haben heißt Herr sein !
nur Knechte wollen keine Verantwortung ! nicht Gott , nicht Schicksal , ich bin meines Lebens Hüter ! und was ich will , sei mein Geschick ! XIII Wille !
Wille und Selbstzucht !
Wille allein ist Kraft ! und was da fehlt , sind Menschen : denen nicht Behaglichkeit das letzte Ziel : denen es Spaß macht , sich was zuzumuten !
Menschen , die gegen sich selbst zur Peitsche greifen können und lachend ihren Gaul zu Schanden reiten , wenn es einmal gilt ... aus bloßer Freude , sich im Zügel zu haben ! aus bloßer Freude , sich selbst gegenüber was durchzusetzen ! aus bloßer Freude , zu beweisen , was man kann , wenn man will !
Erst Zuchthaus , dann Freiheit !
XIV Man kann nichts gegen seine Natur ! und man soll auch nichts gegen sie wollen !
Manchmal aber muß man !
und es geht ! und ein ander Mal muß man wieder und sieht : daß es nicht bloß geht , sondern daß es ganz klug und gut war !
und schließlich geht es auch ein weiteres Mal und man entdeckt , daß einem ganz wohl dabei , und daß die Natur williger und nachgiebiger , als man dachte !
Und eines Tages ist es : als wäre eine unliebsame Schwiegermutter abgereist , und man fühlt sich zum ersten Mal eigener Herr im Hause und freut sich , wie glatt die Dinge sich erledigen ! und wie das ganze Gesinde aufatmet und gar nichts lieber will , als einem klaren wissenden Willen gehorchen zu dürfen !
XV Bei Karl .
Lisbeth ärgerlich und knetterig : sie sei müde und habe Kopfweh !
sie hätte die halbe Nacht über wach gelegen und es dann nach Tisch nachholen wollen , aber da sei der Kleine gekommen und es sei wieder vorbei gewesen !
Karl : wozu eigentlich das Kindermädchen da sei !
" Aber Gott !
er war so lieb ! "
Er zu mir :
Er war so lieb ! natürlich !
... aber daß sie nun müde ist und Kopfweh hat und daß mir dadurch ... nicht heute , heute bist du da !
... aber sonst der ganze Nachmittag verdorben und jede Stimmung , was zu machen oder nichts zu machen und wenigstens vergnügt zu sein , genommen wird , das ... das kommt gar nicht in Frage ! das Wichtigere wird ruhig dem Unwichtigeren geopfert , das zum Ziel Tragende ohne jedes Bedenken belanglosen Nichtigkeiten preisgegeben , die im Handumdrehen erledigt oder abgestellt sein könnten ! aber ... die Frauen sind so , und es macht ihnen Spaß , so zu sein ! und wenn man noch so darum bäte ! und wenn sie es selbst sogar einsehen !
sie können da einfach nicht mit !
Sie haben immer nur Energie ins Kleine und Nahe und nie ins Große und Weite !
Sie haben keine perspektive Energie ! und es ist hundertmal wichtiger und wertvoller , daß eine Frau sich frisch und munter hält , ihrer selber wegen in erster Linie , und ein Kind einmal dem Mädchen gibt , als daß sie sich mühsam wachzwingt , Kopfweh bekommt , krank macht , ins Bett legt und schließlich dann doch den ganzen Haushalt dem Mädchen überlassen muß und unsereinen womöglich mit !
der Mann hat kein Verständnis für dieses Vergnügen an freiwilligem Martyrium ! zumal er schließlich doch der ist , der dafür büßen muß .
Und morgen zerbricht eine Vase und übermorgen verbrennt ein Braten oder die Schneiderin verschneidet ein Kleid und so sorgt jeder Tag in bunter Abwechslung für neue Dinge , die an sich kaum zehn Worte wert , die aber zu Wichtigkeiten werden und allmählich ... das gesamte Leben ... in andere Linien schieben ... und plötzlich steht der ganze Zug auf einem toten Geleise ... und dann ... dann mag man auch nicht mehr und läßt ihn eben stehen !
Und es könnte so schön sein !! aber ... die Frauen sind so , und es macht ihnen Spaß , so zu sein !
XVI Weißt du , ich glaube , das ist unserer ganzen Sehnsucht letzter Wunsch : so leben zu können , so alltagslos in festlichem Gewande durch das Leben schreiten , wie wir in Büchern lesen , wie wir auf der Bühne sehen und auf Bildern und wie wir selbst wohl sind bei fröhlichen Festen !
Es ist der ewige kleine Alltag rundum , der uns nicht zu Freude kommen läßt , der immer wieder uns zu Boden bindet und die Kraft zerbröckelt ... dies immer neue Staubabwischenmüssen von den Dingen , um sie blank und klar zu halten , dies Ordnungschaffen- Uhraufziehen- und Maschinennachsehen-Müssen , das Getriebe des Tages in glattem Gang zu halten ... all die hundert unscheinbaren mühen Sorgen hinter den Kulissen ... von denen nirgendwo in allen unseren Büchern etwas steht und die wir selbst vergessen , wenn die Türe hinter uns ins Schloß fällt , und über die wir spotten , wenn andere davon reden , als von Wichtigem ! und sie sind zwei Drittel oder mehr noch jedes Tages und bevor wir noch zu Hause wieder , bevor wir noch die Treppe oben , stehen sie da und wollen ihr Recht und zerren uns des Abends heiteres Lachen aus der Seele !
Nicht erlahmen und nicht müde werden ... ist das einzige ! XVII Nicht bloß du und ich ... sieh , alle haben wir zu wenig Ruhe und zu wenig Zeit für unseren inneren Menschen ! und das ist der tiefste Urquell unseres ganzen Leide_es !
Das äußere Leben ist zu breit geworden und zersplittert uns an tausend Einzelheiten und es ist jeden Tag ein ewiger Kampf , nur mit dem Notwendigsten zurecht zu kommen !
Und wenn man einmal ein paar Stunden für sich hätte , anstatt sich still in eine Ecke dann zu setzen , Hand in Hand , zu ein paar Blumen , und auszuruhn und von Liebe zu plaudern und von Schönem und Frohmachendem verliert man sie an dumme zwecklose Verdrießlichkeiten und Ärgernisse und vergeudet sie mit leerem Hin und Her ob Dingen , die das Leben so wie so schon viel zu viel in Anspruch nehmen , und zu dem , was Not tut und was weiterhülfe , was hinaussehn ließe über Heute und Morgen und Glauben gäbe , Zuversicht und Fröhlichkeit ... bleiben nur verloren eilige Minuten ... und so stiehlt man selber sich das Beste ! und macht die Seele einsam , still und müde , wie Septembernebel die Wälder draußen einsam machen , still und müde ... bis schließlich ... Schnee fällt ! und dann ist_es vorbei !
Und wenn es Stimmungen und Träume sind und müßige Dinge ... für müßige Dinge Zeit haben , ist Glück ! XVIII Der schaffende Künstler brauche Stille und Einsamkeit .
Berlin sei glattes Verderben , dieser stete Lärm , diese stete Unruhe ringsum lasse niemand zu Sammlung kommen und zu innerlichem Reifen und man begreife nicht , wie man es hier aushalten und was schaffen könne .
Ich habe das so oft nun hören müssen , daß ich anfange , stutzig zu werden , ob es nicht auch nur bloßes Gerede ? ob es nicht auch nur eine der vielen Petrefakten Behauptungen unseres alten literarischen Landpostreglements aus Großvaterzeiten ? und ob dieser berühmte Einsamkeitsdichter nicht überhaupt nur Mythe ?
Was heißt Berlin ? was heißt Einsamkeit ? was heißt ... Schaffen und ... Dichten ?!
Menschen sind immer Lärm ! gewiß ! aber ... man ist unter Menschen , um die man sich nicht zu kümmern braucht , wenn man nicht will , einsamer , als auf dem menschenlosesten Einöddorf ... und je größer die Stadt , um so einsamer kann man sein ... wenn man will .
Man will nicht immer !
man will vielleicht um so weniger , je größer die Stadt und je mehr sie an Zerstreuung bietet , aber ... das gerade ist der Punkt , der entscheidet : freiwillig einsam sein !
Alles haben können , aber wollen ... nur , was deinem Ziel zu gute kommt !
Wenn man in Kopf und Herzen Ruhe hat , ist Lärm von außen einerlei !
so laut er sei ! nur freiwillige Einsamkeit ist fruchtbar , nicht durch Abgeschiedenheit erzwungene !
ich kenne sie auch , diese Einsamkeit im Gebirge oder am Meer !
sie schafft nur ein paar Tage , dann wird sie lauter und brüllender und zerbrechender , als aller Großstadtlärm !
ich kenne sie , diese Einsamkeit !
Außerdem aber ... ich will nicht Gelehrter , ich will nicht Mönch , ich will nicht Einsiedler , ich möchte ... Dichter sein !
ich muß die Fenster offen haben ... ich muß Leben hören ! und wenn es lärmt , so soll es lärmen !
ich will wissen was um mich vorgeht ! die Welt ist meine Welt !
ich grabe nicht in alten Büchern ! ich will auch keine neuen machen ! ich will Leben schaffen ! und abmessen können ... jeden Augenblick ... wie weit es trägt und ob es trifft , was ich will !
Doch sieh , wenn man so spräche , dann schüttelten die Leute verwundert den Kopf und kämen mit Witzen : wie und wo und wann ich dann am besten in Stimmung wäre ? und wenn ich darauf einginge : am freisten und wohlsten sei mir ... je nach dem ... auf der Eisenbahn ! würden sie lachen : wie man überhaupt gern Eisenbahn fahren könne !
Eisenbahnfahren sei etwas Entsetzliches ! und es sei nur ein Glück , daß ... daß ich dann eben jetzt auf der Welt sei ! obwohl es auch vor hundert Jahren schon ... ganz gute Dichter gegeben habe ! und wenn ich antwortete : das sei in der Tat der Unterschied zwischen damals und heute !
dann kämen sie mit Zeitungsweisheiten und Literaturstundenerinnerungen :
Goethe habe am besten beim Spazierengehen gedichtet und Schiller habe faule Äpfel auf dem Tisch haben müssen und Lord Byron und ...
Victor Hugo und ... Zola und ... ihr Blatt habe ganz kürzlich noch eine sehr interessante derartige Zusammenstellung gebracht !
... und da sitzt man da und macht mit :
Ja ja ! ja ja ! und ein berühmter französischer Dramatiker schreibe seine Stücke sogar im Schlaf und auch in Deutschland versuche man das mit immer größerem Glück ! und lacht und greift sich an den Kopf im stillen ! das sind nun die Menschen ... das sind nun die Menschen , für die man sozusagen sein Leben verlebt !! und schweigt und sollte eigentlich aufstehen und ans Glas klopfen : Verzeihung ! nein !
man dichtet weder wie noch wo noch wann am besten !
man ist nicht etwa vormittags von zehn bis zwölf oder nachmittags von drei bis fünf oder abends von neun bis elf Dichter , wenn man am Schreibtisch sitzt und Papier vor sich hat und es mit Versen , Novellen oder Theaterstücken beschreibt !
man ist nicht nur Künstler , wenn man vor seiner Staffelei steht und Leinewand , Holz oder Pappe bemalt ... man ist den ganzen Tag Dichter ! und ... Künstler ! und die ganze Nacht ! jeden Augenblick ! zu Hause , unterwegs , in Gesellschaft , im Konzert , auf der Eisenbahn , im Bett , in der Badewanne , wo Sie wollen !
Man ist es oder ist es nicht ! wie man Mensch ist oder eben nicht !
und man fragt niemand :
wie oder wo oder wann sind Sie am besten Mensch !
Aber ... man wird immer höflicher , je älter man wird ! und es verlohnt sich auch nicht : weder den Leuten klar zu machen , was Dichter sein heißt ! noch am Ende auch , es werden zu wollen !
XIX Ich möchte ... ganz gern ... wieder einmal ... Eisenbahn fahren ! aber es müßte der Mühe wert sein ! und wenn es auch ein paar Nächte vorher kostet , um sich den Rücken frei zu schaffen und aufzuräumen !
Es kommt wenigstens einmal dazu !
Zettel !
. Rechnungen !
. Briefe !
Zeitungen ! zurückgelegt , um das oder das wirklich einmal zu lesen , in Ruhe , nicht bloß zu überfliegen ! aber ...
Ruhe ?!
Ruhe ?! ach ja !
... Weg damit ! verloren ist ja schließlich auch nichts weiter ! und Bücher ... immer mehr und immer dicker !
Jedes einzelne ein lauter Vorwurf !
Man müßte ! und möchte auch ganz gern ! aber wann ? wann ?!
Ins Rück damit !
vorläufig wenigstens , bis man zurückkommt !
man muß fertig werden ! es ist Zeit ! und ... und man wird_es ! und packt ! und ... schließt ! lebe wohl !
und geht und ... sitzt auf seinem Platz endlich ! ein bißchen müde , übernächtig und frierig ... aber einerlei !
man hat_es gezwungen und es geht einmal was anderem entgegen !
und wäre_es auch nur für ein paar Tage ! und ... man dehnt und reckt und rückt sich und es fährt los endlich und ... man atmet auf : Kein Mensch kann einen nun mehr stören ! kein Briefträger kann mehr kommen , kein Besuch , keine Anfrage , kein Fernruf ! nichts ! nichts ! man ist gar nicht aufzufinden !
man ist überhaupt nicht auf der Welt ! und hat Zeit !
Zeit ! zehn , zwölf ganze Stunden ! und gar keine Möglichkeit , auch wenn man wollte , Briefe zu schreiben oder Manuskripte zu sichten oder ... oder ... sich um Haushaltungsdinge zu kümmern ! oder Besorgungen zu machen ! oder sich für eine Gesellschaft umzuziehen , für ein Theater oder für ein Konzert und trotz aller Hetzerei doch der Letzte zu sein ! oder auf seine Liebste zu warten , die versprochen , zu kommen , und nicht kommt ! oder überhaupt etwas Vernünftiges zu tun ! gar keine Möglichkeit !
Man ist zehn , zwölf Stunden aller Schererei überhoben und allein und kann dasitzen und seinen Mitmenschen zusehen , im Zug oder auf den Bahnhöfen : wie unglaublich unselbständig und dasig die meisten sind ! und wie rücksichtlos dabei ! und wie unvergnügt ! wie unvergnügt ! und kann man sich in seine Ecke zurücklehnen und durchs Fenster kucken und sich freuen : wie gut das Korn steht , wie saftig die Wiesen und wie grün die Wälder und wie blau der Himmel und wie golden die Sonne und wie schön , wie so wunderschön doch eigentlich die Welt ! und kann nichts tun , nichts , als allenfalls ... Verse machen ! und kommt bei alledem , ohne die Hand zu rühren , mühelos , wohin man will !
Und das nennen die Leute etwas ... Entsetzliches ! vielleicht jedoch ist vergnüglich Eisenbahnfahren- können auch ... eine Kunst und ... auch wieder eine besondere Begabung ?!
XX O man kann an alles Mögliche denken ... auf einer solchen Fahrt !
Man ... man kann ... die Pferde satteln und man kann alle seine Horizonte einmal abreiten und die Posten revidieren ... einziehen , was überflüssig geworden und andere da und dorthin vorschieben ! man kann die verschiedenen Lager alarmieren , ob es klappt ? ob sie vorrücken und Fühlung mit einander halten ?! oder ... wo was liegen blieb !
O , man kann an alles Mögliche denken !
Vor und zurück !
es wird ja immer breiter voraus und man kommt immer weiter weg von allem , das zurück liegt !
Erst war es zwischen stillen grünen Hügeln ein stilles abgelegenes Tal ... nun ist_es die Welt !
Robinson hat man werden wollen !
Kolumbus !
Kreuzfahrer !
Herzog !
König ! und eine Burg hat man sich bauen wollen ... so stolz und groß und fest , wie das alte Schloß , das über dem Städtchen ragte ... nur nicht so düster und schweigsam !
... mit offenen Fenstern und Balkonen ins Tal hinunter ! mit wehenden Fahnen auf den Türmen und mit Gesang und Saitenspiel in den Hallen ! und die Schönste sollte ... Herrin sein !
O , man kann an alles Mögliche denken !
Man kann an seine Liebste denken !
wie es wäre , wenn sie hier mit säße und so durch die Welt mit führe ! wie vergnügt sie wäre ! wie ihre Augen leuchten würden ! wie sie immer wieder was zu zeigen hätte : Du , sieh Mal , guck : die Ruine dort ! aber schnell ! ehe sie wieder weg ist ! und hier , im Tal : die Mühle und der Bach ! wie auf alten Kinderbildern ! und auf der Wiese drüben : der Schäfer und seine Herde !
ich dachte , das alles gäbe es gar nicht mehr ! und die Landstraße unten ! o , wie schön es sich da gehen müßte ! und wie treu und lieb : den ganzen Mittag schon läuft sie neben der Bahn her und wenn sich Berge vorschieben , zieht sie in Bogen über sie weg oder sucht ganz schnell um sie herum und kommt immer gleich zurück ... weißt du , wie eine Mutter , die Angst hat , ihrem leichtfüßigen Kinde könne was geschehen , wenn sie es allein läßt !
... oder sie würde sich in die Ecke huscheln und ein Nickerchen machen :
aber wenn es was zu sehen gibt , mußt du mich wecken ! und bei Zeit !
O , man kann an alles Mögliche denken !
Man kann denken : wie schön das wäre ! und man kann denken : warum es eigentlich denn nicht so ist !?
Man kann ... sein kleines schwarzes Buch hervorholen und blättern und rechnen :
Das und das hättest du haben können vom Leben und hast es nicht gehabt ! warum ? und das und das hast du dafür gewollt ! und hast du_es erreicht ? auch nur zur Hälfte ? auch nur zu einem Drittel ? auch nur zu einem Bruchteil ? und was du erreicht hast , war es das wert , was du dafür nicht gehabt hast ? und ... anstatt den Menschen , die dich gern hatten , Freude zu machen , hast du ihnen nicht immer nur Kopfzerbrechen und Unruhe und Aufregung gemacht ? deiner Mutter , den paar Freunden , deiner Liebsten ?! und vor allem und am meisten dir selber , Zeit deines Lebens ?!
Deine alten Schulkameraden sind alle längst in Amt und Würden , haben Haus und Weib und Kind ... und du ?!
... und du !!
was gibt dir ein Recht , etwas Besonderes zu wollen ?
was gibt dir ein Recht , zu reden , wie du redest ?
was hast du geleistet ? zeigen !!
Du willst die Welt ändern und kommst mit deinem kleinen Leben nicht zurecht !
... O , man kann an alles Mögliche denken , auf einer solchen Fahrt , Hani ! man kann an alles Mögliche denken ! und ... zehn , zwölf Stunden so allein mit sich zu sein ... o ja , o ja : es kann schon entsetzlich werden !
XXI Weißt du ... ich glaube , es geht mit allem so ! bei jeder Erfüllung , von der man träumt !
Man wartet und man freut sich wie ein Kind den ganzen endlos langen Winter , und wenn es friert oder regnet und schneit und mitten am Tage trüb wird und Nacht ... man mummelt sich in den Mantel und lacht : je tiefer die Wege draußen verschneien , um so früher muß es vorüber sein !
Und wenn es dann ganz leise kommt , ganz leise mit wieder hellerem Schein ... wie will man sich darüber freuen ! wie will man auf der Lauer stehen , um ja das erste Keimchen zu sehen , und jauchzend jedes Veilchen grüßen und selber , o , ganz Frühling sein !
Und dann ... dann kommt der große Regen , der immer kommt , vor jeder Erfüllung ... der Regen , von dem man sagt : ja ja !
doch sobald er vorüber , ist es da !
Und so wird_es März und wird_es April ...
Wie sputet man sich , aufzuräumen im kleinsten Winkel : in Ordnung zu sein und wenn es da ist , Zeit zu haben : sich zu freuen !
Und eines Morgens wacht man auf und steht und staunt und traut den eigenen Augen kaum : als ob ein Wunder wäre geschehen , ist alles , o , so grün , so grün und ringsumher ein Sprossen und ein Blühn und Glühn , als ob es schon seit Wochen , seit Wochen Frühling wäre !
Und jenes erste heimliche Werden , das man so köstlich sich geträumt ... man hat_es nun doch ... versäumt ! XXII Das müssen wir immer noch weiter üben , ohne das Herz uns zu trüben : wonach wir uns mühn und was wir hoffen : anderen zu lassen ! und ohne Neid dabeizustehn und zuzusehn , wie sie_es vergeuden und verprassen ! XXIII Gute Nacht für heute !
ob du noch wach bist ?
es schlägt eben Mitternacht vom Turm ... und fängt an zu regnen !
Große geheimnisvolle Tropfen , laut und schwer aufs Gesimse schlagend ... und in langem Riß zwischen weißen Nebelwolken der Mond , hell wie Silber ... und wenn du schläfst , träume was Schönes !
Meine Gedanken stehlen sich zu dir und setzen sich an dein Bett und sehen dir zu , wie du schläfst , und halten Wache , daß dir nichts geschieht , wie der Mond draußen Wache hält über der schlafenden Welt ... und morgen früh flittre ich als Sonnenstrahl in dein Fenster und küsse dich auf die Stirn und du schlägst die Augen auf und siehst umher und lachst : die Sonne ! XXIV Vorwärts ! vorwärts !
... o , deine Uhr ist wieder so grausam !
Vorwärts ! vorwärts ! durch Sturm und Schmerz ! und brächs das Herz ! vorwärts ! vorwärts !
All die Tage schon Predigt sie_es , unerbittlich ! und peitscht und peitscht ! und ich weiß nicht , was sie will !
ich werde ihre Bleigewichte abhängen !
... ihre Bleigewichte sind es , die sie so treiben !
... doch ... nein !
... sie sind ja ihr Leben !! und sie hat recht ! vorwärts ! vorwärts ! und hart werden !
Vielleicht aber wäre sie nicht so ernst , wenn ein Sekundenzeiger dabei wäre !
was immer so tagaus und ein zusammen durch die Zeit geht , muß Fröhlichkeit und Jugend haben , sonst wird es ernst und schweigsam ... vielleicht ist sie nur deshalb so hart , weil ihr Freude fehlt !? o , ich könnte Stunden lang zusehen , wie er bergauf und ab spränge , leichtfüßig , lustig und mit Kuckuckchen Kuckuckchen spielte und atemlos davonliefe , wenn er es endlich aus seinem Neste gelockt ... Nein , es sollte keine Uhren geben ohne Sekundenzeiger !
Uhren ohne Sekundenzeiger sind wie Menschen ohne Jugend !
* Ich werde die Jalousien schließen ... und alle Lampen und Lichter anzünden ... und die Diener sollen mit Wein kommen und Flöte soll Krone und Mantel bringen ... und die Minister sollen antreten ... es behagt mir , lustig zu sein !
ich will lachen !
ich bin es müde , dieses ewige Denken ! und diese ewige Schwere überall !
Musik !
Gesang und Geigen !
Tanz und Spiel !
Freude fehlt !
wir nörgeln zu viel !
wir werden zu weise , wir werden zu schwer , wir lachen zu wenig ! wer weise , ist : Bettler , wer lachen kann : König !
* Doch nein ! die Minister sollen lieber nicht kommen !
Minister sind auch nur Dinge , die nie vergnügt sein können ! und immer nur denken wollen ! sie sollen an ihren grünen Tischen bleiben , wo ihnen ja doch wohler ist !
Ich sehne mich nach grünen Wiesen !
Leben , nicht schreiben !
Die Welt ist tintig genug ! und ...
Tinte ist Tod !
Ein Fest ohne Königin freilich ... nein ! löscht die Lichter ! ein Fest ohne Königin ist kein Fest !
Mandolinchen soll kommen ! nur der Narr mag noch da bleiben !
er allein stört nirgends ! man war ja immer selber , was er ist ! und wird es immer aufs neue !
* Ich will mich auf meinen Thron setzen und will den Kopf in die Hand stützen und in die Ferne sehen und an Jugendtage denken ... und Mandolinchen soll mir das Lied ihrer Torheit singen , das Lied des armen , alten Königs ... man hat vom Leben nur , was man ihm nimmt ! warum nicht nimmt man , was man nehmen könnte !
... * Du bist so jung , du bist so lieb , du bist wie ein kleines Frühlingslied , du bist wie Maitagsonnenschein , so jung und lieb ... und ich , o Gott , ich bin so Stein , ich bin so kalt , so alt , so müde !
Du kommst und bringst mir lauter Rosen und sagst : nicht danken ! nein , nein , nein !
ich möchte dich nur fröhlich machen , du bist so still und so allein !
Du kommst und gibst mir beide Hände und bittest leis : auch wenn du schiltst , da , nimm ! nimm mich und meine Rosen ! und mache , mache mit uns , was du willst !
Und du bist so jung , du bist so lieb , du bist wie ein kleines Frühlingslied , du bist wie Maitagsonnenschein , so jung und lieb ! und ich , o Gott !
ich bin so Stein , ich bin so kalt , so alt , so müde !
* Noch eins , Mandolinchen !
Sieh nur , wie der Mond durchs Zimmer spinnt und wie die alten Bilder an der Wand auflächeln ...
Aber denke nicht , ich sei König !
auch wenn ich auf dem Throne sitze !
ich will es gar nicht sein !
ich habe kein Land ... nirgends ... ich bin nicht König !
ich bin ... ein Kind , wie du , das irgendwo aus ferner Heimat sich in diese fremde Welt verlaufen und Heimweh hat nach seinem Sonnenland ... Denke :
du seiest ich und ich sei du !
... und lösch die Lampe ... und singe mich in Schlaf ! es träumt so schön sich , wenn die Saiten klingen !
* Gute Nacht ! gute Nacht ! Schlaf wohl ! Schlaf wohl ! gute Nacht und träume was Schönes !
Du weißt doch , was man träumt , wird wahr , und wäre es noch so wunderbar ! gute Nacht ! Schlaf wohl ! gute Nacht !
Ich Sitz an deinem Bett und singe und halte gute Wacht ! gute Nacht ! gute Nacht !
Gute Nacht ! gute Nacht ! Schlaf wohl ! Schlaf wohl ! gute Nacht und träume was Schönes !
Auch morgen ist wieder ein Tag wie heute , und wenn dich meine Liebe noch freut , und wenn der Weg dir nicht zu weit , dann gehen wir und pflücken uns Rosen ! wie heute ! und spielen und küssen und kosen wie heute !
Ich Sitz an deinem Bett und singe und halte gute Wacht ! gute Nacht ! gute Nacht !
XXV Von Hani Es schlägt eben zehn und der Mond steht über dem Meer und ich denke an meinen Liebsten und möchte , er wäre hier und wir könnten , statt einander zu schreiben , draußen im Mondschein sein oder ein bißchen hinausrudern oder ...
Innigen Dank für deine Grüße und die lieben Blätter vorige Woche .
Es ist eigentlich ein sonderbares Ding , so ein Brief .
Ein Stückchen Papier , Name und Marke darauf und irgendwo in einen Schalter gesteckt , und es wandert durch die halbe Welt und kommt und findet und liegt auf meinem Tisch und sagt mir guten Tag und bringt mir Grüße und erzählt mir : heute macht mein Liebster das und morgen das !
Ich kann mir kaum vorstellen , wie die Menschen lebten , als es so etwas noch nicht gab !
Rat einmal , wen ich traf ?
Frau von ollen !
Wir standen am Samstag Morgen auf der Post plötzlich nebeneinander und du kannst dir unser Erstaunen denken !
Ich war dann zum Kaffee bei ihr und mußte erzählen , was ich irgend wußte , von dir und mir , und wenn wir uns dieses Jahr wieder so wenig sehen ließen , würde sie ernstlich böse .
Vorgestern machten wir mit Hella einen Wagenausflug zusammen nach Ruta .
Martin gehe es gut .
Sie hatte noch kürzlich einen langen Brief von ihm .
Dora ebenso !
Sie bleibt noch diese Woche und geht dann nach Florenz .
Es ist immer noch die gleiche liebe prächtige Frau .
Hella wird von Alt und Jung immer mehr verwöhnt und Hani desgleichen .
Beim Abendessen sitzt uns ein junger Privatdozent gegenüber und fühlt sich verpflichtet , uns über neuere Literatur aufzuklären .
Ich weiß natürlich von gar nichts , und es ist ... recht scherzhaft mitunter .
Nächste Woche machen wir bei einer Wohltätigkeitsgeschichte für einen verunglückten Rappallesen mit , die von einer Frau Bürgli-Ermatingen ausgeht .
Wer was kann , muß mittun .
Ich werde Beethoven spielen und Gedichte von Jost Seifried vorlesen und Hella soll ein paar Lieder singen .
Und nachher wird getanzt ... ohne das geht es offenbar auch hier nicht .
Hani als Ballmutter !
Das Wetter war miserabel die letzten Tage ... alle Stunden ein Regenguß , gerade wenn_es wieder trocken geworden ... und Hella hat mir gestern Nachmittag die ersten drei grauen Haare ausgezupft .
Aber es wird trotzdem Frühling !
Wir haben hier ein Amselchen im Garten und wenn wir ihm Futter geben , zwitschert es ein wenig , beim Aufpicken ... und ich denke , so wird es immer mehr zwitschern , bis ihm sein ganzes Lied wieder einfällt , und wenn es das singt , ist_es Frühling und ... Sommer ! und Hani will sich dann auch mehr Zeit für ihren Liebsten frei halten , vorausgesetzt , daß er damit einverstanden ist .
Im allgemeinen aber sind die Menschen hier wie überall .
Große Titel und feierliche Worte , und wenn man ein paar Mal mit ihnen zusammen war , ist man um ihre sämtlichen Grenzen herum und merkt , wie wenig eigentlich dahintersteckt .
Es ist alles bloß Schauseite , und ich ärgere mich über mich selbst , daß man sich immer wieder dumm machen läßt .
Wie alt muß man eigentlich werden ?
Und so besonders vergnügt , so wie man meint , daß da sein müsse , wer an der Riviera sitzt , sind die Leute auch nicht .
Sie kommen auch hier nicht über ihr kleines Werktagweh und über ihre Unbehaglichkeitskümmernisse hinaus . XXVI Vor einigen Tagen kam ein junger Mensch , der mir einmal Gedichte geschickt hatte :
er möchte einen Aufsatz über mich schreiben !
ich hätte schon so viel gemacht und man finde nirgends etwas Zusammenhängendes darüber ... ob ich ihm vielleicht ein paar Unterlagen gäbe ?
Ich ließ ihn auskramen und erzählen und ... mir wurde dabei zu Mut ... wie dir vielleicht damals bei Dreiwegs .
Denke dir , du sitzt still in deinem Zimmer ... deine Bücher und Bilder um dich her ... und denkst an das Ziel , dem es gilt ... zwischenhinein vielleicht an deine Liebste ... oder du stehst am Fenster und kuckst nach dem Wetter : das ganze Land , so weit es liegt , in drängendem Frühlingserwarten , am Himmel aber Sturm ... wie gestern , wie vorgestern ... wie immer ... Sturm , Sturm und Sturm , stiller oder lauter ... und die Türe hinter dir geht und ein wildfremder Mensch tritt herein und redet dir von deinem Leben und weiß von Dingen und Gedanken , die nur du allein wissen kannst ... die Jahrzehnte zurückliegen und für dich selbst von heute kaum mehr weiter sind , als für einen Baum im März , den es zu neuer Blüte drängt , die Frucht , die er im Herbst zu Boden schüttelte ... und sagt dir :
Das und das war Ihr Weg und Ihr Ziel ... aber Sie wollten nicht in frischfrommfröhlichem Übermut ins Blaue hinein losreiten , um eines Tages plötzlich weder vor noch zurück mehr zu wissen , sondern Schritt für Schritt sich festen Boden schaffen ... so und so und da und dahin ... Bücherschreiben ist ja so leicht , wenn man es nicht schwer nimmt !
... und ...
Sie haben mir Licht und Sonne gegeben , als ich mich verloren hatte ... ich möchte Ihnen das danken !
... ein wildfremder Mensch , der besser Bescheid weiß in deiner Seele , als ... Freunde und ... » Gleichgesinnte « und » Mitstrebende « , mit denen du Jahre lang zusammen gesessen , und nur weil er mit suchendem Herzen gelesen hat , was du gemacht , und darüber nachgedacht .
Am meisten freilich freut mich , und das muß auch dich am meisten freuen , daß ich sehe : wenn jemand sich die Mühe nimmt , dem nachzugehen , das ich wollte , daß er mich dann doch auf Punkten trifft , zu denen nicht so schnell nachfindet , wer nicht von vornherein seines ganzes Leben darauf eingestellt ! und daß der Weg , den ich ging , so oft ich auch seitaus getrieben wurde von Wind und Wetter und Wissenschaft , trotz allem Zickzack doch eine ruhige und gerade und weiterführende Linie zeigt !
Zu Geld und zu » Ruhm « hat man es immer noch nicht gebracht !
Vielleicht aber gibt es doch eine Handvoll Menschen auf der Welt , denen man was geben konnte ! und das wäre schöner als Geld und köstlicher als Ruhm ! und ... ich grüße sie ! wer und wo sie auch sein mögen ! XXVII Das ist vielleicht das letzte Wertmaß ... ganz aufs Alltägliche gebracht : ob man immer noch etwas will , auch wenn man nicht mehr nötig hätte , noch etwas zu wollen .
* Vor zehn Jahren ... o , man hätte die Welt erobert , vor zehn Jahren , als man noch an langem Tisch beisammen saß und jung war !
man hätte die Welt erobert , wenn man zusammengehalten hätte ! alle Bedingungen waren gegeben ! aber man hielt nicht zusammen und so ist es nur ein Sieg Einzelner geworden und an einzelnen Punkten , kein Sieg des Ganzen !
Keiner vergönnte dem anderen , wenn er einen Fuß vorkam .
Jeder wollte der Alleinstarke und Alleingroße sein .
Jeder wollte in kleinlichster Eifersucht sein Abc für sich haben und ärgerte sich , wenn der andere eine blaue oder grüne Flagge wollte .
Rot gelte !
Rot allein siege !
und statt daß man als geschlossener Haufen losgezogen wäre , wie es andere machten , und die Sache zum Sieg gebracht , rückte einer um den anderen allein ins Feld ... lauter Generale ohne Regiment !
... und einer um den anderen wurde so nun eben einzeln abgeschossen .
Ja , ja ! es ist ein trauriges Lied , das Lied von den alten Stammtischen ! XXVIII Flöte würde sagen : Nein ! es ist ein lustiges Lied ! es ist ein lustiges Lied , das Lied von den alten Stammtischen :
Nicht einer dachte anders als die anderen , und war auch Wappenspruch und -schild verschieden , es galt dem einen gleichen Ziel : den Bann zu brechen , der zu brechen war ! und jeder schwor als Winkelried sich vor den Feind zu werfen :
Einer für alle ! alle für Einen !
Doch als es sich begab dann , daß ein Feuerzeichen dem Lauschenden verriet , die Zeit sei da ... verhallte antwortlos der Ruf zum Streit ! und weder Roß noch Reiter war noch Knecht zu sehen !
Nur als der Morgen dann die Dämmerung löste , konnte man erkennen : wie sich allenthalben das Land hin über Stock und Stein ein zwei , drei Mann hoch Häuflein Ritter trieb ... und jedes irgendwo seist Dorf seist Burg sich in den eigenen Säckel zu befreien suchte ! oder auf fettem Hof ein freundliches Quartier bezog , um ohne Blutvergießen , stolz : nec soli cedit ! sich den verdienten Lorbeer sieghaft zu ersitzen !
Wie es einer will , also Geschichtes ! nur mit der Winkelriederei ... war_es nichts ! XXIX Und es hatte so schön angefangen !
Was wir wollten , war : Verinnerlichung , Natur und Natürlichkeit ! und vor allem : Menschen , die nicht bloß auf wohlgenährten Gütern wohnten , sondern auch sonst noch Sinn für etwas hatten und für die das Leben nicht bloß aus Liebesgeschichten mit unheimlichen Gouvernanten und heimlichen Königstöchtern bestand ... und auf der Bühne : Ritter , die Ritter waren und nicht bloß Blech !
Fleisch und Blut und Kerle , wie der alte Götz , nicht bloß schönlackierte Jambengestelle ... und wenn wir derart nach Menschen riefen , die nicht bloß Papier sein sollten , so galt das in erster Linie unseren Herren Dichtern selber :
sie sollten weniger Papier sein und zeit- und lebensmöglicher und ausziehen , die Zeichen zu deuten , die geschahen !
Die Wissenschaft der ersten Jahrhunderthälfte , die den ganzen schönen Selbstbetrug , mit dem der Mensch sich ins Dasein gestellt , unerbittlich niedergebrochen , und all die äußeren Ereignisse vorher und nachher hatten die gesamte bisherige Welt über den Haufen geworfen und was Not getan , das wären Dichter gewesen , die da zugegriffen und versucht hätten , wieder Boden zu gewinnen und dem Rationalismus der Zeit Form und Weihe zu geben und ihn weiterzuführen und zu klären oder wenigstens : Menschen zu schaffen , die auch in dieser gebrochenen Welt noch aufrecht geblieben und dem Geschrei über die zusammenstürzenden Gewohnheiten die Stirn geboten , klar und rücksichtslos :
» Laßt fallen , was fallen muß !
es war nichts Besseres wert !
wir wollen froh sein darüber und einen anderen höheren Himmel wölben und an den Grundriß gehen einer neuen , stolzeren Welt ! «
Das war unser » Naturalismus « ! und ... so bin ich nach Berlin gekommen und so sind wir alle wohl damals nach Berlin gekommen ! und so haben wir uns gefunden ... an langen Tischen ... in langen Nächten !
Doch ... dann kamen die Schlagwörter und schlugen alles tot und zerrissen die stolze Fahne zu hundert lumpigen Fetzen ! und ... was Not getan hätte , es täte noch immer Not , es wäre noch immer nicht zu spät ! aber die Fackeln sind längst zusammengeworfen und erloschen !
Man fand den rechten Weg nicht und die rechte Form .
Man hatte zu früh und zu ungerüstet angefangen und zu wenig Geduld und Zeit im Kampf mit dem äußeren Leben , sich und was man wollte , in Ruhe zu reifen ! vielleicht auch zu wenig Kraft !
XXX Wir ... hatten ... eine Königskunst geträumt ... und es ist alles so niedergebunden , so unfroh und trübselig , so im letzten Grunde hoffnungslos und ohne Zukunftsglauben , so wie ein Mensch , der einem » Schicksal « verfallen ist und sich darüber hinwegzutäuschen sucht in krankhaftem Festklammern am Augenblick und an Äußerlichkeiten ... was unsere ganze neue Kunst bisher zu schaffen vermochte !
Bis auf ein paar Anfänge , denen man den Boden abgrub , ist nirgends etwas entstanden aus einem Geist , der über die Not der Nähe hinaussähe und hinaussuchte über das Wirrsal der Zeit !
Sehnsucht genug im stillen , aber nur Sehnsucht und nirgends ein Aufraffen , das bleierne Novembergrau über uns zu brechen und einen Schein von blauem Himmel durchzuzwingen ! nirgends ein bißchen innere Freude und Befreiung ! alles nur Werktag , Mühsal , Kleinlichkeit , Verbitterung und ... Verstand !
O und nur wahr und verständig sein wollen , ist Ziel der Wissenschaft und nicht der Kunst ! und ewig ist nur : was aus Überlegenheit und Liebe oder aus Zorn oder aus Siegerfreude heraus geboren !
Es ist alles nur von unten gesehen , aus der Tiefe ... es ist der Geist des kleinen Mannes , der es denen , die er über sich in Freiheit schreiten sieht , gleich tun möchte , der sich in aufflammendem Ehrgeiz über die Schranken , die ihn niederhalten , hinwegkämpft , der aber doch nicht über seine Kinderstube hinauskommt und auf der Höhe dann weder mit sich selbst noch mit der Welt mehr etwas anzufangen weiß .
Aber freilich : dieser Geist des kleinen Mannes ist der Geist der ganzen Zeit :
sie will die Maße ! keine Herren und Sieger und Könige !
Maße ! und was dieser zuträgt !
Sie hat sich das Ziel aufs Große forschen und zweifeln und witzeln lassen und klammert sich nun an Augenblicksdinge , an Äußerlichkeiten , an Ausschnitte und arabeske Einzelheiten und verkündet sie als letztes Ziel , anstatt den Versuch zu machen , sie zu einem einheitlichen weitertragenden Ganzen zusammen zu schließen ! und wo Erkenntnis wäre , fehlt der Wille ! und wo Wille wäre , fehlt an Zucht ! XXXI Ich kam als junger Fant von neunzehn Jahren , als man von allen diesen Dingen , die so groß im Vordergrunde stehen , noch kaum was ahnte , mit meinen Versen eines Tages zu einem unserer berühmtesten Ästhetiker und Dichter ...
Er lobte sie , meinte aber :
sie seien zu persönlich ! und sagte :
er möchte es machen , wie es ein Spätklassiker einmal mit einem jungen Dichter gemacht habe , der auch so persönlich gewesen .
Er habe ihn ans Fenster genommen und ihm ein Hökerweib auf der Straße gezeigt und gesagt : wenn er ihm Gedichte bringe über die Welt dieses Hökerweibes und aus ihren Gedanken und Anschauungen heraus , würde er ihn für einen größeren Dichter halten !
Ich ging heim mit dieser Lehre , recht schweren Herzens ... und sah meine Verse an und lief auf den Markt und stellte mich hin und hörte zu : wie und wovon die Leute da miteinander sprachen ... und je länger ich stand , desto leichter wurde mir wieder ! und ich ging nach Hause und gab nun acht auch auf andere Menschen und ihre Welt , und schlug Bücher nach , wie Könige redeten , und suchte , wie Schiller und Goethe miteinander dachten und sprachen ...
Und das Herz wurde mir immer froher und die Welt um mich immer freier und weiter und höher und herrlicher !
Doch ... der Lauf der Dinge hat ihm recht gegeben !! XXXII Wenn einst aber die Philologen über uns kommen und in den Büchereien ausgraben , was diese Zeit geschaffen , und schreiben : ein wie kleinliches und unfreies Geschlecht wir gewesen !
dann wollen wir aufstehen und schreien :
Gewollt haben wir nicht , gewollt haben wir nicht , was daraus geworden ist ... wir ... die damals anfingen !
... Wir müssen uns diesem Spruche beugen !
Träume sind keine Tat !
aber ... wir haben eine Königskunst geträumt !
wir wollten Zorn , Liebe , Siegerfreude ! nicht diesen Hökerweiberkleinkram ! wir ... die damals die Fahne erhoben ! wir haben eine Königskunst geträumt ! XXXIII Das einzige , das helfen könnte , wäre ... der Freund , den es nicht gibt !
Klicken und Klacken und Glocken und Glucken an allen Ecken ... nicht einer aber hat den Freund , der da Not täte !
Keinen Freund , der ihn gründen will ! keinen Verleger ! keinen Theaterdirektor ! keinen Kunst- oder Konzertsaalbesitzer ! keinen Freund , der ein Geschäft mit ihm machen will !
... einen Freund , der nirgends mitspielt , der nur überall zusieht und die Augen offen hat ... einen stillen Helfer und Aufrichter und Klärer des Menschen ... einen Freund , der eben ... die Freundschaft hat und zugleich das Zeug :
dann und wann die Wege , die man geht , zu den seinen zu machen ! der aber nicht gleich umkehren will , wenn man sich festgefahren , sondern mit abspringt : die Richtung ist richtig ! und ein Weg wird sich finden !
und gibt es keinen , bricht man einen !
Keinen Freund , der da sagt : Was du vorgelesen und erzählt , ist ausgezeichnet !
aber fertig machen ! es ist Zeit !
du mußt was Neues bringen ! einerlei was ! die Leute warten darauf !
Voriges Jahr kamst du schon zu spät ! fünf Wochen früher wäre es ein doppelt so großer Erfolg geworden !
... sondern ein Freund , der da sagte : Was du vorgelesen ist wunderschön ! aber nun verdirb es dir nicht mit übereiltem Fertig-Hasten .
Laß es reifen und werden in aller Ruhe ! was soll diese D-Zug-Dichterei zu jedem Winter !
Nimm dir Zeit und gehe lieber zu Fuß !
Gutes geht immer zu Fuß ! und kommt immer rechtzeitig , ein Jahr früher oder später ! und wenn sie noch so drängen , laß sie ! und schreibe deinem Herrn Verleger oder Theaterdirektor oder Klüngelpräses :
sie sollen den Leuten sagen :
sie möchten ganz ergebenst Geduld haben und warten !
du hättest auch warten müssen , und lange genug , bis sie zu dir gekommen seien ! wenn sie einen Dichter haben wollten , so könnten sie einen haben , sie sollten ihn dann aber Dichter sein lassen und nicht zum Handwerker machen wollen !
Deine Bäume trügen nun einmal nicht jedes Jahr Obst ! und ... ein Künstler sei kein Huhn , das bloß hinter den Zaun zu laufen brauche ! und wenn es solche Künstler gäbe , so sei das sehr schön , es gäbe ja auch Hühner ! und was in der Natur vorkomme , sei in jeder Weise auch Vorbild für die Kunst ... aber ... Grenzen bestünden eben doch ! und ... und du seiest nicht ... Naturalist !
Nicht einer aber hat diesen lachenden Freund ! diesen stillen Helfer hinter den Kulissen , der ... mit einem Wort eben ... all das wäre :
was eine vernünftige Frau einem vernünftigen Mann sein sollte ... und an diesem Freund , den keiner hat , Hani , geht unsere ganze Kunst kaputt , soweit sie nicht schon längst so weit ist !
... ein Frühling , der keinen Gärtner fand ! XXXIV Hofrat von Muckermann taucht wieder auf ...
Man kommt nicht zur Ruhe !
Anstatt der alten Frau daheim , die sich nicht verteidigen kann , ein paar liebenswürdige Worte zu sagen , wenn man ihr begegnet ... macht man ihr immer wieder das Herz schwer : es sei ein Jammer , daß ich so verberlinert sei und meine gesunde schwäbische Natur an all diesen Großstadtunfug zersplittere !
Jaja ! jaja !
seit zehn Jahren höre ich das nun schon ! und wenn man sich einmal die Mühe nähme , meine Bücher zu lesen ... allerdings anders als man seine Zeitungen liest ... und wenn man sich die Mühe nähme , etwas dabei zu denken , fände man überall klar und deutlich genug : weswegen ich in Berlin sein will !
* Zehn Jahre geht das nun und noch länger ... und ich habe immer dazu geschwiegen und gelacht und gedacht :
Tat beweise ! aber es war falsch !
es war falsch ! denn ... dieser Muckermann ist nicht bloß dieser Muckermann , der um zwölf Uhr auf den Schloßplatz zur Parade geht ... dieser ...
Muckermann sitzt zu Hunderten und Tausenden im ganzen Reich von Schwaben bis ins hinterste Pommern , auf jedem Dorf und in jeder Stadt ... er sitzt in hundert Berufen und Ämtern , mit tausend Namen und Befugnissen , souverän und subaltern ... und haßt und höhnt und hemmt und unterbindet alles , was jung ist und höher möchte und auf eigene Kraft und eigenes Können vertrauen , und macht allerorten alten Müttern , die an uns glauben , das Leben schwer mit hofrätlich bedauernder Kritik und hinterhofrätlichem Geschwätz und Klatsch !
Es war falsch , nur zu lachen .
* Was heißt denn : gesunde schwäbische Natur !
Was kann ich denn mit einer gesunden schwäbischen Natur Besseres anfangen , als sie da in den Kampf stellen , wo wenigstens die Möglichkeit gegeben ist , sie zu beweisen !
Wozu habe ich sie denn ?
was soll ich sonst damit !
Was wollen sie denn , diese Muckermänner ?!
* Was sie vorzubringen wissen , ist immer nur :
Berlin verderbe und löse auf und zersetze !
Zum Kuckuck aber :
ich habe doch auch so was wie ein Gehirn im Kopf und sehe damit selber , wie Berlin zersetzt und zerfetzt ! zehn , fünfzehn Jahre lang schon ! jeden Tag !
und ich sehe es nicht bloß , ich fühle_es und leide_es ! am eigenen Leib ! jeden Tag ! jede Stunde ! und ... ich bin trotzdem hier ! und . ich . bin . trotzdem . hier !
Ja , ich bin sogar nur deshalb hier , Herr Hofrat ! in allem Ernst , ich . bin . nur . deshalb . hier ! wozu habe ich denn mein Leben ?! wozu bin ich auf der Welt ?!
Berlin ist nicht bloß Berlin ! es soll auflösen ! es soll zersetzen !
ich will nicht , was nicht Stich hält , wenn_es drauf ankommt ! es soll alles brechen , was es brechen kann !
ich bin nur deshalb hier !
Den letzten Grundkern kann_es mir doch nicht packen ! der ist stärker ! der ist Granit !
* Wem nur darum zu tun ist freilich , ein freundliches Leben zu haben oder eine Rolle zu spielen oder Schultheiß zu werden oder Hofrat ... der braucht nicht in Berlin zu sein !
er hat das überall anderswo leichter ! aber diesen Ehrgeiz habe ich nie gehabt !
mein Ehrgeiz war immer nur der Ehrgeiz meiner Sache ! meine Sache aber und was ich will , muß die Kraft haben , auch in Steinboden Wurzel zu fassen , und soll sich da erproben und bewähren , wo der Kampf am schwersten ... denn es ist alles nur so stark als sein schwächster Punkt !
Meine Sache muß siegen ! und lieber darum in Rom der Letzte , als auf einem Dorf der Erste ! am runden Tisch im goldenen Lamm kann Jeder Bismarck sein !
Was wollen sie denn diese Muckermänner ?!
* Und selbst wenn es eines Tags mich über den Haufen nähme , gegen meine Sache beweise das nichts ! es beweise nur , daß ich eben zu schwach war und zu allein stand ! und hier , mein lieber Hofrat , kommen wir zusammen :
Anstatt daß Sie helfen , wo Sie helfen könnten , wie es Ihre verdammte Pflicht wäre !
... und ein paar freundliche Worte täten schon viel :
da draußen steht einer , im Kampf der Zeit ! recht so ! nicht nachgeben !
... und wenn er nichts zu Stande weiter bringt , als daß er sich hält , wo er steht ... er gibt sich Mühe und ... es ist einer von uns !
wir wollen ihm den Rücken decken und ihn halten ! statt dessen nörgeln Sie hinter einem herum und gehen einem an die Wurzeln : man sei seiner Heimat untreu und Umstürzler geworden ... man wolle ein bequemes Leben haben und schreibe so- Sone Bücher ... und sagen einer alten Frau , die nicht darauf antworten kann : es sei schade um ihren Jungen !
Zum Donnerwetter , Herr Hofrat , wenn ich mir nicht zu schade bin , zu sein , der ich bin , und zu machen , was ich mache ... brauche ich_es Ihnen zehnmal nicht zu sein !
es ist meine Haut , die ich zu Markte trage !
* Und wenn ich sage , was ich sage , Herr von Muckermann , so tu ich es nicht meinetwegen !
Ich bin längst darüber hinaus und lache !
Ich sage es aber derer wegen , die noch nicht so weit sind , die Sie noch zu Fall bringen können , und aller derer wegen , die nach mir kommen ... einerlei woher und einerlei : ob sie nach Berlin oder nach Paris oder sonst wohin wollen ! ich sage es nicht , um Sie zu bekehren : unserer Jugend den Weg lieber zu erleichtern als zu erschweren ...
Leute wie Sie bekehrt man zu nichts ! ich sage es dieser Jungen wegen :
Vergrämt euch nicht , wenn euch die Heimat fallen läßt !
das ist immer so und muß vielleicht so sein !
und sagt : nun erst recht ! und bleibt ihr trotzdem treu ... und seid Kerle ! und bringt_es zu was ! und schlappt nicht ab ! sonst haben diese Muckermänner recht ! XXXV Bei allem und allem ! o , und wozu denn ! wozu denn dies ewige trübe Genörgel , dies ewige mürrische Verneinen und kindische Gescheitsein :
Dies sei zu geistreich ! jenes zu eckig ! dies zu farblos ! jenes zu fleckig ! dies zu schrill ! und das zu Schrulle ! es ist an allem was auszusetzen !
ich weiß das auch !
wir kommen aber rettungslos damit auf Null !
Was schafft es denn dieses ewige Wenn ?!
Freut euch lieber , wo einer was kann und wo einer suchenden Willens ist ... suchender Wille ist schon viel !
und seht aufs Ziel ! und helft ihm weiter ! aber ohne Nörgelei ! unreine Reime sind einerlei ! und kleine Verzeichnungen machen es nicht !
es kommt aufs Ganze an , auf die Stimmung und auf die Seele , die darin spricht !
Und ... allerdings : auch auf die Menschen , die davorstehn !
Ob sie selber Seele haben , ob sie selber ein Ganzes sind oder bloß Wind ?! auf die Augen , die es sehen , auf die Ohren , die es hören , auf die Herzen , die es wollen , ob sie selber arm oder reich ?
Was wir machen , weiß Gott , wir machen es nicht für uns , wir machen_es für euch ! XXXVI Von Hani Telegramm und Eilbrief wirst du wohl rechtzeitig erhalten haben .
Mache dir kein Gewissen daraus , die Sache abzulehnen .
Ja nicht , Liebster !
Es wäre Streichholzfabrik !
du kannst was Besseres tun , als ein Familienblatt herausgeben .
Dazu wollen wir nicht gearbeitet und gewartet und Opfer gebracht haben !
Das hätten wir immer haben können !
Schon vor Jahren !
Und wenn sie dir noch so zureden und von allen Seiten , bleibe fest , Jostel , und höre auf deine Hani und sage : nein !
Du würdest es nur meinetwegen tun und ich will nicht , daß du aufgibst , wofür wir bisher gelebt haben .
Ich will das nicht und meinetwegen nicht , verstehe mich wohl !
Es muß ein Sieg sein , wenn wir heiraten , ein Sieg auf der ganzen Linie dessen , das du willst , kein Rückzug .
Es wird schon einmal etwas kommen , das nach vorwärts trägt , auch wenn der Plan , von dem du schriebst , nichts würde .
Vergiß nicht , wie oft du selbst schon gesagt : Dinge , bei denen man dir derart von allen Seiten zurede , seien dir von vornherein schon verdächtig !
man lauere ja doch nur , daß auch du endlich irgendwo unterkröchest , womöglich einem armen Mädel zu lieb ! und diesen Gefallen ... tun wir ihnen noch lange nicht ! gelt ?
Frag dich und mich !
was andere sagen , ist gleichgültig .
Es ist unser Leben und wir haben es zu leben ! und du bist die Hauptsache ! nicht ich !
du bist das Wichtigere ! deine Seele , deine Kunst und das , was du willst , und daß du das zum Sieg bringst !
ich bin Nebensache und habe gar nicht in Frage zu kommen !
ich habe dich nur lieb und stehe hinter den Kulissen und halte Wache , daß du dein Ziel durchsetzt und erreichst !
Also !
Schluß !
Ich habe vorige Woche hier für mich auch so entschieden .
Denke dir , Frau Bürgli-Ermatingen , mit der wir sehr gut Freund geworden sind , hat mir einen Antrag gemacht , nach Zürich zu kommen .
Sie hat dort ein großes Mädcheninstitut und eine Art Zweiganstalt in Genf und sagte neulich :
sie käme mit ihrem einen Kopf nicht mehr durch !
ob ich nicht Lust hätte , ihr zweiter zu werden ? und zwei weitere Hände könne sie erst recht brauchen !
Sie suche schon lange nach jemand , zu dem sie so unbedingtes Vertrauen haben könne , wie zu mir , so wenig sie mich schließlich kenne .
Ich solle es mir überlegen und in den Sommerferien einmal kommen , mir die Sache anzusehen .
Fünftausend Franken Gehalt und drei , vier Jahre Vertrag vorläufig .
Stunden hätte ich nur ausnahmsweise zu geben .
Ich hätte im wesentlichen bei der Leitung mitzuhelfen und Oberaufsicht zu sein .
Das Erste war , daß Hella mir um den Hals fiel und zu weinen anfing :
ich dürfe nicht weggehen :
was sie denn ohne mich machen solle ! das Zweite , daß ich selber ein paar Nächte lag und Für und Gegen abwog , bis ich am Dienstag endlich zu Frau Bürgli ging und ihr offen erzählte , wie die Dinge stünden und daß ich nicht von Berlin wegmöchte .
Sie sagte sehr nett und liebenswürdig :
sie hätte sich dergleichen halb und halb gedacht ! und ist seitdem nur noch herzlicher , und Hella ... jubelt ! und Jost hoffentlich auch !
Es wird hier tagtäglich frühlingshafter und schöner , aber ... es ist allmählich vorbei und ... wie es mir wohl vorkommt , wenn ich wieder ins Geschirr muß ?
Man gewöhnt sich unglaublich schnell an ein solches Nichtstun und In-Schönheit-faulsein , obschon wir jeden Tag regelrecht fünf Stunden fleißig sind .
Zuerst jedoch machte es mich beinahe unruhig .
Man steckt nun eben Mal in der Arbeitstieranschauung , in der man aufgewachsen , aber ich denke öfter und öfter , wie du immer sagst : der Mensch müsse es überhaupt so haben .
Er sollte arbeiten dürfen , nicht arbeiten müssen .
Und dann kam mir neulich ... es liegt in der gleichen Linie : ob so mancherlei Leid , das man sich macht , am Ende nicht daher kommt , daß man immer älter sein möchte , als man ist ?
ich meine : daß man immer Dinge haben will , die der Stufe , auf der man steht , vorausliegen ?
Unser Privatdozent ist wieder hier für einige Tage .
Es kam gestern zu einer förmlichen Schlacht mit ihm , auf deinen Satz hin : Mensch und Künstler sei nicht zu trennen .
Er behauptete : eine solche Auffassung bedeute letzten Endes die Einstellung aller Kunst auf unmittelbare Lebenszwecke .
Alle Kunst müsse dann einen , wenn auch in höherem Sinne moralischen Zweck haben ... und so denke der Philister !
Kunst habe keinen Zweck , als den : zu sein ! und der Künstler müsse außerhalb der landläufigen Grenzen unseres bürgerlichen Daseins stehen dürfen und so weiter !
Ich habe dich lieb und küsse dich und sage : wir wollen bleiben , die wir waren ! XXXVII Dein Privatdozent ist ein mutiger Mann und wird es noch weit bringen , denn er wußte offenbar nur , was jeder weiß !
Aber ... sage ihm , wenn du ihn wieder siehst : seine Auffassung bedeute nicht letzten Endes , sondern von vornherein die land- und literaturübliche Verwechslung von Kunst und Handwerk , und er werde , wenn er so denke , nie ein Buch schreiben können , das er nicht schon in zehn Jahren herzlich bedaure ! oder sage ihm :
du hättest einen Liebsten , der als Junge allerdings ... Lebertran bekommen hätte , aber alle Kinder hätten das bekommen und er also wohl auch !
Er , dein Liebster , hätte trotzdem später viel über diese Dinge nachgedacht ... nicht so viel natürlich , wie ein wirklicher Privatdozent , denn sonst wäre er es auch geworden .
Er hätte leider eben immer bloß bis zu der Grenze Geduld gehabt , außerhalb der der wirkliche Künstler stehe und wahrscheinlich auch der Fachmann ... aber ... doch nein ! sage ihm das alles lieber nicht , denn ein Privatdozent versteht keinen Spaß , bevor er nicht Professor ist und dann erst recht nicht !
Weißt du , erzähle ihm ganz einfach :
Es sei einmal ein kleiner Junge irgendwo irgendwie dazu gekommen , als man ein Gartenhaus frisch anstrich .
Auf der Steintreppe davor habe eine schöne schwarze Katze sich gesonnt .
Er sei stehen geblieben und habe zugesehen , erst der Katze , dann dem Malermeister und seinem Lehrbuben , wie sie das machten .
Ich glaube , der Malermeister hieß Haberecht , wie überhaupt ja wohl alle besseren Handwerker .
Plötzlich fing er an : ob ich schon eine Katze mit grünem Schwanz gesehen hätte ?!
Gibt_es ja gar nicht !
Was , das gäbs nicht ?!
das gäbs nicht !
... und mit einem Griff hatte er die Katze von der Treppe und strich ihr den Schwanz an .
Das gäbs nicht ?
da läuft ja eine !
... und es war . wirklich . eine . schwarze . Katze . mit . grünem Schwanz !
Was bewiesen werden sollte , war bewiesen !
Schließlich aber packte mich doch der Ärger :
So kann ich Ihnen auch einen grünen Kopf machen !
Komme Mal her !
ich werde dir einen machen !
Mit Terpentin geht_es übrigens wieder ab !
Doch ich zog es vor , mich zu drücken .
Und nun guck , Hani , solche Katzen laufen allmählich zu Tausenden in der Welt herum !
denn so haben in Beweisnöten alle möglichen Malermeister und Haberechte allen möglichen Katzen die Schwänze grün angestrichen und alles mögliche andere noch mit allen möglichen Farben , so daß kein Mensch mehr weiß , wie die Dinge ursprünglich eigentlich aussahen !
Und wenn einem nun daran läge , dem oder jenem wirklich auf den Grund zu gehen , dann könnte er sein ganzes Leben lang zunächst nichts weiter tun , als ... Katzen fangen , und wenn er sie hätte , ja du lieber Gott !
ich glaube , so viel Terpentinöl , als dann nötig wäre , ist gar nicht zu schaffen !
Und bei vielen ist im Lauf der Zeit die Farbe schon so ein- und durchgetrocknet , daß die Jungen , die sie kriegen , in aller Form und alles Rechtens mit süßen maiengrünen Schwänzchen auf die Welt kommen !
Lehrsam freilich wäre es dennoch , wenn man einmal den Versuch machte , festzustellen ... und es liegen da Gebiete , noch von keines Forschers Fuß betreten : wann und wo und wie und unter welcherlei Begleiterscheinungen dieser oder jener Katze der Schwanz angestrichen wurde !
Nicht bloß der Wissenschaft zu lieb , sondern auch solch kleinen Jungen zu helfen , die nun einmal glauben , was sie glauben , und von allen Seiten deshalb dumm gemacht werden !
Aber : Wege nach vorwärts zu versuchen und beizutragen , ringenden Menschen an die Hand zu gehen und Boden zu schaffen , findet unsere Fachwissenschaft immer noch unter ihrer Würde .
Alles Lebendige ist ihr ein Greuel ! XXXVIII Für uns zwei beide aber , Hani , soll es endlich feststehen und erledigt sein , mit allen Folgerungen ... wir müssen weiter ! man kann nicht immer wieder an so hanebüchen selbstverständlichen Abc-Voraussetzungen hängen bleiben : Mensch und Dichter ist nicht zweierlei ! und ist nicht zu trennen ! und wer als Mensch null ist , ist auch als Dichter null ! und wenn es Leute gibt , die anderes behaupten , dann irren sie ! und wenn sie sämtliche Literaturbücher der Welt herbeiholen : Mensch und Dichter sei auseinander zu halten !
dann sind sämtliche Literaturbücher der Welt eben falsch und müssen umgeschrieben werden !
Es wäre so wie so längst Zeit dazu !
Nicht Kunst und Leben , nur Kunst und Handwerk sind getrennte Dinge .
* Man kommt als Künstler immer nur bis zu der Stufe , bis zu der man als Mensch kommt .
Man springt nicht über seinen Schatten ! und wer als Mensch nur bis Stufe vierzig oder fünfzig kommt , kommt auch als Künstler nicht höher ! und wenn ihm auch einmal etwas gelingt , das eine Zeit lang Aufruhr macht und aussieht , als obs länger leben könnte ... es fehlt der Kern , es fehlt , was Keimkraft hat für später ! und wenn es viel ist , hält es bis zum Herbst , der Winter gräbt es lautlos in die Grube !
Einmal glückt jedem ein Gedicht ! einmal schreibt jeder auch ein besseres Buch , doch das entscheidet nur für heute , nicht für morgen ! nur wer auf die Dauer etwas kann , ist Meister ! und auf die Dauer kann nur der überlegene Mensch etwas ! und : aus diesem Grunde , guck , ist Goethe ... Goethe und Heine ...
Heine !
Kunst ist nicht bloße Form ! die Seele macht es , nicht Geschicklichkeit ! man dichtet nicht , wie man Zigarren wickelt , und auch nicht , wie ein Schneider Hosen macht !
... man kann nur geben , was und wie man eben ... als Mensch empfindet , denkt und hört und sieht und ist !
so und so geworden und so und so gewillt !
man hat nicht zweierlei Gehirn ! und fehlt beim Menschen , hat der Künstler auch keins ! wahrscheinlich wenigstens !
ich nehme es an !
ich bin nicht Fachmann !
* Wäre beides aber wirklich zweierlei und wären Mensch und Künstler wirklich so getrennte Dinge ... warum , wozu denn gräbt man überall und immer wieder nach dem Menschen und kramt ihm Küche und Schlafzimmer auf und stöbert hinter den Kulissen alle Winkel durch und läßt es nicht an dem genug sein , das ihm beliebte , vor die Rampe zu bringen ?! was will man denn von ihm ? wen geht_es denn etwas an , weshalb und wann und wo und wie sich ... Faust an Gretchen machte ! oder ... wann und wieso und auf was hin Goethe meinetwegen einmal Kopfweh hatte oder Katzenjammer ... wenn Mensch und Dichter wirklich zweierlei ?! wozu dann diese ganze Schreiberei ?
Sie ist dann nichts als kleinliche Altjungferneugier ! Entweder ... oder !
* Ich weiß , es gibt natürlich viele gute Menschen , die nur sehr mangelhafte ... Musikanten , und viele gute Musikanten , die stellenweise recht mangelhafte Menschen ... aber :
was heißt mangelhaft ? wer hat denn hier den Maßstab , der entscheidet ? wer hat denn hier das Recht , zu richten ?
Ein jed Jahrzehnt stellt andere Gesetze ... und soll ein deutscher Dichter etwa leben , wie seinen späteren Literatologen wünschenswert erscheint , daß er gelebt ? soll Goethe denn gewesen sein , wie eine Handvoll alter Weiber von ihm haben möchte ?
Zum Donnerwetter : Goethe ist ... Goethe ! und wer sind die Leute , wer sind die Leute , die da wollen , daß er ihrer Weltauffassung sei und ihrem Pumpernickel-Ideal entspreche ! und die vermeinen , ihn » weißwaschen « zu müssen !
Goethe hat nicht nötig , weiß gewaschen zu werden ! von niemand ! laßt ihn , wie er war !
er ist ... weiß genug , wenn man mit weißen Augen sehen kann !
Wascht lieber anderweit !
es gibt noch viel , wo es ein bißchen sauberer werden dürfte !
* Doch ... wer es haben will , wie_es Goethe hatte ... nichts steht im Weg !
Er gehe und gebe sich Mühe und werde Goethe ! gut ! und gebe , was er gab ... und alles sei ihm ebenso erlaubt !
Bis dahin aber allerdings ... bis dahin aber ... gelten die Gesetze für ihn , die für die Menschen eben gelten und gelten müssen , so lange sie nicht Goethe sind !
Der Künstler steht nicht außerhalb der Grenzen , die sie ziehen , aber ... über ihnen ... wie jeder andere ... so bald er nur die Kraft hat , sich in freier Größe aufzuheben über sie ... und um so höher , je höher seine Flügel tragen !
Auf hohlem Boden baut sich kein Palast !
Ein kleiner Mensch wird nie ein großer Künstler sein ! XXXIX Was war denn heute ?
was war denn heute , Mandolinchen ?
Eine große dunkle Wolke stand über dem Tal und ging nicht weg und ging nicht weg und mir war , als ob jemand weine ! warst du es , Mandolinchen ?
... ich sah dich von der Brücke aus auf dem Söller oben deine weißen Tauben locken ...
Und schon in der Nacht war etwas und ließ nicht schlafen ... der Mond stand hoch zwischen jagenden Wolken und dann und wann riß ein Windstoß durch die Bäume und schlug Zweige an die Fenster ... aber die Schatten , die durchs Zimmer huschten , blieben stumm und rannen in die Tapeten , wenn ich sie anrief ... und all die Tage schon , all die Wochen ... es war wie ein Wandern über endloses Steinfeld ... ich bin es müde , dieses ewige Denken ! ich möchte ... ich weiß nicht , was ich möchte ... ich möchte , es wäre Sommer und die Rosen blühten ! und es ist noch so lang , bis es Sommer wird ! und vielleicht wird es überhaupt nicht Sommer !
Komme , hole deine Mandoline !
du hast mir lange nichts gespielt ... * Wenn wieder Vollmond wäre , wolltest du kommen , und es wäre dann Frühling und wäre wieder Mai , Winter und Warten und Weinen vorbei , und wir wollten spielen :
mein oder dein ?
Rosen uns pflücken und Kinder sein !
So lachtest du und so sagtest du beim Abschied damals ... und Nacht um Nacht habe ich gewartet nun und gewacht und immer und immer gedacht und gedacht ... und die Zeit , o sie wurde so lang und so leid , jeder Tag war wie eine Ewigkeit und jeder Abend wie ein Gericht ...
Und es ist Vollmond , es ist Frühling , die Rosen blühn und ... du kommst nicht ! und du kommst nicht !! XXXX Nicht meinetwegen ... deinetwegen !
Mir würde es all das wiedergeben , was ich im Kampfe mit dem Leben verloren , ehe ich_es je gehabt !
Nicht meinetwegen ... deinetwegen liege ich nun und Wein und quäle meine Seele Nacht um Nacht : ob ich noch es könnte halten , was du gäbest , und gestalten , wie ich möchte , und hüten und Heimen , wenn sich erfüllt einst , was wir träumen , nicht meinetwegen ... deinetwegen ! oder obs nicht doch schon längst mich viel zu mutlos und einsam gemacht ?! Deinetwegen ... nicht meinetwegen ! XXXXI O und immer diese ... Sehnsucht wieder : niederzuknien und dir die Hände zu küssen !
Du hast immer nur gearbeitet ! jahraus , jahrein ! immer nur gearbeitet ! o , sie wissen gar nicht , was du alles gearbeitet ! und was du an Sonne hattest , es war immer nur ein kurzes Aufleuchten zwischen regengrauen Wolken ! und ich selber habe dir noch das Herz schwer gemacht und dir mitunter weh getan mit heftigen Worten in der Angst meiner eigenen Hilflosigkeit und Schwere !
... Doch ... es soll nicht Herr werden über uns ! gelt , es soll nicht Herr werden !
Wir wollen die verlorenen Stunden uns verzeihen !
wir wollen sie vergessen und lachen über sie und fröhlich sein ! und hinausgehen , komme , die Hecken hin im Park , zum Wald , wo wir so oft gegangen früher , und von Zeiten reden , die gewesen sind , und von den Träumen , die wir träumen ... sie sind am Ende doch das Beste !
Und wenn auch der Wald dann braun steht auf der Höhe und in den Gärten nur noch wenig mehr in Blüte ... es ist ja doch schon unser Schicksal : erst im Herbst zu haben , was anderen im schönsten Frühling wurde !
... Aber ... aber nein !
... nein !!
was will ich denn !
was Schrei ich denn ! mit leeren Händen stehe ich , wie ich immer stand !
Nein ! es ist nichts , Liebste ! gehe , gehe lieber !
es ist nichts mit einem Dichter ! habe kein Mitleid , gehe ! es sind Bettler und werden immer Bettler bleiben !
Und doch : das Leben ... es mag mir alles nehmen und zertreten ... und alle anderen ringsum mögen alles haben und sich kaufen können , was es Schönes gibt ... das eine können sie nicht kaufen , das eine können sie nicht schaffen , mit keinem Reichtum und mit keiner Macht der Erde : die selbsterkämpfte stolze Kraft : so oft ich will , die Flügel zu breiten und über all die Not der Niederung hinweg in freier Höhe mit den Großen aller Zeiten eins zu sein und ...
Rosen der Unsterblichkeit zu flechten um die Stirn derer , die ich liebe !
Bettler und doch König ! XXXXII Aber du mußt lange warten , Hani !
wir müssen uns schon auf Jahre gefaßt machen ! wir müssen schon auf Jahre hinaus Geduld und Glauben haben und Fröhlichkeit !
Es ist ein weites Stück , das wir hinter uns haben , und es war schwer genug mitunter , aber ich glaube fast , was vor uns liegt , Hani ... ich glaube fast : es ist noch weiter und noch schwerer !
doch freilich um so freier auch und um so schöner !
Ich sehe immer mehr : was ich will , ist Eichensaat und braucht Jahre und Jahrzehnte ... ja , vielleicht das Leben !
Es war Torheit , wenn wir träumten : jung zum Sieg zu kommen , sei das Höchste ! es war Unerfahrenheit : für Ziel zu halten , was Voraussetzung , und für Erfüllung , was nur Weg zu höheren Höhen ! und wenn es anderen glückte , im Aufsturm erster Jugend ... wir wollen uns nicht täuschen lassen :
es kann nicht sein !
es trägt nicht durch !
es ist kein Sieg ! es bleibt ein Halbes ! die Blüte kostet sie die Frucht !
Wir dürfen nur nicht kleinmütig werden ! wir müssen nur aushalten und Glauben haben zu uns selber ! wir haben nur zu oft und immer wieder uns verwirren lassen vom Geschrei des Tages : das und das sei Kunst ! und das und das sei groß !
es war nur groß , weil wir klein waren !
Es war Torheit , wenn wir träumten : jung zum Sieg zu kommen , sei das Höchste :
Für eine Fliege ist ein Zimmer schon die Welt , für einen Schmetterling ein Blumengarten , für einen Sperling ein begrenztes Tal ... wen höher trägt , der mißt von höherer Warte ! wir wollen ...
Adler werden , Hani ! XXXXIII Sieh , so bis Dreißig ungefähr hält immer vor , was man mithat von zu Hause .
Dann aber kommt die erste große Probe : willst du ? und will man , geht es weiter ... die Vorberge aufwärts und Höhen entlang bis Fünfunddreißig !
Die erste Ernte reift .
Die ersten Entscheidungen fallen .
Man gewinnt und hat ... gewonnen und ist Sieger ... und die Wege führen eine Zeitlang nun von selber weiter , schön und mühelos , hoch überm Tal , durch Felder , Wälder , Wiesen , Weideland und Heide ...
Ganz langsam aber und unmerklich verlaufen sie sich dann , versanden und hören auf und ... und es wird steiniger und steiniger und rauher und einsamer und ... das große tote Feld beginnt , über das da muß , wer weiter in die Berge will ... das große Golgatha im Leben eines jeden !
Viele versuchen es , die meisten freilich werden müde ... es ist mit Weib und Kind am Ende auch zu schwer !
... und geben es allmählich auf und kehren um und kaufen Garten sich und Haus auf ihrer Höhe und freuen sich des Erreichten :
man will doch auch einmal zum Leben kommen !
Und so mit Vierzig gibt es einen Orden und : Orden drücken immer durch den Rock aufs Herz , so klein sie sind und so ehrlich sie vielleicht verdient !
... oder man wird ... Professor und wer einmal Professor ist , der bleibt_es ! und sitzt , wo es ihn traf !
Und das alles ist auf allen Linien des Lebens überall das gleiche , wer du bist und woher du kommst und wohin du willst. XXXXIV Wer aber weiter will und aushält , Hani ... es ist ein schwerer Kampf ... mit stetem Zweifel in der eigenen Brust und steter Sehnsucht und steter Sorge um die Frau , die dich begleiten möchte ... es ist ein Kampf mit dem Geröll des Wegs und mit den Wolken , die am Himmel stürmen ... ein Kampf mit allem neben , hinter dir und vor dir ... ein Kampf mit dem Geschrei der Stille und mit dem Zorn der Einsamkeit und mit dem stummen Widerstand und Haß der Dinge , die dich als Fremdes fühlen , das sie zwingen möchte und ihre Geheimnisse erspähen ... es ist ein Kampf mit Zwergen und mit Narren , ein Kampf mit Riesen und mit Weisen ... ein Kampf mit Felsen und Phantomen ... und wenn man müde wird , vielleicht ... um nichts !
Weit in der Ferne aber , über allem Kampf , in goldenem Sonnenglanze ragt ein weißes Schloß mit wehenden Fahnen auf den Türmen und freier Sicht über Land und Meer ! XXXXV Wir aber , Hani , wollen hinter uns werfen , was hinter uns liegt ... und uns nicht ängstlich mehr und zag und unfrei machen lassen ... von Wünschen , die uns rückwärts bänden in Talebenen .
Wir wollen weiter klettern , unverzagt und unverdrossen , von Sturz zu Sturz , von Hang zu Hang , von Höhe zu Höhe ... so weit wir kommen ! unverzagt und unverdrossen ! und über die Berge dann weiter ... ans Meer !
Und wenn Wolken uns die Sonne verhängen und Sturm aufsteht , wollen wir ein Lied singen :
Halt aus und sei fröhlich ! und wirst du müde , gebe ich dir die Hand , und es geht wieder , gelt ? und was auch kommt , wir wollen nicht stehen bleiben , nirgends , und sagen : wir haben genug getan , es ist gut !
Wir wollen Wanderer bleiben , Hani , und noch recht lang , recht lange nicht Professor werden ! XXXXVI Das kannst du nicht zwingen : daß die Knospen springen , ehe die Sonne ihnen ihren Mai gebracht ! aber daß :
was hinter dir liegt , dich nicht schreckt mehr und unterkriegt : was Winter in dir abzustreifen in aller Stille ... und Knospen zu reifen und dich selbst zum Frühling durchzuringen ... das kannst du zwingen ! XXXXVII Singe ihm ein Lied , Mandolinchen ! dein Herr ist traurig .
Er war dem Frühling entgegengegangen , durch den Park , am Bach entlang , wo die Weiden stehen , und hanghinauf an dem verfallenen Mutter-Gottes-Kapellchen vorbei ... an allen Hecken trieben Knospen und die Luft war weich und warm , als obs schon Mai wäre ... und oben auf der Höhe setzte er sich ... wo der alte steinerne Roland steht , als Hüter des Tals ... und es lag da zwischen seinen Bergen in wartender Stille , von silberigen Sonnenfäden übergittert ... und das Herz wurde ihm so groß und weit , in Freude und Glauben , und er breitete die Arme : die Sonne ist wieder da !
es wird Frühling !
ich grüße dich ! aber Leute aus dem Tal traten ihm entgegen und klagten ihm ihr Trübsal und ihre Hilflosigkeit , und er ging zurück mit ihnen , sie zu trösten und sie wieder froh zu machen ... und sie freuten sich und sagten :
sie wollten tun , wie er sie geheißen ! und nicht mehr mutlos sein und an den Frühling glauben !
doch tagsdarauf hatten sie alles vergessen und verworfen und saßen in ihren finsteren Häusern , wie immer , und zankten sich , wie immer , und machten sich das Leben schwer um Nichtigkeiten ... wie immer , wie immer !
Singe ihm ein Lied , Mandolinchen ! das kleine Lied , das du immer singst , wenn du glaubst , daß es niemand hört !
das du sangst , als ich dir begegnet eines Abends ... auch da oben ... als du standest und einem Zug Wandervögel nachsannst , der nach Süden zog .
* Nein , ach nein , nicht hier in dieser düstern Bergeinsamkeit ... drang und Dränger immer wird meine Sehnsucht , lauter und lauter mein Leid ! wie ein verflogenes Vöglein sucht meine Seele sich müde ! bang und banger immer wird mein Glaube , leiser und leiser mein Lied !
Alles hier ist trüb und traurig , ohne Klang und Schein ! und mein Herz wird immer und immer fremd hier und einsam sein ! XXXXVIII Ich will dir eine Geschichte erzählen , Mandolinchen ...
Ich habe geträumt ... fängt sie an .
Alle Geschichten , die ich erzählen könnte , fangen so an , wie die Kindermärchen anfangen :
es war einmal !
... weil sie wahr sind aber , hören alle auch so auf :
ich habe geträumt !
Zwanzig Jahre , Mandolinchen , bin ich nun ein Wanderer im Land der Menschen , weil alles immer so anders war , als ich mir träumte ! und was ich träumte ?
... sieh , es gibt Menschen , die überhaupt nicht träumen ! die da leben , ohne Seele und Sehnsucht , wie Steine im Feld ... und da ich die Welt , die ich träumte , nicht fand , so wollte ich mir eine schaffen , im Kleinen , so wie ich sie mir schön dachte ... nicht in den Wolken , sondern auf fester Erde und mit Menschen , von denen ich glaubte , daß sie die gleiche Sehnsucht hätten , wie ich selber ... und ich warb um Freundschaft und Vertrauen und keine Mühe und kein Opfer war mir zu viel .
Aber so oft es Beweis und Tat galt , fielen sie ab und versagten , aus Bequemlichkeit und Lässigkeit oder aus Eifersucht und Mißgunst .
Was ich nicht habe , sollst auch du nicht haben !
und mir war nur darum zu tun , einen Weg zu finden aus all der Schwere hinaus und aus dem Kampf , den alle zu kämpfen hatten .
Aber nirgends ein bißchen Freude , nirgends ein Zusammenhalten und Einstehen für den anderen ... und so wurde meine Seele einsam und ich blieb für mich , für mich zu machen , was ich mir schön dachte .
Aber auch das wollten sie nicht !
Sie kamen und nörgelten und witzelten und jeden Morgen mußte ich immer erst das Geröll bei Seite räumen , mit dem sie den Tag vorher mir den Weg verworfen ... und was ich möglich gemacht habe , habe ich möglich machen müssen gegen sie und gegen Kopfschütteln und Abraten und kleinliches Mißwollen .
Nur wenn ich mich ins Joch beugen sollte und ein Unfreier werden , oder wenn etwas kam , das mich rückwärts gebracht hätte , redeten sie mir zu , bis auf zwei oder drei Getreue .
So lang ich unter ihnen bin , so oft ich zu ihnen kam und so weit ich alle meine Türen aufmachte , mein ganzes inneres Leben blieb ihnen fremd und unverständlich !
Es ist ein trauriges Lied , Mandolinchen !
Aber ... ich habe es überwunden !
ich ereifere mich nicht mehr , weder in Groll noch in Leid : die Menschen sind , wie sie sind !
es war meine Schuld , sie anders zu denken !
Sie haben die schönsten Worte für alles !
sie nennen es das Höchste : auf sich selbst zu stehen und sich ein eigenes Leben zu schaffen , einen eigenen Glauben , eine eigene Welt ... doch wehe jedem , der da so vermessen wäre , es zu wagen !
Eitelkeit und Neid und Kleinlichkeit und Vorteilsucht sind häßliche Dinge bei ihnen ... und in Wirklichkeit ? in Wirklichkeit ?!
Ihr ganzes Sinnen und Sehnen und Dichten und Trachten ist nichts als einen Punkt voraus zu haben vor den anderen : einen höheren Rang , eine schönere Frau , ein begabteres Kind , einen grüneren Garten , ein fetteres Huhn ... Freundschaft ist äußerliches Zusammensitzen !
Kein Mitwandern auf des anderen Wegen , kein Mitsuchen und Mitfinden , kein Sich-freuen an des anderen Freude !
Liebe ist äußerliches Haben , Sinnlichkeit , Lärm !
Prunksucht !
Kein stilles Einander-treu- sein und Sich-Hinweg-Helfen über graue Stunden , kein Ausruhen und Mut-Schöpfen , kein Hand in Hand zur Höhe schreiten und Sich-Freude- sein !
Arbeit ist Notwehr , Last und Muß !
Sie arbeiten nicht , um ihre Kräfte zu entfalten und sich zu freuen an ihrem Können , sie arbeiten , um sich zu vergessen .
Sie haben ein Wort erfunden : Arbeiten und nicht verzweifeln ! ein Wort , das man totschlagen sollte , denn es ist ein Spruch nur für Hörige !
Nicht : Arbeiten und nicht verzweifeln !
... sondern : Arbeiten und froh sein !
Nicht einer ihrer Tage aber ist ein Sein in Fröhlichkeit !
Sie stehen dem Leben gegenüber , wie etwas , dem sie untertan sind und gehorchen müssen , wie Schulkinder einem Lehrer .
Sie hassen ihn , weil er mächtiger ist und sie strafen kann , anstatt hinzugehen und sich ebenso mächtig zu machen ... anstatt ... ach nein !
es wäre doch vergebens !
Sie seufzen und seufzen und klagen und klagen und suchen überall die Quelle ihres Trübsal , nur nicht bei sich selbst und in ihrer Bequemlichkeit und Engseligkeit !
Sie jammern und jammern und stöhnen und stöhnen über ihre Hilflosigkeit und rühren keine Hand , daß etwas besser würde !
Und wenn ein Gott vom Himmel käme und sich kreuzigen ließe ... sie stünden verständnislos neugierig dabei und Frigen : warum tut er das ? und wenn Propheten riefen : für euch !
zuckten sie die Achseln und gingen heim und wären , wie sie immer waren ! und wenn mein Herz nicht so stark in seinen Wurzeln und so reich an Glauben , Liebe und Zuversicht , sie hätten es mir längst zerbrochen und ich wäre längst geworden , wie sie alle ...
Das Leben ist die schwerste Kunst !
Singe mir was , Mandolinchen !
* Ich möchte still am Wege stehen und möchte es Frühling werden sehen !
ich könnt noch immer wie als Kind bei jeder kleinen Knospe säumen ... und klänge in den kahlen Bäumen ein Vogeltriller ... ach , ich könnt , ich könnt noch immer wie als Kind mir einen ganzen Sommer träumen voll Klang und Glanz und Sonnenschein und glücklich sein !
* Ich will alles nun noch einmal durchdenken und erwägen , ob es nicht doch nur Groll , der mir den Blick trübt ? ob sie nicht doch am Ende recht haben , von irgend einem Punkt aus , den ich vielleicht übersehe ... und wenn ich finde , daß sie recht haben , Mandolinchen ... dann ... dann . will . ich . mich . beugen ! und will sagen :
Ich war ein Narr ! ich habe mein Leben verloren an Träume ! und will die Schellenkappe aufsetzen und ein Fest halten im Schlosse meiner Väter , wie man keines noch erlebt an Glanz und Pracht und Narretei !
Von allen Türmen sollen Feuer strahlen und in allen Sälen soll Musik sein , und wer da kommt , soll haben dürfen , was er will und mag !
Und wenn die Uhren Mitternacht schlagen und die Masken fallen , will ich sagen : nun geht !
es ist genug !
ich will allein sein !
... Und wenn es still geworden ist ... will ich die Fackeln nehmen und sie in die Hallen werfen , daß sie aufflammen und die Krone auf dem Haupte und den Hermelin um dabeistehen und lachen und lachend sie mit mir zusammenstürzen sehen !
* Und . wenn . ich . finde . daß . sie . nicht . recht haben , Mandolinchen ... dann will ich , wenn es Frühling wurde und wenn die Glocken läuten in der Osterfrühe , mir das Schwert umgürten , mein altes Schwert » Bleib- dir-treu « und hinaufgehen den Weg an dem verfallenen Mutter-Gottes-Kapellchen vorüber , zum Waldsaum oben , wo der steinerne Roland steht , als Hüter des Tals ... und Fahnenträger sollen mitkommen und sich am Kreuzweg aufstellen mit der alten weißblaugoldenen Standarte und man soll die Hörner blasen und das Volk zusammenrufen ... und ich will ihm sagen : Nein ! nein !
ihr habt nicht recht !
ihr habt nicht recht !
Ich kam zu euch und erzählte euch meine Gedanken und ihr schaltet mich Träumer und Sonderling und nanntet Torheit , was ich wollte ! und ich verglich es mit dem , das ihr dafür als Ziel aufstelltet , und mit dem , das um mich herum geschah , und sah ein , daß ich wie ein Kind nach Sternen greifen wollte , und schalt mich Träumer und nannte Torheit , was ich wollte , und warf es zurück und beugte mich ... allen euren Notwendigkeiten und kam euren Forderungen nach und ließ mich knechten von euren Nüchternheiten ... freiwillig !
Jahre , Jahre , Jahre lang !
Ich habe alle eure Einwände und Bedenken aufgenommen und erwogen und gesucht , daraus zu lernen und mir klar zu werden ... ich habe still gehalten bei euren Nörgeleien und alle eure Trübseligkeiten über mich ergehen lassen ... ich habe euch eure Witze machen lassen über das Heiligste , das ich hatte , und alles in mir niedertreten , das mir lieb war , und sagte : ist es gut und hat es Kraft , hebt es sich doch wieder hoch und wächst nach !
... ich habe euer Leid getragen , als ob es das meine wäre und habe zu helfen gesucht , wo ich konnte , und mit Tat , nicht mit bloßen Worten ... ich war immer ein guter Freund und vor allem auch hinter dem Rücken ... ich habe zugesehen und gewartet und gewartet , ob ihr mit dem , das ihr wolltet , ob ihr auf eure Weise , auf eurem Weg ein Leben zu schaffen vermöchtet , das über den Alltag , an dem ihr leidet , hinaustrüge ... Jahre , Jahre , Jahre lang !
Ich habe geschwiegen zu dem Hochmut , mit dem ihr eure kleinen Verdienste herumschriet und zu großen Dingen aufbliest ... ich habe geschwiegen , wenn ihr mit tönenden Reden aufs Podium tratet und euch für dies oder das begeistertet ... und es war nichts , als Eigensucht und Geschäft ... ich habe geschwiegen zu all den kleinen Drehereien , mit denen ihr in den Vordergrund schobt und stütztet , was euch und eurem Vorteil dienlich sein konnte , ob es noch so windig war und faul !
und mit denen ihr alles zurückdrücktet und entwertetet , das auf anderer Seite stand ... ich habe geschwiegen und gewartet und gewartet und immer wieder Glauben gehabt ... Jahre , Jahre , Jahre lang !
Ich habe meine ganze Jugend dafür hingegeben ... meine Haare fangen an grau zu werden ... ich schweige jetzt nicht mehr ... einmal mußte diese Stunde kommen !
... und ich sage jetzt :
Ich habe recht , nicht ihr ! Euer ganzes Dasein ist bloßes Geschwätz und Scheinmacherei !
ihr wollt gar nicht hinaus über eure Kleinlichkeiten ! es ist euch wohl dabei !
ihr wollt gar nichts anderes ! und all die hohen Dinge , die ihr im Munde führt und als Aushängeschild und Deckmantel gebraucht : es ist euch niemals Ernst damit gewesen !
Ich sage das euch allen und der ganzen Welt ! ich habe mir das Recht dazu erlitten :
Es ist euch niemals Ernst damit gewesen !
Aber bleibt bei eurem Kram ! bleibt bei eurem Schwindel ! treibt es weiter , wie ihr mögt !
Seid und werdet , wer und was und wie ihr wollt !
ich will endlich werden , der ich bin !
und gehe jetzt den Weg , den ich für den rechten halte ! und wenn es auch nur Zwei sind oder Drei , die mit mir kommen ... ich schaffe meine Welt jetzt über euch hinweg !
mein Glaube ist stolzer , als der eure ! und er ... siegt ! XXXXIX Lache , lache , mein Kind ! lachen , sieh , kann nur der Mensch !
... und unter den Menschen wieder nur , wer nicht an den Dingen mehr hängt ! wer nicht mehr grollt , wer nicht mehr schilt , wenn ihm ein Wunsch zerrann ! wer in sich selber still und klar das Ziel seines Lebens gewann !
Lache , lache , mein Kind ! lachen kann nur der Mensch !
... und unter den Menschen wieder nur , der nichts von den Menschen mehr will ! XXXXX Schwertspruch .
Ich grüße das Leben ! ich grüße die Liebe !
Frohmut und Freude sei Krone und Kranz !
Aber : was alles erwehrt erst und währt , ist in niemüder Hand ein furchtloses Schwert ! und decken es Narben , lache darein ! ein ehrliches Schwert wird nie narbenlos sein !
Es wäre nichts wert !
Kampf nur ist Freude !
Ich grüße das Schwert !
Viertes Buch " Herzblut "
Der ist mein Freund nicht , der die Sonne nicht mag ...
Die Sonne muß lieb haben , wer mein Freund sein will ... die Sonne und das Meer und den Wald überm Strand und die Wiesen und die Wolken , die darüber gehen ... in Stille und Sturm !
Doch nicht bloß so , wie man so sagt :
man habe was gern !
Es muß dir sein , was dem Vogel die Freiheit ... es muß zu deinem Leben gehören , es muß ein Stück von dir selber werden ... ein Stück deiner Seele , das du hast mitten auch in Novemberschauern , mitten in Mauern , mitten in Alltags-Hast und Last !
Die Sonne muß lieb haben , wer mein Freund sein will !
I Kommst . du . heute . noch ? kommst . du . heute . noch ? den ganzen Nachmittag schon tickt es unser kleines Kuckuckchen ... immer ungeduldiger : Kommst . du . heute . noch ? kommst . du . heute . noch ?
Wo du wohl bist ? und wenn es nicht zu laut ist um dich her , ob du wohl fühlst , so wie man fühlt , daß die Sonne scheint , auch wenn man sie gar nicht sieht und kaum acht gibt : wie meine Gedanken an dich denken und wie sie nach dir fragen und dich zu mir holen möchten ?
Aber wenn die Türen zu dir verschlossen , sie sollen dich nicht unruhig machen mit ihrer Sehnsucht ... nein !
sie wollen dich nicht stören ! sie wollen nichts als um dich sein , wie Schmetterlinge in den Gärten draußen lautlos leise um die Blumenbüsche sind !
Kommst . du . heute . noch ? kommst . du . heute . noch ?
II O das Herz ist mir so warm ... und die Sonne scheint ... so wunderschön !
Frühling !
Frühling !
Wie fernes Glockenläuten liegt es mir im Ohr wie Wipfelrauschen tief in sommergrünem Wald ... und ich möchte auf und hinaus ... dich suchen ... in allen Händen Veilchen , Schlüsselblumen , Mandelblüte ... so viel ich tragen könnte ... und dich überschütten damit und niederknien und dir die Hände küssen ... o du ! o du !
* Und draußen ... wie es dahinströmt ... osterfröhlich ...
Alt und Jung ! und die Straßenbahnen stürmt : hinauszukommen ins Grüne und Sonne , Sonntag und Frühling zu haben und fröhlich zu sein und sich zu freuen !
O , ich habe sie so lieb , die Menschen ! und ich möchte zu jedem hingehen und ihm die Hand geben und sagen : gelt , nun wird es wieder schön und leicht und man kann hinaus !
* Und all die kleinen Mädchen überall in hellem Kleidchen , mit glührotem Sonnenschirm und riesengroßem Hut ...
Es muß hübsch sein , so ein kleines Mädchen zu sein !
So ein kleines Mädchen kann spazieren gehen und braucht über nichts nachzudenken ... und tut_es auch nicht !
es braucht sich auch daheim um nichts zu sorgen und zu grämen , als niedlich auszusehen ... und tut_es auch nicht ! all der Kram , mit dem wir uns das Herz belasten , ist ihm ganz einerlei !
es singt und klingt darüber weg und ... darf es auch !
es darf fröhlich sein und in den Frühling hinauslachen so laut und so übermütig als es will und kein Mensch verübelt ihm und hat etwas dagegen !
Es ist wie ein kleines Vögelchen , das von Baum zu Baum hüpft und sein Liedchen zwitschert und alles sieht ihm nach und freut sich und hat es lieb !
* Flöte freilich würde sagen : aber sie sind nur so niedlich , so lange es eben so kleine Mädchen sind .
Wenn es Frauen werden , denken sie auch nicht weiter nach und das ist böse oder sie denken nach , und das ist noch böser !
Sie verkümmern sich dann das Leben und quälen sich die ganze Woche , weil es ja vielleicht möglich wäre , daß Auguste am nächsten Sonntag die Suppe verdirbt oder den Braten anbrennen läßt !
III Nun ist es Mai !
nun ist es Frühling ! warum freuen wir uns seiner nicht , wie wir geträumt ?!
und stehen und haben Zeit ... für jede Blume , die am Weg wo blüht , für jedes Lied , das aus den Hecken klingt ?! warum nicht jauchzen wir und singen mit ?!
Wir haben uns danach gesehnt , so lang , so lang ! und hasten weiter nun durch Tag und Woche ohne Dank und ohne Blick für so viel Köstlichkeit ... als läge hinter all den blühenden Gärten irgendwo ein höheres Glück !
IV Ich glaube : es war Unrecht , Hani , dir immer alle meine Sorgen mit aufzulasten ... anstatt sie allein durchzutragen !
Ich will es wieder gut machen !
ich denke , ich kann es noch !
Es ist Torheit , wie Kinder alles Beste bis zuletzt aufheben zu wollen !
Man hat vom Leben nur , was man ihm nimmt !
Es sind nur Augenblicke ... und nur die schönen sind_es , die baun und weiterhelfen !
Wir müssen lernen , es leichter zu nehmen ! alles ! dem , was wir wollen zu lieb !
wir kommen sonst nicht durch !
und es kostet zu viel vom Ziel !
* Es ist wichtiger , daß wir uns einmal eine Stunde gönnen und ausschalten und Nichtstun ! und ... durch die Straßen trödeln und an den Läden stehen oder hinausgehen und am Waldrand sitzen und in die Sonne sehen und uns freuen am Grün der Hecken und am Spiel der Schmetterlinge und an all den hundert kleinen Dingen , die da still und unscheinbar ihr Leben um uns leben ! oder daß wir miteinander plaudern , wie andere , ganz gedankenlos , von dem und jenem , das uns gerade einfällt ... es ist Hundert-Mal wichtiger und schaffender , als dieses ganze Fragen und Sorgen und sich Müdemachen für den anderen Tag !
es mag noch so notwendig sein ... unsere Seele ist wichtiger ! wichtiger als dieser ganze Daseinskampfkram ! * O , und ich möchte nicht bloß dir das sagen , Hani !
ich möchte auf die Berge steigen und die Glocken läuten in die Täler :
Es muß ja sein !
ihr habt die Welt euch nun einmal so eingerichtet !
Aber ... es ist nicht das Leben ! und all das Geränne und Gejage und Geplage , mit dem ihr euch das Herz verquält jahraus jahrein ... Broterwerb , Beruf , Besitz ... nein !
es ist nicht das Wichtigste ! es ist nicht Hauptsache !
Hauptsache ist gerade das , über das ihr hinweghetzt ! und das ihr dafür preisgebt !
Hauptsache ist : Mensch zu sein ! und Halt zu machen zwischenhinein und Zeit und Sinn zu haben , einmal nichts zu tun , als sich zu freuen :
wie blau der Himmel und wie bunt die Welt und ... wenn auch nur minutenlang vielleicht , an einem blühenden Rosenstrauch zu stehen und das Herz sich froh zu machen an der Fülle seiner Schönheit !
V Ich bin Fünfundzwanzig und wandere mein Ränzel auf dem Rücken in die Welt und singe mein Lied von Dorf zu Dorf , von Stadt zu Stadt !
Überall alles Rosen und Flieder , Lachen und Lieder , Lust und Tanz ! überall nur weitoffene Türen ! überall Jugend nur , Glück und Glanz !
O Frühling ! o Frühling !
Und du bist_es , du , der ich entgegenjauchze ! der alles gilt , was ich ersann ! die ich mit allem Köstlichen umträume , das ich weiß und denken kann !
Du bist die Sonne , die die Welt überleuchtet , du bist die Heimat hinter mir , und vor mir grüßend und winkend die Weite ! du bist das Tal , durch das ich schreite blühende Gärten und Felder entlang , du bist der Wald mit wogenden Wipfeln , du bist das Lied , das er mir rauscht immerzu in Sturm und Ruhe ! o du ! o du !
Du bist das Kind an meinem Wege , das mir Rosenkränze flicht , du bist die Nacht mit ihrer Sehnsucht , der Tag mit seiner Zuversicht !
Du bist Anfang , du bist Ende ... ich küsse dir die lieben Hände , leise , leise : segnet mich !
VI Heute Mittag war eine junge Dichterin da ... zweiundzwanzig vielleicht .
Es sei schon viel von ihr gedruckt , da und da , aber sie möchte nun gern ein eigenes Bändchen herausbringen .
Ob ich ihr nicht raten könnte ? und ob ich vielleicht einen Verleger wüßte ?
Sie habe auch schon Novellen geschrieben und Honorar wolle sie vorderhand nicht .
Ein feines vornehmes Gesichtchen .
Sehr hübsch .
Dein Haar , kluge Überlegsame Augen und ruhig-selbstverständliche Bewegungen , fast ein bißchen zu sicher für ihr Alter ...
Ach Hani , daß man so ein Geschöpf , wenn es so dasitzt und davon redet :
Dichterin werden zu wollen , daß man es doch bei seinem lieben Köpfchen nehmen dürfte und ihm das Haar zerzausen und es abküssen und ihm sagen :
Kind !
Kind ! werfen Sie den ganzen Plunder in den Ofen und lassen Sie dieses männermordende Spiel !
Sie denken es sich so viel schöner , als es ist !
Sie denken : Sie haben was Gutes und Großes gemacht und haben es in der Tat aus übervollem heißem Herzen heraus geschrieben ... und glauben : nun kämen die Menschen und jauchzten Ihnen entgegen und brächten Ihnen Lorbeer und Kränze und ...
Sie wären ... berühmt ! und ... Berühmt !?
... Verzeihen Sie , aber ... was stellen Sie sich vor unter : berühmt- sein ?! Vielleicht ... vielleicht ist es gar nicht etwas so Schönes , wie man in Ihrem Alter träumt ! vielleicht tut es sogar weh ! vielleicht ... möchte man es gar nicht mehr , wenn man es ist ! vielleicht ... Nein , nein !
es wäre Sünde !
Leben Sie sich lieber was Vernünftiges zurecht !
Dichter und Dichterinnen gibt es wie Sand am Meer !
Leben Sie was Schönes ! und zeigen Sie da , was Sie können ! das ist ein größeres Verdienst und tausendmal köstlicher und das können viel weniger !
Ich habe das so natürlich nicht gesagt !
Sie hätte es doch nicht verstanden ! und ich hätte ihr etwas genommen und nichts dafür geben können ! und dann ... es hat immer etwas so Rührendes , wenn sie derart kommen und wie Kinder nach den Sternen greifen !
Ich möchte dann immer selbst noch diesen Glauben haben und hundert Hände , und wäre es nur , um Einem vielleicht und ... über die gröbsten Enttäuschungen wenigstens hinwegzuhelfen .
Angefangen haben wir schließlich alle einmal so !
VII Ja , ich grüße euch ... alle ... ihr tapferen kleinen Mädchen , die ihr in den Kampf drängt , es dem Manne nach zu tun !
ich grüße euch und habe euch lieb ... wie meine eigene erste Jugend !
Ich habe ihn lieb , diesen aufschäumenden Durst des Leibes und der Seele ... dieses glühende Verlangen nach Erkenntnis und Erfüllung und ich freue mich über diesen fröhlichen Sturm gegen die brüchigen Mauern einer müdegewordenen Welt !
Helft sie mit aufrütteln aus ihrer Zerfahrenheit und macht sie wieder jung mit eurer Sehnsucht und bringt ihr wieder Leben und Freude !
Ich grüße euch ... aus meiner Stille ... und lieb euch und will mit euch gehen , ein alter Soldat , und euch die Fahne tragen und lachen über die Grämlichkeit der Alten und über ihre Ängstlichkeit !
Und wenn sie euch wehren wollen , will ich ihnen sagen : Laßt sie ! laßt sie !
es sind kleine Mädchen ! und wenn sie Gedichte machen und studieren und ins Leben hinaus wollen und das und das werden , laßt sie ! sie tun ja niemand was damit zu leid !
Sie wollen jung sein , wie ihrs auch wart !
Ein paar Jahre und es scheidet sich von selber :
was stark ist , hält , was schwach ist , fällt ! und die meisten wohl werden dann etwas gefunden haben , das ihnen mehr Spaß macht auf die Dauer , als dieses Herumzerren und Herumgezerrt werden !
Und die wenigen , die durchhalten ... ich grüße sie und sage : macht alle Tore und alle Türen für sie auf , so weit sie gehen !
es ist auch so noch schwer genug ! und wenn auch nur wenige wieder von diesen Wenigen zum Ziel kommen ... wie viel sind denn von euch , wie viel von uns ans Ziel gekommen ?!
Macht ruhig alle Tore auf und alle Türen !
was glückt und was mißglückt , es kommt nur einer späteren Welt zu gut und eure Kindeskinder werden es euch einmal danken !
Das freilich hänge als Spruch an jedem Weg : Nehmt ernst und treibt es nicht zu weit ! und vergeßt nicht , was ihr euch schuldig seid , euch selbst zu lieb und dem , das ihr wollt ! sonst . wird_es . nur . Leid ! VIII Laß sie sich ereifern , Hani , laß sie streiten , so lang es ihnen Spaß macht ... wir wollen jede ehrliche Meinung ehren ... wir Zwei für uns aber wollen zusammendenken lernen , nicht immer nur auseinander ... es ist Zeit dazu ... und so in die Welt sehen :
Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen Mann und Frau ! nur die Kleider sind verschieden , die sie sich allmählich angewöhnt haben !
es gibt keinen anderen Unterschied zwischen ihnen , als den es eben überhaupt gibt , von Mann zu Mann selbst oder von Frau zu Frau !
Taler ist Taler , ob er Kopf oder Wappen zeigt , und Mensch ist Mensch , und je höher er steht , um so vollgültiger ist er beides :
Mann und Frau !
Die Frau kann ganz gleichwertig , was der Mann kann , wenn sie überhaupt was kann .
Es gibt auch Männer , die nichts können , und leider Gottes viel zu viel !
Es gibt nur ein menschliches , kein an sich weibliches oder an sich männliches Empfinden ... bis eben auf die äußeren Verschiedenheiten , die jahrhundertlange Gewöhnungen geschaffen haben und in jedem Einzelleben wieder Kinderstube und eigene Entwicklung !
Letzter Kern ist letzter Kern ... und ...
Gold ist Gold , zu was es auch verarbeitet sein mag , und Kupfer Kupfer und Blei Blei !
IX Sieh , Liebste , das ist so schön und das dank ich dir im stillen jeden Tag aufs neue :
Daß du mir nichts von all den kleinen Demütigungen und Entwürdigungen antust , mit denen so viele Frauen ihren Männern langsam den inneren Stolz zerfasern , den man haben muß vor sich selbst , wenn man nicht bloß Haushaltungsvorstand sein soll ... im besten Glauben , in aller Liebe , aber mit ihrer ganzen Art , zu sein und ins Leben zu sehen : überall auf kleine Augenblicksvorteilchen bedacht und alles nur unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen ... mit ihrem Hang : wenn es Verdruß gab , die Dinge zu stellen und zu legen , wie sie , wenn man sachlich zusieht , nie gewesen sein können ! mit ihrer Neigung : auch hinter zugezogenstem Vorhang noch sich selbst alles mögliche vorzumachen , und was unangenehm , irgendwo in eine Schublade zu schieben und zu glauben , damit sei es erledigt .
Ohne es zu wollen , aber ohne es zu fühlen auch , zerbröckeln sie ihm damit den inneren Stolz und mit diesem Stolz auch die stumme heimliche Verehrung , mit der der Mann die Frau umhegt , die er lieb hat ... bis er schließlich wird , wie er nie sein möchte , wie neunundneunzig aber von hundert sind .
Flöte war da und wir kamen darauf .
* Der Mann ist immer Kind in seiner Seele , weit mehr vielleicht als die Frau !
Er darf es nur nie sein !
und darum wurde ... sein Arm stärker als der der Frau und sein Herz härter und sein Wille rücksichtsloser und nun träumt er von der Frau , was er selbst nicht sein darf und vielleicht auch nicht mehr recht sein kann ... denn es verkümmert schließlich , was sich immer und immer zurückhalten und verbergen muß. * O , daß die Frau es mehr verstünde , über Zaun und Hecken hinweg in seiner Seele zu lesen und ihn Kind sein zu lassen ihr gegenüber , wenn er einmal müde ist , Herr zu sein und die Zügel für ein Weilchen aus den Händen geben möchte ! o , daß sie mehr verstünde , mit ihm zu gehen durch die Stimmungen seiner Sehnsucht und ihnen entgegenzufühlen ! daß sie nicht immer bloß eines wäre :
Kind oder Frau oder Mutter , daß sie mehr vermöchte : alles zugleich zu sein !
wie sie selbst von ihm ganz ebenso doch Kind und Mann und Vater haben will und nicht bloß eines !
Er will , was Kind in ihr :
die ganze zutrauliche Zärtlichkeit ihrer Seele , ihren Glauben , ihre Fröhlichkeit und Leichtigkeit ! er will , was Weib in ihr : ihre Sehnsucht nach Leben , den Durst ihrer Sinne , ihre Leidenschaft und Eifersucht ! er will , was Mutter in ihr : ihren Stolz , ihre Güte , ihre behütende Sorglichkeit und Treue und Aufopferung !
Er will , sie soll seine Helferin sein bei allem und im Kampfe mit ihm stehen , aber er will auch , sie soll darüber hinaus sein und Hüterin seines Hauses ! er will , sie soll Dienerin sein und zugleich doch wieder Königin !
X Nächste Woche geht es nach Rügen , Liebste !
Gerlach schreibt , er möchte am Samstag losfahren , und es wäre schön , wenn ich gleich mitkäme ... oder ob wir uns wo treffen könnten .
Da ich Bescheid wüßte , wäre es ihm sehr lieb , wenn ich Zeit hätte , vierzehn Tage mit ihm herumzuziehen und Aufnahmen zu machen .
Er wolle gern die Hälfte der Kosten dafür tragen .
Je nach dem warte er auch noch acht Tage .
Was meinst du ?
Ich bin mit allem Laufenden so weit fertig , aber es kommt mir ein bißchen über den Kopf .
Doch ich freue mich ... und es soll gut werden .
Man muß aus allem was machen können .
Ich packe außerdem mein Roman-Manuskript ein ... und vielleicht kommt ...
Hani eines Tages ?!
* Tausend Grüße und Küsse !
Ich muß tausend Briefe schreiben ... und möchte lieber tausend Gedichte machen !
XI In Sturm und Wetter geht_es über die See , und die Wellen rollen und grollen und schäumen wie Schnee in die Höhe und ich stehe auf Deck und der Regen schauert mir ins Gesicht ... und ich suche vor und suche zurück ... in Sturm und Wetter versinkt mein Glück !
* Sei_es Sturm ! sei_es ! hier hast du mich ! wettere mir in die Brust und brich , was nicht stand hält , brich zusammen schonungslos ! rüttle , reiße , wie du kannst !
ich halte , ich lache , ich habe keine Angst ! ich will , ich mag nicht , was nicht feststeht ! und wenn es um den letzten Rest geht , einerlei ! was nicht hält , ist Narretei !
Sinn hat nur , was sich bewährt !
und geht der ganze Kerl zum Teufel ... war der ganze Kerl nichts wert !
XII Ich bin nun auf heiligem Boden wieder in unserem Heimat-Sonnenland ... in klingendem Goldblau leuchtet der Himmel und auf den Höhen rauschen die Wälder , die Wellen spielen am weißen Strand ...
Und ich grüße dich über das Meer hinüber und rufe dich und gebe dir die Hand :
Wir wollen , was hinter uns liegt , begraben !
wir wollen nicht mehr rückwärts sehen !
wir wollen mit allem Frieden machen , was geschehen und nicht geschehen !
Es ist heiliger Boden , auf dem ich stehe , es ist heiliges Land , durch das ich gehe !
Wir wollen uns nicht mehr so müde quälen , wir haben uns gequält genug !
wir wollen ein neues Leben beginnen ! und was uns das alte an Wunden schlug und was wir uns selbst in törichter Pein zertragen haben mit Zagen und Fragen , wir wollen schweigend es uns verzeihn :
es soll vergessen und abgetan sein !
Es ist heiliger Boden , auf dem ich stehe , es ist heiliges Land , durch das ich gehe , und keine Sorge , kein Groll , kein Weh soll es entweihen ! XIII Abendgoldklarseliger Frieden überall ...
Ich sitze am Fenster ... zum ersten Mal vielleicht seit Jahren ohne Hast und Unruhe in der Seele ... was kommt , das kommt !
Sturm oder Sonnenschein ! hast du die Hand nur fest am Steuer wird Leid und Weh auch dir zum Ziel gedeihen und frischer Wind nur in die Segel sein !
... Hügel und Heide und über Hügel und Heide das Meer , groß und frei , in wundersamen Farben schillernd ... weiße Wolkenkränze horizontentlang ... und Bann um Bann und Zwang um Zwang löst sich und fällt ... und wie fernabziehendes Sturmgewölk sinkt all die Sorge in die Tiefe , mit der ich mich herumgeschleppt und müde gemacht ... alles Kleinliche und Hemmende ...
Und ich stehe und frage mich : warum , wozu hast du dir so das Herz verhärmt ?! wozu dies ewige Zweifeln und Bedenken ?
Es ist so einfach alles , wenn man_es einfach nimmt !
... Was kommt , das kommt : Sturm oder Sonnenschein ! hast du die Hand nur fest am Steuer , wird Leid und Weh auch dir zum Ziel gedeihen und frischer Wind nur in die Segel sein !
* So : in Schönheit zu leben ... in sich selber klar und still und die Dinge umher alle übersehbar offen und in ruhigem Geleise ... eins mit sich und mit der Welt ... arbeiten dürfen , nicht arbeiten müssen ... ich denke immer : so eigentlich müsse das Leben sein , das sich der Mensch auf seiner Erde schaffen müsse ... und nicht dies ruhelose , immer unsinniger werdende Gehaste und Gehetze unserer Städte .
Aber alles , was er tut und ersinnt und wofür er sich abmüht und verbraucht , all die Kunststücke und Herrlichkeiten , die er sich zurechtdenkt und erfindet und auf die er so unsagbar stolz ist ... sie führen immer weiter davon ab ! sie führen immer weiter davon ab !
Anstatt zu vereinfachen , erschweren und verwickeln und verwirren sie das Leben immer unlösbarer und verblenden ihn immer mehr !
er vergißt immer mehr , zu welchem Ziel er alles macht und schafft !
und sieht immer weniger , wie er sich die Quellen verschüttet und wie er sich gerade das zerbricht , das er damit erringen und gewinnen wollte ! anstatt zum Freien macht er sich zum Knecht !
* Dich und dein Leben in Einklang bringen mit deiner Sehnsucht und in Einklang bringen mit den Dingen der Welt ... o , es wäre nicht so schwer ... wenn wir uns nicht immer selbst den Weg dazu verwürfen und wenn wir gelassener und vertrauender auf das in uns , das da hinaussucht eben über das Herabzerrede und Lähmende des Werktags , den wir haben Herr werden lassen ! und wenn wir nicht immer und immer in Waffen stehen müßten gegen einander und uns verteidigen nach allen Seiten gegen Nichtigkeiten , Neid und Niedrigkeit ... o , es wäre nicht so schwer ... es wäre noch immer nicht unmöglich !
XIV Wir müssen einen Strich durch machen , Liebste ! so schön gewesen , was wir geträumt ... es ist zu spät !
es ist versäumt !
Wir wollten uns nicht mit ungeduld-törichtstürmischem Augenblick-Genügen um den höchsten Kranz betrügen ... wir wollten uns , was wir wünschten , verdienen , und vor uns selbst ein Recht uns erwerben Stück um Stück auf ein bescheiden Teil an Glück ! wir wollten warten und uns gedulden in Arbeit und in treuer Mühe , bis es uns fiel , bis alles glatt um uns und eben und offen der Weg zu klarem Ziel !
Und wir haben gewartet und haben gewartet , ohne zu klagen ! wir haben schweigend alles getragen , Leid und Streit , ohne Neid , fröhlichen Glaubens und unverdrossen ! wir haben gekämpft und haben gerungen und unsere Sehnsucht niedergezwungen , während die anderen um uns her lachend ihre Jugend genossen !
Und Jahr um Jahr ist darüber vergangen , und was jedes brachte und was es nahm , wir hielten aus und sind aufrecht geblieben und ließen uns nicht unterkriegen .
Aber es ... hat zu lange gedauert und war zu schwer !
und ganz leise , sieh , Schritt um Schritt haben die Dinge um uns sich gewandelt und . wir . uns . mit !
Wir wollten hart werden und sind hart geworden und weinen nicht mehr ! aber es hat uns ... die Freude gebrochen , jene sorglose Übermut-Seligkeit , die wagt und gewinnt und nicht wägt und mißt ! jene Freude , die eben ...
Jugend ist ! und jenen Stolz : mit erhobenem Haupte frei auf eigenem Boden zu stehen und in jungen Jahren ... lachend als Sieger ... zusammen zum Ziele zu gehen !
Und wenn das Schwerste nun auch überstanden , und wenn wir nun auch . vielleicht . so . weit : sagen zu können :
wir habens gezwungen ! und was wir haben und was wir sind , ist selbst errungen und ehrlich verdient !
... was wir einst träumten im blühenden Mai ... das müssen wir streichen !
das ist vorbei !
XV Nun aber freue dich auch , schriebst du heute : Du hast nun alles , was du wünschtest :
Meer und Berge und Sonnenschein !
ich wollt , ich könnte mit dir sein !
... und wenn die Fäden hinter dir reißen , was liegt daran ?!
sie knüpfen alle sich rasch wieder an ?
Man muß einmal einen Abschnitt machen , wie oft hast du das selber gesagt , man muß einmal über die Berge gehen , um sich von anderswoher zu sehen !
Man verliegt zu leicht und verliert den Maßstab , den Blick fürs Ganze und wird langweilig sich selbst und den anderen ... immer nur Arbeit tut_es nicht allein , es braucht auch Auslug zwischenhinein , Sichtung und Sammlung !
Ich wollt , ich könnte mit dir sein !
* Ja , du hast recht !
ich will es lassen !
es führt zu nichts ... und macht bloß müde !
Nur abends eben , wenn alles vorüber , und wenn ich noch ein bißchen gehe , allein zu sein , den Hang hinauf , das Meer zu sehen und die blitzenden Sterne zwischen den Wolken , kommt es mitunter ... und wenn ich dann denke : was und wie viel ... wie viel ich gewollt , und wie die Jahre darüber verrollt , und wie fast alles nur Stückwerk geblieben : Schaffen . Kämpfen . Leben . Lieben ... dann ist etwas , das in mir grollt !
dann ist etwas ... o nein , nicht Reue , weiß Gott nicht , nein !
... Doch , du hast recht :
ich will es lassen !
ich will mich des Erreichten freuen und des noch Kommenden fröhlich sein !
* Die Hälfte , sagst du , sei doch immer geglückt , und das sei viel !
und mehr gelänge überhaupt nur selten !
ich hätte keinen Grund zu schelten !
Gewiß , gewiß : die Hälfte ist viel , vergleichst du den Anfang ... und doch , sieh , so wenig , so herzlich wenig , Vergleich ich_es zum Ziel !
Man müßte drei Leben zu leben haben , und nicht bloß dies eine , das halb vorüber , bis man erkannt hat , wie man es nützt , und bis man endlich im Sattel sitzt !
Man müßte drei Leben zu leben haben , eins in die Tiefe und eins in die Höhe , dreifache Zeit und dreifache Kraft !
Bei unserem einen heißt es : sich begnügen und schweigend seine Sehnsucht betrügen mit dem , was man im Vorbeigehen errafft und schafft !
... Oder aber ... nun habe ich_es wieder :
Die alte Jugend grüßt herüber und klingt das Schwert :
Tiefe und Höhe von drei Leben in einem zu zwingen , in einem zu leben !
XVI Stille weiße Wölkchen am Himmel ... schon als Junge immer streckt ich mich ins Gartengras , oben am Berg ... wenn die Glocken Ave läuteten im Tal ... und sah euch zu ...
Und noch immer liege ich so am Hang ... das Meer unter mir , blau und weit und blau und weit über mir der Himmel mit seiner Sommersonne ...
Und das Meer ist meine Seele und der Himmel ist meine Welt und ihr ... die Sehnsucht meiner Seele ... hinziehend durch die Welt , still und weiß ...
Grüßt alle , die euch lieb haben ! XVII Wie schön das ist : aufzuwachen : das ganze Zimmerchen voll Sonne , Schwalben vor dem offenen Fenster und draußen das Meer ... in lichtblaugoldenem Glanz ... und die Augen noch einmal zu schließen und zu träumen ... von dir und von Tagen , die gewesen , und von Tagen , die vielleicht einst werden ...
Und lautlos geht die Türe und du kommst , mich wachzuküssen ... Leise , leise auf den Zehn schleichst du näher ... und ich sehe deine braunen Augen leuchten und du legst mir auf die Stirn leise deine weiße Hand ... und es ist , als wiche ein langer dumpfer Tod aus meiner Seele und als wiege mich ein goldener Nachen durch tiefblaue Ruhe einem niegekannten neuen restlos seligen Leben zu ! XVIII Nun kenne ich jeden Weg und Steg , nun kenne ich jede Bank im Wald und jeden Gang und jeden Hang diese ganze licht-selige Welt entlang , Schlupf und Schlucht und Busch und Baum Haus und Hof und Heck und Zaun , Sturz und Stein ... und möchte nur und möchte :
du könntest mit mir sein !
Das blaue Meer und Strand und Land und Wies und Wald und Höhn ... so hell die Sonne niedergrüßt , so golden jeder Tag verfließt ... es wäre noch einmal so Licht , so selig und so schön !
* Die Schwalben auf dem Fenstergesimse würden uns wach zwitschern , und die Sonne blitzte am Himmel , unsere alte treue siegende Sonne !
Und alles wäre hell und froh und frei und klar und heiter ... die Gärten mit ihren blühenden Rosenstöcken , die Wiesen mit ihren Schmetterlingen , die Heide mit ihrem Thymianduft , die Hänge umher mit goldenen Feldern , umhütet von Eichen- und Buchenwäldern , und da und dort und überall das Meer ! unser altes ewig junges heiliges Meer ! hell und froh und frei und klar und heiter !
die ganze Welt ein einziges großes sommerseliges Jubellied !
* Und der ganze Tag gehörte uns und unserer Freude und wir gingen die Wiesen hinunter , all die lieben kleine Wege , und hanghinauf in unseren Frühlingswald und sängen und lachten und nähmen uns bei der Hand , wie damals ... weißt du noch : wie wir wegauf und ab tanzten wie Kinder , und uns küßten und weitertanzten , und wie die alten ernsten Bäume ringsum verwundert aufrauschten ob uns närrischen zwei Menschendingern ? und wie wir mit einmal dann auf der kleinen runden Wiese standen , atemlos , in grünflimmerndem Licht , blaublauer Himmel über den Kronen der Eichen und ... alles still und groß und feierlich , wie in einer Kirche ...
Weißt du noch ? und ... wie wir uns ansahen , du mich , ich dich ... scheu und schauernd plötzlich und erschrocken , als ob wir uns noch nie gesehen hätten ... ein paar Augenblicke ... wie ein Zauber : als ob wir gar nicht dieser Erde wären !
... Und dann setzten wir uns ins Gras und gaben uns die Hand und sahen ins Grüne :
wir wollen uns gut bleiben , was auch komme !
O , ich habe dich so lieb , Hani ! so lieb , so lieb !
* Und wenn die Sonne untergeht , würden wir auf den Berg steigen und ihr sagen : Wir danken dir , Sonne , für diesen seligen Tag !
Sehnsucht zu dir ist_es , die uns zusammenfinden ließ !
wir wollen an dich glauben und dir treu bleiben ! und uns von keiner Schwere mehr das Herz erdrücken lassen !
XIX Sonntag .
Tief im Westen der Mond ...
Über den Hügelhöhen drüben der breite blauschwarze Streifen ist das Meer ... das weiß-rote Blickfeuer über dem Busch , geradeaus , der Leuchtturm der Oie ... das Flimmern am Horizont ... Lichter des Festlands ... wie ein fernes Jenseits liegt es im Schweigen der Nacht ... und dann : die Schattenlinien von Thiessow , vom Klein- und Groß-Zickerberg , und im Vordergrund Lobber Ort und der Strand ...
Wie still alles ! totenstill !
Nähe und Ferne !
ich hätte nicht gedacht , daß Leben so still sein könnte und doch leben !
Und die Sterne !
ach ja , die Sterne !
In der Stadt vergißt man ganz , daß es Sterne gibt ... und man sieht auch nichts von ihnen zwischen all den Häusern !
O es ist ganz wunderherrlich : der große Bär , der Abendstern , der Jupiter , und die Milchstraße ! o es ist wie ein Märchen ! und wenn ich das Glas abnehme , ist es fast noch schöner ... es schwimmt und flimmert dann alles in einander ... es ist dann wie ein silberblau bewegtes Meer über mir ... noch märchenhafter , noch unendlicher ! * O daß du hier wärest ! daß nicht bloß ich allein es sähe ! daß auch du es hättest ! daß wir es zusammensähen ! daß wir Hand in Hand stehen könnten in der Nacht der Gärten und ... o ich habe so Sehnsucht nach dir , so allgewaltige Sehnsucht !
Es ist so schwer , sich immer allein freuen zu müssen an so Schönem !
* Hinter dem Nussbaum , im Sandbruch am Südstrand orgelt ein Karussell auf ... ich sehe seine roten und blauen Lichter zwischen den Bäumen hin und hertanzen ... wie aus ferner Ferne aber klingt seine Musik zu mir herauf und das Lärmen und Schreien der Kinder ... wie aus menschenalterweiten Weiten ... wie aus Zeiten ... die man vielleicht nur geträumt hat .
Ich glaube , es ist das Meer , das alles so ins Ferne spinnt und alles Lachen , alles Jauchzen mit heimlich leiser Wehmut überrinnt !
Ein großer Nachtschmetterling schwirrt ins Fenster und kreist um meine Lampe ... ein Windstoß blättert meine Schreibereien auf ...
Wenn du hier wärest , würde ich sagen : komme wir wollen Kinder sein , Liebste , und hinuntergehen und Karussell fahren ! mit dir könnt ich_es ! allein bin ich zu alt !
XX Lieder des Leierkastenmannes Ich hatte ein Mädchen und hatte es lieb und habe es nicht geküßt ... und die Leute lachen mir ins Gesicht und glauben es nicht .
Braunblond und jung , o ein herziges Ding , zierlich und fein wie ein Schmetterling ! und wo es war , war aus und ein die ganze Welt voll Sonnenschein !
Es brach mir die rötesten Rosen vom Strauch und hatte mich lieb , und ich es auch !
Und ich tat ihm weh und sagte : gehe ! wir haben zum Heiraten beide kein Geld und du sollst ehrlich bleiben vor Gott und Welt ! darum gehe lieber , gehe !
Und die Leute lachen mir ins Gesicht und glauben es nicht !
Und wenn ich wieder ein Mädchen so habe , dann frag ich den Kuckuck danach ! geschehe , was geschehe !
ich küße es , so viel ich will und mag und sage nie mehr : gehe !
Und wenn man kommt und Geschichten macht , bin ich_es der lacht ! bin ich_es der lacht : Was heißt bei euch denn Ehre ?!
ich kenne euch jetzt und Rat euch sehr : nehmt euch in acht !
ihr habt mich ein Mal dumm gemacht , ein zweites Mal nicht mehr !
Ich dank euch für die Lehre !
* Woher ich die Falten all im Gesicht und was mich so grau gemacht ? fragt lieber nicht !
doch sagt auch nicht :
ich hätte zu viel im Leben gelacht und geküßt !
es wäre ein wenig lustig Lied , das ich dann singen müßt !
Weiß Gott , ich wollt :
ich hätte_es so getrieben !
ich wollt , es käme von Leben und Lieben und Lachen und Lärmen und Lustig- sein !
ich gäbe sonst was dafür ! und komme ich noch Mal auf die Welt , dann mache ich_es auch wie ihr !
Dann ist mir all das einerlei , so einerlei als zwei Mal zwei , weswegen ich nicht gelacht und was mir die Falten ins Gesicht und was mich so grau gemacht ! * O komme , ja komme !
ich wart auf dich !
O komme , ja komme und küsse mich und sage mir immer wieder :
ich habe dich lieb !
ich habe dich lieb ! und was ich bin und Sinn , ist dein ! sei mein , sei mein !
ich habe dich lieb !
... o sag mir immer wieder !
ich lasse dir keine Ruhe und sagst du es hundert und tausendmal , ich höre immer noch zu !
Ich weiß es nicht , warum , woher ... mir ist das Herz so schwer , so schwer die ganze Zeit , so Gram und leid so lahm und leer , als ob etwas verloren wäre !
Ich habe nie den Mut gehabt , ich habe nie dir was gesagt und habe nichts anderes doch gedacht Tag und Nacht und müde und einsam mich gemacht !
Doch nun , doch nun ... ich kann nicht mehr , ich trags nicht mehr , ich mag_es nicht mehr ! und würde Not und Qual daraus , ich jauchz es in die Welt hinaus :
O komme , ja komme ! sei mein , sei mein !
und laß uns lachen und glücklich sein !
Ich habe nur dich und will nur dich und wart auf dich und verzehre mich : o komme , o komme und küsse mich und mache mich still und mache mich gut und gib mir Glauben wieder und Mut und sage mir immer wieder :
ich habe dich lieb !
ich habe dich lieb ! und was ich bin und Sinn , sei dein ! sei mein , sei mein !
... o sag mir immer wieder !
ich lasse dir keine Ruhe und sagst du es hundert und tausendmal ich höre immer noch zu !
XXI Die Krone gerichtet !
Kränze gewunden !
Glocken geläutet !
Spielleute auf !
Die Alten sollen Festtag machen ! die Jungen sollen zum Tanze kommen ! die Kinder sollen Blumen streuen ! und so soll_es heute und immer sein !
* Ein Hoch auf die Königin und auf den Sommer , da die Rosen blühn ! XXII Nun kann kein Leid uns mehr was haben , nun kann kein Neid uns mehr was tun , nun kann kein Sturm uns mehr schlagen , alle Klagen , alle Fragen lösten leise sich und ruhn !
Tief aus tiefblaustrahlendem Himmel flutet die Sonne ihr flammendes Gold und verflogen und zerstoben sind alle Wetter , die uns umgrollt !
Und mit Rosen in den Haaren und mit Rosen in der Hand schreiten selig nun wir beide in das sommerlachend weite lieb- und lieddurchjauchzte Land :
Und kein Leid kann uns was haben und kein Neid kann uns was tun und kein Sturm kann uns mehr schlagen , alle Klagen , alle Fragen liegen wie ein Traum zurück ... um uns her nur Klang und Farben blühende Gärten , goldene Garben , Sommerglanz und Sonnenglück ! XXIII Unter Buchen sitzen wir , in nickendem Farnkraut und sehen den Schmetterlingen zu , wie sie um die blauen Glockenblumen gaukeln und den Spinnen , wie sie zierlich ihre seinen Fäden schaukeln und horchen auf das Gurren wilder Tauben ... und die Welt ... so weit ... so fern !
Und wir liegen in den weißen Dünen und träumen aufs Meer und seine selig blaue Weite und plaudern den Booten nach , die draußen mit sonnenhellen Segeln in die Ferne schwinden und den Dampfern , die am Horizont vorübertauchen ... und die Welt ... so weit ... so fern !
Und wir sitzen auf der Veranda unseres kleinen Stübchens und lachen in das Schwalbengezwitscher hinaus über den Gärten und über den Wiesen an den Hövtabhängen drüben und staunen in die Feuerpracht der untergehenden Sonne und in den goldflammenden Himmel über der dämmernden Erde ... still und stiller werdend und die Welt ... so weit ... so fern !
. Und morgen ... wieder so !
und morgen wieder so !
* Ich habe dich lieb ... ich weiß nichts anderes , als ich habe dich lieb ! und alles , alles an dir habe ich lieb ... und immer mehr und immer mehr ... dein Haar , deine Stirn , deine Augen , deinen Mund , deine Hände ... alles , alles !
und wie du gehst und wie du stehst , jede Bewegung , jeden Blick ! und es gehört mir bis auf den letzten heimlichsten Gedanken ... alles , alles mir , nur mir , nur mir ! und ich gönne niemand anderem etwas davon ! nichts und niemand ! nicht einmal dir selber !
Und es muß mich wieder lieb haben und zu mir wollen , alles , alles ! und ... es hat mich lieb !
ich weiß , ich weiß , ja ich weiß : es hat mich lieb und hat Sehnsucht zu mir , wie ich zu ihm und ich küsse es und küsse es , alles , alles , dein Haar , deine Stirn , deine Augen , deinen Mund , deine Hände ... und trinke zitternd deine Seele in die meine ! o Liebste du , Herzallerallerallerliebste du ! XXIV Sonntag Morgen ... lichtklarer Himmel über Höhe und Heide ... nirgends aber Glockenläuten , keine Kirche weit und breit ! niemand , der von Sünde spräche und von Bösem und von Büßen-müssen !
Laß uns zum Strand hinuntergehen , komme !
Wir wollen keine Andacht halten , wir wollen nur , zwei selig frohe Menschen Hand in Hand stehen : Auge in Auge unserer Sonne , Auge in Auge unserem Meer ... nicht jauchzen ! nein ! nicht laut sein !
nur ganz still hinaussehen auf die ruheweiten Wasser und ihren glockenlosen Frieden und uns freuen : dieser Welt zu sein ... nicht mehr , nicht weniger , nichts anderes , als alles andere um uns her , das lebt und grünt und blüht und sich erfüllt ... sündlos , bußlos !
* Südstrand .
Hövtabhang .
Haselnußstauden , Wacholder , Disteln und Halmgras , von Libellen und Schmetterlingen umschwirrt ... Himmel und Meer ein einziges wolken- und wellenloses Blau ...
Kein Hauch , kein Laut ...
Die ganze Welt ein seligstummes Blühn und Blühn und Blühn ... mittagsonnetrunken ...
Zwei schillernde Pfauenaugen in zierlichem Spiel sich lockend und übereinanderfliegend und in den Thymian fallend .
* Goldene Wolken im Abendblau und das Meer in lautloser Stille ... nur hie und da noch gluckert eine halbverträumte Welle durch das Pfahlwerk unterm Brückensteg ... und über den Wassern in der Ferne hüpfen Lichter auf , wie kleine Sterne .
Der Tag ist müde und will schlafen gehen und leise sinken ihm die Augen zu ... hoch am Himmel nur die stillen Wolken ziehen immer weiter .
XXV Laß mich den Kopf dir in den Schoß legen , komme ... und nun ... weißt du , nun ... wollen wir die Augen zumachen und ganz still sein und träumen ... wie wir so oft träumten in regeneinsamen Novembertagen , uns Mut zu machen :
Wie schön es wäre : so an blauem Meer zu sitzen hoch auf der Düne fröhliche Menschen am weißen Strand und Sonne , Sonne über Meer und Land ... wie schön es wäre : unbekümmert einmal um morgen ohne rechnen zu müssen und sorgen glücklich zu sein und uns des Augenblicks zu freuen !
... Und dann ... dann wollen wir ganz schnell die Augen wieder aufmachen und ... dann ist es so ! dann ist es so ! wie im Märchen ! und noch viel schöner ! noch viel schöner !
dann sitzen wir da : hoch auf der Düne unter rauschenden Föhren fröhliche Menschen am weißen Strand , und Sonne , Sonne über Meer und Land !
* Wir wollen noch einmal so spielen ... aber anders !
Wir wollen die Augen zumachen und denken :
wir wären nicht hier , sondern zu Hause ... jedes für sich , wie immer : Du hättest Schule und kämest heim und dächtest zu mir und ich zu dir und wir möchten bei einander sein und hätten Sehnsucht und freuten uns die ganze Woche schon auf Samstag Nachmittag , hinaus zu können in den Wald und ... und ich wäre eben dabei , ein paar Blätter einzustecken , um dir vorzulesen , was ich die Tage über gemacht ... statt deiner aber käme Animariechen :
du seiest eingeladen und es gehe nicht anders , so weh es dir täte ... und ich säße und säße : ob wir je noch zu einander fänden , ob wir_es je noch einmal haben würden , wie es andere haben ...
Und dann ... dann ... zählst du plötzlich : eins , zwei , drei !
Augen auf !
und ich liege in deinem Schoß und du beugst dich über mich und lachst und küßt mich und sagst :
ich habe dich lieb ! so , so lieb ! und ich schling die Arme um dich und küsse dich wieder und sage : ich habe dich noch viel , viel lieber ! und wir nehmen uns bei den Händen : es ist am Ende nur Traum ?
Aber nein !
es ist kein Traum ! es ist so !
es ist so !
wir haben es auch einmal , wies andere haben !
wir sitzen da : unter rauschenden Föhren hoch auf der Düne und dürfen unbekümmert um morgen des goldenen Augenblicks uns freuen und ohne rechnen zu müssen und sorgen fröhliche , selige Kinder sein !
* Und es gibt Menschen , die das alles haben , immer , tagaus und ein und die doch nicht vergnügt sind und ohne klagen aufrecht ihres Weges gehen und lachend über dem Leben stehen ! o mein Gott ! XXVI Du , wir müssen an die Mutter schreiben ! wir haben ihrer noch kaum gedacht !
unser Glück hat uns undankbar gemacht !
... und es war die ganze Zeit doch immer wie ein stiller Segen von ihr um uns her !
O daß sie mit hier sein könnte !
Wir würden am Strand unten mit ihr sein , wenn die Dampfer kommen , oder im Garten ... o wie sie glücklich sein würde und lachen und vergnügt sein ! und plötzlich aufstehen vielleicht und sagen : so , nun geht !
ihr braucht mich alte Frau nicht immer zu unterhalten ! geht ! lauft zu ! und wenn sie uns dann auf den Hügeln drüben sähe , im Schein der Sonne , Hand in Hand ... o wie sie sich freuen würde ! und wenn wir zurückkämen und ihr erzählten , wo wir gewesen und was wir gesehen wieder und erlebt und wie oft wir uns geküßt hätten , ganz schnell , hinter einem Baum , und wie selig wir seien ... O wir müssen ihr schreiben und ihr einmal etwas schicken , Blumen oder ... weißt du , wir stehlen im Wald ein kleines Wachholderbäumchen oder ein Tännchen .
Es kommt vielleicht fort , wenn wir es gut mit Erde verpacken ! XXVII Wir wollen Muscheln suchen gehen , komme , am Südstrand unten , und Bernstein und kleine Kiesel ... und wer die schönsten hat , darf dem anderen so viel Küsse geben , als er schönere hat ! magst du ?
Und wenn wir gleich haben , zählen wir aus :
Ich bin dein Kind und du bist meins !
du bist mein Liebstes und ich deins !
und keins ist ohne das andere Eins !
Und vielleicht finden wir wieder Versteinerungen !
Oder wir sehen den Schwalben zu , wie sie in ihren Nestern am Sandsturz oben ihre Jungen füttern ... oder auf der Heide den Bienen und unseren Schmetterlingen oder den Spinnen an den Schlehdornbüschen ... es ist so wunderbar , dem allem nachzugehen und in ganz Kleinem , Unscheinbarem das große Leben der Welt zu verstehen !
* Oder willst du in den Wald ... dann wollen wir uns Heidekraut holen und Zittergras für unsere Stübchen ... und das kleine Tal suchen , Quereien durch die Föhren , hinter dem Wall mit dem Hünenstein und den Wachholderbüschen ... wo es so schön war !
... tandaradei !
wo wir saßen und dem Kuckuck zuhörten und zählten , wie oft er rief ... und ... wo die großen blauen Glockenblumen standen und die Königskerzen und die roten Elfensterne ... weißt du noch ?
* Und gegen Abend gehen wir über die Höhen , den Weg , den ich dir zeigte , und sehen die Sonne untergehen .
Der ganze Himmel ist dann wie ein Feuermeer ... und man möchte Flügel haben , emporzutauchen in seine Pracht .
Ich ging da immer , ehe du da warst , und dachte , wie schön es wäre , hier einmal mit dir zu stehen und hatte so Sehnsucht ... so Sehnsucht ! und nun bist du da , nun bist du da , und alles ist gut !
Tag und Nacht ! o und seliger , als ich je gedacht !
* Aber ... ja , wir haben auch die Rehe lieb , wenn sie so am Waldsaum stehen und herüberäugen über die Wiesen , neugierig-angstvoll scheu ... Bleibt , bleibt , wir tun euch nichts !
wir standen auch schon so wie ihr und wagten auch uns kaum aus unserem Wald !
... wir tun euch nichts ! wir tun euch nichts ! habt keine Sorge !
* Der Mond ... guck doch , der Mond !
unser alter lieber guter Mond !
Hallo , wir grüßen dich !
wir grüßen dich !
Sieh her : du hast uns weinen sehen , nun sieh uns lachen ! und sieh : wir stehen und ... küssen uns ! und haben keine Angst mehr vor den Menschen , vor niemand und nichts !
Und wenn du es erzählen willst , erzähle_es ! wo und was und wem du magst !
wir lachen dazu , sieh her , und küssen uns und noch einmal und immer wieder ! vor dir und dieser ganzen weiten großen seligen Welt ! XXVIII So ist es schön !
ach ja ! so ist es schön !
so still zu sein ... erfüllten Wunsches froh ... dein liebes Köpfchen an die Brust gelehnt am Waldrand zu sitzen unter wilden Rosen ... hoch in den Wipfeln über uns ein leises Rauschen , wie ein Klingen ferner Glocken und blau und weit das Meer zu unseren Füßen und ganz still zu sein , kein Wort zu reden , nur zu fühlen !
nur zu fühlen ! ach ja , ach ja !
Und nichts zu wollen und nichts zu wissen , als :
ich habe dich lieb , ich habe dich lieb , und du bist mein und ich bin dein !
... und zu fühlen , wie unser Blut herüber und hinüberklingt und unser tiefstes Leben leise in einander überrinnt und sich verspinnt und eines wird zu seliger Ruhe !
... o du ! o du ! XXIX Alle Dinge haben Sprache , seit du da bist , und mir ist , als hätte ich nie die Welt in solchem Glanz gesehen die Sonne nicht und nicht das Meer und nicht die Erde um uns her ! und wenn wir so durch die Wiesen gehen und wenn wir am Berghang oben stehen und in hochsommergoldener Fülle das ganze Land in Ähren sehen ... O ich möchte niederknien und die Erde küssen :
ich habe dich lieb ! und die Arme breiten zur Sonne :
ich habe dich lieb !
und aufs Meer hinausjubeln : du Meer , so groß du bist , ich habe dich lieb !
Und es ist alles wie ein wunderbarer Garten :
Tal und Heide zu unseren Füßen , Felder und Wiesen und dort und hier , wohin wir sehen , die stillen Hütten froher Menschen ... und Buchten und Seen und rauschende Wälder auf den Höhn ... o es ist zum Jauchzen schön !
und groß und herrlich !
* Alles ringsum drängt und zittert seine Seele uns entgegen und wir fühlen sie uns suchen und umsehnen und umbeben :
ihr so stummes , gebundenes Leben zu erfüllen und befreien und ihm Wort und Lied zu sein !
Und alles gehört uns , dir und mir !
die ganze Welt mit allem ihrem Glanz und Klang und Schein ! wir sind ihr Sinn , wir sind ihr Sein ! wir sind ihr Leben !
wir sind_es , die allem Wort und Wert und Weihe geben ... wir , du und ich ... der Mensch ... mit seiner Liebe und mit seiner Sehnsucht !
* Und ich will das übermütige Lied singen vom Herrn der Welt ... das hohe Lied des Menschen ... das Königslied seines Siegs :
Für ihn nur jubelt die Erde ! für ihn nur flammt die Sonne ! für ihn nur rauschen die Meere ! ihm zu Preis nur , ihm zu Ehre ! und was da ist , es ist für ihn , so weit am Himmel hin Wolken ziehen ! für ihn , nur für ihn ! von Aufgang bis zu Niedergang ! zum Schmuck der Tempel , die er sich errichtet , zum Glanz der Krone , die er sich errang !
In hartem Kampf aus Nebel und Nacht und Schweigen emporgehoben zu Macht und Pracht und klingendem Reigen in Licht und Lust und Überschwang , von Aufgang bis zu Niedergang , jeden neuen Tag aufs neue ihm zu Wonne , ihm zu Weihe !
Von Sternenzelt zu Sternenzelt alles lobsingt des Menschen Ehre und beugt sich als Sieger ihm und Held und jauchzt ihm als seligem Herrn der Welt !
* Und so will unsere Burg ich bauen ... auf hohen weißen Felsen über blauem Meer soll sie aufragen in die Welt der Sonne ... mit ihrer Türme weißblaugoldenen Fahnen ein weitenleuchtend Zeichen für die Schiffe auf hoher See : zu Segen werde eure Fahrt !
Und gegen das Land hin sollen blühende Gärten in weitem Bogen ihre Arme öffnen ... und Saitenspiel soll durch die Hallen klingen , Gesang und Tanz ... XXX Nacht ... Mitternacht ... der Mond steht in den Wolken wie ein Traum und lautlos liegt das Meer und lautlos liegen Höhe und Heide , Näh und Weite ... nur wie in leisen langen Wellen rinnt ein heimlich Klingen durch die ganze Nacht , aufzitternd aus verborgenen Quellen irgendwo in stummer Tiefe ... oder ... weißt du :
es sind vielleicht die Sterne hinter den Wolken , die sich ihre Sehnsucht sagen !
O Liebste ! o Liebste ! es ist so schön ! so schön !
... alles !
... so schön ! das Leben ! die Welt ! die Sonne des Tags ! die Sterne der Nacht ! und auch Leid und Weh zu tragen ist schön !
Doch am schönsten ist : sich lieb zu haben und Hand in Hand so ... seligstill ... durch diese selig-stille Welt zu gehen und mitzuklingen in dem großen Klang der Sterne ! XXXI Tief am Horizont ein heller Streifen goldrotleuchtender Sonne ... Sie ist also doch irgendwo ! und war den ganzen Tag da !
und wir sagten , sie sei weg ! und waren traurig , weil alles plötzlich so zag und zögernd wurde ... und es waren nur Wolken , derentwegen wir sie nicht sahen ... und Wolken kommen immer nur von der Erde , nicht vom Himmel ... Weißt du , wir wollen nie mehr sagen : die Sonne sei nicht da !
Sie ist immer da ! sogar bei Nacht ... wir sehen sie nur nicht , weil wir so klein und kleinmütig sind !
Wenn wir groß , wirklich groß wären ... so groß , daß wir über unsere Kleinmütigkeit wegsehen könnten , würde sie immer da sein irgendwo ! und wenn wir wollen , können wir so groß werden ... und noch viel größer !
Es ist gar nicht so schwer ... wenn wir nur wirklich wollen !
... ich will ! willst du mit ?!
* Die Wolken ... sieh , das ist auch immer nur ... was aufwärts möchte ! und Sehnsucht hat nach ...
Licht und Leichtheit !
Wir wollen ihnen darum nicht Gram sein , wenn sie uns die Sonne verhängen ... wir wollen Geduld haben und warten und wissen :
sie ist da und kommt durch ! XXXII Grauer Regen über den Gärten , grauer Regen über den Bergen , grauer Regen über dem Meer ...
Immer mehr und immer mehr !
... Und doch ... auch schön !
* Ich will nicht küssen ! nein ! nicht stürmisch sein !
ich will ganz ruhig nur zu deinen Füßen sitzen , an Verse denken , träumen und mich freuen , ganz still !
ich will nur bei dir sein !
.. .
Es sind ja nur noch Tage ! * O sage mir , sage ... sage mir : daß du mich lieb hast , und gib mir deine Hand , daß ich es fühle !
Ich weiß nicht , eine Angst ist über mir mitunter , als ... als wäre alles nur ein Traum ! als wäre dieser Wochen selige Wonne nur ein kurzes Spiel der Sonne , das mich umblüht mit goldenem Schein ... als stünde ich eines Tags ... und wäre allein ! als wäre , was so stark mich macht , so stolz , so froh , als wäre es ... nur wie der Sommer draußen , der plötzlich eines Tages geht und alle Blumen , alle Lieder mitnimmt , daß der Wald verödet steht !
* Du warst so fröhlich doch ... was hast du ? sage ! du gibst mir allen meinen Glauben wieder und Zuversicht und Kraft und Sprung und machst mich so jung !
so jung ! und ... es ist ein Weh dabei in deinem Blick , mitten in Sonnenschein und Glück ?!
Du singst und summst dir Lied um Lied , doch wenn du denkst , daß es niemand sieht , dann ist es manchmal , wie wenn draußen eine Wolke über die Sonne zieht !
* Sage ... sage : ist es , was wir ... nicht gehabt im Leben ?!
Kann das so aufstehen ? was nicht war , kann das ... kann das auch ... sein und kommen und Macht haben ?
Wir wollen es vergessen !
Es ist ja wohl niemand , der nicht hinter sich hätte , das er vergessen müßte , wenn er fröhlich sein will !
... * Ja , lache mich aus ! ja , lache mich aus !
ich bin ein Kind , du hast recht ! und dumm !
ich quäle mich immer mit Dingen herum , die ganz unnütz und töricht sind und die ich selber schon längst verlitt !
Ja , lache mich aus !
ich lache mit !
* Es soll kein Bild werden , es soll ... Glück bleiben !
und immer fester sich fügen und immer jauchzender sich baun !
* Es ist nun doch Sturm geworden ! aber ... wir haben auch Sturm gern !
Doch ... nun auf dem Meer zu sein !
wie sie da kämpfen müssen ! und wie sie nichts haben , als ihren Glauben ! und wie er sie doch durchträgt , wenn sie nicht müde werden , und zu festem Lande finden läßt und an ihr Ziel !
.. .
Als wir noch draußen waren auf dem Meer ... mir ist , als wäre es tausend Jahre her !
* Höre doch ! höre !
... der Wald ! wie es über ihm ist ! und ihn packt und hin und her wirft ! und wie er schreit und sich bäumt ! und wie das Meer zu seinen Füßen aufdonnert ! höre nur ! höre !
Und plötzlich alles still und totenstumm !
Unser Wald !
... unser Wald , Hani ! und ... der Sommer !
... unser Sommer !! XXXIII Erste graue Haare Ja ja ! ja ja : die Blätter färben !
und leise wie Dengeln klingt es im Wind !
Wir müssen uns schon daran gewöhnen ... wir müssen uns schon damit versöhnen , daß Frühling und Sommer vorüber sind !
* Aber es ist auch im Herbst noch schön !
Wir dürfen nur nicht traurig werden , wenn am Abend in den Gärten frühe schon die Nebel stehen !
Wir dürfen nur nicht rückwärts sehen !
Und ich glaube , es ist fast mehr : sich im Herbst noch freuen zu können , wenn die Lichter schon tiefer brennen !
... und weht auch über Stoppeln der Wind ... wer weiß , ob nicht die letzten Rosen seliger noch , als die ersten sind !? XXXIV Es sind nicht viel Sterne am Himmel und doch mehr , als wir zählen könnten , Liebste ! und hinter den Wolken leuchten sie noch zu tausenden und abertausenden und sie brechen die Nacht zu Dämmerung mit ihrem blauen Schein ... und die Nacht ist so weich und so weit und so warm , so suchender Sehnsucht selig !
O man möchte die Arme breiten und die Brust sich Volltrinken ... halb Wonne , halb Weh !
... und wir haben auch die Sterne lieb , nicht bloß die Sonne !
Die Sterne sind unsere Träume , die Sonne ist unsere Erfüllung ! die Sterne sind auch Sonnen ... wir sind nur zu weit weg ... die kleinen Sonnen der Nacht ! und ... man sagt : es gäbe Sterne , so weit weg , daß sie längst zerstoben , wenn wir stehen und uns an ihrem Glanze freuen !
Wir wollen auch den Sternen treu bleiben ! XXXV Ja , das sind die schönsten Tage , frühherbst , so nach dem ersten Sturm : die Sonne hell an blau-lichtweißem Himmel und feine Silberschleier in der Ferne und in der Nähe alles still und froh und gut und gütig !
Der Wald hoch oben über dem Strand noch frisch und grün und auf allen Wiesen zwitschernde Schwalben , auf allen Feldern goldene Garben , auf allen Wegen ein heimliches Lied ! und du selbst in weißem Kleide mir zur Seite , rote Rosen in der Hand ...
Und kein Leid kann uns was haben und kein Neid kann uns was tun und kein Sturm kann uns mehr schlagen ... Friede ringsum , Ruhe und Glück !
alle Klagen , alle Fragen liegen wie ein Traum zurück ! XXXVI Ich gehe durch die Dünen und den ganzen Strand entlang zwischen lauter fröhlichen Menschen , aber du bist nicht da !
Ich gehe alle Wege durch den Wald und auf und ab und rufe deinen Namen ... und gehe durch die Wiesen nach der Heide , wo die blauen Blumen blühten , du bist nicht da !
Ich gehe durch das Dorf und suche alle Straßen hin und Gärten , und gehe heim ... vielleicht sitzt du am Fenster oder auf dem kleinen Sofa in der Ecke ? du bist nicht da !
Und gestern warst du noch überall ! am Strand , im Walde , auf den Wiesen und daheim !
und heute noch , heute früh noch hielt ich deine Hand !
Wo bist du , Hani , wo bist du , daß du nicht da bist ?!
und warum bist du ... nicht da ? warum , warum ... bist du nicht , wo ich bin ?
Hani , warum ? warum ?
* Wir haben beide nicht geweint ... wir wußten ja , daß diese Stunde käme !
Wir schritten schweigend nur hinab zum Strand ... und hell und heiter flimmerte das Land und lachende Kinder spielten im Sand und tief in blauem Frieden lag das Meer ...
Und dann zurück ... den Berg hinauf , vom Waldhang oben die Sonne untergehen zu sehen !
* Nun weiß ich , daß du zu Haus : nun kann dir nichts mehr geschehen ! nun kann ich auch zur Ruhe gehen ... es ist schon spät !
Der Tag war lang und trüb und still und ich habe stundein und aus immer nur immer zu dir gedacht ... doch nun , nun bist du zu Haus !
... nun lösche ich die Lampe aus und sage dir Gutenacht !
Es waren schöne Tage ! und du ... und du ... ich danke dir !
Ich trug so viel Groll in meiner Seele und allerlei altes Leid und Mißmut und Bitterkeit ... Du hast mir alles weggelacht , du hast mich wieder gut gemacht !
ich danke dir !
Du hast mir wieder Glauben gebracht !
du hast mich mir selbst wieder heilig gemacht !
ich danke dir !
ich danke dir ! XXXVII Allein und einsam sein ... wir können es und es ist unser stolzester Sieg ! die anderen weinen , wenn sie einsam sind , wie Kinder , die sich fürchten , wenn die Nacht kommt ... wir aber staunen selig stumm in ihre Fülle und ihrer Sterne Pracht löst alles Heimweh !
* Du hast den Sonnenschein mit weggetragen es regnet und es stürmt seit dieser Zeit und alles rüstet seinem Ende zu .
Das Laub ist über Nacht fast braun geworden , die Schwalben wollen fort und sammeln sich , die Schmetterlinge an den Hängen sind verflogen ...
Und bei denen wir saßen , so oft , am Waldrand oben , die wilden Rosen , liegen verblüht und verblättert am Boden .
Es ist eben Herbst !
Doch ich will nicht klagen !
ich will mich freuen und fröhlich sein , so selige Tage gelebt zu haben ! XXXVIII Wir wollen es anders halten , als wir es bisher gehalten , wenn wir uns wieder haben !
Ich habe keinen Ehrgeiz mehr nach draußen , ich habe ihn nur noch nach dir und deiner Seele !
Ich weiß , wir sind beide schwerblütige Menschen .
Deine und meine Eltern haben spät geheiratet .
Wir sind beide Herbstkinder und leiden nun die ganze Sehnsucht ihres ungenossenen Frühlings ... aber wir wollen trotzdem nicht mehr sagen , wir hätten es schwer ! wir wollen lieber sagen :
wir hätten es froher und heller als Hunderte und Tausende und schöner und köstlicher als Hunderttausende !
Wir wollen es mit uns selber machen , wie wir es mit der Mutter machen , der wir alles Unschöne und Trübe zu ersparen suchen und nur von Gutem und Freundlichem erzählen .
Wir wollen uns nicht belügen , wir wollen nicht sagen , was nicht wahr wäre , wir wollen nach wie vor : allem , was da kommt , aufrecht ins Auge sehen und nichts beschönigen und bemänteln ... aber wir wollen uns nicht mehr so zernagen und all die Mißliebigkeiten und Verstimmungen , die der Tag so mit sich bringt , wir wollen sie nicht mehr so schwer nehmen , wir wollen sie abmachen , ohne daß der andere davon merkt , in aller Stille !
Unsere Liebe soll uns zu gut sein und zu heilig , um sie an Häßlichkeiten zu zerren ... sie soll nicht mehr mit im Kampfe stehen ... sie soll das sein , wofür wir kämpfen : Dank , Erfüllung , Glaube , Sieg , der letzte Sinn des Ganzen , Thron und Krone ... sie soll abseits alles Werktagtreibens mit ewigem Feuer in der goldenen Ampel und alten wundertätigen Bildern in den Nischen ein stiller Tempel sein auf grüner Höhe !
* Jenen Weg am Waldsaum hin habe ich so gern ... jenen stillen Gang zwischen Eichen und Buchen und Birken , die Hügelsenkung entlang ... den wir so oft zusammen gingen , Hand in Hand , frühmorgens oder abends ! den Gang an den Hügelhängen hin , so gerade , daß man ihn fast zu Ende sehen kann ... bis zu dem Stückchen Wiese zwischen den Schlehdornhecken und weiter dann durch Lärchen und Haselnußniederholz zu der kleinen Bank oben auf der Höhe , überm Meer , mit den vielen wilden Rosen ... ich muß dann immer denken , du wärest noch da und nur hinter den Bäumen , um Blumen zu pflücken .
* Die Sonne ist wieder da !
und gleich ist alles wieder farbig , jung und froh und lacht und lebt ! und kleine weiße fedrige Wolken ziehen über den Himmel hin : die Sonne ist wieder da ! und spielen Ringelreihen um den ganzen Horizont !
Die Sonne ist wieder da !
Sieh , wenn ich das so schreibe , so steht es so leer auf dem Papier , wie ein Satz aus einer Buchstabierfibel : der Wald ist grün ! die Rose sticht ! der Himmel ist blau !
... und manchmal auch nicht !! und wenn ich es drucken ließe , mit Buchstaben , so groß als es gibt :
Die Sonne ist wieder da ! allein auf eine ganze Seite :
Die Sonne ist wieder da !
man würde darüber lachen ... leeres Papier macht scheu !
es muß bedruckt sein ! womit ist einerlei !
... und würde es für verrückt halten ! anstatt zu nehmen , was dahinter steht ! und es zu lösen und aufklingen zu lassen mit dem ganzen Leben , das man selber in der Brust hat : die Sonne ist wieder da !
Es ist ja doch nie mehr als eine Türe oder ein Fenster , das man aufmachen kann !
... bei allem !
Sehen muß ein jeder selber !
Mit Musik wäre es vielleicht zu zwingen , mit Worten nicht !
Es müßte dann sein ... ich weiß nicht : es müßte ... einsetzen ... wie ein Vogellied im Frühling , sehnsüchtig , ängstlich und fragend ... und immer gewisser und sicherer werden und zuversichtlicher und ... anschwellen und aufwogen und wie Osterglocken über das Land hinläuten :
Die Sonne ist wieder da !
Die Sonne ist wieder da ! XXXIX Das kleine Bildchen , das du schicktest , ist so hübsch und zierlich .
Es steht auf meinem Tisch im Sonnenschein vor einem Glas mit blauen Glockenblumen und sieht mir zu , was ich tue ! und ich rede mit ihm ... ganz dumm !
und sage , o du liebe , liebe Liebste du !
und es lacht dann , wie du selber manchmal lachst :
ich solle nicht so töricht sein !
und freut sich doch darüber und macht so glückliche Augen und dann küße ich es und sage immer wieder : o du liebe , liebe Liebste du !
* Hast du den Sturm gehört heute Nacht ?!
Mond und Sterne und ...
Sturm ... als ob es den ganzen Wald auf der Höhe droben entwurzeln wollte ! Südost ... und jetzt noch und immer heftiger ! und wie das Meer aufsteigt , sieh doch !
und wie es braust und brandet , den ganzen Strand entlang und ... bis zum Horizont hinaus lauter weiße Schaumköpfe !
Es ist schön , so Sturm ! und wir haben keine Angst , gelt ? er kann uns nichts nehmen ! er soll wettern , so viel er mag ! wir stehen ! so fest !
wie drüben unser Wald !
* Klein-Hannie ist traurig heute ... es zuckt um seinen Mund , als wolle es weinen !
was hast du denn ?
was hast du denn ?
Bist du traurig , weil es draußen so trübe und so nebelig ?
Der Sommer ist vorbei , ja ja ! und den Tag über stehen Wolken am Himmel ... aber nachts sind immer doch die Sterne wieder da !
Nun weint es ! aber ... was hast du denn ?
Wir haben uns doch versprochen , nicht mehr zu weinen ! über nichts ! wir haben uns doch gesagt :
wir wollen der Sonne treu sein und an sie glauben , auch wenn wir sie nicht sehen , und fröhlich bleiben , auch wenn es nicht immer so sein kann , wie es jetzt war !
Was ist dir denn ?
was ist dir denn ?
Denke doch nur , wie gut wir es hatten ! und wie wunder-wunder-wunderschön es war ! so schön , wie andere es gar nicht haben können ! wie wir in den Dünen saßen und am Strand und in der Heide und im Wald und Kinder waren und lachten und uns küßten vor allen Bäumen und Blumen und Schmetterlingen und Schwalben ! und wenn wir auch nicht bei einander sein können , wie wir möchten ... wir sind doch bei einander und über Berg und Tal und Land und Meer und alle Menschen hinweg und nichts und niemand kann es uns wehren !
Nun lacht es wieder ! ach ja !
* Und heute nachmittag vielleicht schon scheint die Sonne wieder und dann gehen wir ... und sehen den Spinnen zu an den Hecken , wie sie ihre Netze aufhängen oder wir holen uns Ebereschen oder wir tun gar nichts und freuen uns bloß , wie schön es noch , und singen unsere Lieder !
Und wenn wir heimkommen , liegt ein Brief von Groß-Hannie auf dem Tisch , und wir schreiben ihr wieder :
wie alles überall nach ihr frage und wie wir Sehnsucht hätten ... aber auch Sehnsucht zu haben sei schön !
... und wir schicken ihr das kleine Liedchen vom Sonntag Morgen :
* Ich soll , Herzliebste , dich grüßen von Sonne und von Meer , vom Strand und vom Wald und den Wiesen und von allen den Schwalben umher ... Sie kommen ans Fenster geflogen , zutraulich treu , und zwitschern , zwitschern und zwitschern : wo meine Liebste sei ?!
* Ich habe Klein-Hannie heute gar nicht Guten-Morgen gesagt ! ist das nicht schlecht von Jostel ?! und aus lauter Freude , daß die Sonne wieder scheint ! ist das nicht noch schlechter ?!
Wenn es trüb ist und regnet , kommt er , und wenn die Sonne da und wenn er vergnügt ist , läuft er weg und vergißt , Klein-Hannie Guten-Morgen zu sagen !
ein ganz schlechter Jostel !
Aber ... denke Mal , ich war schon den ganzen Weg entlang am Wald ! und es war so jung und frisch und fröhlich alles , wie im Frühling , und in den Birken im Niederholz standen die Rehe , mitten auf dem Weg , wie damals !
Man müßte das öfters tun ... man müßte morgens immer gleich ein bißchen ins Freie ... man hätte dann den ganzen Tag immer ein Stückchen Frühling in der Seele ... jeder Tag ist ja doch ein kleines Jahr mit Frühling und Sommer und Herbst und Winter !
Und dann saß ich noch ein Weilchen auf unserer Bank ... das Meer unten wieder so blau wie damals ... ein paar Boote mit Fischern , die Netze auslegten , in der Ferne ein großer Dreimaster ... und Thiessow , Lobber Ort , das ganze Mönchgut in heller froher Morgensonne ... und saß und dachte so umher wie klar und frei und offen alles und wie schön und einfach diese ganze Welt hier und dachte an die andere Welt dann , hinter dem schattigen Streifen am Horizont ... hier die Welt , die man möchte ... dort die Welt , die man muß ... hier die Welt Gottes , einfach , groß und klar und selbstverständlich ... dort die Welt der Menschen , eng und klein und unfrei und gebunden ... XXXX Der Sturm hat_es nicht vermocht ... so wild er tat !
Da aber kam , vor ein paar Tagen schon , die Niederungen her , ein feiner grauer Schein und schlich am Hang hinauf und rann und spann und kroch in die Höhe und nistete sich in die Kronen und nahm ihnen Glauben und nahm ihnen Freude !
Und dann der Regen , gestern und heute ... der mich selbst beinahe kleinmütig gemacht !
Mir war , als hätte ich weinen hören in der Nacht ...
Sturm hätte es nicht vermocht !
Sturm hätte es nicht vermocht ! * O was da alles sterben muß in diesem Nebel ! draußen in den Gärten und auf den Wiesen und an den Hängen und im Wald !
Und wie es stirbt : klaglos ins Heidekraut sich duckend , müde und müder werdend , lautlos , einsam , still und ungesehen tief im Gebüsch im toten Blätterwerke sich verkriechend , voll Scheu vor allem , das noch leben darf !
O Sonne ! o Sonne ! XXXXI Das sind nun so die letzten Tage ... Immer gelber werden die Wiesen , immer müder blickt die Sonne , immer ferner klingen die Geigen , immer leiser wird Singen und Lachen ...
Welke Kränze , verlorene Bänder , zerrissene Briefe liegen umher ... und alles steht leer , trüb und schwer !
Es geht zu Ende ! es wird nichts mehr !
Nur die stillen Schiffe auf den Wassern draußen fahren immer weiter ...
Und ich möchte immer so stehen und die stillen Schiffe draußen so vorbeifahren sehen ! XXXXII Das Licht der Oie drüben ... o wie manchmal standen wir und sahen ihm zu , weißt du noch ?
Es hat etwas so Rührendes und Treues !
Sobald es dämmern will , blitzt es auf und flimmert dann die ganze Nacht in die Weite , wie ein stummer Gruß .
Ich sehe beim Schreiben immer wieder einmal hin , und es ist immer da und wacht , und bevor ich zu Bett gehe , stehe ich fast immer noch ein Weilchen am Fenster und denke zu ihm hinüber .
Es ist wie ein fester Punkt !
Es tut nichts weiter ! es kann niemand helfen , der sich nicht selbst zu helfen weiß !
es ist nur da und leuchtet auf und taucht weg und leuchtet wieder auf und taucht wieder weg ... weiß und rot und wieder weiß und wieder rot ! still und ruhig , wie etwas ganz Selbstverständliches !
Ich dachte mitunter schon , wozu eigentlich ?! aber es sind eben doch immer Fischerboote unterwegs , und wenn auch die meisten vielleicht ihren Weg so wissen ... ein Mal haben sie ihn auch noch nicht gewußt !
Und dann ... denke dir :
man wäre so draußen und Sturm käme und es würde Nacht und immer wegloser und verlorener , und ... man sähe plötzlich dieses Licht aufblitzen und wüßte : nun bist du da und da !
Was auf dem Lande ist , hat seinen Weg !
... aber ... denke dir , wie das wäre : mitten in totfinsterer Nacht auf wogenden Wassern , in zerbrechlichstem Boot , müde und ... vielleicht schon an allem verzweifelnd , und plötzlich : ein Licht ! ein fester Punkt !
So müßte man Kindern den lieben Gott klar machen !
Er ist da und wacht und leuchtet , aber er tut nichts weiter !
er redet nicht und hilft niemand , der sich nicht selbst zu helfen weiß !
und man muß das auch nicht von ihm wollen !
er ist nur da und leuchtet auf und verschwindet und leuchtet wieder auf , weiß oder rot ! und die auf dem Wasser wissen dann :
jetzt sind wir da und da und müssen da und dorthin halten , um an Land zu kommen .
So möchte ich einmal ein Buch schreiben. XXXXIII Die Sonne kommt nicht mehr !
ich glaube es nun selber !
es ist vorbei ! der Herbst war stärker !
Und käme sie , wäre es nur ein stilles , müdes Lächeln , ein letzter , abschiedweher Gruß !
Wozu noch stehen ?!
ich möchte gehen !
es ist nicht schön , was man so lieb hat , so hinsterben sehen !
* Da war im Wald doch wo ein Tal ... ein heimlich Tal mit Heidekraut , mit lauter blühendem Heidekraut und großen blauen Glockenblumen ... ein heimlich Tal abseits des Wegs , den alle gehen und alle wissen ... ein Sonnenscheinchen nur verriet den Schlupf uns durch die schwarzen Föhren und irgendwo in grünem Wipfel eines Vogels leises Lied ...
Und nun , nun suche ich und suche hangauf und ab , waldaus und ein und rufe laut und horche still , ob sich es nicht wieder zeigen will ?!
O Sonnengruß ! o Wipfelruf ! XXXXIV Hier stand ich , als du kamst ! hier stand ich , als du gingst ! hier stehe ich wieder nun und suche hinaus aufs Meer ... doch keine Schiffe kommen mehr !
Oie und Küste liegen im Regen und am Himmel braut es wie Schnee immer grauer und Stauer ... Wildgänse schreien in der Höhe ... und von den welken Wiesen und Wäldern kommt ein Wimmern wund und weh !
So hört es auf ! XXXXV Schön Wetter möchte ich morgen noch haben ! hell und ein bißchen Sonnenschein ! schön Wetter muß beim Abschied sein !
Und auf den Wiesen und im Walde hole ich zusammen , was noch blüht , und bringe es meiner Liebsten mit ! und gehe noch einmal all die Wege Strand- und Dün-entlang und Ried und singe mir ein letztes Lied ...
Und gehe über Hang und Höhe und sage lebwohl ! und ... geh's , wie_es gehe :
ich danke dir , was du mir gabst , du schöne Welt , in seliger Fülle an Sommerglück , an Glauben und Mut , ich will im Herzen es halten als unverlierbar Gut ! und fallen Nebel darüber , schweigsam , trüb ... meine Mutter ist die Sonne ... und ich weiß , sie hat mich lieb !
Gehe es , wie_es gehe ! nur nicht im Hafen liegen und schlafen und sich genügen mit leichtem Spiel !
Kampf und Sieg allein ist des Lebens heiterstes Ziel !
Ringen und Zwingen von Höhe zu Höhe ... flatternde Wimpel ... wogende See !
... geh's , wie_es gehe ! nur nicht im Hafen liegen und schlafen , sei es bei Glück , sei es bei Weh !
Leben ist nur auf offener See !
Ahoi ! ahoi ! XXXXVI Von Hani Verzeih , Liebster , daß ich so weinte gestern .
Ich weiß nicht , wie es kam , ich habe mich so gefreut und nun habe ich dich am Ende traurig gemacht mit meiner Haltlosigkeit .
Sei mir nicht böse !
Es war nur Übermüdung .
Ich hatte so furchtbar viel zu tun und zu rennen diese ganze Woche und wollte doch auch , daß du es schön fändest , wenn du zurückkämst .
Und es war schön ! gelt ? sage ja ! und sage , daß du mir nicht böse bist !
Die Romanstücke , die du mir vorgelesen , sind wundervoll ! mache so weiter ! mache so weiter !
du kriegst heraus , was du willst und zwingst es !
Es ist stellenweise scharf , aber ich glaube , es ist notwendig , daß einmal gesagt wird , was du sagst ! und wenn man einzelnes vielleicht auch nörgelig und verbittert nennt ... die Menschen sind schnell mit dergleichen Worten zur Hand , wenn ihnen etwas nicht genehm ist !
das weißt du selber !
Sei ruhig einmal scharf !
Es wird so nur reden , wer sich davon getroffen fühlt !
Aber habe ich dir die Wohnung nicht wunderschön zurecht gemacht ?
Und die Decke mit dem Löwen wollte ich doch auch fertig haben !
es war mühsamer , als du vielleicht denkst , und besonders die fünfblütige Blume !
ich mußte mir alles erst selber aufzeichnen und saß manche Nacht darüber ... und bei jedem Stich dachte ich : ob er sich wohl freuen wird ? und wie ein kleiner Junge küßte er mir die Hände und fing an zu weinen !
Ich habe dich lieb , Jostel , ich habe dich lieb !
Weißt du , ich möchte :
wir könnten aus all dem Getriebe und Lärm hier heraus und irgendwo , was schön ist , unser Leben leben , ganz still , und so , wie es uns wertvoll scheint. XXXXVII Hani , Liebste , einzig liebe Liebste ! denke dir , vorhin klingelts und ich gehe und der Austräger meiner Verleger steht draußen :
er solle mir Geld bringen !
Geld ? und mir ? und der Mensch packt dreihundert Mark auf den Tisch ! und einen Brief : von den » Sprüchen eines Steinklopfers « werde eine zweite Auflage notwendig !
Denke dir : eine zweite Auflage ! und dreihundert Mark !
... für Gedichte ! für unsere Gedichte ! und von » Faun und Totenkopf « seien auch nur noch wenig Exemplare da !
Hani , denke doch :
dann sind beinahe tausend Menschen auf der Welt , die sie haben und sich daran freuen ! denke doch : tausend Menschen ! wie haben sie den Weg zu ihnen gefunden ? und wo sind sie alle ? und ... es war vielleicht doch nicht vergebens !?
Tausend Menschen , denke doch !
Aber ... nun ... nun erst recht nicht nachgeben !
nun erst recht immer weiter und weiter ! in aller Stille ! bergauf ! und wenn es noch viel schwerer wird ! und wenn es das ganze Leben kostet !
nun erst recht nicht müde werden oder es sich genug sein lassen ! und wenn sonst was käme !
nun erst recht nur geben , was bis in die letzte Falte klar und fest und durch und überdacht ist und so gut ... als man eben kann !
Wenn ich bloß wüßte , wo du wärest , um es dir schwarz auf weiß zu zeigen !
Und wie die Mutter sich freuen wird !
* Von Hani Ich habe wieder weinen müssen auf deinen Brief hin , wie ein dummes Kind , ganz haltlos ! und dann war ich bei dir , doch du warst nicht da !
... Ja , nun erst recht !
Ich freue mich , Jostel , daß du das sagtest , und wir wollen es so halten !
du darfst nicht müde werden und ich will_es auch nicht werden !
Es soll unser Leben sein , daß : was du möchtest , siegt ! wie für andere andere Dinge das Leben sind .
Wir wollen alle unsere Wünsche ihm unterordnen , als Nebensache !
sie sollen nur wie die Wellen eines Meeres sein , über das unsere Schiffe in die Ferne suchen , und wenn sie auch einmal austoben und über Deck schlagen , einerlei !
wir müssen es zwingen und ich will stolz sein , dir mitgeholfen zu haben !
Ich will auch ganz stark sein und möchte nur , daß du so an mich glaubst , wie ich an dich , so über alles Kleine und Bindende hinweg ! gelt ?
Gestern Abend kam Hella , mir Rosen zu bringen aus ihrem Garten , die letzten , und mich abzuholen .
Auf dem Weg fing sie plötzlich an : sie möchte gern in ein Exemplar deiner Gedichte ein paar Zeilen von dir haben .
Ob ich dir schreiben würde .
Ich sagte , ich hätte neulich irgendwo gehört , du seiest augenblicklich verreist , sie solle dir aber ruhig einmal ihr Buch hinbringen .
Du tätest ihr nichts ... und würdest dich gewiß nur freuen , ihr etwas einzuschreiben .
Wenn sie kommt also , schreibe ihr ein paar Verse : Rosen , Lachen , Lieder !
Vielleicht lädt dich Frau von Dreiweg daraufhin einmal ein und ... es wäre ganz schön , wenn du sie kennen lerntest .
Guck , wenn wir_es gemacht hätten , wie wir auch einmal dachten , dann wären wir ein oder zwei Jahre lang vergnügt gewesen , aber ... auf Kosten alles Späteren und hätten längst nun unseren Lohn dahin !
So ... liegt es vor uns ... immer schöner und reicher werdend von Jahr zu Jahr !
Ich schenke dir einen Spruch zur Erinnerung an heute .
Ich habe ihn in Rapallo an einem Haus gelesen und mit Hilfe von Vaters bißchen Latein entziffert und mir zurecht gelegt :
Exagitat frondes immoto stipite ventus !
Was Blatt ist , mag im Wind verwehn , der Stamm soll stehen !
Ich glaube freilich , daß kein Deutsch ihn so umfassend wiedergeben kann .
Ich wollte ihn dir auf die Löwendecke sticken , aber ich kam nicht mehr dazu .
Nun sollst du ihn zu heute haben .
Tausend , tausend , tausend Grüße und Küsse .
Hast du nichts weiter vor , so hole mich doch um zehn Uhr von Dreiwegs ab. XXXXVIII Von Hani Ist es dir recht , Liebster , wenn ich Sonntag zum Kaffee zu dir komme , zur Feier von Vaters Geburtstag und zur Feier der zweiten Auflage .
Ich habe mich frei gemacht und möchte deinen Roman weiter hören .
Und dann ... dann liest du mir einmal unser kleines Liederbuch vom Sommer vor , ja ?
Ich blätterte gestern darin und mir war , als ob ich auf unserer Veranda säße und dich plötzlich ... singen hörte ... Schmetterlingseelchen im Sonnenschein ... lachen und ... küssen und ... selig sein !
... und als ob du im Garten unten stündest : komme , wir wollen noch ein bißchen gehen !
es ist so schön ! und wie wir dann am Waldsaum oben waren und eine Krähe aufscheuchten ... und wie sie über das Tal dahinflog ... und wie du sagtest : sieh Mal , ihre Flügelbewegung !
wie ruhig und sicher und selbstverständlich ! so ohne jede Sorge , zu fallen !
... der Mensch hat immer Angst ! weißt du noch ?
Ich würde sagen : Komme du zu mir am Sonntag , aber ich habe große Räumerei und ... ich mochte lieber zu dir kommen !
Es soll ein Sonntag sein wie früher und wir wollen von Zeiten reden , die vergangen sind ... wie schön es mitunter war , trotz Leid und Sorgen ... und von allem , das wir zusammen hatten ! und was wir alles hofften und träumten und wie es war und wurde und wie eins ums andere sich erfüllte ... wenn auch ganz anders , als wir dachten ! und wie sich auch erfüllen wird , was wir heute träumen ... obschon wahrscheinlich ebenso ganz anders , als wir denken !
Und dann ... dann zünden wir alle Lampen und Kerzen an , daß es schön und hell und froh und heiter ist ... wie zu Weihnachten ... ja ? wollen wir ? und dann ... dann sagen wir uns , wie lieb wir uns haben und geben uns die Hand : Wir wollen feste Punkte für einander bleiben , was auch komme , und uns danken , was wir für einander waren und nie den Glauben an uns verlieren und ... wenn wir auch nicht bei einander sein können , wie wir möchten ... wir sind doch bei einander und über Berg und Tal und Land und Meer und alle Menschen hinweg ... und niemand weiß davon und niemand kann uns etwas tun und es uns wehren ! XXXXIX Von Hani Herzlieber , einzig lieber , liebster Jost !
Erschrick nicht und sei mir nicht Gram !
es geht nicht anders !
ich gehe in die Berge zurück !
ich bin noch nicht stark genug zum Meer ! und an mir selbst liegt ja nichts , wenn du nur stark dazu wirst !
Ich sitze hier auf der Terrasse im Heidelberger Schloß ... der Neckar drunten ... die Berge drüben und ... die Ebene , die ich herkam ... und will morgen zu deiner Mutter und übermorgen dann ... weiter , nach Zürich , zu Frau Bürgli-Ermatingen .
Das einzige , das mich ruhig macht , der einzige Trost , den ich habe , ist , daß ich weiß , daß du verstehst , was mich dieses Ja gekostet hat und noch kosten wird !
Ich bin hier ausgestiegen , an der Grenze , Heidelberg noch einmal zu sehen , wo wir damals so selig waren !
Und morgen fahre ich zu deiner Mutter , mir einen Abschiedskuß zu holen .
Ich grüße sie von dir und sage ihr , wir hätten lange darüber beraten ... doch es sei so das Beste !
Also mache ihr keinen Kummer !
Ich weiß , Liebster , ich weiß , ich breche dir das Herz ... ich breche es mir selbst ...
Ich habe mich den ganzen Sommer über damit gequält und mich zernagt !
Frau Bürgli schrieb mir immer wieder und war sogar zwei Tage in Berlin , nur meinetwegen !
ich habe dir nichts davon erzählen wollen , um dich nicht unruhig zu machen !
ich wollte es dir dann auf Rügen sagen und am dritten Tag noch kämpfte ich damit ... aber du warst so glücklich und ich selber auch ...
Und dann sagte ich mir :
ich würde uns diese ganze Zeit damit zerbrechen , und nahm mir vor , es auch für mich so lang auszuschalten und zu vergessen ... und am anderen Morgen schien die Sonne und die Schwalben zwitscherten und du kamst und brachtest mir Verse und ich hatte es wirklich so vergessen , als ob es nur ein dummer Traum gewesen ! nur zuletzt , als es so regnete , kam es einmal wieder .
Und als du dann zurück warst ... du weißt ja , daß ich eigentlich nur noch geweint habe und ... zu Hause noch viel bitterer , als bei dir !
Es wird mir jetzt erst ein bißchen leichter .
Guck , du hättest mich nicht weggelassen und ich will doch zehn- und hundertmal mehr von dir , als daß du mich heiratest !
ich will doch ... aber du weißt ja , was ich will !
Unsere Liebe soll größer sein als unsere Sehnsucht !
so groß sie auch sein mag ! und ich weiß , du wirst es mir eines Tages danken , wie ich dir auch danke ... alles ... was du für mich getan und was du mich gelehrt !
Was wir möchten , ist nun doch einmal nicht möglich ... so wie wir_es möchten ... und wie alles eben einmal ist ... und darum ist es besser ... ich gehe ! für dich und für mich besser ! weine nicht , Jost , weine nicht !
ich gehe ja nicht aus der Welt !
Schreibe mir , oft , recht oft !
jedes Wort macht mir Freude !
ich habe keine andere !
aber schreibe nicht traurig , gelt , Liebster , nicht traurig !
du nähmest mir den Mut , den ich brauche , für mich und für dich !
wir müssen stark bleiben !
Doch erwarte keine Antwort .
Ich schreibe nur , wenn ich irgendwo Gefahr für dich sehe !
ich stehe und halte Wache !
Die Sonne drüben geht unter ... Lebwohl , Jostel !
... Vergiß nicht , daß du Flügel hast ! und sei mutig und weine nicht !
Ich bin bei dir , wenn sie morgen früh aufgeht ... ich bin alle Tage bei dir und alle Nächte !
Das äußere Leben ist es ja nicht ! und was wir hatten , kann uns niemand nehmen ! und was wir uns sind und bleiben , ebensowenig !
Wir wollen für einander sein , du mir , ich dir , was das Licht der Oie ist für die , die auf dem Wasser sind ... und am Tag die Sonne ! wir wollen an sie glauben und ihr treu bleiben , und wenn auch Wolken sie verhängen ... über Berg und Tal und alle Menschen hinweg ! und nie müde werden , gelt ?! XXXXX Ich bin gut aufgehoben , Liebster !
Frau Bürgli holte mich ab , und keine Mutter könnte freundlicher sein !
Ich sehe von meinem Fenster aus auf den See und auf die Berge ... es ist immer noch Sommer und grün ... und denke an dich ... und an das Meer !
In acht Tagen gehe ich für ein halbes Jahr nach Genf , um ordentlich Französisch zu üben .
Unsere Liebe soll größer sein als unsere Sehnsucht und soll nicht mehr mit im Kampfe stehen ... sie soll das sein , wofür wir kämpfen : Dank , Erfüllung , Glaube , Sieg , der letzte Sinn des Ganzen , Thron und Krone ... sie soll abseits alles Werktagtreibens mit ewigem Feuer in der goldenen Ampel und alten wundertätigen Bildern in den Nischen ein stiller Tempel sein auf grüner Höhe !
Fünftes Buch " Tor auf ! "
Was ich vermag : es ist nicht mehr : als euch in stiller Feierabendstunde zu zeigen : wie es mir , gleich tausend anderen ging : ... wie ich jede Zuversicht verlor und wie ich plötzlich trotzig wurde :
was andere zwingen , das zwingst du auch !
es gibt kein Schicksal !
Verlust und Gewinn ist nur , was ich selber will und bin !
Und wie ich die Arme dann frei mir rang und wie ich den Kopf wieder hoch bekam und wie ich mich zu mir selber fand und wie sich langsam , immer klarer , immer freier , voller und wahrer aus der verschütteten Tiefe hob , alles , was ich seit Knabentagen glühend in der Seele getragen ! " I Es ist immer noch Sommer ... und immer noch grün ! und in den Gärten draußen blühn immer noch ein paar letzte Rosen ... und ein paar Schwalben sind auch noch da trotz allem Regen und dann und wann ein ängstlich Ding von einem verspäteten Schmetterling ...
Und wenn der Himmel auch tagelang grau , zwischen den Wolken hin und wieder leuchtet doch ein Stückchen Blau ... tief in ungebrochener Ruhe ... ... O du ! o du !
II Nun ist alles wieder wie in alten Tagen ... die Lampe brennt , die Kerzen an der Wand ... und leise ruft der Kuckuck seine Stunden ...
Es war ein Glück und ist ein Bild geworden !
III Irgendwo jetzt stehst du am Fenster und siehst in die Gärten und siehst in das Land und denkst an den Sommer und suchst nach Sonne , suchst nach irgend einem Schein ...
Aber alles ist welk , erloschen und leer und Nebel hängen an den Hängen novembergrau und regenschwer !
Und ich ... stehe hier , auch am Fenster , und sehe in die Gärten und sehe in das Land und denke an den Sommer und suche nach Sonne , suche nach irgend einem Schein ...
Aber alles ist welk , erloschen und leer und Nebel hängen an den Hängen novembergrau und regenschwer !
IV Und das ist dann das Ende ... ein langsam Sterben in entlaubtem Herbst !
Ein Immer-müder- werden und Hintaumeln in kraftloser Sehnsucht ... ein mutlos totes Warten , vom Regen verschwämmt zu werden !
So nicht !
... O Gott , so nicht !
.. .
Von freier Zinne und in freier Kraft !
Winter , alles ! verloren und alt ! stumm und starr ! erfroren und kalt ! kein Klang einer Quelle , kein Schein eines Lichts , kein Lied , kein Laut , kein Ruf mehr ... nichts !
so weit ich suche , so weit ich sehe : weglos alles , winter und weh !
Und ich meine : es war noch gestern , daß ich hier ging an grünem Hang und daß es ringsum klang und sang , sommerfreudig , hell und klar , und daß ich selber mitgejubelt wie ein Kind und selig war !
Und nun : verwelkt , verweht , verhallt leer und schwer und kalt und alt !
* Wie in totgeglaubten Tagen wieder Sitz ich ... Dunkel rundum und Nacht , und alles bleibt stumm oder lacht , wenn ich frage ... lacht und lacht !
Das ist dein Leben : mit Waffen , die du selbst geschmiedet , steht es gegen dich : zwinge mich !
Kunst und Glück !
Und die Nacht lacht zurück :
Kunst und Glück !?
* Es ist alles aber meine Schuld !
... Ich habe dich zu lang allein gelassen !
.. .
Man soll nie so lang allein lassen , was man liebt ! ja ja ! man soll nie allein lassen , was man liebt !
Die Diebin , die alle bestiehlt , bestiehlt dich darum ! ja ja ! ja ja ! ich habe dich zu lang allein gelassen !
... und es ist alles meine Schuld !
Hani !
... Hani !
... Hani !
V Komme , Spiel mir was , Mandolinchen ! es ist so still , und die Bilder an den Wänden sehen so vorwurfsvoll auf mich herab ...
Ja ja ! man wollte König werden und ist Narr geworden !
O Kunst ! o Kunst ! ich habe immer nur mit reinen Händen und mit reinem Herzen um dich geworben ... ein halbes Leben lang ... wie viele Opfer willst du noch ?
ich habe nichts mehr !
ich habe gelitten für dich , und alle , die mich lieb hatten , haben um deinetwillen mit gelitten ... was willst du noch ?
ich habe nichts mehr ... mein Haar fängt an grau zu werden und meine Seele müde ... * Singe mir was , sage mir was , Mandolinchen !
Wo liegt , was aufwärts trägt ? auf meinem Wege oder draußen auf den Wegen , die die anderen gehen ?
... Ich habe niemand mehr als dich und den Glauben , für den ich bisher gekämpft ... und das ganze Leben ist gegen ihn und verhöhnt ihn und wirft Angst über mich und Qual um Qual , immer wieder , mich ihm abtrünnig zu machen und ... und ich ... will nicht ! ich ... will . nicht !
* Aber ... was alles erwehrt erst und währt , ist in niemüder Hand ein furchtloses Schwert ! und decken es Narben , lache darein ! ein ehrliches Schwert wird nie narbenlos sein !
Es wäre nichts wert !
* Ja ja , Mandolinchen !
ja ja : lache darein !
... lache darein !
... aber ... es ist schwer ! doch ... ich verstehe dich ! ja ! und ... ich danke dir !
es wäre nichts wert ...
Kampf nur ist ... Freude !
... ich ... ich . grüße . das ... Schwert !
* Und ich ... komme ! ja , ich komme ! auf weißen Pferden ... mit flatternden Fahnen ... ich komme , ich komme und hole dich zurück ! und ... und sie sollen dir entgegen gehen und wie eine Königin mit Glückaufrufen , Hörnerklang und Blumenkränzen dich begrüßen und ...
Und auf den Knien sollen sie abbitten alles , was sie dir getan !
Kampf nur ist Freude !
ich grüße das Schwert ! * O nur Groll nicht und Hassen Herr werden lassen !
Es ist so wenig , was das Leben gibt , es ist so viel , was jeden Tag zerstiebt ... such lieber zu fassen , wo es dich liebt !
VI Kannst du es ändern , gut , dann frage nicht und gehe und änder !
Kannst du es nicht , dann klage nicht , und habe den Mut und gehe und kenter ! lautlos !
VII Nein , Mütterchen , nein , sie ist nicht fort !
sie ist nicht fort !
so wenig , als du fort bist ! mache dir keine Gedanken und sei nicht traurig !
ich bin es auch nicht !
Sie kommt wieder !
ich hole sie und ... die Glocken sollen läuten , Mutter , wenn wir kommen , und du bist die erste und einzige , zu der wir gehen und der wir danken ! und dann ... sitzen wir bei dir und ... lachen ! so wie du mich als Kind einst lachen gelehrt !
ich habe es nicht verlernt , ich kann es noch immer , und ganz gut , Mutterchen !
Wir haben lange darüber geredet und ... dann haben wir uns die Hand gegeben und gesagt :
wir wollen fest bleiben und dem treu , dem wir bisher gelebt , Hani dort , ich hier , und lieber noch länger warten , als uns verkaufen und Hörige werden !
Freue dich , Mutterchen , daß deine Kinder diesen Stolz haben und den Mut , ihn zu Tat zu machen ! und ... guck , ich glaube , wenn man so ist , wie wir sind , und wenn man will , was wir wollen ... guck , ich glaube , dann geht es überhaupt nicht anders !
Gewiß , ich habe es mir leichter gedacht ... alles ! und du mit deiner Geduld bist in aller Stille vielleicht noch tapferer gewesen , als Hani und ich selber ... du weißt das gar nicht so !
du weißt gar nicht , wie du uns gestützt und gehalten und geholfen hast , und nur , weil du da warst und Glauben hattest und fröhlich bliebst , obwohl es immer länger und länger wurde ! VIII Es ist wie eine weite Wanderung ... durch Talebenen , bergauf und Höhen entlang ...
Man liegt als Junge vielleicht einmal im Gartengras und träumt zu den Wolken oder ins Tal hinunter und in die Weite und über den Höhenrücken am Horizont blitzt etwas auf , hell und leuchtend , wie ... wie ... ja , man weiß nicht ... man sieht hin ... kann es aber nicht erkennen ... doch es muß etwas ganz Wunderschönes sein !
Und man fragt ... und andere haben es auch gesehen , immer schon , aber niemand weiß recht , was es eigentlich ist .
Die einen meinen : es sei Sonnenspiegelung , andere : der Schein eines Leuchtturms irgendwo , und wieder andere : die Firnenkrone eines fernen Gebirges , und die meisten setzen dazu :
es gäbe viel Wichtigeres , als an dergleichen Fragen Zeit zu verlieren !
Aber es geht einem nach und man sucht in stillen Stunden immer wieder auf eine Höhe , es zu sehen und herauszukriegen , was es sein könnte !
Und eines Tages macht man sich auf den Weg in seiner Sehnsucht und geht ... weiter und weiter !
Je weiter man aber von der Heimat wegkommt freilich , um so fremder wird die Welt und um so schwerer wird es , sich zurechtzufinden , und die Dinge der Nähe recken sich in die Höhe , immer verwirrender , so daß man das Ziel , zu dem man möchte , völlig verliert , wenn man es nicht im Herzen hat ... oder Nebel und Regen fällt und man verläuft sich ... und wenn man fragt ... ja , wenn man sagen könnte , was und wo es wäre , man bekäme vielleicht Bescheid ! aber so ... so schütteln die Leute bloß mit dem Kopf ! und es ist auch Torheit , nach dem Weg zu einem fernen Ziel zu fragen ! weiter als zum nächsten Dorfe oder als zum nächsten Kreuzweg weiß doch niemand ! nur wenn man vielleicht schon in der Nähe ist ... aber da wird alles immer einsamer !
Und so wandert man zu ... seiner Sehnsucht nach ... und plötzlich dann reißen einmal die Wolken auseinander , und man sieht es wieder :
es ist wie ein Tempel !
... wie eine ...
Burg ! wie ... wie ein weißes Schloß ... hochaufragend ! und je näher man kommt , um so stolzer und sonniger und leuchtender hebt es sich empor und um so deutlicher und bestimmter erkennt man : Türme und Zinnen und Balkone und Tore und ... flatternde Fahnen ... Guck , und ... so will ich nun immer weiter , Mutterchen , bis ich da bin ...
Ich habe Angst gehabt mitunter : es sei zu weit ! ich sei zu schwach ! aber ... ich komme hin , Mutter , ich komme hin ! und wenn ich da bin , dann ... dann ... hole ich euch ! dich und Hani und ... und alle , die uns lieb haben und ... und ... und ... wir sind da !
IX Ohne Kampf freilich geht es nicht , noch immer nicht ! obschon ich mitunter meine , es könne nun nichts mehr kommen !
Das Schwerste und Lähmendste aber war und ist immer dies ewige Sich-Herumstreiten-müssen mit den Menschen !
Es ist sonderbar , sie wollen alle doch dasselbe .
Sie möchten alle doch ihr Leben sich möglichst leicht und froh und schön gestalten , und sie sind es immer selber nur , die es sich und anderen so erschweren und unschön machen ... mit Kleinlichkeit und Eifersüchtelei und mit ihrer Unlust und Unfriede an allem , das ihnen nicht unmittelbaren Vorteil zeigt !
Aber sie kommen nicht darüber weg !
... sie kommen nicht weg von ihrem Grünkramhändlerevangelium : ein Sperling in der Hand sei besser als zehn Tauben auf dem Dach ! anstatt ein bißchen weiter zu denken ! anstatt ins Ganze zu rechnen ! anstatt auf das zu zielen , was über heute und morgen hinausliegt !
Man wird mitunter ungeduldig und gallig , stehen und verhandeln zu müssen und sich von ihnen auslachen zu lassen ... aber ... ich habe keinen Groll mehr , ich habe es überwunden ... und wenn ich zuweilen noch frage , guck , ich frage eigentlich nur , weil ich im Grund immer noch möchte , daß ich ... mit allem , was ich gegen sie sage ... Unrecht hätte !
Aber ich will von niemand mehr , daß er zu mir halte oder für mich eintrete , weder so noch so !
ich verlange von niemand mehr etwas , als von mir !
Ich lasse jedem , was ihm Spaß macht , es sei so quer , wie es wolle ... ich lasse jedem , sein Leben zu leben , wie es ihm gut dünkt ... ich lasse jedem seinen Ehrgeiz , für Kunst zu halten , was er dafür halten will !
ich will nur der sein dürfen , der ich bin ... und ganz für mich !
Und was ich schreibe , sieh , ich schreibe es für niemand als für dich und für Hani und für mich und für die paar Menschen , die vielleicht Glauben und Freude daran haben !
Das ist mein Reich ... und wenn es auch nur vier Wände groß ist : meine Welt !
X Sich von einem Mißerfolg aus dem Sattel werfen lassen , sieh , Mutterchen , ich verstehe das immer weniger !
Ich meine doch : man ist entweder Handwerker oder Künstler !
Ist man Handwerker und will ein Geschäft machen und fällt ab , ist Enttäuschung und Verdruß ganz selbstverständlich ! ist man Künstler , Dichter ... ja , dann macht man , was man macht , doch für sich , um seinetwillen und dessentwegen man überhaupt was macht und eben Künstler und Dichter ist !
und gibt es doch nur aus der Hand , wenn man so durch damit , wie man sich selbst und dem , das man will , schuldig zu sein glaubt ... so fertig , daß man nach allen Seiten dafür einstehen kann ... ein jedes Werk ist doch nur die notwendige , kleinere oder größere Stufe der Treppe , die man zu seinem » Himmel « empor möchte ... und » Erfolg « oder » Mißerfolg « kommt gar nicht in Frage und ist völlig Nebensache !
Und wenn die Leute reden : es sei nicht , was man erwartet habe !
Rückgang ! und so weiter ... guck : wenn ich die Fundamente grabe für einen Bau und die Grundmauern lege und die Leute sehen zu und meinen , es gäbe ein Wirtshaus , und wenn sie dann , ein Jahr später , weil es nur ein Wohnhaus wurde , enttäuscht sind und Glossen machen ... ja , ich habe gar nie daran gedacht , ein Wirtshaus bauen zu wollen ... das können andere viel besser ! oder wenn die Zeitungen von ungeschicktem Aufbau und verfehlter Lösung schreiben oder dergleichen ... sieh , das sind immer nur Handwerkerbegriffe und nur Handwerkerei gegenüber angebracht ! und im Grund ist_es meist nur kümmerliches Gescheiter- sein- wollen !
Es ist etwa , wie wenn ich im Wald draußen stünde und sagte : der und der Baum ist falsch gewachsen und viel zu verknurrt !
er hätte so und so wachsen müssen !
... aber ... Zeitungsschreiber wissen alles besser , bloß selber machen können sie nichts !
* Nein , sieh :
jedes Werk der Kunst kann zunächst immer nur an dem Maßstab gemessen werden , den es selbst gibt durch das , was es ist ! und dann an dem Ziel , das der Künstler für sich festgelegt , durch das , was er bis dahin gab , und durch das , was er überhaupt anstrebt ! und dann erst fragt es sich , inwieweit hält das einzelne und schließlich das ganze Lebenswerk allem dem gegenüber stand , das andere ... vor ihm , mit ihm , nach ihm gegeben haben ... trägt es höher , steht es gleich oder ist es weniger ?
* Gewiß , es ist schwer mitunter , sich den Blick frei und unbeirrt zu halten , und um so schwerer , je lauter der Lärm des Marktes und je wichtiger alles in der Nähe scheint .
Was böse ist , das ist nicht , daß ein gutes , vielleicht zu knorriges Werk einmal verständnislos verlacht und zerpflückt und mit Hohn behandelt wird ... einem wirklich guten und in sich festen Werk tut das nichts !
was echt ist , hält und bleibt und wächst in aller Stille darüber hinaus !
... was aber böse ist und niederdrückend und verrohend , sieh , Mutterchen , das ist : daß völlig wertlose und gleichgültige Handwerkerei ganz harmlos wie Kunst behandelt und belobt wird und daß ... daß über ein neues Stück von ...
Ibsen kaum viel ernster und wichtiger und kaum von viel anderem Standpunkt aus geschrieben und geurteilt wird , als über irgend eine Schaumschlägerei irgend eines Kotzebue .
Aber ich glaube , das war immer so !
und was echt ist , hält und bleibt und wächst in aller Stille darüber hinaus !
XI Hab keine Sorge , Mutterchen , nein , nein ! habe keine Sorge :
ich wäre zu schroff und vielleicht ungerecht !
Nein , nein , ich bin nie ungerecht gewesen , und was ich sage , sage ich nur nach langem Zusehen und Erwägen ! und denke nicht :
ich mache mir Feinde !
Feinde , sieh , das gibt_es überhaupt nicht !
man hat nur Freunde ! und die denken alle ganz ebenso !
... sie Sagens nur nicht immer !
Und dann , guck , ich nehme mir nur dasselbe Recht , ganz bescheiden , das ... und gleich zentnerweise ... jede Zeitung für sich beansprucht , wenn sie morgens und abends die Weisheit ihrer Schöpfer und Geschöpfe verkündigt und mir das widersinnigste und unschönste Zeug auf meinen sauberen Tisch legt ... und das geschieht der ganzen Welt gegenüber , jeden Morgen , jeden Abend ! und ich ... sieh , ich sage , was ich sage , nur für meine vier Wände ! in seinen vier Wänden aber darf sich Jeder König fühlen ! ja , er muß es !
Ich will auch gar nicht , was behagt ! und zu hören braucht es keiner !
Hörte es freilich auch nur einer , war es nicht umsonst gesagt !
* Verbitterung ist kein Entschuldigungsgrund , bei nichts !
Wer sich verbittern läßt , hat nie wirklich letzten Willen gehabt zu seinem Ziel !
Äußeres Mißgeschick verbittert nicht !
Verbittern kann nur die Erkenntnis , daß man sich über sich selbst getäuscht und daß man nicht die Kraft hatte zu dem , das man wollte !
Alles andere ist fröhlicher Kampf !
Verbitterung ist immer nur und überall ein Zugeständnis , daß man wohl den Wunsch , aber nie jenen granitenen Willen in der Seele hatte , der nicht erlahmt , bis er Sieger ist !
Verbitterung ist nur Ziel-Aufgeben !
* Nur das nicht ! o nur das nicht : von irgend einer Welle plötzlich aus der Tiefe gerissen und an den Strand geworfen werden ! und nach Erledigung der ersten Neugier ... erledigt sein und daliegen und in der Sonne bleichen und verwehen ! o nur das nicht ! lieber immer in der Tiefe bleiben !
... oder : so stark sein : Wurzel zu fassen , wo es einen an den Strand wirft , und zu wachsen und Blüten aufzutreiben !
XII Dich , dein Leben zu Kunst klären , mit allem , was Tag und Alltag ein Recht hat , von dir zu fordern ... bis aufs Kleinste hinein ... deine Kunst leben , nicht bloß dichten ... da liegt ! sie an dir erproben , dich an ihr :
wie weit möglich , was du willst und von anderen forderst !
das allein entscheidet ! das allein reift eine Ernte !
Kunst muß gelebt werden können , sonst ist_es ... Handwerk oder ... Schwindel !
* Eine Kunst , die bloß bunte Träume weiß , die alles , was ich bin , in Sehnsucht und Selbstbetrug einlullt ... eine Kunst , die keine Rückwirkung auf mein Leben will , die nicht zu erzwingen vermag , daß ich mich ihr entgegen umgestalte ... eine Kunst , die mir nicht die Augen hell macht und das Herz frei ... andere mögen anders denken ... mir scheint nur hier ein Weg zu gehen !
* Es liegt nicht am Nichtkönnen ... wir können vielleicht viel zu viel ... es liegt auch nicht am Weniggelernthaben ... es liegt am Nichtweiterlernenwollen ... unsere Dichter sollten weniger dichten und lieber ihre Seele reifen ... sie sollten sich nicht bloß zu Genies , sondern zu auch sonst brauchbaren Menschen machen .. .
* Und wenn sie immer und immer wieder von Kunst an sich reden , als ob es das Endziel aller Dinge wäre ... immer stehe ich wieder wie ein Fremder dabei :
Wenn euer Glaube nicht höher kann , habe ich nie etwas mit Kunst zu tun gehabt und möchte nie etwas damit zu tun haben wollen ... Seele , Seele ! nicht Kunst !
... Nicht Kunst !
Seele !
* Daß man das alles aber immer noch sagen muß ! so urselbstverständliche Dinge !
Die Menschen wissen sie auch ! sehr wohl !
sie wissen sie auswendig , wie Kinder ihre Katechismussprüche ... wirkliches Leben aber ist ihnen nichts davon geworden !
Noch immer nicht !
* Ein Gedicht machen , ein Bildchen malen , ein Figürchen modellieren ... ich kann mir nicht helfen :
ich denke : das müsse man allmählich können , wie Lesen , Schreiben und Rechnen und wer will , kann_es auch !
Das Wertmaß aber muß dann ganz wo anders liegen !
* Vor etlichen Jahren begannen alle Aufsätze :
Wir wissen nachgerade , daß alle echte Kunst realistisch ist ! und man bewies es an Goethe !
Eine Zeitlang später :
wir wissen nachgerade , daß alle echte Kunst symbolistisch ist ! und man bewies es an ... Goethe !
Das Bleibende , die Wurzel daraus also wäre : Goethe !
Nörgelt man weiter , was demnach vielleicht unter » Goethe « zu verstehen sei ? so verlautet etwas wie » Persönlichkeitskunst « , und man wüßte also : daß alle echte Kunst Persönlichkeitskunst !
Geht man noch weiter , was hierunter zu verstehen sei , so könnte die Antwort wohl nur derart sein , daß alle Aufsätze von nun ab beginnen müßten :
Wir wissen nachgerade , daß es sich bei echter Kunst immer um Dinge handelt , die ... die ... die bisher eigentlich als Nebensache betrachtet wurden !
* Kunst soll nichts sollen ?
O nein !
sie soll sehr viel !
sie soll das Höchste ! sie soll alles !
Sie soll die innere Lebenseinheit wieder schaffen , die wir uns zerstört haben !
Sie soll für unser Herz möglich machen , was die Wissenschaft entdeckt , ersonnen und errungen hat , und uns zeigen , es zu leben und nicht bloß es zu wissen !
Die Wissenschaft ist unser Kopf , die Kunst ist unser Herz .
Unser Kopf aber ist viel weiter voraus als unser Herz ... daher der ganze Jammer !
Das aber darum sei das Ziel unserer Kunst , wie es wohl zu allen Zeiten das Ziel aller Kunst war : was der Kopf ersann , zu Blut umzubilden für unser Herz ! den Boden , den die Wissenschaft erobert , umzupflügen und urbar zu machen , damit wir ihn leben können , wie wir heute den leben , den die Kunst früherer Zeiten derart umgeschaffen hat .
Ziele sind_es , die da Not tun !
* So viel vielleicht auch schon versäumt ... weiß Gott , es handelt sich zunächst noch immer um viel Wichtigeres , als um » neue Kunst « !
Ich meine , wir hätten übergenug an Kunst ! und ein paar neue Schnörkel zu erfinden , sei kein Ziel , das eines ernsten Mannes Leben lohne : Neue Menschen gilt es zu werden ! neue Seelen gilt es zu schaffen , neue Lebenswerte !
dann findet sich die » neue Kunst « von selber !
Wohin man aber sieht , hängt alles , was dazu helfen sollte , wie Fliegen zappelnd im Spinnwebnetz ältester Überlieferung !
Neue Menschen gilt_es zu werden ! XIII Ein Werk der Kunst ist wie ein Mensch und braucht so lang auch wie ein Mensch , um an den Punkt zu kommen , da es nicht mehr zu kämpfen braucht !
Je mehr es Eigenes will , je tiefer seine Wurzeln und je höher seine Sehnsucht , um so schwerer wird es ringen müssen !
* Wer später kommt , muß immer den ganzen Weg durchlaufen , den , was vor ihm war und mit ihm ist , gegangen ist , und desto länger wird es dauern , bis er zu sich selber findet !
Was Frühere in Jünglingsjahren hatten , reift uns von heute auf der Schwelle erst zum Mann und Späteren vielleicht noch später !
* Mache dich , du Künstler ! nicht irgend ein Gedicht oder einen Roman oder ein Theaterstück oder ein Musikspiel oder ein Bild oder ein Denkmal oder ein Landhaus oder einen Teppich oder einen Stuhl oder Weingläser oder Bierkrüge ... Bierkrüge und Weingläser und Stühle und Teppiche und Landhäuser und Denkmäler und Bilder und Musikspiele und Theaterstücke und Romane und Gedichte hat die Welt genug ! übergenug ! aber keine Menschen hat sie ! schaffe einen Menschen ! schaffe dich !
doch nicht für eine Potemkin-Welt aus Pappe , sondern für die Welt lebendigen Lebens auf der Höhe !
XIV Ja ja , Flöte : die Bücher einer Zeit sind die Zeit selbst !
... obschon es vielleicht treffender wäre zu sagen : die Bücher einer Zeit sind die Zeit , wie sie sein möchte ! aber ... einerlei !
Die unsere kommt dabei weder so noch so besser weg !
Die unsere ... ja , du lieber Gott ! die unsere wäre dann wie ein großer Trödelmarkt , wie ein großes Pfandleihamt oder ... wie ein Warenhaus ... in dem Dinge , Menschen und Gedanken kunterbunt beziehungslos nebeneinander aufgestapelt liegen ... zu keinem weiteren Zweck , als gehandelt zu werden !
Du hast recht , es ist ein melancholisches Vergnügen :
was so geschrieben wird oder was die Leute in einem Buch so miteinander reden oder abends auf den Theatern , einmal auf seine gedanklichen Grundlinien und Zusammenläufe hin durchzusieben : inwieweit die einzelnen Punkte und Behauptungen unter sich und zum Ganzen stimmen , wenn man sie geraden Wegs zu Ende geht ... ein melancholisches Vergnügen !
Vielleicht ist das alles jedoch viel wahrheitsgetreuer , als ich immer noch denke ! vielleicht sind die Menschen wirklich so ! und vielleicht kommt wirklich nicht mehr heraus , als ein Häufchen Zupflinnen , auch wenn man wirklich lebendige Menschen einmal derart durchsiebte !
Man vermeint in seiner Kindergläubigkeit : ein Mensch sei ein die bunten Dinge der Welt einheitlich fassendes Wesen ... und das denkt heute dahinaus und morgen dorthinaus , kreuz und quer , und läuft im Leben herum , wie ein Kind , das sich im Wald verirrt hat und nun nach allen Seiten sucht , hin und her und auf und ab , im ganzen Kreis ... anstatt seine Angst niederzuzwingen und ein paar Augenblicke zu überlegen und dann nach einer Richtung hin durchzubrechen und sich zu sagen : einmal komme ich durch , wenn ich geradeaus halte , und wenn es drei Tage dauert ! und das Weitere findet sich dann !
XV Man soll die Pferde satteln !
ich will über die Berge reiten !
Die Wintersaat grünt ... und die Sonne glimmert durch die Nebel und es ist mild und schön ... mitten im Dezember !
Der Fachmann nennt solch Wetter ungesund und bedenklich , der Nichtfachmann freut sich daran und denkt an ... Frühling !
* Gewiß , Flöte : man kann , was einem nicht paßt , mit einem einzigen Witz abmachen ... Dinge , Menschen , die ganze Welt und sich mit ... aber es ist dann nur bei Seite geworfen , nicht erledigt und fruchtbar gemacht !
Witz ist noch lange nicht Humor !
Witz ist Groll !
Humor ist Liebe !
Witz hat man im Tal , Humor nur auf der Höhe !
* Aber ... es nutzt nichts , Flöte :
wir kommen nicht vom Fleck , weder mit unserer Kunst noch mit unserem Leben , wenn wir immer nur Witze machen , wenn wir , was uns nicht genehm , nur bei Seite schieben !
Wir kommen freilich ebensowenig vom Fleck , wenn wir uns nicht erst wieder festen Boden unter die Füße schaffen , so oder so ! wenn wir uns nicht endlich von dem Bann losketten , mit dem Wissen und Wissenschaft an jedem Punkt uns immer wieder in den Arm fällt und Unmittelbarkeit und Freude bricht mit ihrer ewigen Schulmeisterei ! wir kommen nicht vom Fleck , wenn uns an jeder Ecke immer nur Suchen nach Erkenntnis als letztes und höchstes Ziel entgegengehalten wird !
Der Mensch hat nicht bloß Kopf , er hat auch Herz .
Bloßes Wissen- wollen aber ist Professorenideal und Professorenideale leiden immer an Herzfehlern !
Wir wollen hundert und tausend Lehrstühle errichten , den Geheimnissen in Himmel- , Erd- und Menschenwelt nachzuspüren und ihre Kraft in unsere Gewalt zu bringen ... aber wir dürfen nicht vergessen : daß all diese Erkenntnisse für uns da sind , nicht wir für sie ! und uns das Leben lieb und leicht zu machen und nicht zu Last und Übermüdung , ist das nächste und vielleicht sogar noch höhere Ziel !
* Stadt daß es wie ein befruchtender , verjüngender Mairegen niedergegangen und neues Leben und neue Blüte emporgelockt , kam es wie Windwehen und übergrieselte alles mit seinem grauem durchdringendem Staub ! und überall nun statt Jugendfreudigkeit und Frische ängstliches Zweifeln und Zögern und Unsichersein ! und daneben ein ... sonderbarer Hochmut auf äußeres Einzel- und Besser-Wissen ! schon in Kleinkinderschulen !
wer die meisten Regeln kann , wird Erster !
* Hinauszuwiesen über bloßes Wissen ist_es , was Not tut und es nutzbar und fruchtbar machen können für dich selbst und andere !
Backsteine allein sind kein Haus und Grundmauern allein ebensowenig !
Für beinahe alle freilich bleibt ihr ganzes Wissen tote Sammlung !
Sie vermögen es nicht für das eigene Leben lebendig zu machen ! sie können kein Haus damit bauen ! und unterbinden so sich selbst den ganzen Sinn !
Auch alles Wissen ist nur Mittel und nicht Zweck !
* Mit bloßem Aufspeichern in Scheunen ist nichts getan .
Es muß auch gedroschen werden und nicht bloß gedroschen , es muß auch Mehl gemahlen werden und aus dem Mehl muß Brot gebacken werden ! und der Kornspeicher täte darum gut , ein bißchen weniger hochmütig auf Tenne , Mühle und Backtrog herunterzusehen .
Es sind auch ehrliche Leute und am Ende steht er nur auf ihrem Grund und Boden !
* Wissenschaft hat nicht volkstümlich zu sein , aber volkstümlich zu machen !
* Wenn du die Welt als Ganzes überspannst ... mache dir nicht das Herz schwer und wenn auch jede Woche neue Bücher bringt , immer dicker und feierlicher ... man könnte schließlich überhaupt nichts weiter tun mehr , als sitzen und lesen und anderen nachdenken , und drei Leben damit verleben !
Wenn_es dich beruhigt freilich , tus !
ich habe es auch getan und immer wieder !
... doch wenn ich durch war und die Rechnung machte :
was ich gewonnen , waren ein paar kleine Dinge mehr an sich sehr wertvoll !
ein paar Nebenwege , die da und dort abkürzten ! die großen Linien aber hatte ich längst auf meinen Karten !
* Wer selber etwas schaffen will , muß einmal aufhören , zu lesen und bloßes Wissen zu suchen !
Er muß an einem Punkt sich sagen :
So , nun Schluß !
Entweder , oder !
ich kann_es nun oder ich kann_es nicht ! die großen Linien sind es , die entscheiden !
Sie müssen mich zum Ziele tragen ! und ob an dieser oder jener Ecke ein Kirschbaum einmal Apfelsinen trägt , ist einerlei :
ich will nach Rom ! ... XVI Einem jungen Mädchen Ich sah dich immer nur mit Rosen in der Hand ... ich sah dich immer nur mit fröhlichem Lachen , tief im Herzen ein heimliches Lied ...
So dachte ich einst , so müsse das Leben sein : Rosen , Lachen und Sonnenschein und tief hinter allem ein heimliches Lied !
... * Wie du so redest ... von deinen Träumen : wie du stürmisch ins Weite drängst und wie froh du das Leben dir denkst :
Überall alles : Rosen und Flieder und Lachen und Lieder , Lust und Tanz , überall nur weitoffene Türen , überall Freude , Liebe und Glanz !
Plaudere weiter und laß mich so sitzen , still mit abgewandtem Gesicht ... plaudere weiter !
ich höre alles !
es klingt wie ein altes vergessenes Gedicht : Ragende Wälder , goldwogende Felder blühende Gärten ringsumher , und mit schimmernd weißen Segeln meine Schiffe über dem Meer ...
Nähe und Ferne :
Sonne und Sommer , Glück , Erfüllung und Gewähr , Jugend und Freude , Lachen und Lieder , Rosen und Flieder , Lust und Tanz , überall nur weitoffene Türen , überall Leben , Liebe und Glanz !
... Plaudere weiter und laß mich so sitzen !
Gönne mir dies Weilchen Ruhe und laß mich träumen : ich sei du ...
Jedes Wort weckt tausend Farben , Farbe wird Klang und Klang Gedicht ... plaudere weiter ... ich höre alles ! aber sieh mir nicht ins Gesicht ! XVII So spät schon ?
so spät ?!
... ja , das sind Glocken ... das sind die Glocken von Sankt Marie !
Sie läuten Ave !
Dann ging auch die Sonne schon zu Wende !
Dann ist_es vorbei !
dann ist_es zu Ende ... das Lied des Tags !
dann kommt die Nacht , die alles einsam zurücksinken macht !
Und dann ... dann werden die Brunnen wach !
Bei Tag hat niemand ihrer acht , aber bei Nacht ...
Alle die Brunnen dann werden wach und brechen herauf aus vergrabener Tiefe und strömen und strömen immer voller und voller die ganze Nacht und rauschen und rufen Dränger und Dränger und lauter und lauter die ganze Nacht , immerzu , immerzu ... und niemand , niemand trinkt ihnen Ruhe !
O diese Brunnen in der Nacht ! XVIII Über dem Waldsaum in der Ferne gelbgold-rotflammender Sonnenuntergang .
Tiefstill alles ... in leuchtendem Schneefrieden .
Gärten , Häuser , Straßen ... Winter !
Weiße Flocken fallen ... leise ... Glocken hallen !
... Weihnachten !
Wie oft man schon so am Fenster stand ! wie oft man das alles schon erlebt ! und wie lange man schon auf der Welt !
... da und dort ! und ... mit wie viel Menschen man schon zusammen war ... Menschen , die man gern hatte ... wo sind sie alle ? und wie kam es , daß man sich verloren ? wie kam es , daß man sich Freund war und so fern und fremd wurde ?
Man sollte mehr halten , was man Schönes hat !
man sollte treuer sein und anhänglicher ! man sollte alles , was einem etwas war und gab ... man sollte es unverblaßt und unverwischt um sich haben können , wie ein gutes Buch , jeden Augenblick zur Hand ... und man behält nur ... ein paar Worte , ein paar Linien , eine Farbe , einen Klang und auch das verflüchtet mehr und mehr , Jahr um Jahr , und rückt immer ferner , wie das eigene Leben selber ...
Es ist ein Glück und wird ein Bild !
... Es kommt und ist da und lacht , und du lachst mit und küßt es , und leise gleitet von dir weg und sinkt und rinnt ... wie ein Flug Tauben , klein und kleiner werdend , in die Ferne schwindet ... wie auf dem Meer ein Schiff auftaucht und kommt und Briefe bringt und geht ... wie du selber auftauchst , da bist eine Zeit lang und dann gehst !
XIX Gleich einer weiten Landschaft liegt es unter mir : im Vordergrund an blauem Fluß die Stadt und rings im Umkreis : Gärten , Wiesen , Felder und in der Ferne : Hügel , Berge , Wälder und da und dort : Burgweiler , Höfe , Dörfer ...
Ich kenne alle noch , so weit sie sind ... so lang es her ! ich habe fast in jedem Rast gemacht und jedes immer war einmal ein Ziel und überall gab_es ein paar Menschen , um derentwillen sich vielleicht gelohnt zu bleiben !
Doch auch nicht eins von allen war so klein , daß es nicht hinter stillen grünen Hecken Wegabseits einen kleinen Kirchhof hatte !
XX Zufall , Mandolinchen ?
Zufall gibt es nur für unsere kargen Sinne !
Aller Zufall , sieh , ist nur ein langes heimliches Suchen , das sich ganz plötzlich dann dir irgendwie entgegenfindet ! und wenn wir weniger grobe Taster hätten und schärfere Augen ... würden wir die Fäden sich verspinnen sehen !
* Die Nähe endlich lerne verstehen und dich in ihr ! von ihr aus begreife weiter ! die Nähe ist unser Leben ! die Sterne haben Zeit !
* Die Sterne haben Zeit !
ich weiß , was du meinst , Mandolinchen ! gewiß , ich habe das einmal gesagt und ich sage es immer noch ... aber ... der Blick in die Ferne muß da sein ... sonst wird man traurig !
Und dann ... ich glaube fast : unsere Träume sind schöner und wahrer als das Leben ! und größer !
Sie bleiben !
Wir ... sterben !
* Nicht die äußeren Erlebnisse sind das Bestimmende und Richtung-gebende ! es sind nur Türen , durch die wir kommen oder gehen ! nicht was wir tun , sind unsere Taten !
Was wir äußerlich leben , sind nur äußerliche Bestätigungen vorausgegangener innerer Entscheidungen ... gewollter oder gesollter ... was wir träumen , ist unser Leben ! und in wie weit es glückt , ihm Erfüllung und Gestalt zu geben !
* Was wir träumen , ist die Blüte !
was wir leben , sei die Frucht !
XXI Wieder aber dann und wann kommen Stunden , kommen Tage , und es wandelt mich wie Klage , wandelt mich wie Sehnsucht an ... und es klingt wie ein Rufen ferner Hochlandhörner hell und heller mir ins Herz ... und ich möchte mich entgürten all der Würden , all der Bürden meines Schilds und meines Schwerts !
Und ich möchte sein und werden der ich bin und immer war !
All die Waffen sind ja Lüge , meine Freude nur ist wahr !
... meine Freude , meine Sehnsucht : ohne Waffen zu vertraun und auf freier Höhe eines freien Lebens frohe Hütte mir zu baun ! XXII Sylvester ... Hoch am Himmel der Mond .
Man wird immer einsamer ... ... die Dinge rücken immer ferner ... ... die Menschen werden immer fremder !
... vom Fest der Jugend und des Lebens ... verwelkte Rosen sind der Rest !
Nur was ich träumte , blieb noch ... mich begleiten ... und ein leis verklärend Licht über das Zerbrochene breiten ... ...
Ich habe geblutet für euch ... Bleibt mir ... treu , ihr stillen Träume einer Schönheit , die es nicht gibt ! bleibt mir treu , ihr stillen Träume , und wenn alles rings zerstiebt !
Bleibt mir treu , ihr jungen Rosen jedes Jahr ! ihr frohen Schwalben und ihr Lieder , wenn es Mai ... bleibt mir treu !
... bleibt mir treu !
Weiße Flocken fallen ... leise Glocken hallen ... ...
Es gab mir alles , doch es nahm noch mehr !
Es war ein Sommer ... überschön an Glück und Glanz und Sonnenpracht ... und wie des Jahres letzte müde Stunden sinken schweigend seine letzten welken Blätter lautlos leise in die Nacht ... XXIII Ich bin nicht mehr als ein rinnender Traum , ich bin nicht mehr als ein Blatt am Baum , als ein Tropfen in fallendem Regen , nicht mehr als ein Sonnenflimmerflaum , ein Mondlichtschein in Waldgehegen ... oder sommerentlang ein Vogelklang , ein Schmetterling am Heidehang ... ein Wölkchen , das der nächste Wind spurlos ins Abendrot verrinnt !
Und all meine Lust und all mein Leid , es ist nur die Lust , es ist nur das Leid eines kurzen rinnenden Traumes ...
Es ist nur die Lust , es ist nur das Leid eines Mondlichtscheins auf einsamen Wegen , eines Rufes im Ried , eines Vogellieds in grünen Waldgehegen ... es ist nur die Lust , es ist nur das Leid eines Schmetterlings , der zur Sommerzeit an blühenden Hängen flügelt und den der Herbst früh oder spät spurlos über die Heide verweht ! XXIV Horch ... horch , Mandolinchen ! die Glocken !
Neujahr !
... Neujahr !
... Neujahr !
Bleibt mir treu , ihr stillen Träume ... bleibt mir treu , ihr ... jungen Rosen und ihr Lieder , wenn es Mai ! bleibt mir treu ! ... Horch ... mir ist ... mir ist , als ... als klinge es wie ein ... Hornruf ! weit her ! weit her , Mandolinchen , hörst du nicht ?
mitten durch das Läuten draußen ... hörst du nicht !?
... ...
Es war Täuschung , ja !
Mein eigenes Blut vielleicht !
* ... und fallen Nebel darüber , schweigsam , trüb ... meine Mutter ist die Sonne ... und ich weiß , sie hat mich lieb !
* Ja , Mandolinchen ... ich danke dir !
... doch ... ... Horch , da ist es wieder !
da ist es wieder ! ganz laut ! und keine Täuschung ! und immer näher ! und heller !
.. .
Von Hani , Mandolinchen ! von Hani ! von Hani : Bleibe fest !
ich halte Wache und bin bei dir !
du bist auf rechtem Weg !
ich grüße dich ! halte aus und sei fröhlich !
ich bin es auch ! wir siegen ! wir siegen ! ...... * Den ganzen Tag über war mir schon so ... ich sang und lachte und war so froh , als ob , ich weiß nicht , als ob was käme und jubelnd in den Arm mich nähme ! wie Glocken klang es mir im Ohr und immer sang ich das Lied mir vor , das du einst in stürmischer Winternacht fern aus der Heimat mir mitgebracht :
Ein klein bißchen Sonne , und liegt auch voll Schnee , ein klein bißchen Sonne , und es tut nicht mehr weh !
Ein klein bißchen Sonne , und das Eis schmilzt !
ja ja : ein klein bißchen Sonne und der Frühling ist da !
* Und daß es niemand weiß , das ist das Schönste !
Wie Königskinder , die im Elend , gehen wir einsam durch die Menge , fremd und unbekannt und dennoch über Nähe hin und Ferne ungeschieden Hand in Hand ... du dort , ich hier !
Und niemand weiß , daß wir zusammengehören ! niemand kann uns etwas nehmen ! niemand kann uns etwas tun ! nicht so und nicht so ! und das macht uns immer wieder stark und stolz und frei und froh !
Und wenn die Glocken des Tages verklingen , und die Brunnen der Nacht zu rauschen beginnen , bist du bei mir und ich bin bei dir und vergessen ist Elend und Trübe !
wir gehen wie in alter Zeit heckenentlang , von Blüten beschneit , und plaudern von Glück und von Liebe !
XXV Goldrot im Nebel glüht die Sonne ... ich grüße dich , du junges Jahr !
Glückauf !
Glückauf ! ...
Was kommt , das kommt !
Sturm oder Sonnenschein !
Hast du die Hand nur fest am Steuer , wird Leid und Schmerz auch ... dir zum Ziel gedeihen und frischer Wind nur in die Segel sein !
... Nur nicht im Hafen liegen und schlafen , sei es bei Glück , sei es bei Weh !
Leben ist nur auf offener See !
... XXVI Ich grüße dich , Mutterchen !
Hab keine Sorge mehr , ob nichts !
Was war , mußte sein ! und war ... gut ... so !
Hab keine Sorge mehr !
ich bin aus Eisen ! und nichts und niemand kann mir mehr was wollen ! nur das Herz blieb das alte und hat Welt und Menschen immer noch so lieb , wie immer !
Ich dachte früher einmal , es wäre schön : auch andere mitzuhaben auf meinem Weg über die Berge ... ich meinte , die Menschen müßten sich freuen , wenn man ihnen sagte : kommt mit !
ich weiß ein Ziel , das der Mühe lohnt ! und wenn sie den Kopf schüttelten , meinte ich :
sie wollten nicht !
ich glaube immer mehr jedoch :
sie möchten wohl , aber das Leben läßt sie nicht los ! und so wandere ich nun eben allein !
Ich will immer noch , was ich immer wollte und es wird immer heller am Himmel ... aber ... es sieht vielleicht ganz anders aus und hört sich vielleicht ganz anders an , Mutterchen , denn alles , was ich sagte , als ich damals in die Welt zog , und es ist doch das gleiche !
ich habe ihm nur die verwirrenden und entstellenden Schalen abgerissen und all die Widersinnigkeiten , mit denen es umsponnen war , und mich selbst durch all die verkehrten Voraussetzungen durchgefunden , mit denen man sich den Weg erschwert !
Und wenn es Zeiten gab , da ich im Kampf für meinen Glauben sagte : es ist alles nur Kauf und Handwerk und Mache ! sieh , das gilt auch heute noch ganz ebenso , und ich sage es auch heute noch ganz ebenso , wenn ich auf den Punkt zurückgehe , auf dem ich damals rang !
es ist so ! aber ... was ich heute möchte , sieh , das liegt so weit darüber hinaus , daß jeder Groll sich längst zu Lachen löste !
was ich heute möchte , hat mit allem , dem dies galt , so wenig mehr zu tun , als auf der Bühne die Kulissen mit dem Sinn der Menschen , die ein Dichter sich geschaffen hat ... so wenig als am Ende Kern und Schale miteinander zu tun haben !
Was ich heute möchte , was Kunst und Leben heute für mich geworden , sieh , das ist trotz allem Leid , trotz allen Enttäuschungen so jubelschön , so hundertmal köstlicher , als ich jemals dachte , Mutterchen , daß ich sage :
es lohnt sich doch ! ja , daß ich sagen möchte :
es war eine harte Schule ! aber ... ich danke ihr !
und ich dank auch dir , Mutter , und Hani und den Zwei oder Drei , die zu mir hielten : daß ihr glaubtet und die Geduld nicht verlort und , wenn ich selber mutlos wurde , sagtet :
Halt aus und sei fröhlich ! XXVII Ich will noch immer , was ich immer wollte !
doch ich habe kein Verlangen mehr nach Kränzen und nach Lorbeer ! ich kann das ruhig allen anderen lassen !
Ich will nur Sämann sein ... auf meinem Felde ... ich will nur Baum noch sein in stillem Garten , der seine Früchte reift ... für sich und ohne Dank und ohne Preis dafür zu wollen ... ich will nur Blume sein am Saum des Wegs ... der Wind verträgt den Samen ihrer Blüten ... und wo er niederfällt auf gleichen Boden , wird er aufgehen und es werden wieder Blumen blühen ! XXVIII Und ich grüße dich , Hani , und danke auch dir !
Ich wäre vielleicht stehen geblieben , ohne dich , an irgend einem Punkt ... in bestem Glauben ... ich hätte mich betören lassen von mir selbst :
nun seist gewonnen ! und du sagtest , leis und lieb und selbst neugierig manchmal :
es geht höher !
Und auf jedem Punkte taten sich dann immer weitere Horizonte auf und jedes Jahr so führten hundert kleine Wege uns empor und jeder Weg trug immer weiter von sich weg und über sich hinaus zu schöneren Zielen und zu neuen Wegen !
Ich grüße dich und danke dir ! XXIX Es ist ein stetes stilles Wandern durch Menschen , Dinge und Gedanken .
Man geht und geht ... und merkt kaum , wie ringsum die Bilder sich verschieben und vorübergleiten und eines um das andere rückwärts fällt , und plötzlich steht man wie in einer neuen Welt !
Fernes wird nah und Nahes fern ... du bleibe sein Kern !
XXX Ausgangs- und Zielpunkt im Auge ... woher ? wohin ? ...
Jeden Augenblick mit dem ganzen Leben leben , auch kleinen Alltäglichkeiten gegenüber !
... Siehst du , Hani , ich kann vieles nicht , das man auf Markt und Straße anstaunt und bewundert , das man groß nennt und mit Kränzen behängt ... niemand weiß das besser , als ich selbst ! und ... ich will_es auch gar nicht können ! aber das kann ich ! und ich kann es , weil ich als Kind einmal glaubte : daß dies es wäre , das die Könige auf den Thronen anderen Menschen voraushätten und das sie können müßten , um gerecht und weise zu handeln und ihr Volk zu verstehen und ihm Vorbild zu sein !
Und ich ging und lernte es .
Aber währenddessen wandelte sich die Welt und nun stehe ich wie ein Fremder in meinem Lande , und die Menschen umher spotten , wenn sie mich mit Gold bezahlen sehen , was sie selbst für Silber und für Kupfer haben können !
Aber wenn mir auch nur einer dafür dankt mitunter , ihm mehr gegeben zu haben , bin ich glücklich , so reich zu sein ! XXXI Und Kunst , Hani ?
O in den Büchern , die wir haben , stehen so viel wunderbare Dinge ... steht so viel Großes , Erlösendes und Befreiendes ! und die Menschen haben alles gelesen und wissen es und freuen sich , mit anderen darüber zu reden !
Aber sie haben nirgends den Wunsch , auch nur einen Bruchteil davon einmal für ihr Leben zu leben ! und wenn sie versuchen würden , auch nur einen einzigen Satz einmal , ein einziges Wort , das sie hundertmal vielleicht im Munde haben , wirklich zu Tat zu machen und durchzuführen mit den Linien , die es gibt ... o es wäre Freude , auf der Welt zu sein !
* Was die Großen unter uns geschaffen , Propheten , Dichter und Richter , sie haben es nicht geschaffen , daß es stumm in den Regalen stehen soll und verstauben !
sie haben es gegeben , daß es Leben werden soll in unseren Herzen und uns selber groß und frei und ewig machen ! XXXII Aber ... die Menschen können nicht !
Sie nehmen die Dinge der Kunst immer noch und immer als etwas Entbehrliches und Überflüssiges ! anstatt zu verstehen endlich , daß sie der letzte Sinn sind ihres ganzen Daseins ! vom Niedrigsten an bis zum Höchsten !
Sie reden von Kunst wie von etwas , das ein eigenes Leben für sich lebt , außerhalb des ihren !
wie sie auch von Körper und Seele reden , wie von etwas Getrenntem ! wie sie alles auf allen Gebieten loslösen aus seinen Zusammenhängen und es nur für sich begreifen , anstatt es als Eines zu erfassen und sich selber eins mit ihm zu fühlen !
Kunst ist für alle immer noch und immer nur etwas , das an den Wänden hängt als Schmuck , oder als kostbarer Schrein in ihren Zimmern steht oder als schön gebundenes Buch auf einem Tische liegt ... statt daß sie es still für sich in ihren Seelen wirksam werden lassen und zu Tat in ihren Händen und zu festem Boden unter ihren Füßen und zu Haus und Heimat !
Kunst ist entweder alles oder nichts ! XXXIII Als ich ein Knabe war und Lenau las und Eichendorff und Heine und wissen wollte :
was Dichter sei ? sagte man mir :
Dichter sei , wenn man Gedichte machen könne und Geschichten erfinden .
Das sei aber schwer , und die das könnten , seien ganz besonders begnadete Lieblinge der Götter ! und das Schwerste und Höchste sei :
Theaterstücke zu können ! und in allen Büchern , in denen ich suchte , stand ganz dasselbe und wohin ich hörte , sagte man das gleiche .
Und als ich Fünfzehn war , ging ich eines Abends zu einem Verleger mit einem Heftchen Gedichte , die ich selbst machen konnte und fünf Jahre später wurden sie gedruckt und ich war nun auch ... Dichter !
Und dann wurde ich größer und ging nach Berlin , wo alle Dichter sind ... und studierte und las und ging ins Theater und kam mit anderen zusammen , von denen schon in den Zeitungen stand , und sprach mit ihnen ... mit wem ich aber auch sprach , überall hieß es :
Dichter sei , wer Gedichte und Novellen und Romane und Theaterstücke schreibe , und Theaterstücke zu können , sei das Allerschwerste ! und als bedeutender galt , wer den größeren Erfolg hatte ... Erfolg aber könne nur haben wer , ... die Gesetze der Technik am besten beherrsche und am gewandtesten zu erzählen verstehe ... und es gab dicke Bücher , in denen diese Gesetze und Regeln gesammelt und erklärt waren .
Und ich dachte an das , was ich selbst versucht hatte , und sah , daß ich kein Dichter war ... so sehr ich mir auch Mühe gegeben hatte und so viel inzwischen auch schon von mir gedruckt worden war .
Dann und wann aber gab es Menschen , denen ich trotzdem Freude damit gemacht hatte ... und so glaube ich im Stillen manchmal doch , auf einem rechten Weg zu sein !
Und wenn ich einen Jungen hätte und er käme und früge : was Dichter sein wäre ?
so würde ich ihm sagen : Dichter sein , mein Junge , ist Mensch sein ! doch das verstehst du noch nicht ! komme in zehn Jahren wieder !
Das aber kannst du dir heute schon merken :
Dichter sein ist schwerer , als Gedichte und Novellen und Theaterstücke schreiben und hat im Grund gar nichts damit zu tun ! XXXIV Und wenn er lesen und schreiben und drucken lassen gelernt hätte und eines Tages wieder käme : er möchte es versuchen , Dichter zu werden ! aber alles sei dagegen und erkläre es für Torheit , bis auf eine kleine Schwester und einen einzigen Freund ... würde ich ihm sagen : Laß dich dadurch nicht irre machen , mein Junge , wenn es dir wirklich ernst ist !
Doch wenn noch so gut ist , was du kannst , es kommt ganz darauf an , ob du auch in fünf Jahren noch was kannst und ob du immer weiter willst ! und wenn du so um Fünfunddreißig einen » Erfolg « hast , dann denke nicht : nun seiest du durch !
nun seist erreicht ! nun brauchest du dir keine Mühe mehr zu geben !
es gilt erst recht dann , deinen Mann zu stellen ! und wenn du Fünfzig bist ... und die kleinen Schwestern , die dann auf der Welt sind , und der einzige Freund , den man hat ... sind immer noch auf deiner Seite und freuen sich an dem , das du ihnen gibst ... dann kannst du sagen : es sei nicht ganz vergebens gewesen !
Die letzte Entscheidung aber hat ... » der Mann in fünfzig Jahren « ... wenn du längst tot bist ! und wenn der , was du gemacht hast , aus dem Schranke holt und seiner Frau und seinen Kindern daraus vorliest und sagt : Guckt , das könnt ihr euch merken und aufschreiben und auswendig lernen !
aber nicht bloß um es auswendig zu wissen , sondern um danach zu tun und auch so zu sein !
... dann , mein Junge , hast du was gekonnt ! XXXV Und wenn andere dir anderes sagen , laß dich nicht über den Haufen kriegen !
Sieh , der eine redet in seiner Kunst nur mit den Worten , die auf dem Papier stehen , der andere , mit dem , was zwischen ihren Zeilen sich dir auftut ! der eine erzählt dir eine merkwürdige Anekdote aus dem Leben irgend eines Menschen , der dich gar nichts angeht und dir ganz gleichgültig ist ... und der andere erzählt dir was von dir !
Die meisten Menschen freilich wollen von sich selbst nichts wissen , mögen sich aber gern mit Anekdoten unterhalten lassen ... und so hat der eine viele und der andere nur wenige Hörer und so ist der eine ein großer , der andere ein kleiner Redner ! XXXVI Für den Tag , für heute gelten dieser großen Redner große Worte freilich mehr !
Du für dich im stillen aber sei dir klar :
Es gibt überhaupt keine Kunst in dem allgemeinen Sinn , in dem man davon spricht ! jeder Künstler schafft sich seine eigene Kunst und immer neu mit jedem neuen Werk !
Aus dem Gegebenen jedoch nun Regeln abzuleiten und sie als Dogmen auszurufen und Schaffende in ihr Gesetz zu zäunen , ist eitel Professorenaberwitz !
Du sei dir Kunst und such dir deine eigenen Gesetze ! XXXVII Das aber merke dir ... es ist das Schwerste :
Kunst will reine Hände haben und ein reines Herz !
Du sollst nicht Geld mit ihr verdienen wollen !
du sollst nicht von ihr leben wollen , so wenig als du deine Liebe verkaufen sollst !
du sollst für sie leben !
Deine Kunst sei dir der Weg , mit dem du dich durch deine Zeit suchst und zur Höhe findest !
Kunst sein , nicht machen !
Dein Leben sei deine Kunst !
Wer nicht sich selbst und dem Umkreis seines Daseins als klärender und ziel-schaffender Künstler gegenübersteht , verfällt !
Was du nach außen geben kannst freilich , sind immer nur Bruchstücke , und wenn dir das Höchste glückt ... doch wenn sie echt sind , werden sie in anderen wieder volles Leben reifen !
Kunst ist nur , was ein höherer Mensch für sich und andere an höheren Lebenswerten schafft in schöner Form ! XXXVIII Und noch eins , mein Junge :
du kannst nichts , wenn du nicht festen Boden unter den Füßen hast , wenn du dir nicht ein klares einheitliches Bild der Welt ermühst ... über alle Wenn und Aber hinweg ... so oder so !
Sieh , du bist ein Anderer und Freierer , wenn du dir sagst :
Es gibt kein » Schicksal « !
Verlust und Gewinn ist nur , was ich selber will und bin !
du stehst aufrechter da und bist Herr , nicht Höriger !
Du bist ein Anderer , Freierer und Stärkerer wenn du dir sagst :
Wer will , kann alles ... und was ich kann , kann jeder , wenn er sich die Mühe nimmt , die ich mir nehme !
Du bist ein Anderer , Freierer , Stärkerer und Stolzerer , wenn du dir sagst : Ich , der Mensch , bin der Sinn der Welt !
Sie ist mein Werk , wie ich selbst mein Werk bin ! meine Seele , meine Sehnsucht , meine Sorge ist es , die da schuf , was war und ist !
Und wenn sie kommen und weise sein wollen und dich irre machen mit Einwänden und Zweifeleien ... Kraft schaffen , nicht unterbinden , ist Hauptsache !
Kraft zu immer höherer Vollendung !
Zuversicht !
Freude !
Leben und ...
Mensch- sein : Dichter und Zusammendenker !
Wenn und Aber hat noch nie ein Haus gebaut !
Was unsere Gelehrten erarbeiten , wir wollen ihnen ihren Opfermut und ihre Mühe danken , doch wenn sie uns die Welt zu einem Haufen wirrer Splitter denken , Du sieh sie als lebendig Eines bis in ihre fernste Ferne ! und wenn sie den Menschen zum fluchbelasteten Geschöpf , zu Puppenspielzeug oder Infusorium erniedrigen , Du sieh ihn als König !
Die Welt ist und du bist ! und du warst vor dem allem und wirst nach dem allem sein ! XXXIX Philosophie ...
Ich dachte auch einmal , sie könne mich erlösen und den Weg mir zeigen und die Tore öffnen mir zum Sinn des Lebens !
Und ich ging und suchte mich in ihre Berge ... und was ich fand , es war ein großes altes graues Kloster , mit alten grauen Mönchen , abgeschlossen von der Welt , in einsamen Zellen ... mit altertümlich seltsamen Gebräuchen .
Sie waren gütig gegen mich , führten mich herum und zeigten mir ihre Schätze und Sammlungen und ließen mich alles lernen , was ich lernen wollte , und ich freute mich , in ihrer wundersamen Welt zu sein !
Doch eines Tages kam der Frühling und durch mein Zellenfenster klang ein Vogellied und Kinderstimmen lachten irgendwo und ich nahm mein Bündel und stahl bei Nacht mich wie ein Dieb durch ein vergessenes Gittertor ins Tal und wanderte ins Leben . XXXX Einerlei wo , an einer Stelle mache Halt und sage :
Es gilt den Kopf hoch zu kriegen und :
Dieser Stein ist die Mitte der Welt !
Von diesem Punkt aus will ich sehen ! von diesem Punkt aus will ich meine Bogen schlagen ! von diesem Punkt aus will ich mich begreifen und die Welt und annehmen oder ablehnen !
Und wäre er falsch ... ein falscher fester Punkt ist immer besser noch und bauender als keiner und all der tausend Theorien ewig Hin und Her und Kreuz und Quer ! XXXXI An dich und mich und alle Du willst noch immer viel zu viel vom Leben !
du läßt dich immer noch von deiner Sehnsucht nähren und dir das Herz zerren und träumst von Dingen , die es gar nicht gibt !
Und wenn der bunte Trug zerstiebt , gibst du voll Schmerz und Groll und Ungeduld einem fremden , dunklen Schicksal Schuld ... einem Schicksal , gottgleich , übergewaltig , in dessen Macht dein Leben steht , Wohl und Wehe , einem Schicksal , das über uns alle entscheide , mit starrem Muß und unabänderbarem Schluß !
* Unmündig Kind du !
... das noch immer den Mut nicht hat , sich auf sich selbst zu stellen und fest in fester Hand die Zügel des eigenen Lebens stolzer Herr zu sein !
das immer noch Gott oder Schicksal braucht , um seine Schwachheit zu verdecken , und glaubt , durch Entfliehen und durch Verstecken hinter Hecken der eigenen Verantwortung sich zu entziehen !
... * Such nicht außen , such es innen : was du willst , ist dein Geschick ... und in jedem Augenblick !
Was du bist und wie du_es wurdest , wie du Zeit und Leben verstehst !
was dir wertlos , was dir nichtig , und warum dir anderes wichtig , was du Leid nennst und was Glück !
Was du heiligst , was du ächtest , und mit wem um was du rechtest , wie du dich und die Welt erfaßt ! wen du liebst und wen du leidest , und die Frau , der du die Hände breitest , und die Freunde , die du hast ! XXXXII Von Kampf und Erfüllung Einem Freunde Du sagst da alles , was ich alles selbst gesagt in deinen Jahren einst , drob ich , wie du , in heiligem Zorn erglüht , drob ich , wie du , einst zu den Waffen rief , im Glauben an das Christtuschrecht der Jugend , die wir waren !
Wenn ich dir aber sagte , Freund : die Angelpunkte des Lebens , das es wirklich gilt , zu leben , liegen ganz wo anders !
Es handelt sich in Wirklichkeit und draußen um ganz andere Dinge , als um die du kämpfst , für die du dich ans Kreuz willst schlagen lassen ! o ! es handelt nirgends auf der weiten Welt sich um Wahrheit , wie du meinst , um Treue , Liebe , Güte oder ... um Recht , um Überzeugungsmut und Rückgrat ... um keine ach , von all den schönen Ehrlichkeiten , die man in Knabenjahren uns als Höchstes lehrt !
sie sind nicht einen roten Heller wert !
... Scheinen !
doch nicht : sein ! um Gottes Willen !
es bindet dir lediglich die Hände und macht dich schwach und macht dich feig !
Wenn ich dies aber sage , Freund ... und wenn ich weiter sagte : sieh : trage , wie du willst , so stolz das Haupt , daß man dir einfach eben nicht glaubt : daß nicht auch dir das alles nur Spiel ! daß nicht auch dir der eigene Vorteil erster Zweck und letztes Ziel ! und wenn ich dann noch weiterginge und fragte :
wenn dem also ist , obs dann nicht klüger , obs dann nicht beinahe Pflicht : statt mit gebundenen Händen zu stehen und alles bröckeln und brechen zu sehen ... sich zu ... entweihen und auch so zu sein , so gut es geht , und sich frei zu ketten , das nackte Leben wenigstens zu retten ?!
Ich glaube fast :
es gibt nur dieses Eine !
... Du lachst ?!
... Ich weine !
* Und heute nun , nach kaum fünf Jahren , die Stirn furcht , mit grauen Haaren , ein müder Mann tritt in die Tür :
Es war noch schlimmer , als du sagtest ! es gab gar keinen Kampf ... mit niemand !
Man lachte bloß und ließ mich stehen oder zuckte die Achseln : was ich meine , sein Kindereien und Dichterträume , schön , aber schal !
Das Leben habe damit nichts zu tun ... das forder andere Gesetze und eine andere Moral !
hier entscheide nur : wer der Stärkere sei ! womit und wie ?
... ganz einerlei !
Hier heiße es nicht : die Menschheit zu retten und sie zu Unmöglichkeiten betören ... hier heiß es : nicht totgetreten zu werden ! und ganz brutal : sich seiner Haut zu wehren !
Und dann zuletzt ... das Allerschlimmste :
sie haben recht !
... sie haben recht !
* So ging_es auch mir , Freund , und ... so geht es jedem !
Wenn ich dir aber wiederum nun sagte : das Allerschwerste kommt erst jetzt :
es gilt erst jetzt den Kern der Frage : ob , was du glaubtest , nicht bloß Selbstbetrug , obs wirklich echt ... und groß und stark genug : noch jetzt aus Verzagen und Entsagen mit neuem Flug dich emporzutragen ?
Sage nicht : Nein !
.. .
Die Fassung darf zerbrochen sein , nur nicht der Stein !
Es gilt erst jetzt die letzte Probe , es gilt erst jetzt den Kampf , von dem du sprachst , und ob du fällst oder ihn hältst ?
... Jedoch es wird kein Ringen mehr mit anderen , es wird ein Kampf nur mit dir selbst : Dich und die Welt verstehen zu lernen , die Dinge zu nehmen wie sie sind und wie sie sein müssen , je und je , aus ihrem eigenen Sinn heraus ... und ohne Groll und ohne Weh das Erlittene zu begreifen in aller Stille und ein und aus in steter Arbeit an dir selber Unmut und Bitterkeit abzustreifen und zu lösen dich und zu reifen über jede Enttäuschung hinaus !
Alles andere wäre vergebens ... hier allein liegen die Schlüssel des Lebens !
Darum gehe und beweise und mache an dir selbst wahr , was du willst und wie du deine Sehnsucht erfüllst nach Klarheit und Glück ! und lebe es vor im kleinsten Kreise von Augenblick zu Augenblick !
Und kannst du das , dann komme zurück ... und deute auch anderen noch den Weg , den du erkannt !
Es wird ein Weg dann aber sein nicht mehr zu Kampf , nur noch zu Freude ... anstatt des Schwertes Rosen in der Hand !
... Du weinst ?!
... Ich lache ! XXXXIII O nur ein paar Tage nun so köstliche Sonne , so strahlenden Himmel , so lockende Luft ...
Wie freue ich mich , bis ganz es grün und Wald und Wiesen wieder blühn und bis erfüllt sich und enthüllt : was Jahr um Jahr nun ach , wie oft ! von jedem Frühling ich gehofft !
* Ach ja , die Sonne ist wieder da , Mandolinchen !
... es wird wieder schön ! und die Welt wird wieder jung ! die Sonne ist wieder da !
Es wird Frühling !
ich grüße dich !
Und ... wir wollen es wie der Frühling draußen machen , Mandolinchen , und aufräumen mit den Erinnerungen des Winters und sie mit neuem Leben und mit neuer Jugend überblühen ! es soll Ostern werden ! es ist . Zeit . endlich , daß es : Ostern wird !
* Ja , es wird Frühling !
ja , es wird Frühling ! ich habe draußen schon Knospen gesehen und in Hecken irgendwo klang es wie ein Vogelliedchen heimlich froh : Guten Muts nur , guten Muts ! und schneit und stürmt auch wieder , was tut_es !
Und dauert Woche und Wochen noch , es wird , es erfüllt sich !
unsere alte selige Sonne siegt doch ! siegt doch ! XXXXIV Die Glocken läuten Sonntag ein !
Wir wollen aufbleiben und ihm entgegenwachen , Mandolinchen ! wie wir in trüben Zeiten manche Nacht verwacht !
Wir wollen des Schönen denken , das da war ! weißt du noch ?
es wird gerade nun ein Jahr !
Komme , singe das kleine Lied mir jener Tage !
* Über die Straße , durch den Garten , zwischen den Hecken , über den Kies ... leise , ganz leise kommst du gegangen , wie der Frühling , jung und lieb !
Leise , ganz leise zittert die Klingel ... und du stehst und lachst mich an : Rosen am Hut und Rosen am Gürtel , Rosen das ganze Menschenkind ! und alles ... für mich ? für mich ?! für mich ! die Rosen am Hut !
die Rosen am Gürtel !
das ganze glück-selige Menschenkind !
Und ich nehme die Rosen und schling sie zum Kranze ... wenn ich , du Liebe , dein König bin , so sei gegrüßt mir als Königin !
* Ja ja , Mandolinchen !
Man träumt und träumt ... und denkt :
es komme eines Tags in Licht und Glanz und Fröhlichkeit ... festlich mit Jauchzen und Gepränge , in hellem wallendem Gewande , auf weißem Zelter zieh es dir entgegen , schimmernde Spangen im goldenen Haar frühlings-jung und schön und sonnig ... und die Stunden stünden still ...
Und es geht alles immer weiter , wie es ging und wie es geht ... und es kommt nicht in Licht und Glanz und es kommt nicht mit Jauchzen und Gepränge ... ...
Und doch , Mandolinchen ... es soll ... doch so kommen ! es soll doch so ... kommen ! XXXXV Der Nebel fällt ! die Wolken stürmen ! der Himmel wird hell ! es wird wieder blau ! und ich grüße dich mit der siegenden Sonne hoch in der Höhe ... über Trennung und Weh !
Und so groß auch die Erde , so groß auch die Welt , der Himmel ist größer , der sie umhält ! und größer die Sonne , die ihn durchkreist ... und irgendwo bist du , wo du auch seist !
Und wenn es trübe dort , einsam und grau ... halte aus und sei fröhlich : der Nebel fällt ! die Wolken stürmen ! der Himmel wird hell ! es wird wieder blau ! und ich grüße dich mit der siegenden Sonne : daß sie den Bann , der uns bindet , zerreißt !
... irgendwo bist du ja ... wo du auch seist ! XXXXVI Komme , mein Junge ! wir wollen alle Bücher einmal liegen lassen !
wir wollen auf den Söller steigen und ich will dir die Welt zeigen !
Sieh , das ist der große Jammer und die große Not der Zeit , daß sie bloß den Verstand gelten lassen will , Rechnung und Berechnung , und alles andere dagegen zurücksetzt ! und Verstand haben ist so leicht !
aber : wer sich nur auf seinen Verstand verlassen will , ist bald zu Ende !
Ich ließ mich auch einmal verwirren :
Verstand sei es , der das Leben heilige !
Nein , mein Junge : Verstand ist nichts !
Verstand hat jeder !
Verstand ist Voraussetzung !
Empfindung ist es , die das Leben weiht und blühen läßt und Farbe gibt und Flug ihm und Erhebung !
Verstand schafft nur äußere Werte ! deine Empfindung ist dein Ich !
Verstand muß das Haus bauen , aber ein Haus ist nicht für sich da , sondern für dich !
und was du darin lebst , ist dein Leben !
Verstand lehrt dich sehen und hören und lesen und schreiben , aber das alles ist nur , um dein Empfinden höher zu gestalten !
Ohne Verstand natürlich geht_es nicht .
Er muß auf dem Bock sitzen , die Zügel deiner Pferde in der Hand , er muß die Augen offen haben und fahren können und die Wege wissen ... wohin es aber gehen soll , das ... muß ihm deine Empfindung sagen ! XXXXVII Horch , die Glocken , mein Junge ! immer lauter und lauter und heller und siegender : Frühling und ... Ostern !
Ostern , mein Junge ! und Frühling ! verstehst du , was das heißt ?!
... Ostern !
* Sieh , das ist die Welt , hier vor uns : das Tal , die Wiesen ... alles wieder grün und in Knospen ... der Fluß , zur Ebene hin , die Stadt , die Vielen an den Hängen hinauf ... und drüben die Höhen , mit ihren Straßen über die Berge ... und die Menschen ... die Menschen unten !
Guck , nur die die Glocken läuten , sind wach , die anderen liegen noch und schlafen ! liegen und schlafen , anstatt auf zu sein in Glauben und Freude und der Sonne entgegenzuwachen , die ihnen Frühling und Ostern bringt !
Sie liegen und schlafen , müde von der Arbeit ihrer Woche und von ihren Sorgen ... und wenn sie aufwachen , wachen sie auf , wie sie einschliefen , müde von Arbeit und Sorge und das ganze Herz doch voll glühender Sehnsucht nach Ausruhn und Freude !
Es ist schwer , mein Junge , glaube mir , es ist schwer , froh zu sein , wenn man die Menschen lieb hat !
es ist schwer , mein Junge !
* Und wenn du Dichter werden willst , mein Junge ... sieh , du kannst es nur , wenn du die Menschen lieb hast ! wenn du sie so lieb hast und so stark bist in deinem Glauben , daß du all ihr Leid mit ihnen leiden kannst , und für sie leiden , wo sie gegen dich !
Du wirst keine Heimat bei ihnen haben , du wirst wie ein Prediger sein in der Wüste ... das Herz wird dir überwallen , ihnen zu helfen , und sie werden dich verlachen und verspotten und werden dir alles antun , was Menschen einem Menschen antun können ! aber glaube ihnen nicht ! glaube ihnen nicht , mein Junge !
Glaube nicht an die Unfriede , glaube nicht an die Verdrossenheit , glaube nicht an die Kleinlichkeit , die dir entgegentritt ... wisse sie , aber glaube sie nicht !
Sieh durch sie durch , in ihre Herzen ! in ihren Herzen in der Tiefe wirst du nur Sehnsucht sehen , aus all der Not und Schwere ringsum heraus zu finden , und an die glaube , mein Junge ! nicht an ihre Worte , nicht an ihre Taten ... an ihre Sehnsucht glaube , wenn du Dichter werden willst und ihnen helfen !
Sieh , sie zerwerfen sich immer mehr , was das Leben lebenswert macht und ihm Halt gibt !
sie haben immer weniger den Mut , zu sein , wie sie sein möchten !
sie zernörgeln und zerfasern sich ihre schöne Welt immer planloser , irregeführt von Propheten , die keine sind , und finden immer weniger zurecht und setzen ihren Stolz darein , sich hinwegzulügen über ihr Elend und hinwegzuspötteln über die stille Mahnung dessen , das sie träumen !
Und wenn du Dichter werden willst , wisse das alles , aber glaube es nicht ! sondern gehe und rüttle ihre Sehnsucht auf und schaffe ihnen Zuversicht : daß ihre Träume höher und sieghafter als das Leben ... auf daß es endlich anfange , Sonntag zu werden in ihren Seelen aller Last und aller Hast zum Trotz ! XXXXVIII O ich möchte aufspringen , immer wieder , immer wieder :
Es wird eine Zeit einst kommen , die über die Not und über das Leid , mit dem wir uns herumschleppen , hinweggefunden haben wird ... es wird eine Zeit einst kommen , die da kaum verstehen wird , wie wir uns Kummer machen konnten ob Dingen , die so kaum der Mühe wert ... eine Zeit , die über all die Kämpfe , in denen wir uns verbluten , lächeln wird , wie wir selber über Schmerzen lächeln , die uns als Kind einst weinen machten ... es wird eine Zeit einst kommen , in der der Mensch dem Getriebe und der Last seiner Städte und dem Staube ihrer Zeitungen und Bücher den Rücken kehrt und sich endlich wieder zu sich selber sucht ... eine Zeit , wie einst vielleicht vor grauen Zeiten ... doch : auf der Höhe , nicht im Tal !
O ich möchte aufspringen und durch das Läuten der Glocken draußen hinunterrufen in die Weite : Du Dichter stehe auf und sei ein erster früher Bote dieser Zeit und gürte dein Gewand und ziehe durch die Länder und bringe den Menschen Selbstvertrauen , Daseinsfreude und Frühlingsmut !
Werde nicht müde , immer wieder ihnen zu sagen : Kehrt um , ihr seid auf falschem Wege ! drei Viertel von allem , womit ihr euer Leben ausfüllt , ist Kram ... es gibt noch anderes als die Äußerlichkeiten , an die ihr euch hängt ! anstatt zum Freien , macht ihr euch zum Knecht , und zerbrecht , was ihr erringen wolltet und verschüttet euch die Quellen immer mehr !
Werde nicht müde , ihnen zu sagen , wie klein im Grunde all ihr Leid und wie schön und herrlich die Welt , die sie haben , und wie wunderbar köstlich ihr Leben ... wenn sie nicht selbst nur immer wieder es zu Not und Sorge und zu Werktag sich verkehren würden !
Du Dichter stehe auf und Lehre die Menschen hinaussehen über ihr Heute und bringe ihnen Glauben und mache ihre Seelen groß und frei ! Lehre sie der Sonne treu sein und wissen , daß sie da ist , auch wenn Wolken sie verhängen !
und Lehre sie lachen wieder , wie sie als Kinder einst gelacht ... doch auf der Höhe , nicht im Tal ! XXXXIX O ich möchte aufspringen , immer wieder ... und durch die Welt reiten auf weißem Pferde mit flatternden Fahnen : Du Dichter stehe auf und laß es jedes Opfers wert sein und sei du , was die Menschen nicht sein können , bei ihrem Kampfe um ihr täglich Brot !
Du Dichter sei ihr Klärer und Währer und Richter und Aufrichter !
sei der Freund , der ihnen Not tut ! ein getreuer Eckart auf ihrer Wanderung ! zeige ihnen Ziele und schaffe ihnen Wegweiser und gehe voran und lebe es ihnen vor : daß deine Träume stolzer sind und weiter tragen , als die Wirklichkeit !
Dein Wort ist mächtiger in seiner Stille , als alles Geschrei ihrer Propheten ! mächtiger als der Lärm ihrer Städte und Märkte ! mächtiger als aller Gegenwille !
es siegt darüber hinweg , wie der Frühling über den Winter hinwegsiegt !
* Und da kein anderer es wagt ... Du Dichter stehe auf und gehe zu ihnen und sage :
Ich komme zu euch und ich bin von Gottes Gnaden und will euch heißen , was er mich geheißen .
Es gibt nur einen Weg zur Freiheit ! den : steter stiller Selbstzucht ! und nur : durch die Gesetze , die eure Großen euch geschaffen haben ... nicht gegen sie ! erfüllt sie und ihr werdet fühlen , wie sie tragen und eure Flügel immer weiter breiten !
Und wenn ihr Wort auch hart klingt , habt nicht Furcht : ein jegliches » Du sollst ! « soll immer nur dich auf dich selber stellen und einen Weg dir zeigen höhenwärts !
Sage ihnen :
Ich komme zu euch und ich bin von Gottes Gnaden :
Ich will keine neue Schule gründen , ich will keine neue Religion stiften , ich will niemand seinen Glauben nehmen , ich will nur die Möglichkeit suchen , so zu leben , wie es sich vielleicht zu leben lohnt !
Wir brauchen keine neue Religion ! wir haben Religionen genug , alte und neue , und jede einzelne ist wunderbar und groß und ewig genug !
Nur laßt nicht jede totes Wort nur sein ! lebt endlich einmal eine und macht Ernst !
Und weil dein Wort mächtiger , als das des Mächtigsten , und weil kein anderer es tut ... Du Dichter stehe auf und sage :
Über aller Erkenntnis steht der Mensch !
Du Mensch , bist der Sinn der Welt ! und was deine Richter richten , richten sie für dich !
und was deine Denker denken , denken sie für dich !
und was deine Kunst schafft , schaffe sie für dich ... nicht für sich : dir auf der Erde zurecht zu helfen und sie dir lieb zu machen ... und zu Haus und Heimat ! und dir Kraft zu geben , dich zu vollenden , und Zeit um Zeit zur Höhe dich zu führen !
Für dich nur jubelt die Erde ! für dich nur flammt die Sonne ! für dich nur rauschen die Meere ! dir zu Preis nur , dir zu Ehre !
Du Mensch bist Sieger und bist Held !
Du Mensch bist König und Herr der Welt ! XXXXX Und ... leise wie der Frühling kommt bei Nacht und auch den kleinsten ärmsten Garten jung und froh und blühen macht ... gehe still zu jedem einzelnen und sage ihm :
Einer allein kann es nicht ! auch nicht hundert !
wir müssen alle mithelfen !
Groß und Klein ! jeder in seiner Weise ! und guter Wille ist schon halber Sieg !
* Kindheit und Jugendzeiten scheiden Werktag und Sonntag ... dann gilt_es : das eigene Leben zu erkämpfen , den eigenen Glauben zu erfüllen , und der Sonntag fällt und die Welt wird Werktag !
Aller Werktag aber ist nur Mittel , vergiß das nicht , nur Weg : hinauszufinden über seine Not und Mühe , hinauszufinden über seine Unfrohheit ! vergiß das nicht und halte es fest !
es macht gelassener und heiterer und gibt dir Ruhe ...
Alles Werktagelend ist nur Weg zum Sonntag !
Und wenn es noch so lange dauern sollte und wenn es Jahr um Jahr dich unter Waffen hielte und im Kampf ... das muß als fernes Ziel feststehen über allem : daß der Sonntag endlich wieder siegt !
Nicht bloß für uns , für dich und mich und unser stilles kleines Leben , für jeden einzelnen , für alle , für die ganze Zeit und alle Zeiten , die noch kommen werden :
es gilt herauszuringen endlich aus dieser ewigen Werktagschwere ! der Mensch ist für den Sonntag da !! seine Werktagnot hat er sich selber aufgeladen !
Du Dichter stehe auf und gürte dein Gewand und ziehe durch die Länder und sei ein erster früher Bote dieser Zeit !

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Flaischlen, Cäsar. Jost Seyfried. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0p5.0