Widmung 1918 .
Du standest , den zerschossenen Arm noch in der Binde , den grauen Helm auf dem zerbeulten Kopf , die Brust voll von Kreuzen , vor behäbigen Bürgern , um das Maturum zu erwerben .
Weil du einige Zahlen nicht wußtest , dekretierte man , daß du noch nicht reif seiest .
Unsere Antwort war : Revolution ! 1920 .
Mit standen beide im Begriff , vor seelischem Zusammenbruch zu kapitulieren .
Da richteten wir uns aneinander auf und strauchelten kaum .
Meine Antwort war : Trotz ! 1923 .
Du fordertest dein Schicksal in die Schranken .
Biegen oder brechen !
Noch war es zu früh .
Deshalb wurdest du Opfer .
Deine Antwort war :
Tod ! 1927 .
Ich stand an deinem Grab ; im Glastenden Sonnenschein lag ein stiller grüner Hügel .
Und predigte Vergänglichkeit .
Meine Antwort war : Auferstehung .
Dieses Buch widme ich dem Andenken meines Freundes Richard Flisges der am 19. Juli 1923 in einem Bergwerk bei Schliersee als tapferer Soldat der Arbeit in den schweren Tod ging Vorspruch Das ist der tiefste Segen des Lebens : aus seinen Geheimnissen steigen in ewigem Wechsel Kräfte eines jungen Daseins .
Not ist Weg zu Glück .
Zersetzung und Auflösung bedeuten nicht Untergang , sondern Aufgang und Anbruch .
Hinter dem Lärm des Tages wirken in der Stille die starken Kräfte einer neuen Schöpfung .
Die Jugend ist heute lebendiger denn je .
Sie glaubt .
Woran , darum geht der Kampf .
Aus ihr ring en sich Keime neuer Daseinsformen verhalten zum Licht empor .
Die Jugend hat vor dem Alter immer Recht .
In zukunftsfrohen Herzen brennt heiß und glutend der Wille zum Schaffen , zum Leben , zur Form .
Mit Schmerzen warten Millionen auf den Tag .
In den Dachkammern der Mietskasernen , in Tagelöhnerscheunen und Wanderlagern voll Hunger , Kalte und geistiger Qual bilden sich Höffneung und Symbol einer anderen Zeit .
Glaube , Kampf und Arbeit sind die Tugenden , die die deutsche Jugend von heute in ihr em faustischen Schöpferdrang einen .
Wir kommen mählich zueinander : der Geist der Auferstehung , das Los vom Ich , das Hin zum Du , zum Bruder , zum Volk ist Brücke von hüben und drüben .
Wir warten auf den Tag , der den Gewitterwind bringt .
Wir werden im gegebenen Augenblick den Mut haben , den Willen zusammenzureißen zu einer Tat um das Vaterland .
Wir wollen das Leben : darum werden wir das Leben gewinnen .
Michaels Tagebuch ist ein Denkmal deutscher Inbrunst und Hingabe , das erschüttern und trösten will .
In seinem stillen , bescheidenen Spiegel spiegeln sich all die Kräfte , die uns Jungen heute zu einem Gedanken und morgen zu einer Macht formen .
Deshalb ist Mich a Els Leben und Sterben mehr als Zufall und blindes Schicksal .
Es ist Zeichen der Zeit und Symbol der Zukunft * Ein Leben im Dienst an der Arbeit und der Tod für die Gestaltung eines kommenden Volkes : das ist das Tröstlichste , was wir auf Erden sehen können .
Im D-Zug , 2. Mai .
Unter meinen Schenkeln schnaubt nicht mehr der Vollbluthengst , ich sitze nicht mehr auf Kanonenbanken , noch stapfe ich durch den lehmigen Schlick verwahrloster Schützengraben .
Wie lange ist es her , da ging ich noch in weiter russischer Ebene oder durch trostlos zerschossenes französisches Land . --
Vorbei !
Langsam löse ich mich .
Ich steige auf wie ein Phönix aus der Asche von Krieg und Zerstörung .
Friede !
Dieses Wort legt sich wie Balsam auf eine Wunde , die noch zitternd blutet .
Mir ist es , als konnte ich dieses Wortes Segen mil den Händen fassen .
Wenn ich zum Fenster hinausschaue , dann sehe ich , wie an den Seiten deutsches Land vorbeischwimmt : Städte , Dorfe , " Wälder , Felder .
Ein stiller Weg geht durch braunen Acker .
An seinen Rändern blühen Blumen * Kinder spielen auf Dorfsstraßen .
Ragende Fabrikschlote stechen in die glasklare Luft hinein .
Vorbei an weitgestreckten grünen Feldern .
Das leuchtet in tausend Farben und Lichtern .
Ich öffne das Fenster und atme , atme tief .
Sonne liegt auf deutschem Land .
So haben wohl die Griechen das Meer gegrüßt .
Heimat !
Deutschland !
Ein Blühen in den Feldern und Garten ; berauschend , verschwenderisch schon für Augen , die vier Jahre lang nichts sahen als Trümmer , Schmutz und Blut und Sterben .
Ich werde getragen wie eine schwimmende Insel .
Der Freiheit entgegen !
Ich war in Frankfurt und habe dem jungen Goethe meine Reverenz gem adit . auch heute noch Führer im Streit der Geister .
Vorkämpfer jedes jungen Willens .
Nicht Weimar ist unser Mekka .
Ich trage nur ein Buch in der Tasche : den Faust .
Den ersten Teil lese ich .
Für den zweiten bin ich zu dumm .
Heidelberg !
Ins liebliche Tal gebettet .
Oben liegt das Schloß .
Studenten singen auf dem Bahnsteig , Weiter rollen die ungeduldigen Räder .
Weiter !
Hügel wird Berg !
Das Land dampft in der Sonne .
Meine Augen trinken die Schönheit Gottes ein !
5. Mai .
In meinen eigenen vier Wanden sitze ich nun , bin Student , frei , mein Herr und Gebieter .
Wie oft habe ich mich aus dem Lärm der Schlachten danach gesehnt .
Ich strolche durch die Straßen und Gäßchen , als war ich hier seit je zu Hause .
Das haben wir draußen gelernt , uns hinzusetzen und dazusein .
Die Stadt ist schon und angenehm .
Die Leute hier zu Lande haben Zeit .
Man sieht kaum einen Menschen hasten .
Wir sind schon tief im Süden .
Am Karlsplatz stehen Bänke .
Die sind immer besetzt , morgens , mittags und abends .
Ich sah überhaupt noch keine Bank , die nicht besetzt war .
Die Kastanien am Schloßberg stecken ihre weißen Kerzen an .
Wenn ich Zeit habe -- und wann hatte ich keine Zeit -- schlendere ich zur Höhe hinauf .
Unten liegt die Stadt .
Wie die Kücken um die Glucke , so gruppieren sich die alten Hauser um das verwitterte Minister .
Die Sonne spielt glitzernd in den roten Dächern der Neustadt .
Ganz weit leuchtet das Land .
In der Ferne tauchen schwimmend die Vogesen auf .
Da irgendwo stand ich vor einem Jahr im Trommelfeuer und hatte nur den einen Wunsch : zu Ende die Qual , sterben , fallen , ein Held sein , nicht s mehr Wiese en .
Und heute stehe ich hier und mochte das Leben mit alien Fasern an mich reißen .
8. Mai Ich wohne draußen in einem Vorort im letzten Haus .
Der Blick von meinem Fenster gebt auf einen blühenden Garten .
Die Sonne scheint fast den ganzen Tag in mein Zimmer hinein .
Der Himmel ist über dieser Stadt schon südlich , tief blau .
Wenn ich zur Universität gebe , dann komme ich durch diese sauberen Straßen , die es nur einmal in Deutschland gibt .
Neben den Gehsteigen laufen breite Rinnen , durch die perlklares Quellwasser fließt .
Scharen von Kindern waten darin bis zu den Knien und treiben mit den Vorübergehenden ibren Schabernack . ich lebe wie Gott in Frankreich !
Abends gehe ich durch enge , menschenleere Gäßchen am Münster vorbei nach Hause .
Manchmal höre ich dann nur meinen eigenen Schritt .
Kosend spielt die Abendluft um mein Gesicht .
Wenn ich stille stehe , dann höre ich , wie irgendwo ein Brunnen murmelt und Platz kehrt .
Zwiesprache zur Nacht jenseits der Menschen .
Am offenen Fenster :
Ein letztes Hauchen Von müdem Vogelsang Und duftendem Flieder Tragt mir der Abendwind Ins Zimmer .
Ich kann nicht schlafen ! 12. Mai Ich treffe wie durch einen Zufall me men Schulkameraden Richard . auch draußen haben wir uns ein paarmal gesehen .
" Welch eine Wiedersehensfreude !
Er fragt mich , was ich studiere .
Was studiere ich eigentlich ?
Alles und nichts .
Ich bin zu trage und glaube , ich bin zu dumm für die Fachwissenschaft .
Ein Mann will ich werden !
Umrisse bekommen .
Persönlichkeit !
Der Weg zum neuen Deutschen !
Stil ist alles !
Stil ist Übereinstimmung zwischen Gesetz und Ausdruck .
Wer Stil haben will , muß beides haben , Gesetz und Ausdruck .
So heißt denn Stil haben nichts anderes , als alles das als selbstverständlich tun , wirken , leiden und gestalten , was dem eigenen Gesetz entspricht .
Auf selbstverständlich liegt der Ton .
Wenn es in dir nicht brennt , wie kannst du anzünden ! 16. Mai .
Abends besucht mich Richard .
Wir sitzen unten im Garten und reden bis in die Nacht hinein .
Er ist klug und verständig , und vor allem , er weiß sehr viel .
Wir tauschen Erinnerungen aus der frühesten Jugend aus .
Vor mir liegt Dorf , Garten und Vaterhaus .
Durch ein offenes Fenster höre ich , wie die Mutter in der Küche herumhantiert .
Mutter !
Man braucht nichts zu haben , nur eine Mutter .
Eine Mutter , die ihren Kindern nicht alles : Freund , Lehrer , Vertraute , Quell der Freude und des gefestigten Stolzes , Ansporn , Dampfer , Ankläger , Versöhner , Richter und Vergeber ist , die Mutter hat offenbar ihren Beruf verfehlt .
Meine Mutter ist eine göttliche Verschwenderin : in allem , vom Gelde angefangen bis zu den lauteren Gütigkeiten des Herzens .
Sie gibt , was sie hat , und oft darüber hinaus .
Nur eine Mutter hat den rechten Instinkt für ihre Kinder. 17. Mai .
Ich habe lange darüber nachgedacht , was es denn ist , das mich das Leben so unbedacht und in vollen Zügen trinken läßt .
Ich stehe mit beiden Füßen auf der harten Heimaterde .
Um mich ist Schollengeruch .
Bauernblut steigt langsam und gesund hoch in mir .
Richard nennt mich einen Daseinsmenschen .
Ich gehe allein durch die schmalen Gauge zum Schloßberg hinauf und atme den warmen Duft einer blüteträchtigen Mainacht .
Mit der Sonne stehe ich auf , und mit den Sternen gehe ich zur Ruhe .
Ich schlafe vier Stunden und bin frisch und erquickt .
18. Mai .
Um die Mittagszeit sitze ich auf dem stillen , alten Friedhof .
Vor mir sprüht ein Brunnen seinen feinen Regen in die heiße Luft .
Kastanien wölben breit ein Dach über m einen Platz .
Um die grünbesponnenen Grabsteine rankt sich bescheiden der Efeu .
Amselsingen !
Sonst stört nichts die Ruhe der Toten .
Eine Biene summt .
Ich lese Nietzsches Mittagsandacht aus dem Zarathustra .
Still . . . Still . . .
Alles geht auf im All .
Pan ! 20. Mai .
In den Hörsälen en der Hochschule wird viel geschrieben , mehr noch geredet und , scheint mir , herzlich wenig gelernt .
Eine gewisse Sorte von Wissensbeflissenen trifft man da immer .
Bleiches Gesicht , Intelligenzbrille , Füllfederhalter und eine dicke Mappe voll von Büchern und Kollegheften ; -- das ist alles .
Die künftigen Führer der Nation !
Und Frauen , ach , du lieber Himmel !
Darunter sind die Blaustrümpfe noch die erträglichsten .
Ich suche den Lehrer , der einfach genug ist , um groß zu sein , und groß genug , um einfach zu sein .
Die Spezialwissenschaft züchtet Hochmut und Fachsimpelei .
Der gesunde Menschenverstand geht dabei meist vor die Hunde , Der Intellekt ist eine Gefahr für die Bildung des Charakters .
Wir sind nicht auf Erden , um uns den Schädel mit Wissen vollzupfropfen .
Das ist ja alles so nebensächlich , wenn es ohne Beziehung zum Leben bleibt .
Wir müssen unser Schicksal erfüllen .
Kerle erziehen , das sollte Aufgabe der hohen Schulen sein .
Wir können doch nur das aus uns das machen , was Gott in uns hineingelegt hat .
Da rum ist Goethe der Gerte , weil er aus dem deutschen Bewußtsein heraus über die Grenzen hinausstieg .
Aber es war falsch , ihm darin gleichkommen zu wollen .
Die ganze vielgepredigte Nachfolge Goethes ist Unsinn , Phantasterei leerer , überbildete Kopfe .
Quod licet Iovi , non licet bovi !
So ist das im Leben : wenn Herr Meyer den Faust auswendig kann , so ist das vorerst nur ein Beweis für sein gutes Gedächtnis .
Warum begibt er sich nicht an die Logarithmentafel ? 22. Mai .
Der alte Geheimrat erzählt von der Heimat der Urgermanen .
Ich komme selten in sein Kolleg . aber wie oft hörte ich es schon von ihm , daß unsere Vorfahren an der unteren Donau und an der Küste des Schwarzen Meeres gesessen haben .
Gerade auf dem Plata vor mir sitzt eine junge Studentin : eine herrliche Frau !
Blondbraunes Haar , weich wie Seide , das in schwerem Knoten auf diesem wunderbaren Nacken Hegt .
Der ist wie aus weißgelbem Marmor gehauen .
Sie schaut verträumt zum Fenster hinaus , durch das sich leise , fast schüchtern ein spielender Sonnenstrahl stiehlt ; ich sehe ein feines Profil : eine klargewölbte Stirn , darum ein paar verirrte Haarkringel , eine lange , scharfe , etwas breite Nase und darunter ein weicher , un gem ein schwärmerischer Mund .
Mitten in meiner Betrachtung dreht sie sich plötzlich zu mir um , und ich schaue in zwei große , graugrüne Rätsel .
Jetzt sitzt sie plötzlich still und sittsam hört , wie es scheint , mit Interesse auf die müden Worte des alten Geheimrats und tut so , als schreibe sie eifrig mit . durchs Fenster kommt jetzt der vorwitzige Sonnenstrahl hereingehüpft , zittert über die vollbesetzten Bänke und bleibt schließlich in ihrem blondbraunen Haar hängen .
Das leuchtet auf wie weiche , goldene Seide , wenn man sie bei Licht durch die Finger gleiten läßt .
Es ist Abend .
Ich stehe am Fenster , Richard sitzt daneben in meinem großen Sessel und doziert .
Er spricht vom Marxismus .
Wie rationalistisch das doch alles ist .
Der Marxismus ist eine reine Geld- und Magenlehre .
Er nimmt als gegeben an , daß der lebendige Mensch eine Maschine sei .
Darum ist er falsch , daseinsfremd und erdacht , nicht gewachsen .
Logisch in der Theorie , aber unlogisch in der Praxis * Wie wenig wird doch durch ihn gelost !
Geist der Breite und nicht der Tiefe .
Und was bat er mit unserer Qual zu tun ?
Lenke ich das Gespräch auf - die Frauen ?
Auch redet Richard wie immer , klug und gründlich .
Das Weib ist da .
Der Mana ist wach .
Der Mann ist der Intendant , die Frau der Regisseur des Lebens .
Jener gibt Linie , diese Farbe .
Warum halte ich heute mit den Gedanken nicht Schritt ?
Ich schwimme in einem Meer unbestimmter Wünsche und Sehnsüchte .
Nun bin ich allein .
Ich stehe am Fenster , und über mir wölbt ein wolkenloser Himmel seine sternenübersäte Weite .
Weich schmeichelt der Wind durch die Bäume unten im Garten .
Die volle Stunde segnet mich !
Nacht faltet zitternde Hände Über der müden Welt .
Aus blassem Blau Steigt leuchtend der Mond .
Meine Gedanken fliegen Wie einsame Schwäne In die Sterne .
Ein Sonnenstrahl auf blondbraunem Frauenhaar 23. Mai .
Ich sitze neben ihr im Kolleg .
Sie ist verschämt und schreibt eifrig in ihr Heft hinein , daß die Heimat der Urgermanen wahrscheinlich an der unteren Donau und , was weiß , wo zu suchen sei .
Ich höre , wie ihr Atem schneller geht , fühle die Wärme ihres Krpers und atme den frischen Duft ihres Haares .
Lässig ruht ihre Hand , fast neben mir .
Lang , schmal und weiß wie frischgefallener Schnee .
Es klingelt -- und ich Tölpel Pa Ecke meine Siebensachen zusammen und stelze davon .
Draußen ist Sonnenschein .
Ich sitze auf der Terrasse und schaue dem bunten Treiben der akademischen Bürgerschaft zu .
Lachen , Scherzen ; hier und da fliegen mir einige Gesprachsfetzen zu : Mensur , Schwere Säbel , Phänomenologie , Transzendentalität , historisch erwiesen . . . 2 4. Mai .
Hertha Hoik :
ich lese den Namen in ihrem Heft .
Wieviel näher schon so ein Name bringt .
Man ist sich nicht mehr fremd , ohne daß man ein Wort miteinander sprach .
Ich lese im Willi elm Meister .
Dieses Epos ist fast zu rund und zu weit für uns ; es hat zu wenig Ecken .
In Frankfurt , im Goethehaus , zeigte mir ein Diener von der Treppe aus den Hof , in dem der kleine Wolfgang mit seiner Sch Weste zu spielen pflegte .
Fast kamen mir Tranen in die Augen .
Oben in seinem Zimmer hängt noch heute ein Bild der Lotte Buff .
Wenn er nach der Wetzlarer Zeit als Frankfurter Rechtsanwalt mittags vom Amt heimkam , stürmte er , bevor er zum Essen ging , die Treppe hinauf in sein Zimmer , zog vor dem Bild seinen Chapeau und grüßte :
" Morgen Lotte ! "
Das war noch der Goethe , wie wir Jungen ihn lieben .
Der Geheimrat ist man dam al unausstehlich .
Zur Kunst gehört auch Charakter .
Schone Gedichte schreiben und sonst ein unerträglicher Zeitgenosse sein , das paßt nicht zueinander .
Vielleicht wurde darum Schiller der Dichter des deutschen Volkes und nicht Goethe .
Und lieben wir die 9. Symphonie mehr als die Zauberflöte ?
Kunst ist nicht nur können , auch Kampf .
Titanen , nicht Olympier sind Wegweiser für ein ringendes Geschlecht .
Es geschehen keine Wunder mehr , weil wir keine Wunder mehr sehen .
Das Wunder ist in seinem tiefsten Wesen Poesie , zu vergleichen dem Volkslied .
Alles ist das , was du daraus machst , auch du selbst .
Das Geld geht mir aus ; Geld ist Dreck , aber Dreck ist kein Geld .
25. Mai Ich komme in den Hörsaal .
Sie errötet und wird verwirrt .
Ich setze mich zwei Bänke hinter sie .
Wie endlos lang eine Stunde sein kann ! 30. Mai Hertha Hoik and ich sind gute Freunde . diese Welt ist schön durch dich !
Die Liebe zu einem Menschen führt uns Gott näher .
Das stimmt gar nicht : die Jugend von heute ist nicht gegen Gott , sie ist nur gegen seine feigen Konfessionsbediensteten , die , wie mit allem , so auch mit ihm ein Geschäft machen möchten .
Mit denen muß man aufrechnen , will man mit seinem Gott ins reine kommen .
31. Mai Das ist so ein schöner , sauberer Sonnabendmorgen .
Ich schlendere zum Münster herunter .
Da stehen herrlich gewachsene Schwarzwälderfrauen und verkaufen Blumen .
Wie farbenprächtig dieses Bild : im Hintergrunde ragt das Münster , ernst und feierlich , rotbraun , davor die Blumenstande und die Frauen in den schwarzen Kleidern mit den roten Umschlagetüchern .
Bei einem Stand steht Hertha Hoik , um Blumen zu kaufen .
Sie plaudert mit der alten Marktfrau .
Sie erzählt , und die Alte lacht , -- und dann lachen beide .
Nun kauft sie drei langgestielte , rote Nelken .
Dann siebt sie mich , wird einen Augenblick aufs äußerste verwirrt und kommt verlegen lächelnd auf mich zu .
Im Park des Colombi-Schlößchens ist jetzt morgenstiller Frieden .
Kein Mensch verirrt sich um diese Stunde hierhin .
Breit und gemächlich geht der Sonnenschein über die Wege .
In den Bäumen singt müde ein Vogel .
Wir sitzen bis zum Mittag .
Sie erzählt von zu Hause , vom Land der roten Erde , - wo die Arbeit rast , wo Schornstein dampfen und Schlote rauchen ; vom Vater , der schon starb , als sie erst adit Jahre zahlte ; von der Mutter , die , wie selbstverständlich , an die Stelle des Vaters trat und für die Kinder weiterlebte .
Eine große , tapfere Frau , die a lies nimmt , so wie es ist .
Wie gleichst du deiner Mutter , Hertha Hoik !
" Was ich studiere ?
Die Frage war wohl bei Ihnen angebracht , denn Rechte und Künste nebeneinander , das paßt wie die Faust aufs Auge . "
Sie lacht : Rechte als Beruf und Künste als Freude . "
" Beruf , das klingt in Ihrem Munde wie ein falscher Ton .
Pause .
" Und Sie ? "
" Ich weiß das eigentlich selbst noch nicht .
Es gibt ja für einen jungen Deutschen heute nur einen Beruf : für das Vaterland einzustehen .
Das haben wir vier Jahre widerspruchslos getan .
Man kann sich das schlecht abgewöhnen .
Das ist einer der tiefsten Konflikte in der Generation der Soldaten .
Der Sprung aus dem Schützengraben in den Hörsaal ist zu weit . "
" Sie arbeiten nicht allzuviel ? "
" In den Kollegs nicht .
Allerdings !
Aber ich meine , man kann auch anderswo etwas lernen .
Am meisten sogar bei den einfachsten Dingen .
Das Leben an sich ist nicht kompliziert .
Wir machen es nur kompliziert .
Wenn man die Augen offen halte , dann schaut man schon durch .
Wir machen die einfachsten Fragen schwer und zergrübeln uns dann an ihnen . "
" Sie dichten wohl ? "
" Wie kommen Sie darauf ? "
, " Ich dachte nur so ; das paßte wohl zu Ihnen . "
" Allerdings .
Ja !
Zuweilen !
Die berufenen Dichter , besser gesagt , die Schriftsteller mag ich nicht .
Der echte Dichter ist so etwas wie ein Amateurphotograph des Lebens .
Ein Gedicht ist ja schließlich nichts anderes ale eine Momentaufnahme aus dem Bereich der künstlerisch gestimmten Seele .
Kunst ist Ausdruck von Gefühl .
Der Künstler unterscheidet sich vom Nichtkünstler dadurch , daß er das , was er füßelt , auch zum Ausdruck bringen kann .
In irgendeiner Form , der eine im Bild , der andere im Ton , der dritte im Wort und der vierte im Marmor -- oder auch in geschichtlichen Formen .
Der Staatsmann ist auch ein Künstler .
Für ihn ist das Volk nichts anderes , als was für den Bildhauer der Stein ist .
Führer und Maße , das ist ebensowenig ein Problem wie etwa Maler und Farbe .
Politik ist die bildende Kunst des Staates , wie Malerei die bildende Kunst der Farbe ist .
Deshalb ist Politik ohne Volk oder gar gegen das Volk ein Unsinn an sich .
Aus Maße Volk und aus Volk Staat formen , das ist immer der tiefste Sinn einer wahren Politik gewesen .
Sie kann gar nicht den Charakter verderben .
Das sagen nur die , die mit ihrem schlechten Charakter die Politik verderben . "
" Und heute ? "
" Ach heute !
Das ist ja gar keine Politik , was die da oben betreiben .
Sie führen nur mit den Mitteln des Volkes ihr eigenes Geschäft fort .
Unsere sogenannte Politik steht in keinem inneren Verhältnis mehr zum Volk .
Daran gehen wir auch letztlich zugrunde . "
" Aber besser ist es doch geworden ? "
" Besser ? nein , wir sind schlechter geworden .
Wir haben ja gar kein Gefühl mehr für Ehre und Pflicht .
Nur der Fraß steht zur Debatte .
Aber wer die Ehre verkauft , der wird auch bald den Fraß verlieren .
Das ist eine späte , aber um so grausamere Rache der Geschichte . "
Sie dichten und treiben Politik ? "
" Sie treiben Politik ?
Das ist eine dumme Frage .
Politiktreiben ist etwas Selbstverstandliches .
Jeder Vater , der Kinder in die Welt setzt , treibt damit Politik .
Jede Mutter , die aus Knaben Männer macht , ist ein politisches We sein .
Wie abwegig !
Man hat die Politik zum Beruf gemacht ; ah wenn das etwas war , das man lernen kann .
Und nebenbei : diesen Beruf hat jeder Grenadier mehr vers tan den and Beruf hat jeder Grenadier mehr verstanden und ausgeübt , der draußen schweigend seine Pflicht tat , als die parlamentarischen Schwätzer , die in den Regierungsbüros saßen und Reden hielten . "
Sie sind sehr hart in Ihrem Urteil "
. Man kann nicht hart genug sein .
Wer das Leben meistern will , der muß ihm so entgegentreten , wie es ihm entgegentritt . auch das Leben ist hart . "
" Der Krieg ist schrecklich . "
" Das sagt an sich noch gar nichts .
Kein vernünftiger Mensch hat das je bezweifelt .
Ihn abschaffen wollen , das ist dasselbe , wie wenn man abschaffen wollte , daß Mutter Kinder zur Welt bringen . auch das ist schrecklich .
Alles Lebendige ist schrecklich .
Man kann nur Schutzmaßnahmen gegen den Krieg ergreifen ; die bestehen darin , daß man ein Volk wehrhaft macht , damit dem ändern die Lust vergeht , ihm seine Lebensrechte zu stehlen . "
" In Ihnen wohnt ein Dichter und ein Soldat . Musizieren Sie ? "
" Etwas . "
" Haben Sie Lust , morgen nachmittag bei mir etwas vorzuspielen ? "
" Ja , große Lust . "
Wir trennen uns .
Es ist Mittag .
Die Sonne glüht auf dem grauweißen Asphalt .
Beim Abschied schenkt Hertha Hoik mir eine von ihren Nelken .
Sie errötet und wird plötzlich ganz verwirrt .
Sie gibt mir kaum die Hand , nicht ganz verlegen und biegt auch schon um die nächste Ecke .
Der Künstler ist Gott zu vergleichen .
Beide geben de : Stoff Form .
Der Künstler ist ein Stück Gott .
Es werde Licht !
Und es wird Licht !
Heiter ist die Kunst ?
Manchmal ist sie schwer und fast unerträglich .
Die Kunst muß erschüttern und erheben ; sie ist Gewinn und Trost .
Sie erspart uns nichts .
Ich komme nicht auf Gedanken ; ich werde von ihnen überfallen wie der Mann von Jericho nach Jerusalem .
Nicht die Zeiten ändern sich , sondern die Menschen ändern die Zeiten .
Männer machen Geschichte .
Liebe ich Hertha Hoik ?
Nun erschrecke ich fast vor der Roheit dieses " Wortes .
Sie löst mein Denken und macht es freier und bewußter , Die Frau ist groß im Anregen .
Drei Männer sitzen beieinander und langweilen sich .
Eine Frau kommt dazu -- nicht einmal eine schöne -- gleich sind die drei wie verwandelt .
Sie sprühen vor Geist und Laune und Witz .
Einer sucht den ändern zu übertreffen .
Wie eine Wünschelrute tritt die Frau in das Dasein des Mannes .
Auf meinem Tisch leuchtet eine langgestielte , rote Nelke .
Hertha Hoik !
1. Juni , Hertha Hoik singt Brahms Sapphische Ode mit einer prachtvollen Altstimme .
Dann spiele ich Schubertische Impromptus bis in die tiefe Nacht .
Zum Schluß Hugo Wolff : Du bist Orplid , mein Land .
" Vor deiner Gottheit beugen sich Könige , die deine Wärter sind . "'
Das ganze Lied steigert sich in diesen großen Akkord hinein .
Die Könige beugen sich vor der Gottheit .
Ich streife noch stundenlang durch die sternenklare Nacht .
In mir klingen Töne und Harmonien nach . ein neues Leben erwacht alles um mich .
Hertha Hoik , ich liebe dich !!!
Die Nacht ist meine beste Freundin .
Sie glättet den Sturm in der Seele und läßt die weisenden Sterne aufgehen .
Es wird Tag !
auch in mir !
Ich mache aus meinem kleinen Zimmer ein Königsschloß und sehe die Marmorsäulen leuchten .
Der Krieg ist die einfachste Form der Lebensbejahung .
Eine Mutter setzt ein Leben ein und gibt damit einem Kind das Leben . noch einen Augenblick vor dem Tode baumt sich der letzte Wille im Greis auf und schreit :
ich will nicht sterben !
Kampf , wenn der Mensch diese Erde betritt .
Kampf , wenn er sie verlässt , und dazwischen liegt ein ewiger Krieg um den Platz an der Futterkrippe .
Ich werde mir des tiefsten Glucks eines Besitztums nur bewußt , wenn ich es immer und immer wieder gegen seine Neider verteidigen muß .
Man schätzt überhaupt nur das , was man erobert oder verteidigt . auch der Friede will erkämpft werden , und zwar nicht mit dem Palmwedel , sondern mil dem Schwert .
Den Sozialismus zu einer Angelegenheit der organisierten Feigheit gemacht zu haben , das ist die schwerste Schuld der Retter der Republik .
Alles ist gleich , was Menschenantlitz trägt .
Das sagen nur die Dummen oder die so tun , als seien sie dumm .
Die einen , weil sie daran glauben , und die ändern , weil sie daran verdienen .
Die Natur selbst ist antidemokratisch .
Im ganzen Universum macht sie nicht zwei Lebewesen einander gleich .
Die Natur ist die ewige , untrügbare Lehrmeisterin des Lebens .
Man kann sie nicht überlisten .
Manchmal läßt sie sich das zum Spaß eine Zeitlang gefallen .
Aber dann rächt sie sich mit um so grausameren Strafen .
Ihre Formen mögen sich ändern , niemals jedoch ihre Inhalte .
Staat ist formgewordenes Volkstum .
Das Volkstum ist die Summe aller natürlichen Lebensäußerungen eines Volkes , Der Staat ist Nitz anderes als der bewußt organisierte Schutz dieser Lebensäußerungen .
Staat ohne Volk oder gar Staat gegen Volk , das ist dasselbe wie Anzug ohne Mensch oder gar Anzug gegen Mensch ; wie man sieht , ein Unsinn an sich .
Was hat der Sozialismus mit der Republik zu tun ?
Es gibt sozialistische Monarchien und kapitalistische Republiken .
Sozialist sein : das heißt , das Ich dem Du unterordnen , die Persönlichkeit der Gesamtheit zum Opfer bringen .
Sozialismus ist im tiefsten Sinne Dienst , Verzicht für den einzelnen und Forderung für das Ganze .
Friedrich der Große war ein Sozialist auf dem Königsthron .
" Ich bin der erste Diener am Staat . "
Ein Königliches Sozialistenwort !
Eigentum ist Diebstahl :
das sagt der Pöbel .
Jedem das Seine :
das sagt der Charakter .
Ihr verwechselt ja alle Kapital und Kapitalismus .
Kapitalismus ist Mißbrauch mit Kapital .
Nieder mit dem Kapital ?
Nein , nieder mit dem Kapitalismus !
Credo , ergo sum !
Mit den Wölfen muß man heulen . muß man ?
Ich meinerseits gedenke das nicht zu tun .
Hat mich Gott nach seinem Ebenbild erschaffen dann bin ich ein Stück von ihm .
Gott !
Je größer und ragender ich Gott mache , desto größer und ragender bin ich selbst .
In mir hing alles still , wie der Pendel einer Uhr , den man festgebunden hat .
Nun ist das Uhrwerk aufgezogen , und Pendel und Zeiger fangen an zu gehen .
Alles löst sich in mir , und meine Gedanken werden leicht wie fliegender Blütenstaub .
3. Juni . durch mein Fenster kommt Sonne herein .
Ich stehe und schau in den glasklaren Mo r gen hinaus .
Dann lasse ich all meine Wünsche und Sehnsüchte wie lose Blätter flattern in den blühenden Garten hinunter .
Gleich wenn du kommst , deine Rosen zu pflücken , findest du sie .
Nimm sie dann mit und leg sie auf deinen weißschimmernden Tisch .
Sie werden lieblich duften einen ganzen Margen .
Pfingsten !
Alle Felder stehen in Blüte !
Hertha Hoik ist in Beuron !
Was nutzt aller Gedankenfirnis , wenn die Liebe einen Menschen überfällt ? 10. Juni .
In Tuttlingen zwei Stunden Aufenthalt .
Ich weiß kaum wie ich auf die Reise kam .
Ich muß Hertha Hoik sehen !
Beuron !
Einsamkeit !
Klösterliche Stille !
Auf der staubigen Landstraße liegt breit die Mittagssonne .
Ich sitze lange und erwarte Hertha Hoik .
Erst gegen Abend kommt sie vom Spaziergang heim .
Sie sieht mich .
Enttäuschung , Staunen .
Verlegenheit und dann Freude auf ihrem Gesicht , maßlose Freude .
Wir begrüßen uns wie alte Freunde .
Nach dem Abendbrot sitzen wir an der Kirche in einem stillen Winkel .
Wie von fern hören wir Gebet und Singen .
Die Mönche halten ihre Abendandacht .
Und dann wird es still , wunderbar still !
Die Sonne ist schon untergegangen .
Man hört weit und breit keinen Laut . auch wir schweigen .
Ich denke an die roten Sommertage zu Hause als Junge oft stundenlang feldeinwärts , um ganz nahe zu sehen , wie die Sonne unterging .
Da lief ich Irgendwo wird eine Tür geschlossen .
Eine Männer- , dann eine Frauenstimme .
Kinderbeten !
Du lieber Jesus mein !
Dann wird es wieder still .
Wunderbar still !
Die Nacht legt ihre breiten , schwarzen Flügel auf das Land .
" Hier sitze ich jeden Abend , und es ist mir , als fände ich Ruhe vor Stürmen , " Pause .
Draußen hasten wir dem Tage nach . "
, Und kommen nicht los von ihm . "
" Und plötzlich wundern wir uns dann , daß die Welt so feierlich und stille ist . "
" Wir sind arme , gequälte und zerrissene Menschen geworden .
Die Zeit ist eingebrochen in unsere Herzen . "
" Und doch kommen wir der Erlösung näher . "
" Viel haben wir schon ertragen .
Mehr noch werden wir ertragen müssen .
Danken wir Gott , daß wir jung sind . "
Wir sitzen und schweigen .
Es wird schon kühl .
Langsam gehen wir nach Hause .
" Gute Nacht , und schlafen Sie wohl . "
Nach einer Pause :
" Sie haben mir heute eine große Freude gemacht .** Dann ist sie nach oben verschwunden .
Ich stehe und schaue , schaue in die sternenüberdachte Nacht .
Über mir wird ein Fenster geöffnet .
Fast ist es mir , als hörte ich atmen .
So still ist diese Nacht .
Ein Licht brennt irgendwo .
Nun verlischt es .
Wie eine graue Maße liegt das Kloster unter mir .
Vom Turm schlägt es zwei Uhr .
Ich lege mich in den Kleidern übers Bett .
Die Nacht ist da !
Ich liege Und träume Mit offenen Augen In die dunkle Weite .
Berauschenden Duft Atme ich gierig ein ; Irgendwo Singt eine Nachtigall .
Ich warte , warte , warte .
Gute Nacht , Hertha Hoik ! 11. Juni Sie darf nicht mit ins Kloster .
Ich gehe mit dem geleitenden Pater durch die langen , weißen Gänge .
An den wanden zarte , feine Klostermalerei , Beuroner Kunst .
Köstliche Linie , etwas stumpf in den Farben .
Eine selfsame Liebhaberei !
In der Bibliothek Buch an Buch .
Ein Pater sitzt bei der Arbeit .
Er schaut nicht einmal auf .
Sein Gesicht ist schmal und bleich , mit scharfgeschnittenen Linien .
Ich danke meinem Geleitsmann .
Er gibt mir die Hand .
Gelobt sei Jesus Chris tus ! draußen ist heller Morgen .
Es hat die Nacht geregnet , und nun duftet alles nach Frische und Blüten .
Hertha Hoik stent schlank , im weißen Kleid bei der Klosterpforte .
Ein seltsamer Kontrast !
Wir schlendern in die Felder hinaus und sitzen bis zum Mittag an einer Berghalde , von der wir ein ganzes Tal überschauen .
Ich will reden .
Sie schaut mich . an : Flehend , fragend , fast beschwörend .
Sei still !
Noch nicht !
Ich verstehe .
Wir gehen heim .
Nach dem Mittagessen studiere ich den Fahrplan , und um drei Uhr fahre ich ab .
Sie geht mit mir bis zum Bahnhof .
Beim Abschied schenkt sie mir ein kleines Bild aus der Beuroner Schule , " in Ecce-Homo ; schöne weiche Linie , klar und einfach .
Es ist für mich wie ein Talisman .
Letzter Händedruck , letztes Winken * Ich sehe sie noch lange von meinem Abteilfenster aus , wie sie schrittweise , bedächtig , mit gesenktem Haupt die Straße hinaufgeht .
An beiden Seiten des Zuges Felder , Ahren und Blumen .
Mir ist , als würde ich mitten durch einen blühenden Garten getragen .
12. Juni .
Ich sitze am Löwen in Lindau und schaue lange auf die weite , spiegelglatte Flut des Bodensees .
Ich denke an Hertha Hoik .
Dann schlendere ich durch die engen Gassen der alten schmalen Häuserreihen .
Beim Mittagessen schaue ich über den See .
Im Hotel ist viel Volk .
Damen schreien , kreischen , lachen und schnattern * An meinem Tisch sitzt ein russischer Student .
Er fahrt mit nach Meersburg . um drei Uhr geht unser Schiff .
13. Juni .
Meersburg : Ich wohne in einem kleinen Gasthaus dicht beim Schloß .
Hier lebte Annette von Troste .
Ich gehe die breite Straße hinauf zum Friedhof .
Eine kleine Grabs tat te , Eisengitter darum , ein einfacher Stein , von Efeu Hier ruht Deutschlands Dichterin .
" Anna Elisabeth von Troste Hülshoff .
Ehre dem Herrn ! steht auf dem Stein .
Auf dem Grab liegt ein Strauß roter Rosen .
" Von Ferienstudenten aus München , in Dankbarkeit der großen Dichterin ! " sagt der Zettel .
Ich sehe ihre Zimmer im Schloß .
Hier schwebt noch ein Duft von herber Jungfräulichkeit .
Ich schaue vom Balkon über den See , der nun still im letzten Sonnenschein liegt .
Hier mag sie oft gestanden haben und mit sehnsüchtigen Augen nach den weißen Schweizer Bergen gegangen sein .
Dahinter liegt It alien !
Ich nehme ein Boot und gleite langsam in den See hin- Sonne ist untergegangen .
Ich lege Die Ruder ein Und fahre endlos , Wie einem ewigen Gestade zu .
Mondlicht spielt blau Auf meinem Segel .
Mein Nachen gleitet In einen sicheren Hafen .
Nur leise schlagen Die Wellen An meinen Kahn .
Die tiefste Stille ist um mich , Und meine Seele Spannt eine goldene Brücke Zu einem Stern .
14. Juni .
Hier will ich em paar Tage ausruhen .
Sammlung atmet jeder Stein und jeder Baum .
Das Andenken an einen Menschen , der hier lebte und dichtete , tröstet mich .
Ich bin glücklich und zufrieden .
Ich denke an dich mit Freude , Hertha Hoik !
Ich sitze einen ganzen Morgen am See und gene den tiefsten Dingen nach .
Ich halte Zwiesprache mit Gott .
Ich glaube daran , daß die Wahrheit zuletzt starker sein wird als die Lüge .
Ich glaube in meinen besten Stunden an mich selbst .
Es ist nicht so sehr von Belang , woran wir glauben ; nur da & wir glauben .
Ich bin dabei , in mir die alte Glaubenswelt zu zertrümmern .
Ich werde sie dem Erdboden gleichmachen .
Dann baue ich eine neue Welt .
Von unten fange ich an und richte Stück um Stück .
In schweren Stunden bringe ich e zuwege .
Ich ringe mit mir selbst um einen anderen Gott .
Im Rauschen der Blätter höre ich Gott .
Im ewigen Wechsel gehe ich sein Walten .
Morgens , wean die Sonne aufgeht , bete ich ihn an .
Vor Gott ist die Art gut * Gott ist Wille , und Wille liebt Gott .
Mein Gott ist ein Gott der Stärke .
Er mag nicht den Weihrauchdampf und das entehrende Kriechen der Menge . ich stehe vor ihm stolz erhobenen Hauptes , wie er mich erschaffen bat , und bekenne mich freudig und frei vor ihm .
Der wahre Deutsche bleibt Zeit seines Lebens ein Gottsucher , Armselig der Mann , der fertig ist .
Der Russe heißt Iwan Wienurowsky ; Student der Philosophie in München .
Er wohnt im Gastbaus im Zimmer nebenan .
Wir sitzen zusammen und erzählen .
Er spricht von Rußland .
Welch ein rassiges Nationalgefühl ; die Russen glauben an ihre Zukunft .
Er leiht mir Dostojewskis " Idiot " .
Spät in der Nacht trennen wir uns .
Mein Fenster steht offen . draußen vor dem Gasthaus wölbt sich eine Linde .
Sie steckt ihre Zweige in mein Zimmer herein .
Der Mond scheint hindurch und liegt in einzelnen bleichgelben Flecken auf dem Fußboden .
Alles ist zur Ruhe gegangen .
Nur unten auf der Bank unter der Linde sitzt noch ein Liebespärchen und plaudert kichernd und lachend .
15. Juni , Hertha Hoik schreibt mir :
" In einigen Tagen sehen wir uns wieder , geklärt un4 gefestigt und mit Mut zum Kämpfen und zu Entschlüssen .
Sie fehlen mir hier sehr .
Grüßen Sie mir meine Landsmännin , die liebe Anna Elisabeth von Droste-Hülshoff .
Ich sehne mich wieder aus dem Frieden in die Welt .
Wir Menschen sind doch wohl auf der Erde heimatlos , da wir nirgends zur Ruhe kommen .
Ich habe hier Sammlung und Klarheit gesucht und gefunden .
Ich glaube wieder .
Wir jungen Menschen gehen nicht unter , solange wir an unsere Mission glauben .
Der tiefe Sinn des Wortes : Allein der Glaube macht selig . "
Ich habe einen Strauß Feldblumen auf Annettens Grab gelegt .
Es ist ein schöner Sonntag .
Ich schaukle im Kahn auf der spiegelglatten Flut des Bodensees und lese Dostojewskis " Idiot " .
Fürst Myschkin ist ein haltloser , unberechenbarer , lächerlicher Mensch , ein Idiot .
Aber so ist der Russe , und das ist seine eigentliche tragische Größe .
Das Christentum ist keine Religion für viele , geschweige für alle .
Von wenigen gepflegt und in die Tat umgesetzt , ist es eine der köstlichsten Blüten , die eine Kulturseele je getrieben hat .
Aufbrausend , ja , unvermittelt , endlos brütend , wartend , hoffend , unendlich böse und unendlich gut , voll der tiefsten Leidenschaften , gütig und zart , fanatisch in der Lüge wie in der Wahrheit , jung und unangetastet , dabei reich an Tiefe , Freude , Humor , Schmerz und Sehnsucht : das ist die Seele des Slawen ; die Seele Rußlands .
Dostojewski rast von Leidenschaft zu Leidenschaft , von Problem zu Problem , von Tiefe zu Tiefe .
Aufbrausender Schmerz und aufbrausende Lust ; Menschen in verzerrten Formen , Unnatur und Rasse , Verdorbenheit , Abgrund und Genie , Wahnsinn und Idiotie ; gedankenklar und rein wie die Sonne und verzerrt bis zur krankhaften Lächerlichkeit .
Das ist sein Opus .
* Eine große Rassenseele in Geburts- oder in Todeskrämpfen .
Man steht wie an einem Krankenbett .
Man wittert Krisenluft .
Dostojewski ist seiner Zeit noch um ein paar gewagte Schritte voraus .
Man folgt ihm schwindelnd , bange , ungläubig ; aber man folgt- Er läßt nicht locker , man muß folgen .
Hier finden wir alles : Naturalismus , Expressionismus , Idealismus , Skeptizismus und was für Ismen wir noch aus ihm herausdestillieren .
Doch kann man von alledem bei ihm eigentlich nicht reden .
Dostojewski kennt das nur dem Namen nach .
Er schreibt , was er schaut , was ihm sein Dämon , sein Teufel ins Gehirn und in die Seele brennt .
Er schreibt , weil das nun einmal eine der wenigen Möglichkeiten ist , im 19. Jahrbundert etwas zu sein .
Das Politische war da noch im Keim .
Er schreibt , weil ihm die Liebe zu Rußland , der Haß gegen das Fremde , gegen den Westen , die Seele abbrennt .
Man muß ihn einfach als Unikum nehmen .
Er kommt von nirgendwo und gehört nirgendwohin .
Und dabei bleibt er doch stets Russe .
Seine Romane sind grandiose Balladen .
Was in den Seiten steht , ist lädierlich , klein , unbedeutend , manchmal nicht ssagend .
Zwischen den Zeilen ist alles zu finden .
Das Letzte muß man bei ihm erahnen und ertasten .
Flitter , Kram und Putzwerk , Form und Symbol , darunter eine Volksseele , die nach vorne stößt .
Iwan " Wienurowsky lächelt , da ich ihm alles das sage , was ich hier mühsam in Worte fasse .
Das ist ja sein Glaubensbekenntnis , sein Evangelium .
" Wir glauben an Dostojewski , wie unsere Vater an Christus geglaubt haben " , sagt er .
An das große Problem Europa grenzt das alte , neue Rußland .
Rußland ist Vergangenheit und vielleicht auch Zukunft , nur keine Gegenwart .
Denn die russische Gegenwart ist bloß Seifenschaum , darunter die schwere Lauge liegt .
In der russischen Erde brütet die Lösung seines großen Rätsels .
Der Geist Dostojewskis schwebt zukunftsschwanger über dem stillen , träumenden Land , Fenn Rußland erwacht , dann wird die Welt ein nationales Wunder sehen .
Ein nationales Wunder ?
Ja , so ist es .
Politische Wunder geschehen nur im Nationalen .
Die Internationale ist ja nur eine Lehre des Verstandes , gegen das Blut gerichtet .
Das Wunder eines Volkes liegt nie im Hirn , immer im Blut .
Das , was man in Rußland international nennt , ist ein Gemengsel aus jüdischer Rabulistik , feigem Blutterror , grenzenloser Duldungsbereitschaft der breiten Massen , in die weltpolitische Ära hineingehoben durch den überragenden Willen eines einzigen Mannes : Lenin .
Ohne Lenin kein Bolschewismus .
Wieder einmal : Männer machen Geschichte .
Auch die schlechte .
Man hat in Rußland den Bauern befreit .
Hat man ?
Ja , soweit man hat , weil man nicht anders konnte , Und das ist ja denn auch gar kein Marxismus mehr .
" Eigentum ist Diebstahl ! " sagt der aufrechte Klassenkämpfer .
Lenin gab jedem russischen Bauern Land zum Besitz .
Seitdem leben in Rußland hundert Millionen Diebe .
Wenn Iwan Wienurowsky spricht , dann wird er ganz zart und schüchtern ; aber in seinen Worten brennt eine heimliche Dämonie * Wir disputieren Stunden über Stunden .
16. Juni .
Richard schreibt :
" Die Welt ist nur ein großes Theater : der liebe Gott ist der Intendant , die Könige , Fürsten , Staats- Männer und Kapitalisten seine Regis säure , die Dichter und Künstler seine Heldendarsteller -- und wir die Statisten : Besoldungsgenie 5. "
Im Gasthof sind zwei dicke Oberlehrer aus dem Rheinland angekommen .
Wienurowsky bemerkt hämisch : dieser Typ hatte nur in Deutschland gezüchtet werden können .
Das klingt peinlich und stimmt auch nicht .
Zwar hat dieser Typ viel Schuld an unserem Unglück , aber er hat auch sein Verdienst .
Wir Deutschen denken zuviel .
Der Typ des deutschen Bildungsphilisters bat uns den Instinkt für die Politik genommen .
Wir sind das intelligenteste , aber leider auch das dümmste Volk der Welt .
Wienurowsky erzählt vom Krieg und von der russischen Revolution .
Er spricht müde , fast gequält , und manchmal scheint es mir so , als wenn er mir zürnte .
Aber das ist nur sein Groll auf Rußland .
Ich spreche vom kommenden Deutschland .
Er will mir nicht glauben , daß wir noch den Willen und die Kraft zu einer Renaissance des deutschen Geistes- und Machtwillens haben .
Der Russe ist ungerecht gegen uns .
Er hat dabei gar keinen Grund dazu .
Und dann sehen die Ausländer in Deutschland nicht , was unter der Decke liegt .
Wir Jungen sind nur erst ein Gedanke , allerdings , aber wir reifen allmählich zur Tat .
Man muß uns nur Zeit lassen .
Wir sind noch nicht fertig .
Wir Jungen tasten uns voran .
Nach dem Kriege waren wir eine Zeitlang stumpf und starr .
Aber heute ist schon wieder alles im Fluß .
Die breiten Massen ?
Ach , die sind nie in Gärung .
Revolutionen -- und das , was wir heute erleben , ist eine grofiangelegte kulturelle Revolution -- werden immer von einzelnen gemacht .
Die Massen werden mitgerissen .
Revolution ist ein schöpferischer Akt .
Sie überwindet die letzten Rudimente zusammenbrechender Epochen und räumt der Zukunft die Wege frei .
Der Krieg war der Anfang unserer Revolution ; aber sie wurde durch ihn nicht zu Ende geführt .
Man hat sie bei seinem Schluß verfälscht , umgebogen , degradiert , und deshalb hat die Jugend furs erste verloren .
Worum es sich handelt : die Arbeit empört sich gegen das Geld .
Träger der Arbeit ist das Blut , Träger des Geldes ist das Gold .
Der Krieg war der erste Akt jener Revolution des 20. Jahrhunderts , in der sich die Arbeit gegen das Geld in Marsch setzt .
Es liegt an uns , im zweiten oder dritten Akt zu gewinnen .
Revolutionen schaffen erst neue Menschen , dann neue Zeiten .
Der revolutionäre Menschentyp steht am Anfang einer Umwälzung , nicht irgendeine soziale Notlage .
Das kommt dazu .
Der Revolutionär bedient sich ihrer zur Erreichung seiner machtpolitischen Ziele .
Zerstört muß werden , wenn neu geschaffen werden soil .
Man kann nicht die Arbeit befreien und das Geld dabei schonen .
Die Soldaten kamen aus dem großen Krieg nach Hause und trugen auf ihren Gewehren den Willen zum neuen Staat .
Aber jenseits der Grenzen hatten die Schieber schon aus den Scherben des alten Reiches ein neues Zwitterding zusammengeleimt .
Davor pflanzten die Krieger ihre Bajonette zum Schutz auf .
Daß wir den Krieg verloren haben , das ist nicht das Schlimmste .
Aber daß wir uns um die Revolution prellen ließen , das ist beinahe unerträglich .
17. Juni .
Ich gehe zum letztemal zu Annettens Grab .
Es regnet in Strome .
" Der Tag ging sturmbewegt und regenschwer . "
Brahms klingt in mir .
Ich nehme Abschied von Meersburg .
Wienurowsky bleibt noch einige Tage .
Wir geben uns die Hände .
" Auf Wiedersehen in München . "
Den " Idioten " schenkt er mir zum Andenken .
Vorn darin steht in charakteristischer Steilschrift :
" Iwan Wienurowsky , Moskau . "
Die Schiffsglocke schlägt .
Meersburg verschwindet im grauen Regentag .
Mein Herz schlagt schneller : morgen bin ich wieder in der Stadt .
Hertha Hoik ! Konstanz ; altes Konziliengebaude , Huß-Haus .
Ich stehe am Hafen , mit Sehnsucht nach dem Meere .
Um mich Arbeit und Menschengetriebe .
Weiter , weiter ! 18. Juni .
Singen !
Hohentwiel !
Trotzig und roh Ekkehard !
Erinnerung an selige Primanerjahre .
Abend dämmert herauf .
Fahrt durch dunkle Tannen- Wälder .
Dort leuchten Lichter auf .
Die Stadt !
Spät in der Nacht komme ich an .
Wie in einer zweiten Heimat .
Ich gehe an ihrem Haus vorbei .
Ihr Fenster steht offen .
Sie ist also da .
Ich bleibe einen Augenblick stehen .
Auf meinem Tisch liegt ein Zettel :
" Ich erwarte Sie morgen und freue mich sehr * Hertha Hoik .
Ich sinke todmüde auf das Bett .
Zu Hause ! 19. Juni .
Die Prozession geht durch die Straßen Farben , Fahnen , Gesang und Gebet .
Kinder in weißen Kleidern , Mädchen in Schwarzwäldertracht mit bunten ernste , würdige Männer und alte Matronen .
Darüber Sonne und tiefblauer Himmel .
Beim Münster sehe ich sie . Scham und Verlegenbeit .
" So sind Sie also da ! "
, Ja ! "
" Welch ein prächtiger Sommertag ! "
, Ja ; und wie feierlich-froh die Menschen alle sind . "
Pause .
Wie schön bist du , Hertha Hoik !
Den Nachmittag fahren wir hinaus .
Durch Sommerhitze und Staub , Und dann kommt ein langer Abend voll Schweigen .
Rube !
Geborgensein !
Mein Herz ist gefüllt mit gesammeltem Glück , und ich wünsche nur , daß die Stunde stille stent. 2 1. Juni .
" Sie sind ein Idealist , Michael , auch in Ihrem Verhältnis zu den Frauen . "
" Ich nehme die Dinge so , wie sie an mich herantreten .
Ehe ich vom Bösen überzeugt bin , glaube ich an das Gute .
Aber das tue ich nicht verständesmaßig . ich fühle das . "
" Sie sind einer der wenigen Menschen , die über den Erscheinungen das Wesen erschauen .
Sie denken in Zusammenhängen , ich mochte fast sagen organised Manchmal übersehen Sie dabei allerdings das Kleine und scheinbar Unbedeutende und werden dann ungerecht dagegen .
Das macht zuweilen den Eindruck der Weltfremdheit .
Sie gehen dabei oft an Grundsätzlichkeiten vorbei .
Das Leben ist so sonderbar . "
" Ich denke und handle so , wie ich denken und handeln Das tut wohl jeder , der nicht zur Herde gehört .
In uns wirkt ein Damon , der uns den vorgeschriebenen Weg führt .
Man kann nicht s dagegen tun .
Das 1st so . "
" Sie denken auch im Politischen künstlerisch .
Das ist für das eigene Leben und Fortkommen zuweilen gefährlich . "
" Was heißt Fortkommen ?
Ich habe immer noch zwei gesunde Arme zum Arbeiten . " Pause .
" Auch die Frau sehen Sie anders , als sie ist .
Sie machen sie sich so zurecht , wie Sie sie gern haben mochten .
Sie werden dabei einmal grenzenlos enttäuscht werden .
Die Frau ist weder ein Engel noch ein Teufel .
Sie ist ein Mensch und meist nicht einmal ein bedeutender .
Und dazu hat sie noch den jammervollsten Beruf auszufüllen .
Wahrend der Mann das Leben meistert , meistert sie den Kochtopf .
Viele der besten Frauen wollen heute dagegen an .
Aber es nutzt ihnen nichts .
Sie kommen zum Schluß immer wieder zum Kochtopf zurück .
Das ist das Entsetzliche . "
" , Aber es gibt doch tapfere Frauen , die darüber hinausgehen , und dann : Kindern das Leben geben , das ist der höchste Beruf , den Menschen ausfüllen können . "
" Kindern das Leben geben ?
Heute ?
Das ist ja fast ein Widerspruch in sich .
Welche denkende Mutter konnte es verantworten , Kinder in die Welt zu setzen , denen nicht einmal das primitivste Leben gewährleistet ist ? "
" Das ist ein Trugschluß : Mutter , die Kinder gebaren , müssen Männer haben , die den Kindern das Leben verteidigen , und ist es verlorengegangen , erobern . . .** " Man tauscht sich da leicht .
Das ist nur richtig , wenn ein ganzes Volk so denkt .
Der einzelne zerreibt sich in seinem Kampf an den Widerstanden , die die gesamte Nation spielend leicht bewältigen konnte .
Unser Volk denkt eben nicht mehr so .
Wir haben seinen Geist des Widerstandes nutzlos in den vier Jahren des Krieges verbluten lassen . "
" Nutzlos ? nein !
Das scheint nur so .
Der Krieg war die große Manifestation unseres Lebenswillens .
Und wenn wir unser Ziel auch nicht erreichten , die Aufgabe liegt ja heute wieder in ihrer ganzen Schicksalhaftigkeit vor uns .
Wenn unser Volk nicht mehr so denkt , dann muß man es diese Gedanken eben aufs neue lehren . "
" Schneller gesagt als getan .
Wer sollte das ? "
" Wir alle ! "
, Wir , zum Beispiel Sie ? " Jawohl .
Ich fühle lang schon diese notwendige finde noch nicht das erlösende Wort .
Mir ein anderer , ein Größerer bereits in der eines Tages aufstehen unter uns und den Glauben an das Leben des Vaterlandes predigen .
Viele fühlen das wie ich , aber einer nur kann es sagen .
Es ist etwas im Werden .
Das ahnen alle , die mit ihren Kräften der Seele der Zeit verbunden sind .
Einer wird kommen !
Hatte ich diesen Glauben nicht mehr , ich wüßte nicht , warum ich weiter leben sollte . "
" Sie sagen das so leicht hin .
Dieser eine wird Sie , ja er wird die letzte Blüte unserer Jugend zum Opfer bringen . "
" Genies verbrauchen Menschen .
Das ist nun einmal so .
Aber , und das ist das Tröstlichste daran : nicht für sich , sondern für ihre Aufgabe .
Man darf eine Jugend verbrauchen , wenn man damit einer neuen Jugend die Wege zum Leben frei macht .
Überdies hat es gar keinen Zweck , darüber zu rasonieren ; das entwickelt sich alles zwangsläufig .
Eine Jugend , die nicht immer bereit ist , für die Zukunft ihr Leben schweigend und opferbereit einzusetzen , das ist eben keine Jugend mehr .
Darin unterscheidet sich die Jugend vom Alter .
Das Alter besitzt , und der Besitzende verteidigt nur noch seinen Besitz .
Er sieht keine Notwendigkeiten zum Angriff .
Nur der Entrechtete greift an .
Ja , im Vollbesitz der Macht ist das Alter meist sogar zur Verteidigung noch zu feige . " .. Und uns Frauen wollen Sie ganz von diesem ausschließen ? "
" Ja , gewissermaßen ja !
Die Frau hat die Aufgabe , zu sein und Kinder zur Welt zu bringen .
Das ist gar nicht so roh und unmodern , wie sich das anhört .
Die Vogelfrau 41 Kampf sich putzt sich far den Mann und brütet für ihn die Eier aus .
Dafür sorgt der Mann für die Nahrung .
Sonst stent er auf der Wacht und wehrt den Feind ab . "
" Wie reaktionär ! "
" Was heißt reaktionär ?
Das ist ja nur ein Schlagwort .
Ich hasse die lauten Weiber , die sich in alles und jedes hineinmischen , ohne etwas davon zu verstehen .
Sie verlernen dann meistens dabei ihre eigentliche Aufgabe : Kinder zu erziehen .
Wenn modern gleichbedeutend ist mit Unnatur , Entsittlichung , angefaulter Moral und planmäßiger Zersetzung , dann bin ich mit Bewußtsein reaktionär .
Modern sein heißt nichts anderes , als ewige Inhalte in wechselnde neue Formen füllen .
Das tue ich doch .
Ich wehre mich dagegen , von einem verkommenen Zeitungssubjekt Belehrungen darüber in Empfang zu nehmen , was modern ist .
Dafür haben wir jungen Männer zuviel durchgemacht , ohne , ja meistens gegen diese Zeilenschinder .
Die waren uns dabei nur Ekel und Anstoß .
Wahrend ein ganzes Volk im Sterben liegt , proklamiert seine angefaulte Intelligenz , was modern ist : Film , Monokel , Bubikopf und Garconne .
Ich danke . "
Immerhin mit Logik vorgetragen * " , Das meine ich auch .
Das ist es , was uns jungen Männern diese unbesiegbare Kraft gibt ; das , was unseren Gegnern vollkommen mangelt : die Logik des Denkens .
Unsere Weltanschauung ist nicht erdacht , sie ist gewachsen , und deshalb halte sie auch dem grausamen , harten Leben stand . "
" Das nennen Sie Weltanschauung ?
Diese primitive , rohe Lehre des Daseins ? "
" Jawohl ! Weltanschauung ist :
ich stehe an einem festen Punkt und betrachte unter einem ganz bestimmten Blickwinkel das Leben und die Welt .
Das hat gar nichts mit Wissen oder gar mit Bildung zu tun .
Ist der Punkt richtig und der Blickwinkel gerade , dann ist die Weltanschauung klar und gut , wo nicht , ist sie verschwommen und schlecht . "
" Sie machen einem immer das Herz schwer . "
" Ohne daß ich das will .
Aber es ist gut , wenn dem so ist .
Wir haben gar keinen Grand , das Leben leicht zu nehmen .
Es ist ja auch schwer " Ja , es ist sehr schwer ! "
" Das Beste , was der Mensch tun kann , ist , an sich selber festhalten .
Alles andere ist wandelbar und verfliegt vor dem Unglück wie Spreu vor dem Winde . "
" Und die große Unbekannte ?
Gott ? "
" Gott hilft dem Tapferen und schlagt den Feigen .
Das war auch ein sonderbarer Gott , der auf Seiten des Feiglings stande . "
" Dann wollen wir tapfer sein und dem Leben in die unerbittlichen Augen schauen . "
" Ja , das wollen wir . "
Wir schweigen beide , und dann reden wir von unbedeutenden Dingen .
Hertha Hoik redet von unbedeutenden Dingen , aber in ihrem Munde nehmen sie Gestalt und Form an .
Sie spricht plastisch und greifbar .
Sie ist eine Realistin .
25. Juni .
Stiller Sommernachmittag !
Sonnenschein liegt auf den saftgrünen Bergen- Unten im Talkessel die Stadt , Die roten Dächer leuchten .
" Wind geht leise über die Hohen , streicht schlendernd durch die Wie sein .
Dunkle Tannen im Hintergrunde .
Wir sitzen auf der Halde und lesen das Buch von der dämmernden Ferne und der festen männlichen Gegenwart , den " Grünen Heinrich " .
Stolze Judith , holde Anna !
Das Kapitel ist zu Ende .
Warten , schweigen , Stille !
An den Grasern summen tausend Insekten .
Würzig duftet das Gras .
Alles zusammen ergibt einen Ton des Schweigens in der Natur .
Ich küsse Hertha Hoik auf den weichen , schwärmerischen Mund ; und wir schämen uns beide tiber die Maßen .
An den Grasern sum men tausend Insekten .
Würzig duftet das Gras .
Stiller Sommernachmnittag !
Sonnenschein liegt auf den saftgrünen Bergen .
Unten im Talkessel die Stadt .
Die roten Dächer leuchten .
Wind geht leise über die Hohen , streicht schlendernd durch die Wiesen .
Dunkle Tannen im Hintergrunde .
Hertha Hoik !
Stolze Judith !
Holde Anna !
Heimweg !
Sonne geht unter .
Ich bin in meiner Seele erschüttert und aufgewühlt .
An der Straße verabschieden wir uns .
Ihre Augen sind zwei große graugüne Rätsel .
Ich trage mein Glück wie eine süße Last .
Nacht !
Ich streife durch Felder und Wiesen .
Ich atme den Duft von wilden Rosen .
Einsamkeit !
Ich habe Sehnsucht nach etwas , was ich nicht sagen kann .
Gelbes Mondlicht spielt auf den Wegen .
Ich gehe zur Stadt zurück .
Über jeder Gartenmauer hängen Rosen , blaßrote Heckenrosen .
Ich pflücke immer mehr .
Ich stehe an Hertha Haiks Fenster .
Dunkle Stille ! höre ich ihr Atmen ? Lob warte lange .
Geranienstocke zittern an ihrem Fenster .
Ich lege den Strauß Fensterbank .
Seliger Heimgang ! von roten Heckenrosen auf ihre Und nun ist eine Sehnsucht in mir Erfüllung geworden .
Tiefste Lust wird tiefster Schmerz .
Ich tat den Schritt in eine neue Welt :
Eine Etappe hoher !
Es ist ein Drangen in mir und ein Segnen nach neuen Zielen und Erfüllungen .
In mir sammelt sich alle Kraft zu anderen Gaben und Gütigkeiten Nacht zum Tag !
Gesegnete Stunde !
2 6. Juni .
Hertha Hoik tragt eine rote Heckenrose an der Brust 2 9. Juni .
Ich fühle , wie in mir Sich wachsend Wort an Wort , Gedanke an Gedanke reiht Zum letzten Akt der S Cob fun g. Heilige Stunde des Gebarens , Schmerz bist du und Lust Und eine Sehnsucht Nach Form , Gestalt und Wesen .
I «h bin mir Instrument , Darauf der alte Gott Seih Lied singt .
Ich bin nur harrendes Gefäß , In das Natur den neuen Wein Mit Lächeln füllt .
I. Juli .
Das schenken ist eine schwere Kunst .
Der versteht sie am besten , der viel eher sich selbst schämt , als daß er meinte , der Beschenkte müsse sich schämen .
Hertha Hoik schenkt , wie die Götter schenken , wahllos , bedenkenlos , nur aus lauter Lust am Schenken und mit einem " Oberfluß an Güte .
Sie hat eine göttliche Hand .
Sie schenkt und hat es gleich darauf wieder vergessen , daß sie geschenkt hat .
Dies Tagebuch ist mein bester Freund .
Ihm kann ich alles anvertrauen .
Niemandem kann ich so alles sagen .
Und sagen muß man es ja ; sonst würde man es nie los .
Es brennte einem das Herz ah .
Das Alte muß heraus , um dem Neuen Platz zu machen .
In einer Menschenseele ist zuwenig Raum zum Nebeneinanderwohnen .
Da muß man hin und wieder den alten Krempel an die Luft setzen .
Dieses Buck ist so eine Art Mansarde für mich , darauf man die Sachen bringt , die man nicht mehr braucht , die einem sozusagen im Wege 6 1 ehe en .
Manchmal lese ich vorne wieder eine Seite , manchmal nehme ich einen Gedanken , eine Stimmung wieder mit in meinen Kopf , in mein Herz .
Genau wie wenn man in einer alten Mansarde kramt .
Richard ist da !
Der alte Goethe : er war so pünktlich .
Er schrieb damals auch vieles , was sehr pünktlich war .
Das Runde ist langweilig .
Drehe es wie du willst , es bleibt rund und schon .
Ich Hebe Ecken , Kanten und Risse .
let lege ihm ein Bild von • Dostojewski vor .
Wie zerrissen , wie zerfurcht und zerhauen !
So sieht auch Michelangelo aus ; ein Dulder- und Prophetengesicht .
Ein Mann , ein Kämpfer , ein Leider , ein Überwinder , ein Prophet , ein Idiot , ein Held und ein Dichter : so sehen sie alle aus .
Goethe hat einen schonen Kopf : edel , durchgebildet und gemeißelt .
Wie ein Kunstwerk , wie ein guter Gedanke : ein Liebling der Gotter .
Beethoven sieht scheußlich aus .
Aber sein Gesicht ist mir so teuer wie das der Mutter .
Richard liebt die Jungen nicht .
Er nennt ihre Ausbrüche schweißiges Ringen .
Er hat in manchem recht .
Die jungen Literaten sagen zuviel , sie sind nicht delikat .
Sie mißbrauchen das Wort .
Das ist Sünde .
Das Symbol ist göttlich .
Darum ist es göttlich , weil es nur geahnt , aber nicht geschaut werden kann .
Die laute Literatenjugend reißt das Heiligste in die Niedrigkeiten des Tages hinunter .
Es gibt Dinge , die sagt man nicht .
Das sind gewöhnlich die tiefsten und die schönsten .
Spricht man sie aus , so wird man platt und abgeschmackt .
Eine Kunst ohne Delikatesse ist Schweinefutter .
Das Geld , das ich nicht habe und das ich doch nötig babe , um meine taglichen kleinen Bedürfnisse zu befriedigen , dieses Geld hängt mir rum Halse heraus .
Das Leben ist so einfach , wenn man es nur auf seine ur- 8prüngliche Formel zurückführt .
Das meiste , was ihr Problem nennt , ist wahrer Unsinn .
Das Herz löst alles spielend , worum der Verstand Jahrhunderte lang sich abqualt .
4. Juli .
Hertha Hoik und ich fahren in den Schwarzwald .
Hinterzarten !
Ein trüber , regnerischer Nadchmittag .
Wir gehen der breiten Landstraße nach .
Sehwarze Wälder hüllen sich in Nebel .
Wir waten im Kot. Regen schlagt uns ins Gesicht .
Völlig durchnäßt kommen wir in einem kleinen Gasthaus an .
Wir essen mit der Familie zu Abend .
Es ist warm und gemütlich . draußen lauft das Wasser an den Fensterscheiben herunter .
Wir sind die einzigen Gaste .
Am Abend sitzen wir Regen hinaus .
Hertha Hoik erzählt . am Fenster und schauen in den 5. Julii .
Der Morgen beginnt sich aufzuklaren , aber es ist noch kühl und naß .
Weiter , Über den Berg !
Da liegt ein Dörfchen .
Obersteig !
Wir nehmen Quartier . schöner Nachmittag !
Es ist fast we im Herbst .
Es liegt so etwas Müdes in der Natur .
Die Wirtin ist unfreundlich und aufdringlich .
Morgen gehen wir weiter .
6. Juli .
Breitnau !
Wir haben ein einfaches , sauberes Gasthaus ge fun den .
Am Brunnen auf dem Hof waschen wir den Schmutz von Kleidern und Händen ; es ist Häme Sonntag :
Am Mittag schon ist es glühend heißt .
Im Stall brüllt eine Kuh .
Der kleine Junge treibt die Schafherde heraus .
Juli !
Sonntagnachmittag !
Die Arbeit ruht .
Heißer Dunst steigt aus den Ackern .
Das Getreide wogt in langen Wellen .
Auf den Straßen ist es still .
Durch schimmerndes Ahrengold sehen wir die Häuser des Dorfes .
Der Wind streicht zärtlich durch die Halme .
Ich suche eine Are , die Dir gleicht , Hertha Hoik .
Sie ist groß und schlank und neigt leicht den Kopf .
So warm ist es Bier !
Wir liegen in bunter Feldeinsamkeit .
Stille !
Schweigen !
Wir hören , wie dann und wann vom nahen Kirchturm die Stunde schlagt .
Kinder singen in der Kirche .
Eine dünne Orgel spielt dazu .
Dann wieder Stille * Die Bienen sum men .
Abend !
Kühl kommt ein Wind .
Rote Glut auf Weg und Feld .
Ave-Lauten !
Ein schimmernder Tag geht aus Wenn so ein Sommertag Zu Ende gebt , Dann liegt in Gold die Welt , Die Garbe stent .
Ein Windhauch geht nur Durchs Abrenfeld * Und wie ein schöner Traum Versinkt die Welt .
Ich trage mit mir einen großen dramatischen Wurf ; alles steht fertig im Kopf , nur der Schluß bricht durch .
Die Frage unseres Jahrzehnts : anfangen , aber nicht zu Ende führen .
Wollen , nicht können .
Es löst sich etwas in mir .
Die Liebe gibt Schöpferkraft .
Jeder Mann von Format hat irgendwo und irgendwann eine Mission zu erfüllen .
Ich will schreiben , was ich dem eigenen Leben abringe in großen , schweren Stunden .
Richard war in der Heimat .
Er bringt mir Grüße von der Mutter .
Hertha Hoik vermittelt mir in stetem Wechsel Freude und Kraft .
Ida kann Ihr nicht genügsam danken .
12. Juli .
Ich halte Zwiespraehe mit Christus .
Ich glaubte , ihn überwunden zu haben , aber das waren nur seine Götzenpriester und falschen Trabanten .
Christus ist hart und unerbittlich .
Er peitscht die jüdischen Handler aus dem Tempel heraus .
Eine Kriegserklärung an das Geld .
Man kommt ins Zuchthaus oder ins Irrenhaus , wenn man das heute sagt .
Wir sind alle krank .
Nur der Kampf gegen die Fäulnis kann uns noch einmal retten .
Die Heuchelei ist das charakteristische Merkmal der untergehenden bürgerlichen Epoche .
Die herrschende Schicht ist müde und hat keinen Mut mehr zu neuen Dingen .
Der Intellekt hat unser Volk vergiftet .
Hertha Hoik s Kant mich an und schüttelt den Kopf .
15. Ju1 i. Richard nennt mich einen Phantasten .
Ich liege nächtelang Wadi und ringe mit den anstürmen den Gewalten .
In mir ist Aufruhr , Empörung , Revolution .
Eine Idee wachst i n mir zu grandiosen Formen .
Totentanz und Auferstehung .
18. Juli .
Mir ist , als lebte ich nicht mehr in dieser Welt .
Ich rase im Rausch , im Traum , im Zorn .
Ich ahne neue Welten .
Ferne wachst in mir .
Gib mir , o Gott , zu sagen , was ich leide !
Ich lese Nietzsche-Predigten , die Fröhliche Wissenschaft .
19.
Juli Christus ist das Genie der Liebe .
Er ist der größte und tragischste Mensch , der je auf Erden lebte .
Hertha Hoik glaubt an mich , wie sie an das Evangelium glaubt .
21. Juli .
Stille Tage kommen .
Ich sehne mich nach Erfüllung .
Wir müssen uns klaren , Hertha Hoik und i 23. Juli .
Das Leben ist in diesen Tagen zum Verzweifeln .
Krampf , glütende Unrast , Streit mit Gott und Teufel , Krieg um geistige Existenz .
Warum finde ich keine Erfüllung ?
Ich will rufcig Spin und auf Erlösung war ten .
Ich fühie so etwas wie Zukunft in mir .
Das Große findet man immer in schöpferischer Einsamkeit .
Da wird auch meine Stunde kommen .
Der Gedanke ist in Marsch gesetzt .
Ich glaube wieder .
25. Juli , Die Erieuchtung ist über mich gekommen .
Ich schreibe ein Drama .
Der Held ist Jesus Christus Nun bin ich still und voll der seligen Empfänglichkeit .
Jetzt ist mir alles einen und unbekannt .
Jetzt wird mir eine Blume , ein Gedicht , ein Bild zum Erlebnis .
Ich danke Gottl 27. Juli .
Richard ist abgefahren .
Nach Hause !
Grüße die Mutter und das Dorf , die weiten , stillen Flachen und den Weg , weißt du , hinter der Kirche , wo die Weidenkätzchen blühen .
Das Semester ist zu Ende .
Ich sitze den letzten Abend mit Hertha Hoik zusammen .
Abschied !
Auf Wiedersehen !
Dann bin ich ein anderer , der ich bin .
Sie fahrt ins rote Land .
, Ich nehme Deine Starke mit und mit Deine Güte .
Lebewohl ! " 30. Juli .
Ich bin den letzten Tag in der Stadt .
Allein .
Es ekelt mich .
In meinem Zimmer Koffer und Kisten durcheinander .
Auf einem offenen Zettel das letzte Wort von Hertha Hoik :
" Du wirst wachsen an meiner schwindenden Kraft .
Es ist ein Genuß , für das , was man liebt , Opfer zu bringen . "
Ich fahre an die See .
Meeresbrausen !
Einsamkeit !
Unendlichkeit !
Da werden die Gedanken groß und klar wie das Meer .
31. Juli .
Der Zug rollt aus der Stadt .
Da liegt der Schloßberg .
Tranen kommen mir in die Augen , Weiter !
Weiter !
1. August .
Fahrt durchs Kohlengebiet .
Hertha Haiks Heimat .
Regen klatscht gegen die Scheiben .
Grauer Nebel !
Rauch !
Lärm !
Kreischen !
Ächzen !
Flammen schlagen auf gegen den Himmel !
Symphonik der Arbeit !
Grandioses Werk aus Menschenhand !
Ihr , meine Brüder in Grube und Werkstätte !
Ich grüße euch !
Ebene !
Wiesen mit fettem Gras !
Rinder weiden .
Der Tag klart sich auf , Sonne bricht durch .
Die Fenster herunter .
Man glaubt fast , Salz zu riechen , Ich stehe am Fenster .
Mein Hera klopft zum Zerspringen .
Alles in mir ist Erwartung .
Norden !
" Noch fünf Minuten ! " , sagt lächelnd eine Dame .
Da , in der Ferne steigt es auf .
Blau -- grau .
Unendlichkeit !
Das ist das Meer !
Thalatta !
Ich mochte schreien .
So haben die Griechen das Meer gegrüßt .
Thalatta !
Thalatta !
Ins Boot .
Wellen spritzen über Gesicht und Hände .
Wie wohl das tut !
Schaukelnde Fahrt .
Land verschwindet im Abend .
Sonnenball sinkt in die Endlosigkeit .
In der Ferne ein Punkt , ein Streifen .
Land !
Der Schiffer deutet mit der Schulter :
Die In sell Geborgen !
Allein !
In einem großen Schiff , und ringsum Meer .
Die Insel !
Das Land des Segens .
Flamme bin ich sicherlich ! "
2. August .
In der Nacht hat der Sturm an den Scheiben seine tollen Lieder gesungen .
Nun ist es still geworden .
Der Morgen graut .
Eine blaßrote Wolke schwimmt überm Wattmeer . noch eine Weile , dann geht die Sonne auf .
Ich gehe durch den vreißen Dunensand auf immbeschrittenen Wegen dem Meere zu .
Wie taufrisch dieser Morgen aufsteigt !
In der Ferne schlagen die Wo gen an den Strand .
Man hört ihr eintoniges Rauschen .
Ob en auf der Dime sieht man veit auf das Meer .
Lauernd , tückisch , gewaltig !
So liegt es da !
Ich setze mich so , daß mein Auge die unendliche Flache abstreifen kann .
Ganz in der Ferne schwimmen weiße Lichter .
Da beginnt die Hochsee .
Man sieht , wie die Wellen aufschlagen .
Sie kommen näher und näher und gehen dann leicht und schaukelnd über den Strand .
Fast blau-violett leuchtet die Wasserflache .
Es riecht nach Gras und Tang .
Ich gehe zum Strand herunter .
Es ist Flutbeginn .
Ich sehe das zum erstenmal .
Wie ein ewiger Kreislauf .
Es ist ganz leer an den Buhnen .
Ich gehe bis zum Wasser und muß immer weiter Zurückgehen , je mehr die Flut vorschreitet .
Ein Wallen und Wogen hin und her .
Dann baumt sich eine Welle auf , Schaum spritzt mir ins Gesicht , ich schmecke Salz auf der Zunge .
Ich stehe und schaue , bis die Flut da ist .
Die Wellen gehen über die Befestigungsanlagen , aufbrausend , Jab , wie in rasendem Zorn .
Schaum spritzt weiß .
Das Wasser geht zurück , dann schlagt es wieder mit unerhörter Wucht vorwärts .
Unendliche Natur !
Wie klein sind wir .
Menschlein !
Kinder spielen am Strand , bauen Häuser und Burgen .
Ein hoher friesischer Schiffer geht ernst und mit Bedacht über den schmalen Weg .
4. August .
Es ist Ebbezeit .
Ich sitze auf einer Planke am Strand und schreibe die große Szene , da Jesus unter den jüdischen Schriftgelehrten im Tempel sitzt. 7. August .
Ein Brief von Hertha Hoik :
* " Ich schicke Dir dieses Bild mit den Sieben Schwanen .
Es wird Dir Freude machen .
Mir ist , ais müfite es auch Dich an schone Stunden erinnern .
Ich weiß , daß Du mit Dir selbst im Zwiespalt bist .
Vergifi nie , Horst Du , nie , daß die Liebe zu Dir mir in all em , was Dich betrifft , doch die Augen offenhalte .
Was macht die Entfernung von Dir mich mutlos .
Manchmal zweifle ich an Deiner Liebe , und dann mochte ich mir die Augen answeinen .
Vergib mir das !
Ich liege manchmal bis tief in die Nacht hinein wach und babe Heimweh nach Deinem gefestigten Stolz .
Ich weiß , Du findest den Weg , denn Du bist stark und hast den Willen zur Zukunft .
Aber Du solltest das Leben nehmen , so , wie es ist .
Viel daran kann man nicht ändern .
Du sparst Dir manchen Umweg .
Aber ich weiß schon , die Umwege sind das Beste am Wege , gibst Du mir zur Antwort , Aber der gerade Weg fuhrt dafür nie in die Irre .
Deine Hertha Hoik . "
Die Sieben Schwane hang en neben meinem Bett .
9. August .
Man nennt das hier Hotel .
Bei uns zu Hause würde man bescheidener sein und Gasthaus sagen .
Die Gaste sind angenehm , Beamte , Lehrer , Pastore .
Viel Kinder .
Ich habe das sehr gern .
Man sieht taglich , wie sie gesünder und frischer werden .
Und das Schonst an dieser Insel , man bleibt hier ungeschoren .
Jeder kann tun und lassen , was er will .
Es herrscht hier eine Atmosphare gegenseitigen Wohlwollens .
Man kann in Ruhe arbeiten .
Das Bad der gebildeten kleinen Leute , sagt lachend der Hauswirt .
Ich sitze mit einem Musiker zu Tisch .
Wir sprechen über Wagner , das Musikdrama , und kommen zu keinem Ende .
Musik ist Musik .
Absolute Musik nennt man das wohl .
Mozart braudite kein Programm für seine Musik .
* Er musizierte und sang mit der göttlichen Leichtigkeit eines Kindes .
Ich mochte Pastor auf dieser Insel sein .
Einfachen Menschen die Bergpredigt erklaren und die Welt Welt sein lassen .
Keinen Juden sah ich bis heute .
Das ist ein wahres Labsal .
Der Jude ist für mich direkt ein Körperlicher Ekel .
Ich bekomme Übelkeiteanfälle bei s einem Anblick .
Der Jude ist uns im Wesen entgegengesetzt .
Ich kann ihn gar nicht hassen , nur verachten .
Er bat unser Volk geschandet , unsere Ideale besudelt , die Kraft der Nation gelähmt , die Sitten angefault und die Moral verdorben .
Er ist das Eitergeschwür am Körper unseres kranken Volkstums .
Religion ?
Naiv , wie Ihr seid .
Was bat das mit Religion oder gar mit Christentum zu tun ?
Entweder er richtet uns zugrunde , oder wir machen ihn unschädlich .
Ein anderes ist da nicht denkbar .
Friede ?
Kann die Lunge mit dem Tuberkelbazillus Frieden halte en ?
Der Jude ist nicht schöpferisch .
Er ist im Wesen handlerisch veranlagt .
Er handelt mit allem : mit Lumpen , mit Geld , mit Aktien , mit Kuxen , mit Bildern , mit Büchern , mit Parteien und Völkern .
Genau so schlau werden wie er ?
Er ist gar nicht schlau .
Er ist nur raffiniert , gerieben , durchtrieben , gerissen und skrupellos .
Da tun wir es ihm doch nie gleich .
Das Volk will , sagt der Jude .
In Wirklichkeit will er .
Er versteckt sich hinter dem Volk unter der Maske der Massenfreundlichkeit , um seine Ziele am so rücksichtsloser verf echten zu können .
Das Volk will gar nichts .
Nur anstandig regiert werden .
Der Jude schreit so lange , bis der Deutsche ihm seinen Willen tut , bloß dam it das Schreien aufhört .
Wer den Teufel nicht hassen kann , der kann auch Gott nicht lieben .
Wer sein Volk liebt , der muß die Vernichter seines Volkes hassen , aus tiefster Seele hassen .
Vom Juden gelobt zu werden :
das ist die furchtbarste Strafe , die einen Deutschen treffen kann .
Wenn der Jude einen Finger haben will , dann schreit er aus voller Kehle , die Hand muß ich haben .
Und Michel kommt ihm dann auf halbem Wege entgegen und gibt ihm zwei Finger .
Christus kann gar kein Jude gewesen sein .
Das brauche ich erst gar nicht wissenschaftlich zu beweisen .
Das ist so ! 12. August .
Gang durch die Wattwiesen .
Kinder und Schafe weiden .
Das Wattmeer liegt ruhig wie ein Spiegel .
Ein leichtes Segelboot kreuzt durch die Flut .
Es schwebt fast zwischen Hi mm el und Wasser .
Ganz in der Ferne erscheint die Küste , Im grauen Dunst verschwimmen Dächer und Türme .
Hinter mir und vor mir die rotgedeckten Häuser der Insel .
Man sieht in weite , weite Ferne .
Der Horizont ist erfrischend rein .
Ich werde müde in den Beinen .
Ich bin so wohlig satt , Jetzt nxochte ich irgend etwas unternehmen .
Einen staubaufwirbelnden Aufsatz schreiben , so irgend etwas , um diesen Überschuß an Kraft loszuwerden .
Die Arbeit befreit mich .
Ich komme nicht mehr los davon .
Ich sitze taglich am Strande und dichte meine rauschenden Verse .
Das Meer gibt den Takt dazu .
Es geht wie im Fluge .
Drei Szenen stehen auf dem Papier .
Es ist das tiefste Glück , Herzblut in Form zu gießen .
Ich schreibe mir Unrast und Qual von der Seele .
Freude der S Cob fange !
Abends sitze ich auf meinem Zimmer and lese die Bib el. la der Ferne braust das Meer .
Dann liege ich noeh lange wach und denke an den stillen , bleichen Mann von Nazareth .
14. August .
" Liebe Hertha Hoik !
Das ist mein Zwiespalt , den Du erkannt hast .
Ich sage Dir , was ich jetzt sagen kann .
Ich lebe hier still und einsam und Nahre meine Seele mit dem Trost der Arbeit .
Du wirst mich schon verstehen .
Du verstehst mich immer .
Wir wollen stille sein Und warten , Bis ein Stem vom Him m el fallt .
Siehst Du , wie oben Licht an Licht Sich zündet Zu einem Dom !
Wir sitzen im Schweigen Und falten Die Hände zum Gebet .
Wir wollen stille sein Und warten , Bis ein Stern vom Himmel fallt .
Die Sieben Schwane machen mir große Freude .
Ich suche einen Weg .
Wer glaubt , der findet . " 17. August .
Ein kahler , kleiner Saal .
In den Stühlen sitzen hohe Friessinnen in ihrer eigenen Tracht .
Orgelspiel .
Der Schulmeister spielt .
Ein Choral steigt auf .
Schlichte Worte eines jungen Pastors . draußen auf den Wiesen spielt Sonntagsmorgensonne .
Die Insel ist nicht groß .
Man kann sie in zwei Stunden umschreiten .
Im Westdorf ein Dutzend Häuser , im Ostdorf noch weniger .
Dazwischen liegen die Dun en und die Wattwiesen .
Die Häuser sind sauber und rotgedeckt .
Das gibt der ganzen Insel einen freundlichen Anstrich .
Im Ostdorf , das ganz im Grün versteckt liegt , wohnen die ausgedienten Schiffer und Fischer .
Am Sonntagmorgen schlendern die Kurgäste zwischen dem West- und Ostdorf .
Fast feierlich ist die Stimmung dieser Stunden zwischen elf und eins .
Man sieht lauter freundliche Gesichter .
Kinder spielen mit den Schafen in den Wattwiesen .
Man bummelt so über die Insel , bis der Mittag kommt .
Ich bete zu meinem S chides a 1 , mich nicht halb werden zu lassen , gar nichts oder etwas Ganzes aus mir zu machen .
Seine Pflicht tun : das heißt tun , was man aus eigenem als recht erkannt hat .
Nicht die Menschen , aber einen Mann haben wir nötig .
Mein Weg : vom Einzelnen zum Ganzen , von der Erscheinung zum Symbol , vom Bruder zum Volk und erst vom Volk in die Welt .
Je kleiner der Mensch ist , desto weniger vermag er zu glauben. 2 0. August , " Ich will immer fliegen und krieche dann doch im Dreck .
Auf Wiedersehen !
Wann und wo ?
Dem Richard . "
Christus im Olymp .
Eine grandiose Idee .
Zeus und Christus als Gegenspieler .
Ein Stoff !
Christus mißt die Menschen mit seinen Maßen .
Daran geht er auch am Ende zugrunde .
Übrigens die Tragik fast aller Propheten und großen Revolutionäre .
Sie sehen die ändern so , wie sie selbst sind .
Das ist der Fehler in ihrer Rechnung .
Kam Christus wieder , wie würde er seine falschen Bediensteten mit der Peitsche aus seinem Temp el jagen !
Fenn ich morgens am Meere sitze und Verse dichte und atme dabei den salzigen Wind , der vom Wasser herüberbringt , dann gehe ich auf in Gott und bin glücklich , wie ich es nur noch in der Kinderzeit war. 2 4. August .
Quer durch die Dünen geht ein schmaler Weg .
Ich schreite ihm langsam nach und nehme das eintonige Rauschen des Meeres mit , bis es immer leiser wird .
Immer leiser .
Es geht hügelauf , hügelab .
Der Weg durch Distelkraut und hartes , holziges Strandgras ist sehr beschwerlich .
Ich komme in ein letztes Dünental hinunter .
Und nun verstummt das Meer .
Ich höre jetzt nichts .
Eine wundersame Stille wachst auf .
Ich lege mich lang in die Dünen hinein und warte auf ein Wort aus dem Munde Gottes. 2 8. August .
Meine Mutter arbeitet vom frühen Mo r gen bis zum späten Abend und ist glücklich dabei .
Wenn alle zufrieden sind , dann ist auch sie zufrieden .
Meine Mutter bringt für ihre Kinder Opfer um Opfer .
Sie fühlt sich nie einsam .
Das habe ich von ihr gelernt .
Ich habe niemals gesehen , daß meine Mutter untätig war .
" Ich bin glücklich , liebe Mutter , daß ich mich hier in der Einsamkeit zurechtfinden kann .
Ich denke jetzt oft an zu Hause , Ich sehe den Vater durch Feld und Hof gehen .
Jetzt habt Ihr schwere Zeit , denn die Ernte steht vor der Tür .
Manchmal ist es mir nicht recht , daß ich hier untätig sitze .
Aber Ihr werdet mich ja verstehen :
wir jungen Männer , die wir durch den Krieg gegangen sind , haben viel mit uns selbst auszumachen .
Unsere Seele ist noch wund .
Daß der Arm zerschossen ist bei dem und dem , das ist nicht das Schlimmste , aber die Wunden , die wir nach innen tragen aus Krieg und Zerstörung .
Wir sind nicht mehr unbefangen gegen Gott und die Welt .
Und doch werden wir einmal wieder auferstehen .
Unsere Augen werden wieder gerade und klar schauen .
Man soil uns nur werden lassen .
Wer sucht , der findet . "
2 9. August .
Die Bewohner der Insel sind aufrecht und stolz , die Frauen gesund und stark .
In den Augen dieser Leute steht so etwas you ewigem Wellenschlag geschrieben .
Das Meer ist Ihr alles .
Ihr Stolz , Ihr Trost , Ihr Gott .
Hier auf der Insel sind sie starke Menschen .
Herrenmenschen !
In unseren Städten würden sie arme , verlorene Kinder sein .
Deshalb gebt keine Sehnsucht von diesen Inseln nach dem Festland der Sünde .
Heute nachmittag liege ich in einer Dime .
Ein Kind kommt weinend an mir vorbei .
Es bat sich in den Dunen verirrt .
Ich trage es zu seiner Mutter zurück .
Sie ist eine noch junge Friesen .
Hochgewachsen , schlank , von der harten Dünensonne gebräunt .
Sie schenkt mir ein Glas Milch ein .
Ich sitze am Tisch nieder , und sie erzählt von Mann und Kindern .
Der Mann ist aufs Festland Waren einkaufen .
Die Kleine ist schon vertraut mit mir , schwatzt um mich und spielt an meinen Knien .
Ich schenke Ihr Schokolade und ein Bildchen von Schwind , das ich gerade in der Tasche trage .
Das Bildchen zwar scheint ihr wenig Spaß zu machen , aber die Schokolade verzehrt sie mit großem Behagen .
Die junge , schone Mutter errötet und wird verwirrt , als ich mich verabschiede .
Schmerz empfindet .
Bei beidem , bei Lachen und Weinen , . ist sein ganzes Herz dabei .
Wir sind alle so groß und klug geworden , Wir wies sein soviel und haben soviel gelesen .
Aber eins haben wir vergessen : zu lachen und zu weinen wie die Kinder .
31. August .
Es ist eine Lust zu spüren , wenn alles in uns arbeitet .
Ich lebe wie in einer anderen Welt .
Bei der Arbeit bin ich fröhlich und guter Dinge .
Schwer ringe ich mit den Formen , die der Inhalt zu sprengen droht .
Der große Stoff reißt die engen Grenzen der Maße auseinander . ich kann die Verse nicht bändigen .
Sie stürzen über die Zeilen weg .
Der erste Akt ist fertig . ich denke , er ist wohlgelungen . ich komme kaum zur Besinnung .
2. September , " ich vertraue auf Dich .
Ich warte , bis ein Stern vom Himmel fallt . "
September .
Nachmittag .
Ebbe !
Ich stehe auf einer Buhne .
Jetzt ist es ganz still .
Das Meer , das heute morgen noch so tobte , ist freundlich , wie eine Geliebte .
Fern gehen Menschen .
Man hört , wie sie lachen und rufen -- so still ist es .
Auf der anderen Buhne steht ein Angler .
Wie ein Strich schlicht er in den klaren Horizont hinein .
Man sieht nur weißen Dünensand .
Alles , was sich von der Erde erhebt , erscheint groß , scharf und silhouettenhaft .
Wenn man lange hinschaut , dann wachsen dort unten die Menschen mit einem Male in andere Dimensionen hinein .
Alles wird dann unermeßlich groß , und dann sieht man nur noch Schwarz und Weiß .
Zuletzt verschwinden die Farben ganz ; man sieht dann nur Striche und Linien .
Ich gehe am Strande herunter , ganz weit über die Ins el und denke an Hertha Hoik .
Eine Frau ohne Grazie ist wie ein Hans ohne Eingang .
Beide bleiben verschlossen .
Hertha Hoik steckt stark im Bürgerlichen .
Sie hat nicht den Mut , aus sich herauszukommen , sie selbst zu sein .
Sie ist wie ein Kind : unbedacht , naiv , rein in der Freude wie im Schmerz .
Sie verschwendet Gaben der Güte und der Milde .
Sie liebt wie eine Königin .
Die echte Frau liebt den Adler .
Das Weibchen schneidet ihm die Flügel und macht ihn zum Hausvogel .
Das ist es , was wir heute erleben : ein Stand hat seine geschichtliche Mission erfüllt und schickt sich eben an , vor dem Gestaltungswillen eines neuen , jungen Standes abzutreten .
Das Bürgertum weicht , wie das Arbeitertum vorrückt .
Das hat nicht s mit den Berufen zu tun .
Das findet seine letzte Entscheidung in der seelischen Haltung .
Man wird nicht Bürger .
Man ist Bürger !
Ein Stand überwindet den vorangegangenen immer nur in starken , revolutionären Erschütterungen .
Bürger , das ist ein furchtbares Schimpfwort .
Was fallt , das soil man stoßen .
Wir alle sind Soldaten der Revolution der Arbeit .
Wir wollen den Sieg des Arbeitertums über das Geld .
Das ist Sozialismus .
Noch geht er verschiedene Wege , aber der Wille ist überall derselbe .
Das ist der letzte Trost , daß wir nicht zu verzweifeln brauchen .
Der allmählich zusammenbrechende geschichtliche Stand treibt in seinem Untergang noch einmal die feinsten Blüten seiner sterbenden Schöpferkraft .
Unwissende sind leicht geneigt , das für neuerwachende Produktivität zu halten .
Dem ist nicht so .
Noch einmal sammelt sich , aus fast verschütteten Kanälen gespeist , in den letzten Typen einer schwindenden Welt ihre Feinheit und Grazie und bildet im Sterben Geschöpfe voll von lauterer Schönheit und Anmut .
Vielleicht liegt Bier das Geheimnis von Hertha Hoik .
Wer weiß ?
Ich babe überwunden .
Was in mir noch an Überbleibseln der Vergangenheit war , das babe ich weggeräumt , unerbittlich und rücksichtslos .
Ich bin Revolution .
Das sage ich mit Stocker Bewußtheit .
Ich war auch nie etwas anderes and werde nie etwas anderes sein können .
5. September .
Abends stehen die Gaste an der Landungsbrücke .
Das Personenboot kommt .
Man winkt herüber und hinüber .
Wie in einer großen Familie .
Willkommen auf unserer Insel !
Die Schiffer schreien , das Schifflein wird angeseilt , der Motor rattert noch .
Fern schaukelt ein Boot auf den Wellen .
Man lugt durch den Fernstedher , Jawohl , das Postboot !
Wir warten noch .
In einer halben Stunde ist ea da .
Die Gaste schleppen die Postsäcke selbst zur nahen Post .
Heute abend gibt es noch Post .
Gott sei Dank !
Man sitzt im Gastbaus und wartet .
Da -- die Post !
Alles stürzt darauf zu .
Ein Brief aus München .
Von Iwan Wienurowsky .
" Kommen Sie in dies em Winter nach München .
Das ist die Stadt , in der man viel lernen kann in Deutschland .
Berlin ist fürchterücb .
Das Deutsche Petersburg .
In München weht eine andere Luft .
Sie werden Bier viele neue Menschen kennenlernen , Russen !
Sie mögen_es glauben oder nicht , auch das sind Menschen . "
Jede Zeit hat ihre große Idee .
Und in jeder Zeit ist ihre Idee richtig .
Der Gedanke ringt sich durch , der die stärksten Verfechter hat .
9. September .
Die Kinder spielen im Sande .
Ich schaue ihnen gerne zu .
Kinder haben Phantasie .
Ein Junge baut ein ganzes Hans , Wohnzimmer , Schlafzimmer , Salon , Küche .
Er erklärt mir den Bau mit Stolz und Freude .
Wenn ich vorbeikomme , dann legt er sich ganz breit auf das Bett in seinem Dünensandschlafzimmer , damit ich aufmerksam werde .
Ich gehe heran und interessiere mich sehr .
Er verliert sich in Details .
Ich frage ihn aus .
Er antwortet bescheiden und wohlerzogen .
Gustav Adolf heißt er und ist aus Hamburg .
Er fragt mich nach meinem Namen , Beruf : Student ?
, Ja , das will ich auch werden * Aber in Heidelberg mochte ich studieren , Ingenieur will ich werden . "
" Dann kannst du aber nicht in Heidelberg studieren . "
" Nein ?
Warum nicht ? "
Ich erkläre ihm das ; er ist dann sehr enttäuscht .
Er schaut sich nach seinen kleineren Freunden um .
" Die Goren machen dummes Zeug " , sagt er altklug .
Er will mich nachher auf der Buhne besuchen .
" Da , wo Sie i miner sitzen . "
Wir sind gleich gute Freunde . der Buhne , ganz Wellen um mich Ich lehne im Liegesessel draußen auf nahe am Wasser , und lasse die kleinen herum spielen .
Einzelne Verse gehen mir durch den Kopf .
Ich bin zu trage zum Schreiben .
Süßes Nichtstun !
So sitze ich lange und denke nicht s .
Ich schaue nur den Wellen zu .
Wie sie im ewigen Wechsel kommen und gehen .
Das ist im Tiefsten beruhigend .
Gustav Adolf holt mich von der Buhne .
Er nennt gleich Michael .
Er hat mir am Strand eine eigene Burg gebaut .
" Zwar " , sagt er , " wenn die Sonne scheint , können Sie draußen sitzen .
Dieses Haus ist nur für Flutzeit , weil der Wind scharf ist . "
Ich dankte ihm sehr .
Ich sitze mit ihm in meiner neuerbauten Burg zusammen .
Dann fangt er an , von Hamburg zu erzählen .
Alles , auch das Kleinste , wie Kinder eben erzählen .
Ich hörte ihm gerne zu .
" Sie sind schon ganz braun geworden " , sagte er auf einmal ganz unvermittelt .
, ,Ja .
Ich will noch etwas sagen , aber er erzählt schon weiter .
" Morgens kann ich Ihnen schon Mal meinen Spaten leihen .
Über Nacht weht der Wind Sand in die Burgen hinein .
" Bist du gerne hier ? " frage ich .
, Ja , aber noch lieber in Hamburg . "
Er ist in Begleitung einer Erzieherin auf der Insel .
Abends sitze ich mit Gustav Adolf und seinen Freunden zusammen .
Ich zeige den Jungen Photographien und spiele ihnen dann kleine Lieder auf dem Klavier vor .
11. September .
Gustav Adolf hat an meine Michael " geschrieben .
Er ist mein bester Freund .
Burg mit Muscheln " Villa 15. September .
Es wird schon frisch .
Der Wind ist eisig kalt .
Man kann nicht mehr am Strande sitzen .
Viele Gaste sind abgefahren .
Im Gasthaus wird es leer .
Ich habe den zweiten Akt zur Hälfte fertig .
Aber die Arbeit stockt .
Ich komme nicht mehr voran .
Ich bin wie ausgepumpt .
Ich sitze oft und lange mit Gustav Adolf zusammen .
Ich Erzahle ihm von den Universitäten .
Das interessiert ihn sehr .
Sich wundern können , das ist der Ursprung aller Dichtung and aller Philosophic Die Natur ist unser aller Mutter .
Ein starkes Buch gibt Starke .
Aber nur dem , der selber stark ist .
Das Drama ist ins Leidenschaftliche gesteigerte Handlung .
Wer Handlung darstellen will , muß ein Handelnder sein .
Hingabe , Inbrunst , Sehnsucht !
Das sind meine Pfeiler .
Brücke zur Zukunft müssen wir sein .
Wenn ich mich selbst erlöse , dann erlöse ich mein Volk .
17. September .
Gustav Adolf ist mit seinen Freunden abgefahren .
" Ich schreibe Ihnen Mal von Hamburg , sagt er mir beim Abschied .
" Und mein Haus , das können Sie selbstverständlich mit benutzen . "
Er meint seine mühsam erbaute Sandburg draußen am Strande .
Er winkt mir noch lange vom Boot aus .
Ich schaue dem Schifflein mit dem Fernstecher nach , bis es ganz verschwunden ist .
Ich sehe noch , wie Gustav Adolf mit seinen Freunden am Segel steht und da fachmännisch herumhantiert .
Und nun fühle ich mich hier einsam und verlassen .
20. September .
Die Arbeit kommt wie der in Fluß .
Ich schreibe mit Liebe und Fleiß .
Ich sitze an meinem Zimmer .
Am Strand ist es schon eisig kalt .
21. September .
Jetzt habe ich wieder fliegt durch die Seiten .
Schaffen ! S chaff en ! den Griff , den Ton .
Die Feder 2 5. September .
Über Nacht ist das Meer in die Wattwiesen gegangen .
Springflut !
Wir sind von der Welt abgeschnitten .
Keine Post kommt herüber noch hinüber .
Am Strande donnert das Jüngste Gericht. I A schreie gegen den Stnrm , er nimmt mir den Atem .
Man wird getragen , man fliegt .
Die Wellen rasen !
Aufschäumen die weiten , weißen Kamine .
Das Meer heult , johlt , schreit , pfeift und zischt .
Das Meer , das große Meer !
Dieses Riesenungetüm !
Wir Menschen sollen stille sein .
Erschütterung !
Anbetung !
2 8. September .
Wir sind abgeschnitten von der Welt .
Kein Brief , keine Post , keine Zeitung .
Wundervolles Geborgensein !
Man ist all e in auf der Welt .
Zum erstenmal allein auf der Welt !
Ich schreibe atemlos , als müßte ich morgen sterben .
Das Meer ist ein größer Teufel .
30. September .
Es ist still geworden .
Das Meer hat sich ausgetobt .
Nun liegt es vie ein weites , ebenes Land , Gran , blau .
Die letzten sture sind vorbei .
Draußen and drinnen .
Ich bin geläutert .
Restlos frei .
Die beiden ersten Akte stehen auf dem Papier Das 1st alles , was ich jetzt sagen konnte .
Ich habe nichts mehr zu sagen. 1. Oktober .
Die Post kommt .
Ein Brief von Hertha Hoik aus München .
" Ich bin seit einer Woche in München und erwarte Dich bald .
Alles ist zu Deiner Ankunft bereit .
Ich habe Dir ein Schemas Zimmer gemietet draußen in Schwabing .
München ist für Dich der rechte Ort .
Kunst , Geist und ein bodenständiges Volk .
Du wirst Deine helle Freude haben .
Wie neu kommst Du mir vor in Deinen Briefen .
Du bist ein anderer geworden .
Wie freue ich mich auf Deine Ankunft !
Ich vermisse Dich hier sehr .
Ich bin nichts ohne Dich . "
Die Koffer sind gepackt .
Nun geht es in die Weite .
Wände fallen mir über dem Kopf zusammen .
Flügelschlagen !
Die nächste Etappe wird angebrochen .
Ich laufe noch einmal den Strand herunter .
Die Sonne geht blutrot unter .
Oben auf meinem Koffer liegt ein Packen von weißen Bogen .
Auf der ersten Seite steht , , Jesus Christus , eine dramatische Phantasie . "
Auf der zweiten :
" Hertha Hoik zugeeignet . "
München !
Die nächste Etappe !
4. Oktober .
Fahrt durch Nacht !
In der Ferne geht ein Lichtermeer auf : München !
Ich atme tief .
Münchener Luft !
Wie launiger Künstlerleichtsinn überkommt es mich .
Am Bahnhof steht Hertha Hoik .
verändert , etwas fremd , ich erkenne sie kaum noch .
Sie sucht und sucht .
Mit einem Male sieht sie mich , stürzt auf mich zu .
Michael !
Wir begrüßen uns lange .
Willkommen in München !
7. Oktober .
Wir bummeln die Kaufingerstraße herunter .
Es ist abends sechs Uhr .
Ein Leben !
Tiroler in Gebirgstracht , Künstler mit Schlapphüten , Soldaten , Mädchen , Damen , gebügelte Herren ; Autos rasen vorbei , Kutschen schleppen sich mühsam durch das Gewirr .
Hier ein erregtes Gespräch , dort ein kleiner Auflauf .
Man achtet kaum darauf .
Man atmet nur die leichte Luft der Künstlerstadt München ein .
In den großen Brauhausern sitzen die Mundier Spie- Bär beim Bier Es riecht warm nach Abendküdie . draußen ist es schon kait .
Der Herbst ist in München kostlich .
Eine große Stadt , aber keine Großstadt .
Wie ein Mans lacht , so ist er .
12. Oktober .
" Manchmal verstehe ich dich kaum noch . "
" Das kommt daher : bei mir setzen sich Ansätze an .
Wir Tab en keine Zeit , lang dieselben zu bleiben .
Wir müssen in die Unendlichkeit vordringen .
Immer tiefer , immer ernster und immer schweigsamer .
Man kann nicht alles sagen , was sich innerlich abspielt .
Es ist uns ja selbst so wenig bekannt .
Ich stehe zuweilen still und lausche .
Daran kann man kaum etwas tnn , was sich in uns löst und wieder verbindet . "
" Du nimmst dich selbst als einen zweiten .
Dann beobachtest dich , du trennst dich von dir .
Du analysierst dich .
Du bist nicht mehr so , wie du warst .
Du wirst einsam werden . "
, Wir sind immer zwei . "
Ja , aber das ist doch nicht das Rechte mit dir .
Du interessierst dich für dich , du wirst ein Sonderling . "
" Eine Menschenseele ist ja doch nur das kleinere Bild der Welt .
Wir sprachen schon über diese Gegensätze , Makrokosmos und Mikrokosmos .
Was mich draußen verwirrt , empört , beängstigt , das sehe ich in mir klarer und einförmiger werden . ' 4 " Der moderne Geist kommt nie am Asthetentum vorbei . "
" Ach , mit Ästhetizismus wird heute so vieles abgetan , was der plumpe Bürgerverstand nicht versteht .
Ist es ein Fehler , daß wir ernster , schweigsamer , Bedachtiger , komplizierter geworden sind ; ist unsere Zeit nicht auch so ? "
" Aber das Menschliche ist doch das Leichtere , das Unbedachtere , das Einfache .** " Ich weiß es nicht .
Mich quälen soviel diese Fragen , aber ich kann mir keinen Zwang ahnten .
I A muß mir selbst den Weg frei machen * Man muß fordern , was in uns steckt , und dann warten . "
,J)aß ist der Anfaug zur Moral der Schwachen : ausleben . das ist das Einfachste . 44 , Ja , analeben un Geistige , der Geist ist frei .
Der Körper ist gebunden .
Da ist bedingungsloses Ausleben nur Sklavenarbeit . "
" Man soil den ersten Schritt so leicht nicht tun .
Da geht der Weg abschüssig und schnell . "
, Du glaubst nicht mehr an mich . " / Wenn ich an dich nicht mehr glaube , woran sollte ich dann glauben ? "
Grau Brand der Nebel aus den weiten Flachen des Englischen Gartens .
Von den Bäumen sieht man nur noch schwarze Schatten .
Es ist still hier .
Der Lärm der Stadt klingt weit .
14. Oktober .
Die letzten schonen Herbsttage sind das nun .
Schimmernd liegt das rote , braune Gold auf den Bäumen .
Gang die Isar herunter .
Du siebst ganz weit die klaren Umrisse von Turm und Stadt .
Der Himmel ist grau und doch erfrischend hell und klar .
Wohltuend weit ist der Blick .
Das Auge ruht aus in den Linien .
Und dann die Farben , die tausend Farben !
Der Herbst ist ein feiner Maler .
Reife !
Wir müssen zum neuen Typ emporreifen .
16. Oktober .
Ich sehe in der Pinakotbek Dürers Apostelbild und bin tief erschüttert .
18. Oktober .
Dieses Schwabing !
Münchens Quartier Latin !
Viertel ewig brodelnden Aufruhre .
Wie viele Künstlertraume und Sehnsüchte steigen hier taglich zum Hi mm el auf .
Künstler und verkanntc Genies , Asteten und Snobesten , Kritiker und Kritikaster , Philosophen und Philosophaster , Gelehrte und Wichtigtuer , Gottsucher und Gottgenießer , My * Sticker und Ekstatiker : die Großen und die Kleinen treiben hier ihr Wesen und Unwesen .
Dieser Ort ist gezeichnet : von Gott oder vom Teufel .
Hier weht eine eigene Luft .
" Die Pestbeule Münchens " , schrieb kürzlich ein Zeitungsmann .
Man kommt sich hier vor , als säße man auf einem feuerspeienden Berge , der zwar ruhig ist , aber in langen , kaum hörbaren Wellen brodelt und gart .
Maler , Studenten , Dichter und Schwabinge-Mädchen schieben sich breitspurig durch die Straßen .
Hier sind sie zu Hause .
Man hört Worte , die man nicht nachsprechen kann .
Die meisten endigen auf Ismus .
Fast alles ist Kaffeehausliteratur .
Dieses Schwabing muß eimnal ausgeräuchert werden .
Es ist die Brutstätte der zersetzenden Tendenzen ; und dabei hat es m £t dem eigentlichen München gar nichts zu tun .
21. Oktober .
Ich besuche mit Hertha Hoik Iwan Wienurowsky .
Es ist abends , und wir treffen ihn , wie er gerade seinen Tee braut .
Iwan Wienurowsky ist alt geworden .
Er sieht müde und gequalt aus .
Zuerst erkennt er mich nicht wieder ( oder tut er nur so ? ) .
Dann begrüßt er uns mürrisch und unwirsch .
Er spricht von seiner revolutionären Tätigkeit .
Er hat in Parteisachen gearbeitet , sich mißliebig gemacht , und dann hat * an die Luft gesetzt .
" Diese Lumpen sind vom Teufel getrieben .
Sie arbeiten alle für die eigene Tasche .
Überhaupt , die ganze Revolution scheitert am Menschen .
Dieses Pads ist zu klein für eine neue Welt . "
" Es sind noch zu wenige , die Opfer bringen wollen .
Wir müssen noch warten .
Die Zeit arbeitet für uns .
Man muß sie arbeiten lassen . "
Er siebt mich an , halb ungeduldig , halb Spottisch .
" Nein , das ist es nicht .
Die Führer versagen .
Sie wollen ja gar nicht die Revolution .
Sie lachen , weil man von anderem als von Wirtschaft spricht .
Ihnen fehlt der Zug ins Große , der Elan , die Flamme .
Sie sind allesamt Nichtsnutze . "
, , Man muß vom Volk ausgehen , Fenn ich vom deutschen Standpunkt diese Dinge betrachte , dann sehe ich immer unseren Jammer darin , daß wir nocb zu tief in falschen Traditionen stecken .
Wir sind ja noch keine Deutschen .
Sind das nur in ganz großen Augenblicken unserer Geschichte bin und wieder gewesen ; und da kommt ihr uns mit der Weltrepublik .
Das paßt überhaupt nicht für uns . "
" Der Gedanke der Vereinigten Staaten Europas ist der gescheiteste , der seit einigen Jahrzehnten gedacht worden ist .
Aber er ist nicht das Ende von allem .
Er ist nur eine Etappe zum Ganzen .
Wir russischen Revolutionesse haben uns ein Ziel gesetzt : den freien Menschen auf der freien Erde . "
" Das ist eine schone Phrase .
Aber sie zerbricht an der harten Wirklichkeit .
Wir Deutschen haben mit uns selbst genug zu tun . "
" Man wird euch zwingen .
Eine Weltidee kann nicht an der Eigenbrotelei engstirniger Spießer zerschellen . "
" So , so !
Zum zwingen gehören zwei .
Einer , der zwingt , und einer , der sich zwingen läßt . "
" Vorläufig sind wir noch Herr im eigenen Haus , " sagt Hertha Hoik spitz .
Iwan Wienurowsky lächelt .
Er siebt ganz müde aus .
Er spricht nun zu Hertha Hoik .
Leise , fast frauenhaft .
Er schaut sie . nett en .
Sein Blick ruht schwer und lange nach unten .
Plötzlich steht er auf , sein Gesicht ist kreidebleich .
Mit einem Male brennt in seinen Augen wieder diese alte Dämonie , Toile der ich nicht loskomme .
" Aber der Tag wird einmal aufbrechen , er muß aufbrechen !
. T Ich werde ihn nicht erleben , und Sie werden ihn nicht erleben .
Aber er kommt !
Wir haben nicht unison t gelitten .
Die Welt kann nicht vergessen , daß 8 ich die Jugend Europas auf den Schlachtfeldern verblutet hat für eine Idee -- unbewußt vielleicht -- aber in alien lebte doch diese Idee , bei den wies sein den als Glaube und bei den Gläubigen als Ahnung .
Man kann die Jugend nicht totschweigen .
Was schadet es , daß wir den Tag nicht sehen ?
Es ist Erfüllung genug , Schrittmacher und Wegbereiter einer neuen Zeit zu sein .
Glauben Sie nicht , daß wir mit Windmühlenflügeln k am fen .
Die oben wissen schon , was gespielt wird , Sie haben nur die Taktik geändert .
Erst hat man uns totgeschlagen .
Jetzt schweigt man uns tot * Aber wir werden zu Wort kommen .
Europa muß uns hören .
Wir sind der Sauerteig , der die Welt ins Garen bringt .
Wir sind das Salz der Erde . "
Erschöpft halte er inne und schaut uns ganz verwundert an , als bemerke er unsere Anwesenheit erst jetzt .
Dann schweigt er lange .
Es ist spat geworden .
Wir brechen auf .
" Ich hasse Iwan Wienurowsky " , sagt Hertha Hoik auf dem Heimwege .
23. Oktobcr .
Der Expressionismus geht an seinen fajgchen Priestern zugrunde .
Sie laufen hinter den Großen her , um an ihren Rockschößen in den Olymp zu schlüpfen .
Die Angst des Bildungsphilisters : Unzeitgemaß zu sein Dieses ganze Gesindel besteht aus Literaturkarikaturen !
" Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Sakulum ! "
Die geistige Tat unserer Zeit ist der Leitartikel , die Parteirede , die Parlamentsphrase .
Das Buch ist eine Sadie des Luxus geworden .
Literatur ist eine Parteiangelegenheit geworden .
Goethes Arbeitsweise : er hat ein Erlebnis , es berührt eine Saite in seiner Brust , sie klingt tage- , jahrelang im Unterbewußtsein , es kommt eine Zeit , da tont sie heller , das Erlebnis yerdichtet sich , wird klarer , reiner , neue Erlebniswerte kommen hinzu ; und der Dichter schreibt nun nieder , was in seiner Seele vorgeschrieben steht .
Goethe ist ein wesenhafter Impressionist .
Impression ist Eindruck , Expression ist Ausdruck .
Impressionismus ist Eindrudts- , Expressionismus Audruckskunst .
Das ist das ganze Geheimnis .
Unser Jahrzehnt ist in seiner inneren Struktur durchaus expressionistisch .
Das hat mit dem Modeschlagwort nicht t a zu tun .
Wir Heutigen sind alle Expressionisten .
Menschen , die von innen heraus die Welt draußen gestalten wollen .
Der Expressionist baut in sich eine neue Welt .
Sein Geheimnis und seine Macht ist die Inbrunst .
Seine Gedankenwelt zerbricht meist an der Wirklichkeit .
Die Seele des Impressionisten : mikrokosmisches Bild des Makrokosmos .
Die Seele des Expressionisten : neuer Makrokosmos .
Eine Welt für sich- Expressionistisches Weltgefühl ist explosiv .
Es ist ein Autokrattes Gefühl des Selbstseins .
24. Oktober .
Nacb einem schmerz- und glückgefüllten Abend sprechen an Hertha Hoik :
Ich kniete vor dir Und bat um deine Seele .
Du gabst sie mir .
Ich schließe sie In meine beiden Hände .
Und achten will ich , Daß sie mir nicht zerbricht : Sie ist so zart und fein , Wie Südwind , Der leise singend Am Sommermittag An deine heiße Stirn säuselt .
Ver- 27. Oktober .
Die vielgepriesene objektive Wissenschaft an den deutschen Universitäten :
" Der Herren eigener Geist , in dem die ^ Zeiten sich bespiegeln . "
Warum bat man nicht den Mut zum freien Subjektivismus ?
Lieber sein eigener Sklave sein als der des Objekts .
Ich stehe mit beiden Füßen in der Zeit .
Stehe in ihren Niederungen und lasse mich von ihren Begeisterungen zu den : Sternen tragen .
Für die Zeitgenossen gibt es anscheinend nur ein Absolutes : die Relativität .
Ich sitze viel in den Cafes .
Da lerne ich Menschen auch aller Herren Ländern kennen .
Man liebt dann um so meh alles , was deutsch ist .
Das ist leider im eigenen Vaterland so rar geworden .
29. Oktobcr .
Hertha Hoik wird heute 23 Jahre alt .
Ich schenke ihr ein paar Aufzeichnungen von mir und eine kostliche Ausgabe des Faust .
Sie freut sich sehr .
Dieses Munch en ist ohne seine snobistischen Juden nicht denkbar .
1. November .
Starnberg .
Man sieht in der Ferne das Schneegebirge .
Erschütternd schon !
Große Stunde !
Mit dem zweiten Menschen , dem anderen verjubelt und verträumt .
Tage , Jahre sammeln sich .
Eine ruhende stille Insel im Ozean der Welt sind wir .
Ende und Anfang !
Grenze zwischen Leben und Ewigkeit !
Rausch .
Fülle , Dasein !
Ich nehme mein Herz in beide Hände .
Ich lebe !
Oh , diese Fülle von starkem Leben !
Symbol wird Wirklichkeit .
Lust ist Qual .
Ich taumele durch Ewigkeiten .
Ich falle in Schlünde , tief und unermeßlich . ich bin selbst nicht mehr !
So muß ich an dir den anderen Menschen kennenlernen .
Wir fahren lange in einem dunklen Eisenbahnabteil Hertha Hoik weint leise. 4. November .
Ich hörte Beethovens 9. Symphonik , and am Ende meinte ich , die Erde müsste versinken .
Alle ringen und kämpfen , wie ich ringe und Kämpfe .
Ewiges Rätsel : Geburt und Tod .
Warum müssen wir so leiden ?
6. November .
" Ich stehe mit den Lehrern Bier in innerlichem Konflikt .
So eine kleine Universitätsaristokratie ist auf die Dauer unerträglich .
Man verliert den Zusammenhäng mit dem Leben .
Der Hörbetrieb gefallt mir soweit ganz gut -- , Kitsch bleibt doch immer etwas dabei .
Aber ich will Dich mit Fachsimpeleien verschonen .
Bei Gott , man gewohnt sich hier an Fachsimpeln .
Unsere Wissenschaft leidet an der Superlativ-Krankheit .
Lebewohl !
Richard . " 10. November .
Iwan Wienurowsky führt mich in ein Atelier .
Es arbeiten darin ein Maler aus Hamburg und eine Bildhauerin aus Zurich .
Die Bildhauerin ist ein schönes , sanftes Mädchen mit blon * dem Haarschopf .
Der Maler malt an einem Kruzifix , schwelgerisch in den Farben , gut gedacht ; aber , wie fast alle moderne Malerei , in der Ausführung übertrieben .
Es wird disputiert und scharf gestritten .
Iwan Wienurowsky macht sich über ihn lustig .
Ich sitze neben der Bildhauerin auf einem Sofa .
Wir beteiligen uns kaum am Gespräch .
Sie heißt Agnes Stahl und ist noch besser aU ihr erster Eindruck .
11. November .
Der Münchener ist ein Spießer .
Er hat jedoch vor dem Allerweltsspießer den einen Vorzug , daß er im großen ganzen die Herren Künstler in Frieden läßt .
Hertha Hoik meint , ich sollte mich bald zu einem Ex amen vorbereiten .
15. November . ich besuche mit Hertha Hoik eine Ausstellung moderner Malerei , und wir treffen Agnes Stahl , die Zuricher Bildhauerin " Wir sehen viel neuen Unsinn .
Ein Stern : Vincent van Gogh .
In dieser Umgebung wirkt er bereits zahm , aber er ist doch der Modernste unter den Modernen .
Modernität hat eben nichts mit heroischen Gesten zu tun .
Das ist ja alles nur angelernt .
Modernität ist ein neues Weltgefühl .
Der moderne Mensch ist notwendigerweise ein Gottsucher , vielleicht ein Christtuschmensch .
Van Goghs Leben sagt uns noch mehr als sein Werk .
Er vereinigt das Wichtigste in sich : er ist Lehrer , Prediger , Fanatiker .
Prophet -- verrückt .
Wir sind ja schließlich alle verrückt , wenn wir eine Idee haben .
Fanatiker der Liebe : Opfermut !
Das Leben ist ein Opfer für den nächsten :
Und mein nächster ist der gleichen Blutes .
Das Blut ist noch immer der beste und haltbarste Kitt .
Wie namenlos schwer ist die Qual der Schau .
Zum modernen Deutschen gehört nicht so sehr Klugheit und Geist , als das neue Prinzip , das bedenkenlose Aufgehen , Siechopfern , die Hingabe zum Volk .
Wie groß das Bild : van Gogh sitzt in Belgien unter den schwarzen Grubenteufeln und erklärt ihnen die Bergpredigt .
Nun habe ich das Wort : wir modernen Deutschen sind so etwas wie Christtossozialisten .
Christus ist das Genie der Liebe , als solches der Diametraleste Gegenpol zum Ju den turn , da6 die Inkarnation des Hasses darstellt .
Der Jude bildet eine Unrasse unter den Rassen der Erde .
Er hat dieselbe Aufgabe , die im menschlichen Organismus der Giftbazillus hat : den Widerstand der gesunden Kräfte mobil zu machen oder ein zum Tode bestimmtes Lebewesen schneller und geräuschloser sterben zu lassen .
Christus ist der erste Judengegner von Format .
" Du sollst alle Volker fressen ! "
Dem hat er den Krieg angesagt .
Deshalb mußte das Judentum ihn beseitigen .
Denn er rüttelte an den Fundamenten seiner zukimftigen Weltmacht .
Der Jude ist die menschgewordene Lüge .
In Christus hat er zum erstenmal vor der Geschichte die ewige Wahrheit ans Kreuz geschlagen .
Das hat sich an die dutzende Male in den darauf folgenden zwanzig Jahrhunderten wiederholt und wiederholt sich heute aufs neue .
Die Idee des Opfers gewann zum erstenmal in Christus sichtbare Gestalt .
Das Opfer gehört zum Wesen des Sozialismus .
Sich selbst hingeben für die anderen .
Dafür hat der Jude allerdings kein Verständnis .
Sein Sozialismus heißt ; die anderen zum Opfer bringen für sich selbst .
So sieht auch der Marxismus in der Praxis aus .
Verteile dein Gut an die Armen : Christus .
Eigentum ist Diebstahl -- solange es nicht mir gehört : Marx .
Christtossozialisten : das heißt , freiwillig und gern das tun was die Allerweltssozialisten aus Mitleid oder Staatsraison tun .
Moralische Notwendigkeiten gegen politische Einsicht .
Der Kampf , den wir heute ausfechten bis zum Sieg oder bis zum bitteren Ende , ist im tiefsten Sinne ein Kampf zwischen Christus und Marx .
Christus : das Prinzip der Liebe .
Marx : das Prinzip des Hasses .
In einem Cafe sitzen wir noch lange zusammen .
Der Nachklang aus der modernen Ausstellung ist erschütternd .
Vie viel Wollen in einer Zeit und wie wenig können .
Ich bin so gesättigt mit Ekstasen fremder Gluten , daß ich zur Wirklichkeit zurückverlange .
Ist denn unsere unstillbare Sehnsucht nach oben unvereinbar damit , daß wir mit festen , markigen Knochen auf der wohlgegründeten , dauernden Erde stehen ?
Das landfremde Pack muß aus der deutschen Kunst heraus .
Das Schicksal der Deutschen Kunst ist unsere gute Deutsche Sache .
Noch liegen im deutschen Geiste Zukunftsmöglichkeiten .
Wann fangen die Stillen im Lande an zu reden ?
Wir sind in der Zeit des Wartens das Arbeitsvolk an der Zukunft des Vaterlandes .
17. November .
Hertha Hoik ist meine Qual und meine Erlösung .
Sie läßt mich den Himmel und die Holle sehen .
Ich kann sie in meinen schraerzenstagen kaum noch ent * Bären .
23. November .
Ich bin viel mit Iwan Wienurowsky und seinen russischen Freunden zusammen .
Hertha Hoik leidet sehr an mir. 25. November .
Politik verdirbt den Charakter .
Die billigste Ausrede der Bierbankpolitiker , die sich nicht scheuen , Rühmens aus der Tatsache zu machen , daß sie keine eigene Meinung haben .
28. November .
Eine Karte aus Hamburg :
" Lieber Herr Michael !
Denken Sie noch Mal an die Tage auf unserer Insel ?
Ich habe Sic noch nicht vergessen .
Ob Sie noch so braun sind wie damals ?
Ich freue mich darauf , wenn ich auch Student bin .
Es grüßt Sie herzlichst Ihr treuer Freund Gustav Adolf . "
1. Dezember , Schack-Galerie .
Die deutschen Malerpoeten !
Schwind , Spitzweg .
Ich habe lange vor Feuerbachs Pita gestanden .
Wenn man durch Munch en ohne Ziel streift , kann man es erleben , daß man plötzlich vor einem alten Haus , einer heimlich-verträumten Kirche steht , die wie ein freundlicher Anachronismus in unsere moderne Hast hineinlächelt .
3. Dezember .
Ich sah in einem Theater Hebbels " Nibelungen " , mit roten Lichtern und warm-blauem Hintergrunde , mit gemessenen Gebarten und verhaltener Glut in Sprache und Stil .
Das Theater wird zum Erlebnis .
Wie nahe kann der Mensch mit seinen Gaben an die Vollkommenheit reichen .
6, Dezember .
Atelierfest .
Der große , kahle Raum ist zu einem Feenpalast umgewandelt ; mit wenigen einfachen Mitteln , aber stil- und geschmackvoll .
Die Frauen baden in Far ben .
Welch eine Laune !
Man wird mitgerissen , reißt mit , Gilet und vergibt .
Wie schön ist das Leben !
Musik und Tanz !
Die Geigen schluchzen .
Der erste Sektpfropfen knallt .
Und nun ein tolles Singe en und Schreien .
Man singt und schreit mit .
Umarmung , Freundschaft , ewige Freundschaft !
Welch schone Frauen !
In Schwarz und Rot !
Und doch bist du die Schönste , Hertha Hoik !
Agnes Stahl als Schweizer Bürgerstochter .
Wir sitzen lange zusammen , und sie erzählt von ihrer Kunst .
Agnes Stahl und Hertha Hoik verstehen sich gut .
Agnes Stahl spricht nicht viel , aber man hat genug wenn sie schweigt .
Heda , ihr Miesmacher , der Teufel soil euch holen !
Musik und Tanz .
Die Geigen schluchzen .
Frauen in schwarz und Rot .
Und doch hisst du die Schönste , Hertha Hoik !
7. Dezember .
Dies Küntlervölkchen nimmt das Leben nicht allzu schwer .
Geschmackvoller Genuß .
Man muß die Misere überwinden .
Die Tiefsten sondern sich bald ab und gehen ihren eigenen Weg .
Aber dies Künstlervölkchen nimmt bis an sein Ende das Lcbem nicht allzu schwer .
9. Dezember .
In den Zeitungen wird gehetzt und geschimpft .
Diese verantwortungslosen Schmieranten !
Das Volk ist auf der Straße , randaliert und Dämon striert .
Die Herren sitzen am grünen Tisch und Spiel en seelenruhig ihre Partie zu Ende .
Die alte Europa geht in die Binsen .
Ja , es ist eine tolle Welt !
Wirtschaft , Horatio !
Man wird wie von einer geheimnisvollen Macht auf die Straße gezogen .
Die Gedanken sind draußen , wo sich ein Stück Weltgeschichte abspielt -- kein erhebendes zwar , aber ein Stück .
Der ernsthafte Zuschauer hat viel dabei nachzudenken . ich komme dazu , das alles nur als Stoff zu betrachten . das mit an meinem inneren Menschen arbeitet .
Man muß selbst Mittelpunkt werden , um den sich alles dreht .
13. Dezember . ich komme aus dem Theater , und da liegt der Marienplatz im Schnee .
Gelbes Mondlicht spielt darüber .
Ein kbstlich verträumtes Bildcben , wie aus Serenissimi Zeiten .
18. Dezember .
Schuberts " Winterreise " , von einem guten Bariton geistig und tonlich ausgeschöpft .
Ein " Wiener Musikus , der vom Tode spricht .
Das wirkt doppelt ergreifend .
In München kann man musizieren .
München ist die reichsdeutsche Etappe zu Osterreich Musizierfreudigkeit .
20. Dezember .
L'art pour Fahrt , eine Sünde im germanischen Kunstgefühl .
Auf der Straße wird Politik gemacht .
Die Straße ist ein Charakteristikum der zerfallenden Zivi Legation .
Gehe ich in die Irre ?
Ich sehe keine Sterne mehr .
23. Dezember .
In die Berge .
Das weiße Wolkenlicht grüßt aus der Ferne .
Das Fenster meines Zimmers geht auf die Giganten .
Am Morgen stehe ich und schaue demütig und ehrfurchtsvoll zu ihnen empor .
Riesen !
Macht meine Gedanken euch gleich .
Laßt sie anwachsen an Große bis zu eurer grandiosen Riesenhaftigkeit .
^ 24. Dezember .
Das war meine Sehnsucht : nach göttlicher Einsamkeit und Ruhe der Berge , nach unberührtem , weißem Schnee .
Ich war der großen Stadt müde geworden .
Ich bin wieder zu Hause in den Bergen .
Da sitze ich viele Stunden in ihrer weißen Jungfraulichkeit und finde mich selbst wieder .
25. Dezember .
Hertha Hoik steckt den Lichterbaum an . ich denke an zu Hause .
Alte Weihnachtslieder .
Ich babe etwas wie Sehnsucbt nach einem verlorenen Vaterland , Wir beschenken uns .
Ein schönes , altes Jesustestament von Hertha Hoik ist meine größte Freude . ich danke ihr , daß sie mein Trost und meine Starke ist .
29. Dezember .
Wir reiben uns in kleinen Kämpfen auf .
Gang durch klare , kalte , sternenhelle Nacht .
Dunst steigt aus der Erde auf .
Seliges Wandern !
Stumm , schweigend , dem Zeitgeist nahe .
Der Wind singt in den Bäumen .
Das uralte Lied der Erde. 3 0. Dezember .
Oh , ihr Berge !
Quadertürme !
31. Dezember .
Jahresende !
Ich ma die Bilanz .
Gewissensschau und Bitte an den Geist um Fortschritt und Reife .
Ich bin starker im Inneren geworden und strebe zu klarerer und festerem Glauben .
Ich weiß , daß ich über dem Geist Erlösung in etwas finde , ^ las ich noch nicht kenne .
Ich sehe klar , aber ich bin noch nicht reif , mein Leben nach der Erkenntnis zu richten .
Das Leben ist schwer .
Aber wir müssen es überwinden und uns dienstbar ma A en .
Ich Hebe Hertha Hoik und fühle mich tiefer mit ihr verbunden von Tag zu Tag .
Wir müssen alle einmal erlöst werden .
Die Welt zieht uns mit tausend Banden .
Wir fehlen aus Gleichgültigkeit und Nachsicht und häufen neue eigene Schuld auf alte ererbte .
Unser Leben ist eine Kette aus Schuld und Sühne , darüber ein nach unerforschlichen Gesetzen wirkendes Schicksal waltet .
Durch Schuld und Sühne zum neuen , deutschen Menschen . draußen schlagt die zwölfte Stunde .
Wir geben uns die Hände , und einer wünscht dem anderen für die Zukunft , was er für das Erstrebenswerteste in seinem Leben halte .
Hertha Haiks Wunsch für mich :
" Du sollst ein Mann sein , der dem Vaterlande eine Bresche schlägt . "
Beim Bleigießen ist mein Symbol furs neue Jahr ein Adler mit weitausgebreiteten Schwingen .
Wir sitzen bis tief in die Nacht hinein .
Hertha Hoik schüttet mir ihre ganze Seelenfülle aus .
2. Januar .
Schnee in den Bergen. 4 , Januar .
Ich träumte Von dir : Du lagst an meiner Seite , Der blasse Mond spielte um deine linke Hand , Und die war weiß wie Schnee .
Die re Ate aber lag auf deinem Herzen Und hob und senkte sich , "V ? je deine Brust sich hob und senkte .
Und wahrend ich so lag und mit dir haderte , Da hörte ich von ungefähr , Wie du verzweifelnd meinen Namen riefst , Ganz leise nur , und so , als ob du bitten wolltest Und ein Gefühl des Schmerzes überkam mich , Der Wehmut ist und Lust und Qual zugleich .
Gleich wie von dir gerufen stand ich auf , Kniete vor deinem Bett , Barg meinen Kopf an deiner Brust Und küßte deine weiße Hand * 10. Januar .
Ich höre in den -Jahreszeiten vier Streicher muei- Quartett der vier Temper amente ; und nun beginnen sie zu Erzahlen .
Das Cello stellt eine Behauptung auf .
Thema !
Die erste Geige karikiert diese Behauptung .
Und nun fallen alle darüber her .
Streit , Wortgefecht , Kampf der vier gegeneinander ; jeder scheint hei seinem Teil zu bleiben , einer fallt unversehens aus der Rolle , man lacht und spottet ihn aus ; er setzt sich zur Wehr , wird ernst . weint , schluchzt , alle weinen aus Running mit und merken , daß sie aneinander vorbeigeredet haben .
Hier meine Hand .
Freundschaft !
Nun plaudern sie noch ein Weilchen in glücklichster Harmonie und gehen dann heim :
-- ein Streichquartett von Mozart .
Beethovens letzte Quartette : Offenbarung des Endes .
Man fühlt den Plan , tastet im Unendlichen , man steht vor der Türe der Ewigkeit und pocht schüchtern um Einlaß .
- Ich wanderte unter Sternen. 1 5. J a n u a r .
Die Straße !
Ich komme nicht los davon .
Ich zersplittere mi ich .
Politik !
Man wird mitgezogen in den Strudel Wir haben seit je zu wenig Politik getrieben , wir Deutschen .
Vielleicht haben wir deshalb auch den Krieg verloren .
Wir sehen in der Politik immer nur eine Wissenschaft oder bestenfalls einen Beruf , niemals aber eine Angelegenheit , die das ganze Volk angeht .
Politik , das ist Sorge um Brot .
Brot wird nicht von Gott geschenkt , sondern erkampft und verteidigt .
Unser tägliches Brot gib uns heute .
Nein , gib uns deinen Segen zum Brot , das wir heute und immerdar bauen and erohern wollen .
Das nennt ihr Materialismus , wenn man für Brot sorgt ?
Nein , nein !
Das ist die primitivste Form eines praktischen Idealismus .
Es besteht ein Unterschied , ob ich um die einfachsten Lebensbedingungen bemüht bin oder aber Schatze und Gold sammle . draußen auf den Straßen marschieren in langen Zügen arme , bleiche , verhärmte Menschen auf .
Brot !
Brot !
Nennt Ihr das Vaterlandsliebe , sie zusammenzuknallen wie tolle Hunde ?
Man hat unser Volk ins Joch gezwängt .
Das Herrenvolk der Welt muß Sklavendienste tun .
Von oben bis unten und von unten bis oben .
Dagegen muß das ganze Volk Front machen : von oben bis unten und von unten bis oben .
Das ist der Jammer : zwischen oben und unten steht eine Wand von Dünkel , Besitz und Bildung .
Wir verstehen uns nicht mehr .
Wir sind kein Volk , sondern zwei Parteilager , die sich auf das erbittertste befehden .
Darum wurden wir auch zum Spielball in den Händen der Machte , die die Welt beherrschen .
Wird einmal oben und unten eins sein , dann gehört uns die Erde .
Aber das erreichen wir nie durch Reden und Resolutionen .
Da muß ein heiliger Gewittersturm hineinfegen .
Wir müssen von vorn anfangen .
Einige werden die Fahne ergreifen , das Schwert des Hasses und der Liebe in der Faust , und dann den Weg frei nj acben .
Mit dem Wort , in dem die Tat sich schon aufbäumt .
Es lebe die Republik !
So schreien die draußen .
Was geht uns die Republik an ?
Es lebe Deutschland !
Es lebe seine Zukunft !
Wir werden uns einmal verantworten müssen vor dem Richterstuhl der Geschichte .
Da heißt die Frage nicht :
" Habt ihr die Republik verteidigt ? " , sondern :
" Wo ist das Reich ?
Wo ließet ihr Deutschland ? "
Iwan Wienurowsky ist mein Dämon .
Hertha Hoik versteht meine Qual nicht .
Ich muß niederreißen und neu bauen .
Alles bis zum letzten Stein .
Ich finde keine Lösung .
Ich verzweifle. 1 8. J a n u a r. Hertha Hoik gibt mir Qualen über Qualen. 2 2. J a n u a r .
" Iwan Wienurowsky , Sie wollen mir das Letzte rauben , das Vaterland .
Sie machen mich zum Bettler . "
" Das sind nur Übergangsschmerzen .
Ich will Sie erziehen zum Mut auf das Letzte . "
, Ich verzweifle . "
, Die Welt ist zum verzweifeln . "
" Ich werde nicht mehr leben können . "
" So viele sagten das schon , und so wenige sprachen die Wahrheit . "
" Sie sind ein Teufel . "
" Der Teufel ist nur ein gefallener Engel . "
" Ich hasse Sie ! "
" Das ist mir gleich , aber ich lasse Sie nicht los , Michael . "
" Warum haben Sie mich herausgenommen ? "
" Sie sind rein und haben Begeisterung .
Sie sind neue Hoffnung für uns . "
" Ich beschwöre Sie , lassen Sie mich ; ich will den Weg allein finden . "
" Sie stecken noch in alten Rudimenten ; Sie machen zu große Umwege .
Sie rauben mir zuviel Zeit . "
" Sie wollen also , daß ich auf höre , aus eigenem einer zu sein ?
Ich soil Ihr Sklave werden ? "
" Ja ! "
Ich stehe auf , er erbleicht plötzlich und tritt instinktiv einen Schritt zurück .
Ich bin nicht mehr mein eigener Herr , ich schlage ihn mitten ins Gesicht .
Dann sinke ich wie von Sinnen in einen Sessel .
Iwan Wienurowsky bleibt stumm .
Piötzlich kommt er auf mich zu , faßt meine Hand und bittet mich um Verzeihung .
26. Januar .
Ich verzweifle .
Ich verliere dich und mich , Hertha Hoik !
2 8. Januar .
Ich habe me in Wort an Christus nicht erfüllt. 3 1. Januar .
Hertha Hoik , du willst mich nicht verstehen !
" Ich kann dich nicht verstehen " Dann verlieren wir uns . "
" Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben . "
" In mir brennt alles aus . "
" Weil du von anderen Gluten brennst . "
" Ich kann nicht dagegen an . "
" Du mußt , dann wirst du dich selbst wiederfinden .
" Du darfst mich nicht verlassen . "
" Ich verlasse dich nicht , wenn du dich nicht selbst ver lassest . "
5. Februar .
Die Stadt und die Menschen sind mir zum Ekel geworden ; ich verkomme Bier .
Ich glaube , ich bin krank .
Ea pocht und Hammer t in mir in Hirn und Here , denn niemand mir helfen ?
Aber auch da finde ich koine Losung .
10. Februar .
Fort von den Menschen , Flucht zu mir selbst !
Hier gehe ich zugrunde .
15. F e b r u a r .
In die Berge !
Zu den Göttern !
Ich muß mich finden .
Alles zurücklassen .
Stadt und Mensch und Welt Nichts mehr sehen , nichts mehr hören !
Allein sein in meiner Einsamkeit !
ß. Februar .
Hier will ich suchen !
Schnee und Ewigkeit !
Berge , Freunde !
Du Riese , du bist mein Gott !
Da ragst du in thronender Einsamkeit .
Licht !
Es werde Licht !
Ich trinke still den Frieden in mein zerrissenes Herz hinein .
Jetzt will ich arbeiten .
Vielleicht gibt das mir Trost .
20. Februar .
Prolog zum Christus .
Dichter und Zeitgeist in der Wüste vor der Welt .
Dichter : Der Geist ist ewig nur der eine selbe , Geist einte uns , Geist führt die guten Willens zueinander .
Er leidet jetzt und siecht ; Doch in dem letzten Ringen Wird er die Starken zueinanderreißen .
Geist ist Gott !
Ich glaube an Gott .
Wenn alles stürzt , wir fassen Die letzte Planke , Wir schauen Vom sicheren Port , " Wie die entgötterte Gesellschaft Der alten , heiligen Europa Zusammenstürzt .
Das Spiel beginne. 2 7. Februar , Arbeit erlöst .
Ich schäme mich meines kleinen Mutes Der dritte Akt der Christus-Phantasie ist fertig .
Ich habe mich noch nicht ausgesprochen .
Aber ich finde das erlösende Wort .
6. März .
Ich will ein Wegweiser sein .
Am Vaterland will ich Dienst tun Die Bahn brechen .
10. März .
" Ich bin in meinen Gedanken viel bei Ihnen ; ich hoffe auf Sie . hören Sie , ich kann nicht glauben , daß Sie der Sache der Menschheit verlorengehen .
Sie sind kein Abtrünniger !
Sie werden den Damon nicht loswerden , bis Sie ihn zu einem Gott machen .
Wir sind auf Erden , um Opfer zu bringen .
Iwan Wienurowsky . " 16. März .
" Mein Leben ist nur noch Leid um Dich .
Du gibst mir daß Bitterste zu kosten .
Wie fühle ich mich unglücklich bei all der Unruhe , die Deine Briefe atmen .
Ich ahne Schreckliches und kann nichts tun .
Ich muß mir warten .
Das 1st das Schlimmste .
Warum verstehen wir uns nicht mehr ?
Kann ich dafür , daß ich so bin , wie ich bin ?
Ich kann nicht anders , hörst Du , ich kann nicht anders .
Ich liebe Dich über alle Ma Ben .
Da rum sind meine Schmerzen um Dich so groß .
Wenn Da verzweifelst , dann muß ich mit Dir verzweifeln , und ich habe dann nichts mehr , woran ich mich halten kann .
Hertha Hoik . "
2 2. März .
Meine Feder hat Flügel .
Alles in mir ist nur ein einziger dramatischer Gedanke. 3 0. März .
Christus starb , Christus lebt !
Ich habe ihn neu geschaut .
So , wie er ist .
Jetzt bin ich ausgesprochen .
Fünf Akte stehen auf dem Papier .
Ich bin am Ende .
4. April .
Epilog zu Christus .
Dichter und Zeitgeist in der Wüste hinter der Welt .
Dichter : " Ich bin gesegnet worden , In mir löst sich die Pein .
Ich wache auf , Ich lebe , ich glaube !
Machtvolles Wort , du Loser meiner Qual , Mit meinen Händen fasse ich dich Und forme dich zum leuchtenden Fanal der Zeit . ich stehe auf , ich habe Kraft , Tote zu wecken .
Sie wachen auf aus tiefem Schlaf , Nur wenig e erst , doch mehr und mehr- Die Reihen fallen sich , ein Heer stent auf , Ein Volk , eine Gemeinschaft .
Gedanke bindet uns , Wir sind vereint im Glauben , Im starken Willen Nach junger Form und Fülle der Verheißung Und werden so das neue Reich gestalten . " 10. April .
Der letzte Tag des Ausruhens ; dann wieder ins Leben .
Ewiger Kampf !
ich fühle mich wieder stark dazu .
15. April .
München !
ich stürze mich in das Menschengewühl .
Auf meinem Tisch liegt ein Brief von Hertha Hoik :
" Wir müssen scheiden .
Lebe wohl !
Die Qual wurde für mich unerträglich . ich weine um Dich , lebe wohl ! " ich stürze in ihre " Wohnung .
" Fräulein Hoik ist vor drei Tagen abgereist . "
" Wohin ? "
" Unbekannt . " ich rase , ich verzweifle !
Heraus !
Regen schlagt mir ins Gesicht .
Einsamkeit !
Bitter ist das Leben .
Ich muß wohl einsam bleiben . ich zerreibe mich an den anderen .
Ich bin einer von denen , die allein bleiben werden .
Ich gehe mit langen Schritten durch Kot und Wasser .
Vorübergehende lachen mich aus .
Ich kann nicht mit den Ellenbogen arbeiten .
Ich bin jung gewesen ; der Traum ist ausgeträumt .
Spat am Abend kehre ich heim .
Ich kann nichts essen .
Auf meinem Tisch liegen viele weiße Bogen .
Mein Drama .
Ich schleudere es in die Ecke .
Die Fetzen fliegen .
Ich suche einen Bogen .
Ich finde ihn .
Es ist die zweite Seite .
" Hertha Hoik zugeeignet . "
Und nun werde ich ganz klein .
Ich halte den Bogen in den Ofen .
Er brennt , eine glühende , rote Flamme .
Ich stehe und schaue in die Flamme .
Es ist doch immer dasselbe im Leben .
Ja , aus Eigensinn , würde sie jetzt sagen , aus Eigensinn , aus Eigensinn !
Und darum bin ich so , und nicht anders .
Tranen steigen mir in die Augen .
Pfui , feige Seele !
Ich lache über mich selbst .
Dann - wieder Raserei , Haß , Zorn , Wut !
Ich schlage gegen die Wand , ich schlage mich selbst .
Ich fluche dem Leben .
Ich hasse diesen Iwan Wienurowsky .
Ich bin nicht mehr bei Besinnung .
Ich küsse Hertha Haiks Bild tausendmal .
Ich bin wie ein Kind und schäme mich nicht darum .
Dann zerreiße ich das Bild und werfe es in die Flammen .
Ich bin grenzenlos müde und kann doch nicht schlafen .
Ich mochte schreien , brüllen wie ein Tier .
So habe 1 ich denn alles verloren !
2 0. April .
Hertha Haiks letzter Brief .
" Michael !
Ich nenne Deinen lieben Namen .
In diesen Namen möchte ich all meinen Schmerz um Dich und meine Güte hineinlegen .
Es ist jetzt spät am Abend .
Ich bin sehr unglücklich , weil ich fühle , daß Du der erste und letzte warst , der mich so liebte , wie ich es wollte und wie ich es haben mu ( 3. um glücklich zu sein .
Nun habe ich das alles verloren .
Die Brücken hinter mir sind abgebrochen , und ich weine Nächte durch um einen verlorenen Besitz .
Laß mich noch einmal zu Dir kommen und Dir mein Herz ausschütten .
Du darfst nicht denken , daß ich anders geworden bin , ich bin noch immer die alte Hertha Hoik , die Du wie kein anderer kennst , nur jetzt über alle Maßen un glücklich .
Was auch immer ich beginne , ich tue Unrecht ; fast ist mir das Leben jetzt nicht mehr wert , es zu leben .
Warum sind unsere Wege auseinander gegangen ?
Gewiß hat uns die verschiedene geistige Entwicklung einander fremd gemacht .
Bis München warst Du ein Mensch , den ich in jeder , auch der kleinsten Regung restlos verstand .
Du gabst mir stündlich mehr , als alle anderen Menschen zusammen .
Mit Deiner neuen Einstellung begann ich plötzlich an Dir zu zweifeln , vor all em an Deiner Liebe zu mir .
Mein Glaube kam ins Wanken .
Wir Frauen können ohne Glauben an einen Mann nicht leben .
Lange noch gehört Dir mein ganzes Herz , und keiner meiner Gedanken blieb Dir verborgen ; auch nicht meine Sorge um Dich .
Dann reistest Du ab ; ich wollte zu Dir sprechen , aber ich konnte es nicht , weil ich Dich zu sehr liebte , vielleicht auch , weil ich fürchtete , Deine Liebe , an der ich doch schon so stark zweifelte , ganz zu verlieren .
So blieb ich zurück in Qual und Zerrissenheit .
Da erst wußte ich , wie tief ich Dir verbunden war , Nie werde ich die bitter en , schlaflosen Nächte vergessen , die ich um Dich durchlitt .
Täglich wurde ich zerrissener und verzweifelte mehr , und alle meine Bitten zu Gott um Klarheit und Ruhe blieben ungehört .
Ich war hilflos und verlassen , allein mit den anstürmenden ... Ge dank en .
" Deine Brief e. atmeten denselben Geist der Qual und der Zerrissenheit .
Ich konnte bei Dir den Frieden nicht finden , nach dem ich verlangte .
Dann warst ja selbst ein Suchender , ein Tastender .
Wir Frauen haben etwas nötig , wo ran wir uns halten können .
Das warst Du mir nicht .
Ich sehnte mich nach Ruhe und Frieden , und ich wußte , daß ich das bei Dir nie finden würde .
Du garst , und in Dir ist Aufruhr .
Ich musste ja daran verzweifeln .
Ich würde bei Dir zugrunde gehen .
Du kennst mich , Du weißt auch , daß ich -- es ist me in Unglück -- Dich nie vergessen kann .
Jetzt in dieser Stunde mochte ich zu Dir kommen und Dir sagen , wie alles kam und wie heute i alles ist , -- aber ich kann das nicht , ich darf das nicht .
Unsere Seelen haben sich verloren .
Aber sie werden sich ewig such en müssen .
Hertha Hoik . "
2 3. April .
Ich schreibe das letztemal an Hertha Hoik .
" Du hast es übers Herz gebracht , Hertha Hoik , mir ein letztes Mai zu schreiben und damit alles nachzuholen , was eigentlich schon vor Monaten hatte gesagt werden müssen .
Aber es ist doch gut , daß es nun gesagt ist , Ein Wort am rechten Platz reinigt die Luft .
Wir haben uns voneinander losgelöst .
Das mußte so sein .
Wir haben uns aneinander bis zum Letztmoglichen erfüllt .
Das war unser Schicksal .
Warum mußtest Du mir alles nehmen , als Du von mir gingst , den Glauben und die Hoffnung ?
Müßige Frage !
Ich wollte für Dich ein Leben zwingen .
Du verstandest mich nicht .
Vielleicht auch konntest Du mich nicht verstehen .
Du grolltest , wenn ich andere Wege ging .
Du glaubtest , mein Sturm und Drang war das Letzte gewesen .
Du sahst nicht , daß ich schon anfing , neue , gangbare Wege einzuschlagen , nur hoher gelegen , als die goldenen Mittelwege .
Ich wollte etwas neu erwecken in Dir and in mir , etwas , was ich heute noch nicht sagen kann .
Da konntest nicht warten .
Du sahst nur Revolution , wo Qual und Anbruch war .
Ich babe getan , was id tun mußte .
Ich werde Dich lieben muss en bis über den Tod hinaus .
Warum mußte ich bei Deinem Verlust so trostlos werden ?
Aber ich verzweifle nicht .
Ich werde mein Gesetz in mir zur Erfüllung bringen .
Unsere Zeit erfüllt sich in mir .
Deine schöne Hand ist kalt für mich geworden .
Und so meine ich , werden einst auch meine Hände kalt werden und mein Herz aufhören zu schlagen .
Wer weiß , wann ?
Nicht eher und nicht später , als es das Gesetz will .
Ich werde weiter such en .
Ich muß den Weg zur Erlösung finden .
Ich weiß , daß Du meine Schritte segnen wirst . " 2 7. A p r i 1 .
Ich gehe wie durch eine fremde Stadt , lasse mich tragen von einem Menschenstrom , bei dem ich nicht weiß , woher er kommt und wohin er geht .
Ich denke nichts , gehe nur weiter und weiter , einem Ziel entgegen , das ich nicht kenne .
Ich sitze in einem Saal , in dem ich noch nicht war .
Mitten unter Menschen , die mir fremd sind .
Arme , verhärmte Menschen .
Arbeiter , Soldaten , Offiziere , Studenten .
Das ist das deutsche Volk nach dem Kriege .
Man sieht arte , zerschlissene Uniformen , auf den Waffenrocken , schmutzig und zerfetzt , trauern die Zeichen des großen Krieges .
Das alles schaue ich fast wie im Traum .
Ich merke kaum , wie plötzlich einer oben steht und zu reden beginnt .
Stockend und schüchtern zuerst , als suchte er Worte für Dinge , die zu groß sind , als daß man sie in enge Formen presse .
Da , mit einem Male beginnt der Fluß der Rede sich zu entfesseln .
Ich werde gefangen , ich horche auf .
Der da oben gewinnt Tempo .
Wie ein Licht leuchtet es über ihm .
Ehre ?
Arbeit ?
Fahne ?
Was ho re ich ?
Gibt es das noch in diesem Volk , von dem Gott seine segnende Hand gezogen ?
Die Menschen beginnen zu glauben .
Auf den zerfetzten , grauen Ge si Oh teeren leuchten Hoffnungsstrahlen .
Da steht einer und hebt die geballte Faust hoch .
Dem daneben wird der graue Kragen zu eng .
Schweiß steht ihm auf der Stirn ; er wischt ihn mit dem Rockärmel ab .
Am zweiten Platz links Von mir sitzt ein alter Offizier und weint wie ein Kind .
Mir wird heiß und kalt .
Ich weiß nicht , was mit mir vorgeht .
Mir ist mit einemmal , als hörte ich Kanonen donnern .
Wie im Nebel sehe ich , daß da ein paar Soldaten plötzlich aufstehen und Hurra schreien .
Nicht einer nimmt Notiz davon .
Der da oben spricht .
Walzt Quader auf Quader zu einem Dom der Zukunft .
Was in mir seit Jahren lebte , hier wird es Gestalt und nimmt greifbare Form an .
Offenbarung !
Offenbarung !
Mitten unter den Trümmern steht einer und reißt die Fahne hoch .
Um mich he rum sitzen mit einemmal keine fremden Menschen mehr .
Das sind ja alles Brüder .
Der da , grau und zerschlissen , im offenen Soldatenrock , lacht mir zu .
Kamerad ! sagt er ganz unmotiviert .
Mir ist es , als müßte ich aufspringen und schreien :
" Wir 6ind ja alle Kameraden .
Wir müssen zusammenstehen ! "
Ich halte kaum noch an mich .
Ich gehe , nein , ich werde getrieben bis an die Tribüne .
Da stehe ich lange und schaue diesem einen ins Gesicht .
Das ist kein Redner .
Das ist ein Prophet !
Schweiß lauft ihm in Strömen von der Stirn .
In diesem grauen , bleichen Gesicht wettern zwei glühende Augensterne .
Die Fauste ballen sich ihm .
Wie das Jüngste Gericht donnert Wort um Wort und Satz um Satz .
Ich weiß nicht mehr , was ich tue .
Ich bin wie von Sinnen .
Ich schreie Hurra !
Keiner wundert sich darüber .
Der da oben schaut mich einen Augenblick an .
Diese blauen Augensterne treffen mich wie Flammenstrahlen .
Das ist Befehl ! von diesem Augenblick an bin ich neu geboren .
Es fallt wie Schlacken von mir herab .
Ich weiß , wohin mein Weg geht .
Der Weg der Reife .
Nun höre ich nichts mehr .
Ich bin wie berauscht .
Mit einem Male stehe ich hoch ; auf einem Stuhl stehe ich über diesen Menschen und schreie :
" Kameraden ! Freiheit ! " ich kann nicht sagen , was danach geschah . ich weiß nur noch :
ich legte meine Hand in eine klopfende Männerhand .
Das war ein Gelöbnis fürs Leben .
Und meine Augen versanken in zwei großen , blauen Sternen , 2 8. April .
Ich will dich nicht mehr sehen , bis Gottes Strahl mich trifft. 2 9. April .
Jetzt ist München mir zum Überdruß .
Ich habe zuviel hier erlebt .
Ich muß in eine andere Stadt .
Richard - bittet mich , nach Heidelberg zu kommen .
Ich bin noch unschlüssig. 3 0. April .
Morgen fahre ich ab .
Nach Heidelberg !
Es ist ja gleichgültig , wo man ist .
Ich nehme von niemandem hier Abschied .
Agnes Stahl treffe ich auf der Straße .
Ich sehe an ihrem Blick , sie weiß alles .
" Wann fahren Sie ? "
" Morgen . "
" Leben Sie wohl ! "
Ihr stehen Tranen in den Augen .
Ich weiß , daß Iwan Wienurowsky auf mich wartet .
Aber ich gehe nicht hin .
Den letzten Brief aus München schreibe ich an meine Mutter .
Revolution wirkt in mir !
Ich habe viel verloren und viel gewonnen .
Zum höchsten Gesetz schreite ich voran : Du sollst Opfer sein .
Sich opfern für die anderen !
Für den Nächsten .
So will ich denn meinen Opfergang beginnen .
5. M a i .
" Ich bin nach Heidelberg gekommen , nm neu anzufangen . "
" Du verbohrst dich in deine Einsamkeit .
Du lernst sie lieben .
Du wirst ein Eigenbrötler . "
" Ich babe viel erlebt , und da von muß ich noch manches verdauen . "
Du solltest Bier zu arbeiten beginnen , Michael . "
" Mich zu einem Examen vorbereiten ? "
Ja , man muß Kompromisse schließen . . . "
Ich kann das nicht .
Der ganze sogenannte geistige Betrieb an den Universitäten verwirrt mich , ich finde nicht durch .
Ich kann Ideen nicht als Geschäft oder Beruf auffassen .
Sie sind mehr , unendlich viel mehr .
Beruf ist dabei nebensachlich .
Wir sind ja gesund .
Ich kann immer noch me in Brot verdienen . "
" Mit deiner Hände Arbeit ? "
" Warum denn nicht ?
Jeder Beruf und jede Arbeit ist das , was man daraus macht .
Wir müssen auch da umlernen .
Wir sprechen doch immer so breitspurig vom ethischen Wert der Arbeit .
Warum sollten wir zu schade für die Arbeit sein , mit der Millionen ihr Brot verdienen ?
Wir haben noch nicht den Mut zum Letzten .
Aber vielleicht wird die Arbeit einmal unsere Rettung sein . "
Das ist ja zum Lachen . "
Wir lachen über alles , was wir nicht verstehen .
Ich will auch Bier Bahn brechen .
Nur Zeit !
Wir müssen warten , bis in uns alles reif ist , "
" Du hast soviel Anlagen , um auf geistigem Gebiete etwas zu leisten . "
" Aber ich will mehr , als etwas leisten .
Ich will s chaff en , arbeiten , schöpfen ; Wege will ich brechen in eine andere Zukunft .
Es muß auch welche unter uns geben , die sich selbst zum Beispiel machen .
Du siehst doch selbst , wie arm und kümmerlich es an unseren Universitäten aussieht .
Wie werden hier all die jungen Talente leer gem adit .
Künftige Führer des Volkes !
Wie gerne redet man davon .
Sieh sie dir an .
Unsere heutigen Führer sind aus ihren Reihen hervorgegangen .
Das heißt , was man so Führer nennt ; Knirpse statt Männer !
Es gibt Leute , die nichts durch den Krieg gelernt haben .
Sie meinen , es müßte nun alles so weitergehen wie damals .
Nur wenige ahnen jenen neuen deutschen Typ , der unsere materielle Not ins Geschichtliche zu steigern versteht .
Das hat nichts mit Revoke zu tun .
Das ist Revolution !
Ein Umbruch , ein Aufbruch , ein Angriff auf alle Altare .
Der Krieg hat ad absurdum gezeigt , wie tief wir gesunken sind .
Man hat zweieinhalb Millionen Tote geopfert , ohne ein Ziel dafür zu wissen .
Dafür müssen wir heute sühnen .
Ich will erlösen .
Und wenn ich die letzte Konsequenz ziehen sollte , ich muß neu formen ; auch mich selbst . "
Richard und ich stehen auf dem Schloßberg am Goethestein und schauen hinunter auf die liebliche Neckarstadt , die im Blutenduft unter uns liegt .
Ein köstlicher Mainachmittag .
Sonne leuchtet über der Stadt .
Feiner Rauch krauselt sich über den Kaminen der Häuser trage in die Luft .
Man sieht ganz klar in die Ferne , wo eine große Stadt mit ihren Häusern und Türmen die Landschaft abgrenzt .
8. Mai .
Ich stehe vor dem Schloß und schaue an der starken , männlichen Pracht dieses einzigen Renaissancebaues hinauf .
Sonderbar : Man verlernt allmählich ganz , auf Einzelheiten zu achten und sieht sie kaum noch .
Ich schaue nur nada Ganzheit , Wesen , im Klein en wie im Großen .
Das Schloß ist mir ein rotes Denkmal gebändigter Kraft .
Wir müssen zurück zur Wirklichkeit , zum können , zur gesammelten Arbeit und zur Leistung .
Ich denke oft an Hertha Hoik .
Manchmal mochte ich verzweifeln .
Wir müssen das , was an tiefen Erlebniswerten in unserer Zeit steckt , in einer neuen , großen Form bändigen .
Zucht und Sammlung , das ist das , was wir nötig haben .
Die Lebensqual zum lebenbildenden Faktor umgestalten .
Die Wunde unserer Zeit ist Zuchtlosigkeit .
Wir leiden alle daran .
Wir müssen die zerrissenen Kräfte auf ein neues , großes Ziel richten .
Wir Jungen dürfen nicht nur fordern , wir müssen auch leisten .
Viele unserer modernen Könner sind wie Mathematiker .
Nimmt man ihnen die selbstgesetzte Voraussetzung weg , dann stimmt die Formel nicht mehr .
Dann fallt ihr Gedankengebäude wie ein Kartenhaus zusammen .
Sie bilden mit dem Him und nicht mit dem Herzen .
Sie tun des Guten zuviel .
Sie laufen immer Gefahr , lächerlich und langweilig zu werden .
Ich arbeite nicht , weil ich noch kein Ziel babe .
Ich bin bedrückt und unglücklich. 1 3. Mai .
Wie jammervoll ist diese Zeit !
Überall Zersetzung und Auflösung .
Kein Aufbau , kein Anbruch , kein Vorwärtsmarsch .
Hier blüht der Mai in verschwenderischer Fülle .
Eine bunte Pracht , die betäubend wirkt .
Gang am Neckar herunter .
An beiden Seiten grimme , liebliche Hügelketten im Sonntagskleid. 15. Mai .
Ich leide Schmerzen um ein armes , irrendes , verlorenes Volk .
17. Mai .
Heidelberg !
Man geht durch die Straßen .
Ausländer und reisende Hochzeitspärchen .
Man wird dutzende Male nach dem Weg zum Schloß gefragt .
Ein Bäckerjunge pfeift laut und frech " Alt Heidelberg , du feine " durch den heißen Nachmittag .
Trage fahren Kutschen .
Der Kutscher erklärt .
Studenten in bunt en Mützen , mit breiten Schmissen durchs Gesicht .
Sie gehen breitspurig und hochnäsig durch die Hauptstraße .
Verbindungspfiffe tonen .
Kneipjacken , Jungengesichter , Der Ludwigsplatz ist leer .
Vor einer Buchhandlung Oben öffnen sich Fenster . steht ein Student mit einer Studentin in scherzendem Zwiegespräch .
Ich habe keine Lust mehr , eine Vorlesung . zu besuchen .
Ich sitze am Neckar , bis es Abend wird .
Dann gehe ich müde und verdrossen heim .
Richard erwartet mich .
Er bringt mir politische Aufsatze und Reden .
Ich habe einen tiefen Ekel davor .
Ich will ihn nicht kranken und verspreche ihm , sie zu lesen .
" Das ist der moderne Geist . "
" Ja , soweit er zahm und von den Alten wohltemperiert an die Öffentlichkeit kommen darf .
Das andere bleibt verborgen .
Man will nichts da von wissen . "
" Aber wir leben doch in einem revolutionären Zeitalter , das alle Werte umwertet .
Der moderne Geist bricht sich in alien Dingen durch /'
" Das ist billig gesagt .
Durchgebrochen hat sich nur Feigheit und Verrat .
Und verschüttet sind Ehre and Kraft .
Wenn das erste modern und das zweite reaktionär ist , dann entschließe ich mich gern dazu , unmodern zu sein .
Eure Revolution war keine Revolution .
Sie hat nur Form en zerbrochen , aber keine Inhalte geändert .
Ihr zieht ein neues Fahnentudi auf , gebt dem Geschäft einen anderen Firmennamen , und damit basta .
Es ist ein geschichtlicher Skandal , den ihr uns da als Revolution aufzutischen wagt .
So oft eine wirkliche Revolution die Geschichte erschütterte , stand an ihr em Anfang immer und immer ein Fanal : Waffengewalt !
Ihr habt damit angefangen , daß ihr kapituliertet . Euer Staat , das heißt , was ihr so nennt , ist dann auch danach geworden . "
" Wir haben eben die Revolution des Pazifismus gemacht .
Wir haben zum ersten Male vor der Geschichte damit begonnen , die Waffen niederzulegen .
Die anderen werden folgen müssen ; das geht nicht von heute auf morgen . "
" Welch eine Naivität , zu glauben , auch Dummheit sei ansteckend .
Ihr habt ja langst die Ohrfeigen von den anderen bezogen , die ihr verdient .
Aber darüber hinaus : niemand von euch hat noch das Recht , von Sozialismus zu reden .
Ihr habt den Sozialismus verhandelt im Austauschverkehr gegen Geldkredite , und die Vert rage , die ihr abgeschlossen habt , sind der Totensdbein der sozialistischen Erlösung .
Ich bin nicht gegen die Revolution .
Im Gegenteil !
Aber ich hasse die feige Revolte , die nichts anderes will , als Feiglinge stürzen und Feiglinge erheben .
Drub en liegt Frankreich , unser gemeinsamer Feind .
Seine Negerarmeen stehen am Rhein .
Ihr wollt sie wegdisputieren ; legt die Waffen nieder und wartet auf das Weltgewissen . "
" Was hatte man tun sollen ? "
" Wider stand proklamieren .
Wenn euch die Nation zuwenig war , als daß ihr da rum noch einmal ein Leben wagtet , dann mußtet ihr euch mit euren Leibern vor den Sozialismus stellen , den die gauze Welt bedrohte , sofern er echt war . "
" Der Sozialismus ist eine Lehre des Friedens . "
" Das ist eine dumme und unlogische Phrase .
Alles , was Wert hat * wird vom Unwerte bedroht .
Deshalb muß cs dagegen verteidigt werden . auch der Sozialismus .
Aber so , wie ihr ihn wollt , ist er ja em Unwert . "
, , Arbeit und Krieg sind Dinge , die nicht zueinander passen . "
" Nein !
Arbeit ist Krieg !
Das große vierjährige Ringen war ja ein Krieg um die Arbeit .
Arbeit gegen Geld !
Brot gegeu Gold !
Dies en Krieg habt ihr nicht beendet .
Ihr habt ihn nur auf eine andere Ebene gezogen .
Als man sah , Taft man uns , die Soldaten der Arbeit , nicht rn. it den Waffen in die Knie zwingen konnte , schoß man uns mit vergifteten Pfeilen nieder .
Und wahrend die grauen Helden , todwund getroffen , zu Boden sank en , st Elite t ihr euch auf ihre Leiber und rieft : " Es lebe die Republik ! "
Wir haben die Arbeit vom Joch des Kapitals befreit . "
Soviel Worte , soviel Unsinn .
Ihr habt die Arbeit aus der Zwingschaft der Industriekönige entfesselt und sie in die schlimmere Fron des Geldes hineingepreßt .
Das war eure ganze , vielgerühmte Revolution .
Platt gesagt : an die Stelle der Schlotbarone traten die Geldbarone .
Das war aber auch alles ! "
" Hatten wir Widerstand geleistet , es war ein sinnloses Blutvergießen geworden . "
, , Ach , ihr Phrasendrescher !
Blutvergießen ist nie sinnlos , und selbst wenn es ohne sichtbaren Erfolg gewesen war .
Aber dann hatte am Anfang der neuen Ordnung der Mut und nicht die Feigheit gestanden .
Dann waren wir ein Volk gehlieben , ein Volk in Not. Heute aber sind wir zwei Volksfetzen , über die die Fronherren der Welt die Sklavenpeitsche schwingen . "
" Aber wir finden doch atlmählich wieder zueinander , wir Deutschen . "
" Niemals !
So niemals !
Ihr seid vom S Checks al gezeichnet , auf eurer Stirn brennt das Kainsmal des Brudermordes .
Ihr müßt zerschmettert werden , wenn Deutschland leben soil . ' 4 " Das ist deine Überheblichkeit . "
" Ja , ich bin auch überheblich gegenüber den Glücksrittern unseres Unglücks .
Ich will keine Versöhnung mit den neuen Dingen .
Denn diese neuen Dinge Binde in Wirklichkeit alt und abgestorben .
Ihr sollt sie fressen , bis ihr daran ersticht . "
, Du Fangs t an , grob zu werden . "
Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil . "
Wir streiten noch lange , bis auch er bitzig wird .
Wir verstehen uns nicht mebr .
26. Mai .
Die Landschaft um Heidelberg ist anmutig und lieblich .
Eine runde , harmonische Hügelkette .
Sie tut den Augen wohl .
Ich gebe gem den Neckar hinunter bis nach Neckar- Gmünd .
Man schreitet eine lange , schäme Straße an blühenden Garten vorbei .
2 9. Mai .
Es ist bei Gott nicht das Richtige , was ich Bier tue .
Aber ich habe noch keinen Mut . ich warte , bis ich nicht mehr kann .
Ich sitze man dim al in den Lesehallen , lese Zeitungen haufenweise und treibe Politik .
Was nennt man heute nicht alles Politik ?
Wenn ein Stüber sich mit dem Geld , das er uns gestohlen hat , ein Reichstagsmandat kauft , in den Wandelgang des Parlaments mit den Mitteln des Volkes seine Geschäfte macht , dann treibt er Politik .
So sind die Parteien der Demokratie : Geschäftsgruppen !
Weiter nichts .
Weltanschauung ?
Was ist das für ein reaktionärer Begriff ?
Ehre , Treue , Glauben , Überzeugung ?
Mann , Sie sind von gestern !
Links und rechts und r edits und links ein größer Klüngel von Korruption und Schmach .
Dieses Heldenvolk ist auf den FeÜbauch gekommen , schlimmer noch als auf den Hund .
Parteien leben von ungelösten Fragen .
Darum haben sie auch kein Interesse an ihrer Losung .
Dieses System ist überreif zum Untergang .
Dagegen müssen Köpfe and Fauste revolutioniert werden .
Rechts and links stehen noch Tausende aus bestem Holz .
Die müssen zusammenkommen , um das Geschick des Vaterlandes in die Hand zu n ehe men .
Volkspolitik treiben : das heißt dem Volk Brot schaffen .
Parteipolitik : das heißt Futterkrippenplatze erkämpfen .
Ich will nichts mit dieser Art von Politik zu tun haben .
3. Juni .
Das Geistige wird mir zum Überdruß .
Mich ekelt jedes gedruckte Wort .
Ich finde nichts darin , was mich erlösen Kanu .
Richard will mir mit kleinen Mitteln helfen .
Ich kann ihm so schlecht Grobheiten sagen .
Ich sitze manchmal stundenlang in träger Unentschlossenheit , tue nichts und denke nichts .
Dann wieder werde ich von tausend Teufeln gehetzt , schmiede Plane über Plane .
Aber keinen beginne ich auszuführen .
Ich lese jeden Abend die Bergpredigt .
Ich finde nicht Trost darin , sondern Verzweiflung * und Scham .
Es stimmt da etwas nicht .
In Deutschlands hohen Schulen wird viel gearbeitet , aber wenig für die Zukunft geht an .
Das sind alles nur Handlangerdienste .
Niemals kann uns Kathederweisheit erlösen !
7. Juni- Stellte man Christus wieder her , so , wie er war * vielleicht war er unsere Erlösung .
10. Juni .
Vor mir ersteht ein neues Vaterland .
Dieses Vaterland lerne ich wieder lieben .
Und je schmachvoller seine Schmach ist , desto glühender wird meine Glut Wenn ich den neuen Menschen suche , so suche ich zuerst den deutschen Menschen .
In die Scholle dieses Vaterlandes will ich mich verwurzeln .
Es ist die Mutter meiner Gedanken und Sehnsüchte .
Wir wollen nicht blind sein gegen seine Fehler und Mangel .
Aber lieben wollen wir auch die , weil sie unsere Fehler und Mangel sind .
Der neue Nationalismus will Deutschlands Zukunft , nicht die Restaurierung einer einmal zerbrochenen Vergangenheit .
Was heißt das , Nationalismus :
wir stehen zu Deutschland , weil wir Deutsche sind , weil Deutschland unser Vaterland , die deutsche Seele unsere Seele ist , weil wir alle ein Stück der Seele Deutschlands sind .
Ich hasse die Maulhelden , die die Worte Vaterland und Patriotismus immer so breit im Munde führen .
Vaterland : das muß für uns wieder etwas Selbstverstandliches werden .
Unsere ganze deutsche Geschichte ist nichts anderes als eine fortlaufende Kette des kämpfe der deutschen Seele gegen ihre Widersacher .
Faustisch ist die deutsche Seele !
In ihr liegt der triebhafte Zug zur Arbeit und ihren Möglichkeiten und die ewige Sehnsucht nach Erlösung vom Geiste .
Es gibt eine deutsche Idee , so wie es eine russische gibt .
Diese beiden werden sich einmal messen um die Zukunft. 1 5. Juni .
Rußland ist eine Gefahr für uns , die wir überwinden müssen .
Aber wir müssen sie kennen , wenn wir sie überwinden wollen .
Erst jetzt komme ich allmählich dazu , Iwan Wienurowsky in seiner Wesenheit zu sehen .
Er , ist ein sehr unglücklicher Mensch .
Der Panslawismus hat ihn zugrunde gerichtet .
Ich habe Iwan Wienurowsky noch nicht unter mich gebracht .
Der Kampf , der heute Europa durchtobt , ist ein Karopf zwischen sich neubildenden aristokratische Schichten .
Jedes Zeitalter wird , wenn es historischen Rang hat , von Aristokratien gestaltet .
Aristokratie = die Besten herrschen .
Niemals regieren die Volker sich selbst .
Diesen Wahnsinn hat der Liberalismus erfunden .
Hinter seiner Volkssouveranitat verstecken sich nur die gerissensten Schelme , die nicht erkannt sein wollen .
Wie man sieht , ein billiger Schwindel , auf den nur ein Strohkopf hereinfallen kann .
Die Maße siegt : welch ein Wahnsinn !
Genau so , als wenns ich sagen wollte : der Marmor macht das plastische Werk .
Kein Kunstwerk ohne Schöpfer !
Kein Volk ohne Staatsmann !
Keine Welt ohne Gott !
Die Geschichte ist ein Ablauf von männlichen Entscheidungen .
Nicht Anne en siegen , sondern Männer mit Armeen .
Europa wird neu gestaltet von den Volker n , die am ehesten den Massenwahn überwinden und zurückfinden sum Persönlichkeitsprinzip .
Die neue Schichtung der Aristokratie geschieht aller Dings auch auf Grund neuer Gesetze .
Tradition wird abgelöst durch Leistung .
Der Beste !
Dieser Titel wird nicht ererbt , sondern erworben .
Genies sind immer nur höchste Ausdrucksformen des Volkswillens .
Sie stellen gewissermaßen die Inkarnation eines schöpferischen Volkstums dar .
Keine Eiche wachst ohne Boden , Wurzel und Kraft .
Kein Mann kommt aus dem Wesenlosen .
Das Volk ist sein Boden , die Geschichte seine Wurzel , das Blut seine Kraft .
Große Ideen werden immer von Minderheiten durchgefochten .
Am Ende aber begründen sie eineu Zustand , dem ganze Volker ihre Existenz verdanken .
Kunstwerke , Erfindungen , Ideen , Schlachten , Gesetze und Staaten -- an ihrem Anfang und Ende steht immer der Mann .
Die Rasse ist der Nährboden aller schöpferischen Kräfte .
Die Menschheit , das ist eine Annahme .
Wirklichkeit ist nur das Volk .
Die Menschheit ist nichts anderes als die von Völkern .
Das Volk ist organised Die Menschheit ist nur organised geworden .
Organist sein , das heißt die Fähigkeit in sich bergen , organisches Leben zu erzeugen .
Der Wald ist nur eine Vielheit von Bäumen .
Ich kann nicht die Volker vernichten und die Menschheit er halte en , ebensowenig wie ich die Bäume ausrotten kann , um den Wald zu schonen .
Bäume , das heißt in der Gesamtheit Wald .
Völker , das heißt in der Gesamtheit Menschheit .
Je mächtiger die Eiche wächst , am so schöner wird sie den Wald zieren .
Je umfassender ein Volk Volk ist , am so lebendiger dient es der Menschheit . . .
Alles andere ist erdacht , nicht gewachsen .
Deshalb halte es vor der Geschichte nicht stand .
Eine Minderheit wird dann , wenn sie die Besten umschließt , das deutsohe Schicksal wenden .
Wir müssen also mutiger , klüger , radikaler und charaktervoller sein als die mehreren ; dann werden wir mit automa t is die r Sicherheit siegen .
Daß in anderen Völkern der Abschaum regiert , das soil uns kein Kopfzerbrechen machen . um so eben haben wir Aussicht , uns durchzusetzen .
Haben die Kühnsten das Heft in der Hand , so sollen sie of fen heraus sagen :
wir üben die Diktatur aus :
Wir übernehmen dafür die Verantwortung vor der Geschichte -- wer wirft den ersten Stein auf uns ?
Haben die Feiglinge das Heft in der Hand , so sagen sie : das Volk regiert ; drücken sich vor der Verantwortung und steinigen den , der gegen diese Heuchelei Front macht .
Herrschen wird immer eine Minderheit .
Das Volk hat nur die Wahl , ob es unter offener Diktatur der Kühnen leben oder unter heuchlerischer Demokratie der Feigen sterben will .
Eine Rechnung , die so einfach wie logisch ist .
20. Juni .
Ich setze meinen Helm auf , ziehe meinen Degen und deklamiere Liliencron .
Manchmal überkommt mich so eine Anwandlung .
Soldat sein !
Auf Posten stehen !
Man muß immer Soldat sein .
Ein Soldat im Dienste der Revolution seines Volkes .
Dann denke ich mit Schaudern an Brand und Verwüstung .
Ich sehe Trümmer von Häusern und Dörfern im Abendlicht schwelen .
Feuersäulen steigen auf .
Lärm und Schlachtendonner . ich sehe brechende Augen und höre das schmerzerfüllte Stöhnen von sterbenden Menschen .
Meine Hände sind schwarz von Pulverdampf , mein Rode ist rot von Blut .
Nein , der Krieg ist nicht schon .
Ich höre laute Kommandoworte , Hurraschreien . ich schreie mit : Hurra , Hurra !
Ich bin kein Mensch mehr .
Mich überkommt eine wilde Wut .
Ich wittere Blut .
Ich schreie :
" Vorwärts ! Vorwärts ! "
Ich will ein Held sein !
Ich zerreiße mein Herz .
Was gilt das Herz ?
Ich stürze mich in den Feuerregen .
Ich bin ein Held , ein Gott , ein Erlöser * Ich blute selbst .
Mein Arm hängt schlaff herunter .
Ich bin getroffen .
Ich verliere die Besinnung , Ich werde matt .
Ich sinke .
Ich wache auf aus tiefem Schlaf .
Ich liege allein auf weitem , endlosem Feld .
Die Schlacht ist aus .
Ferne tont noch Kanonendonner .
Der Himmel ist hoch und lichterübersat .
Ganz weit glutroter Sehe in .
Ich bin in tiefster Seele erschüttert und aufgewühlt .
Ich fühle meine Wunde kaum .
Ich bin stumm vor der Große dieses Erlebnisses .
Das ist der Krieg !
Der Krieg auf Leben und Tod !
Grausam wie alles , was lebendig ist .
Ich habe es nicht so gemacht .
Ich stelle nur fest , daß es so ist .
Und denke mir , daß jenes höchste aller Wesen wohl seine Gründe gehabt haben mag , als es das alles so und nicht anders einrichtete .
Der ewige Friede ist ein Traum -- das genügt für die Politik .
Der Soldat mag hinzusetzen :
und nicht einmal ein Schoner .
Das ganze Leben ist ein Krieg .
Die erste Kulturtat war : der Mens A schmiedete Pflug und Schwert .
Pflug zum Frieden , Schwert zum Krieg .
So wahr es ohne Nacht keinen Tag , so kann es ohne Krieg keinen Frieden geben .
Das eine bedingt das andere .
Krieg und Acker , Schwert und Pflug , das sind Begriffe , die zueinander gehören wie Mann und Frau .
Der Bauer setzt den Pflug in die Scholle .
Aus Korn wird Brot .
Vor den Grenzen der Gemarkung steht der Krieger , gestützt auf sein Schwert , und Beit die Wacht .
Bauer und Krieger :
das sind die Soldaten für das tägliche Brot .
So hat es Gott gemacht .
So war es in Ewigkeit , und so wird es in Ewigkeit sein .
24. Juni .
Agnes Stahl schreibt mir aus München :
" Ich komme in den nächsten Wochen nach Heidelberg ; dann sehen wir uns wieder .
Sie sind glücklicher als wir , da Sie klar schauen und Mut haben .
Zivilcourage nennt man das .
Sie kleben nicht am Leben .
Das macht den Menschen stark .
Jetzt erst , wo Sie nicht mehr hier sind , merke ich , welch eine Fülle von tätiger Kraft von Ihnen ausgeht .
Sie sind es der Jugend schuldig , Sie dürfen nicht verzweifeln . "
Nein , ich darf nicht verzweifeln !
Ich muß Mut haben !
" Kommen Sie bald , Agnes Stahl . "
In mir empört sich alles gegen den Intellekt .
Ich stehe vor dem letzten Anbruch .
2. Juli .
" Ich werde arbeiten müssen , Agnes Stahl , das ist meine letzte Re thing .
Sie haben immer gearbeitet .
Nein , ich war ein Phantast , ein Ästhet , ein Schonredner .
Ich wollte die Welt mit Phrasen erlösen .
Ich habe mich selbst geschont .
Jetzt will ich eingreifen in den Gang der Dinge .
Man kann nicht neutral bleiben , wenn zwei Gegner , bis an die Zahne bewaffnet , um die Zukunft ringen . "
Zwei Gegner ?
Wo * und wann ? "
Ja , ihr seht das nicht , wollt es nicht sehen .
Trotzdem ist *s so .
Das Geld hat uns versklavt , die Arbeit wird uns frei machen .
Mit dem politischen Bürgertum taumelten wir in den Abgrund , mit dem politischen Arbeitertum werden wir neu auferstehen . "
" Sie sind Gegner des Klassenkampfes und predigen dock die Herrschaft einer Klasse ? "
" Das Arbeitertum ist keine Klasse .
Klasse kommt aus dem Wirtschaftlichen .
Das Arbeitertum hat seine Wurzeln im Politischen , Es ist ein geschichtlicher Stand .
Volker bedeuten nur etwas , wenn ihr herrschender Stand etwas ist .
Das politische Bürgertum ist nicht s und will auch nichts sein .
Es will nur leben , ganz primitiv leben .
Deshalb geht es zugrunde .
Das Leben kann man nur erhalten , wenn man bereit ist , dafür zu sterben !
Das Arbeitertum hingegen hat eine Mission zu erfüllen , vor allem an Deutschland .
Es hat das deutsche Volk frei zu machen nach innen und außen .
Das ist eine Weltmission .
Wenn Deutschland untergeht , dann geht das Licht der Welt aus . "
Sie sind nicht sehr bescheiden . "
Nur die Lumpen sind bescheiden .
Je weniger ich für mich selbst verlange , um so leidenschaftlicher Kämpfe ich für die Rechte meines Volkes .
Und da ich die vom Bürgertum verkauft und verhandelt sehe , mache ich einen Strich unter die Vergangenheit und fange mit der Arbeit von vorne an. 44 " Machen Sie Revolution , soviel Sie wollen .
Fett schwimmt immer oben .
" Allerdings die Dicken werden immer das große Wort führen ; sie werden Vielen besitzen und Festreden halten .
Maße Mensch beherrscht heute und morgen den Tag .
Aber unseren Namen einkratzen in die Geschichte , das werden wir .
Wir allein !
Die anderen leben heute .
Darum werden sie für die Zukunft tot sein .
Aber die heute auf das Leben verzichten , die werden morgen lebendig werden 4 .Warum verzichten ?
Wer wird es Ihnen danken ? "
, ,Danken ?
Das Wort kenne ich nicht .
Ich will keinen Dank .
Wir alle wollen das nicht , Wir wollen Geschichte machen .
Was spielt da das bißchen Leben für eine Rolle ? " die selbst kommen ja aus dem Bürgertum . "
" Um so inbrünstiger habe ich es hassen gelernt .
Man muß wohl durch etwas hindurchgegangen sein , um es ganz lieben und hassen zu lernen .
Ich hasse den Bürger , weil er feige ist und nicht mehr kämpfen will .
Er ist nur noch ein zoologisches Lebewesen , mehr nicht .
Soldaten , Studenten und Arbeiter werden das neue Reich bauen .
Soldat war ich , Student bin ich , Arbeiter will ich sein .
Durch alle drei Stufen muß ich hindurchgehen , um den Weg zu zeigen .
Mir wurde das Wort versagt , darum will ich zu handeln beginnen .
Jeder an seiner Stelle . "
, Sie lieben das Opfern ? "
, Ja , opfern muß man. I A liebe es nicht , aber ich muß es .
In die tiefste Tiefe muß ich steigen .
Wir müssen von unten anfangen .
Wir waren Erben bisher .
Wir haben Übermitteltes dankbar angenommen , Wir müssen noch einmal von vorn anfangen .
Ich will jetzt rücksichtsloser sein und mich ganz einsetzen . "
, Sie haben sich immer ganz eingesetzt ; Sie sind nur Inbrunst und Hingabe gewesen .
" Aber in falschen Dingen .
Der neue deutsche Mensch in den Werkstätten geboren und nicht in den Büchern .
Wir haben genug geschrieben , gefaselt und geschwärmt ; wir müssen nun arbeiten . "
Sie werden dabei zugrunde gehen . "
Nein , ich werde leben .
Ich werde den Anfang machen . "
, Die Arbeit wird Sie zum Knecht entadeln . "
Nein , ich adele sie .
Die Arbeit ist kein Ding an sich , sie ist nur eine Stufe . "
" Sie beschämen uns alle . "
" Ich habe kein Verdienst , ich muß so sein und so handeln . "
Wir schweigen lange ; es ist schon spat , und der Tag verglimmt .
8. Juli .
" Ich reise nach Rußland zurück und nehme das Andenken an Sie als Hoffnung und Bitterkeit mit .
Wir werden vielleicht noch einmal die Klingen kreuzen müssen ; wenn nicht wir selbst , so doch unsere Ideen .
Wir sind nicht quitt .
Ihre Welt und meine Welt müssen noch einmal um die letzte Daseinsform kämpfen .
Wird man die Synthese finden ?
Ich mochte es hoffen , aber ich glaube es kaum .
Man kann die Natur nicht ändern .
Ihr ältestes Gesetz heißt Kampf .
Nun denn , Kampf !
Aber Kampf mit ehrlichen Waffen !
So reiße ich denn die Maske herunter und zeige Ihnen mein wahres Gesicht :
ich bin ein Russe !
Ich will , daß Rußland die neue Welt bringt .
Rom ist zu Ende .
Das neue große R : Rußland .
Leben Sie wohl !
Agnes Stahl erzählt mir , daß Sie arbeiten , von unten anfangen wollen .
Ich kenne Sie genug , um zu wissen , daß Sie Ihre Vorsätze wahr machen werden .
Sie tun einen überraschenden Schachzug .
Ich werde Zeit nötig haben , ihn beizuholen .
Sie rüsten schnell ; Sie führen den Kampf instinktiv , ich führe ihn bewußt .
Sie sind mir die deutsche Jagte Ende , die im Begriffe stent , sich selbst zu erlösen .
Sie sind stark , aber wir werden starker sein .
Iwan Wienurowsky . " 120 So bin ich dich los , Iwan Wienurowsky !
Ich weiß , was ich zu tun habe .
Du zeigst mir , ohne es zu wollen , den Weg .
Ich werde die Erlösung finden .
Ja , wir werden die Klingen kreuzen , der russische Mensch .
Germane und Slawe ! 12. J u 1 i .
Eine Hoffnungslosigkeit bricht mit elementarer Gewalt über mich herein .
Ich hasse dieses sanfte Heidelberg !
Unruhe !
Sehnsucht ! Ida verlange nach Arbeit .
Ich halte das nicht mehr aus bei den toten Büchern .
Ich will gestalten .
Mehr als Intellekt wirkt in uns .
Wir müssen die Arbeit neu formen .
Intellekt ist unlebendig .
Er kann kein Dasein ausfüllen , Ich will die erste Tat tun * Ohne Kompromiß .
Wie kann man Bücher schreiben und Wissen sammeln , wenn das Reich in Trümmern liegt ? muß heute nicht Mann und Frau und Greis und Knabe mit Hand anlegen am Werk der Freiheit ?
Wo sind die Soldaten des Krieges ?
Sie schreiben Lohnlisten , kaufen und verkaufen Ware , handeln und arbeiten , setzen Kinder in die Welt -- und das Vaterland geht vor die Hunde .
Wo soil das enden ?
Deutschland ist eine Geldprovinz , mit Vertragen belastet , die man nie einem Negervolk aufzwang ; Staatsmänner an der Spitze , die ja sagen und verhandeln , was ihnen nicht gehört .
Soldaten !
Soldaten !
Arbeiter !
Arbeiter !
Wo ist der Geist , der vor Verdun nicht zusammenbrach ?
Schlagt die Feigheit in Scherben !
Ich will nicht verzweifeln ! 17. J u 1 i.
Ich suche Zusammenhänge und irre im Chaos .
" Schlagt mich tot , wir sind verloren !
Sind verirrt !
Was soil man tun ?
Sind vom Teufel auserkoren !
Und nun narrt er uns he rum . "
2 6. J u 1 i.
Ich bin am Ziel .
Meine Seele ist still .
Das Semester ist aus .
Zu Ende mit Hörsaal und Bucherstaub .
Ich babe der Mutter geschrieben .
Mein Entschluß steht fest : Ich will in die Grube steigen , Bergmann werden !
Geringster Mieter den Armen sein !
Arbeiten will ich .
Ein Beispiel geben .
Mich selbst erlösen ; einen Weg für die anderen brechen .
Durch Opfer zur Erlösung !
4. August .
Ein paar Tage noch in der Heimat !
Das alte Dorf , Vaterhaus , Niederrhein !
Ebene !
Ich gehe vor Sonnenaufgang durch die Felder .
Nebel braut über dem Land .
Es ist noch ganz still .
Ich schreite , schreite wie im Traum .
Einzeln in Reihen stehen schlanke Birken .
Sonne kämpft mit Schwarz und Grau .
Durch einsame Felder gehe ich .
Schwerer Geruch kommt aus den Äckern .
Geruch der Erde \ Die Schollen dampfen ; das Feld ist im Gebaren .
Frucbt geht auf .
Heilige Stunde der Schöpfung !
Eine Lerche steigt to A , Tirili !
Da , eine zweite .
Licht schwillt .
Ein Meer glüht auf .
Die Sonne geht hoch .
Rot , blutrot leuchtend .
In Gold liegt das Land .
Heimat !
Erde !
Mutter !
Weit sieht man Häuser , Dörfer , spitze Kirchtürme .
Der Nebel geht hoch .
Die Birken fangen an zu leuchten * Ich gehe durch feuchte Wiesen .
Nicht prangend List du , Heimat .
Du strahlst nicht im Festtagskleide und schlägst nicht den Purpurmantel der Schönheit um deine Schultern , Bescheiden bist du , Erde der Heimat !
Aber in deinen Schollen keimt Saat .
Du b rings t Frucht in Fülle .
Weit gebt der Elide über deine Ebenen .
Das Auge schaut bis an den Horizont .
Deine Menschen sind treu und arbeitsam , still am Tage und voll lebendiger Freude , wenn am Abend die Feierstunde ruft .
Fern Schloten Schornstein .
Da beginnt die Arbeit in den Städten .
Acker und Fabrik geben ineinander .
Aus dir bin ich , Heimat !
In dir bleibe ich !
Du gibst mir Kraft und Leben !
Ich setze meine Wurzeln nur noch tiefer in dich hinein .
7. August .
Von der Mutter nehme ich Abschied .
Es ist eine stille , ernste Stunde .
Wir sitzen in der großen Küche am Herd .
" Ich weiß , daß du das Rechte willst , darum segne ich deinen Entschluß . "
" Wir müssen etwa tun , Mutter , sonst frißt uns das Leben auf .
Wir dürfen nicht stille stehen . "
, , Du wirst vieles zu leiden und noch mehr zu überwinden haben .
Aber ich vertraue auf dich . "
" Es ist nicht Eitelkeit und Überdruß , was mich leitet .
Ich muß ; ich kann nicht anders .
Ich will kein Erbe sein .
Ich will für mich selbst beginnen , von unten anfangen .
Ich arbeite ja nicht um der Arbeit , sondern um der Erlösung Willen . "
" Dieser Weg bringt dir und uns viel Leid .
Du gehst ihn , weil du dich stark genug glaubst .
Ich zweifle nicht , daß du ihn zu Ende führen wirst . "
" Ich nehme alle Kraft aus der Heimat mit .
Ich bin stark , weil ich Wurzeln habe . "
" Du sagst mir nichts mehr ; ich weiß , was du hinter dir hast . "
" Man kann so wenig sagen , wenn man viel gesehen hat .
Ich bin noch nicht fertig damit . "
" Nun denn , mit Gott !
Vertraue auf ihn !
Nicht alles kannst du aus eigener Kraft .
Er muß dir doch beim Letzten helfen .
Es kommt eine Stunde , da stehst du ganz allein .
Sorge dafür , daß du dann noch ihn hast .
Vergiß das Beten nicht !
Jeder betet auf seine Weise .
Auch Arbeit ist Gebet . "
" Lebwohl , Mutter ! "
Sie steht noch einen Augenblick unschlüssig und verzagt .
Ich sehe , wie Tranen über ihre alten , zerfallenen Wangen laufen .
Ich meine , das Herz müßte mir brechen .
Und dann küsse ich zum ersten Male ihre liehen Arbeits- Hände. 10. August .
Lärm nimmt mich auf .
Dampf und Arbeit !
Ein ganzes Land rast vor Schöpfung .
Arbeit !
Grau ist die Stadt und elend .
Die Häuser verrußt , die Menschen ernst und wortkarg .
Schwarze Massen walzen sich durch die Straßen , schmale , bleiche Gesichter über gebeugte Nacken .
Kinder sitzen an den Straßenecken und betteln .
Vor den Laden stehen Frauen mit alten , grauen Gesichtern .
Es wird Abend .
Die Bogenlampen flammen auf .
Licht über Elend und Schmutz .
Das Herz krampft sich mir zusammen .
Durch schmale , enge Gassen schlurfen Dirnen und zu alter .
Da brennen rote Lichter .
Es ist , als schlüge der Abend schwarze Flügel über die Stadt .
Reichtum und Elend wohnen hier nebeneinander .
Man mochte weinen .
Hast und Unrast liegt über all em .
Autos rasen .
Zeit ist Geld !
Die Lampen strahlen .
Ich werde vom Menschenstrom getragen durch Straßen und Gassen .
Ich bin müde und zerschlagen .
Ich denke nun an nichts mehr .
Ich stehe an einer Ecke und schaue in das schwarze Gewoge .
Betrunkene torkeln vorbei , singend und grölend .
Da steht ein Schutzmann ; ernst , lang und streng .
Grau ist der Himmel .
Es scheinen keine Sterne .
Man sieht nur Rauch und Ferne Glut .
Es fangt an zu regnen .
Langsam klatschen die Tropfen nieder .
Müde , trage , hinein in den Schmutz .
Ich bleibe stehen .
Das Wasser lauft mir an der Mütze herunter .
Ich kann nicht mehr weitergehen .
Meine Füße sind starr .
Ich stehe lange , bis der Lärm verstummt , bis die Straße leer ist .
In Pfützen schlammt schmutziges Wasser .
Fern rollen Eisenbahnzüge .
Ihr donnerndes Gepolter verklingt weit in der Nacht .
14. August .
Die erste Einfahrt !
Ich steige in den Förderkorb . ich falle , ich stürze -- einen Augenblick nur , dann stehe ich auf festem Bo den . noch ist Licht um mich .
An meiner Brust hängt die kleine Grubenlaterne .
Ich krieche durch schmale , dunkle Gange .
Es ist mir , als dauerte es Tage , Monate , Jahre .
Immer weiter !
Immer weiter !
Durch enge Locher , mit dem Kopf voran .
Wie eine Katze .
Der Weg geht nie zu Ende .
Mir steht der Atem still .
Die Luft ist drückend heiß , Schweiß auf meiner Stirn .
Ich habe keine Zeit , ihn abzuwischen .
Meine Hände glühen .
Sie fangen schon an zu schmerzen .
Das ist ja nur der Anfang .
Immer weiter !
Ein Steiger ist mir beigesellt .
Er kriecht vor mir .
Wie selbstverständlich er das tut !
Er ruft manchmal etwas zurück .
Ich verstehe ihn nicht .
Man versteht hier sein eigenes Wort nicht .
Es saust und braust mir in den Ren .
Ich höre Klopfen wie von tausend Hämmern .
Das Lärmt und schreit um mich .
Mir ist , ich verliere die Besinnung .
Das ist ja Raserei !
Meine Augen schmerzen .
Ich sehe nichts mehr .
Staub deckt mir das Gesicht zu .
Ich krieche weiter .
Endlich sind wir am Ziel .
Der Steiger unterrichtet mich in der schweren Kunst .
Eine Stunde .
Zwei Stunden .
Dann bin ich allein .
Und nun beginne ich zu klopfen .
Die Kohlenbrocken fliegen herunter .
Wenn ich auf denke , dann ist es mir , als waren schon Tage vergangen .
Ich schaue auf die Uhr .
Erst drei Stunden , seitdem ich einfuhr !
Ich bin grenzenlos müde .
Meine Arme sind wie tot .
Meine Hände bluten .
Wieder an die Arbeit !
Ich komme nicht los davon . halte mich vie ein Damon .
Ich schlage und schlage .
Ich schlage auf meine Hände .
Unerträglicher Schmerz !
Das Blut lauft um Daumen und Zeigefinger .
Ich halte sie in den Mund .
Sie brennen wie Feuer .
Schlagen !
Schlagen !
Die Arbeit peitscht mich weiter .
Ich bin ihr Diener , ihr Sklave , ihr Hund !
Ich werde nicht aufhören können , bis ich umfalle .
Eine Lust zu schreien überkommt mich .
Mir ist es , ich schreie , ich brettle wie ein hungriges Tier .
Feuer spritzt aus den Steinen .
Ich schlage Flammen !
Ich schlage Licht !
Ich bin kein Mensch mehr .
Ich bin ein Titane .
Ein Gott !
Der Steiger kniet neben mir .
Er halte meinen Arm ein .
" So sind sie alle , die jungen Leute , die von den Universitäten zu uns kommen .
Der erste Tag in der Grube ist wie ein Rausch .
Das verliert sich wieder .
Eine halbe Stunde Essenspause .
Du mußt etwas essen . "
Er nennt mich du .
Ich möchte ihn umarmen .
Ja , du bist mein Bruder .
Wir sind ja alle Brüder hier unten .
Zürnt mir nicht , haßt mich nicht .
Ich bin einer von euch .
Er gibt mir Schnaps zu trinken .
Ich trinke gierig zwei , drei Glaser .
Wie Feuer rinnt das die Kehle hinunter .
Ich kann nicht s essen .
Brot ekelt mich an * Nur trinken , trinken !
Meine Kable ist wie ausgedorrt .
Wieder an die Arbeit !
Ich schlage eine Ewigkeit .
Die Stunden rinnen trage und langsam .
Ich bin so müde .
Ich sebne mich nach Schluß der Schicht .
Endlich !
Ersehnte Stunde !
Hinauf !
Hinauf !
Oben leuchtet noch Sonne , Da ist heller Tag .
Nacht zu Ende !
Tag !
Nie habe ich den Tag so inbrünstig gegrüßt .
Ich starre vor Schmutz .
Meine Hände sind schwarz und voll Blut .
Die Finger kleben aneinander .
Das Haar hängt mir wirr über die Stirn .
Ich bin müde zum Sterben .
Alle Glieder schmerzen .
Ins Bad !
Abgewaschen Schmutz und Blut !
Ein Mensch !
Wieder ein Mensch !
" Auf morgen ! " ruft mir der Steiger zu .
Er liest 'Matthias Grützer .
Ich fasse seine Hand .
Ich möchte sie küssen .
Wie lieb ist mir diese Hand , diese Arbeitshand !
Ich schaue ihm lange nach .
Dann taumele ich heraus .
Wie betrunken .
Durch den Sonnenschein !
Es ist Bier draußen alles , als war nichts gewesen .
Wie gestern !
Die Schlote r auch en .
Dampf , Qualm , Ruß , Flammen gegen den Hi mm el ! Schreien , Zischen , La rm , Arbeit !
Singen in den Lüften .
Das Lied der Arbeit !
Ich suche Grimmes .
Ich finde nichts .
Einen Baum , einen Strauch , eine Blume .
Nichts !
Alles grau !
Kurz , wie abrasiert .
Nur die Türme , die Schornstein , die Masten , die Schlote recken sich in die Hohe .
Ich gehe weiter , taumele weiter .
Schneller , immer schneller !
Ich fange an zu laufen ; ich renne , ich jage .
Ich fliege wie der Wind .
Ich rase durch die Straßen , zur Stadt hinaus .
Hinaus !
Hinaus !
Ins Feld ! lieb e Rail Türme , Schornstein , Masten , Schlote !
Grau in grau und darüber Sonnenschein .
Heller Sonnenschein !
Bin ich den wahnsinnig ?
Träume ich ?
Ist die Welt untergegangen ?
Leben denn keine Mensch en mehr ?
Nur noch schwarze Tiere ?
Teufel , Grubenteufel ?
Bin ich selbst ein Tier , ein schwarzes Tier , ein Teufel , ein Grubenteufel ?
Ich bin wie von Dämonen gepeitscht .
In mir sitzt einer , der mich beobachtet , ein anderer , ein zweiter .
Unerbittlich- Scharf .
Kritisch .
Iwan Wienurowsky !
Jetzt habe ich dich , verdammter Hund !
Du Bestie !
Du Teufel !
Du Satan !
Komme her , ich will dich packen .
Bei der Gurgel will ich dich packen .
Du kriegst mich nicht unter !
Niemals !
Niemals !
Wir wollen sehen , wer starker ist .
Ich lache .
Ich schreie .
Leute kommen mir entgegen , schauen mich fragend an , grinsen , reden , zeigen auf mich .
Ich laufe weiter .
Weiter !
Weiter I Bis ans Ende der Welt !
Ich ringe mit Iwan Wienurowsky .
Er ist gewandt wie eine Katze .
Aber ich bin starker als er .
Jetzt packe ich ihn bei der Gurgel .
Ich schleudere ihn zu Boden .
Da liegt er !
Röchelnd , mit blutunterlaufenen Augen .
Verrecke , du Aas !
Ich trete ihm den Schädel ein .
Und nun bin ich frei !
Der letzte Versucher zu Boden geschlagen .
Das Gift ist heraus .
Ich bin frei !
Ich bleibe !
Ich bleibe !
Ich will mich erlösen .
Selbst erlösen , aus eigenster Kraft .
Ich will einen Weg zeigen , eine Bresche schlagen , Beispiel sein .
Ich werfe mich auf den Boden und küsse Erde .
Harte , braune Erde .
Deutsche Erde !
Spat am Abend komme ich heim und fa He wie tot ü Bett .
20. August .
Ich wohne draußen vor der Stadt in der Kolonie , in einem der kleinen , schmucklosen Häuser , bei einer Bergmannsfamilie .
Mein Zimmer ist einfach , a r ml ich .
Bett , Stuhl , Tisch , Waschzeug und Schrank .
Zwei Bücher habe ich mitgenommen .
Die Bibel und den Faust .
Durchs ganze Haus geht Kinderlärm .
Aber ich bin nicht böse da rum .
Ich höre gem , daß die Kinder spielen , besonders nachmittags , wenn ich von der Arbeit zurückgekommen bin .
Dann sitze ich manchmal auf meinem Zimmer lange und lausche auf das laute Schreien und Kreischen der Kinder .
Eine gerade Straße geht durch die Kolonie .
Links und r edits stehen Häuser .
Schnurgerade gerichtet .
Immer dieselben .
Sim el , geschmacklos , aber meistens mit einem Anstrich von Sauberkeit .
Auf der Straße spielen die Kinder .
Die Kinder der Armut , mit grauen Gesichtern und schon ernsten Augen .
Die Fröhlichkeit wohnt nicht in unserer Straße .
Selbst die Kinder sind hier nicht so , wie anderswo Kinder sind .
Man sieht viele verwachsene und zurückgebliebene Kinder .
Die sitzen meist an den Haustüren und to 11 en . nicht mit den ändern herum .
Sie schauen dem Spiel zu , ernst und schweigsam .
Immer stehen Männer an den Haus em .
Das sind die , die arbeitsfrei sind , denn die Schichten liegen für die Bergleute vers chie den .
Sie sind ernst und wortkarg .
So , wie die Kinder schon sind .
Viele lesen Zeitungen .
Aber mit Verdruß .
Einige disputieren auch .
Ich meine zu bemerken , daß mir feindliche Blicke folgen , wenn ich durch die Straßen gehe .
Aber ich kann mich auch tauschen .
Es ist ja alles so neu und fremd für mich .
Jedenfalls sind meine Wirtsleute sehr mürrisch und kurz angebunden zu mir .
Ich schreibe keine Briefe und empfange keine Briefe , Man weiß draußen gar nicht , wo ich bin .
Ich bin ganz auf mich allein angewiesen .
In meiner Freizeit schlafe ich , oder ich gehe durch die Straße . --
Auf und ab !
ich denke an nichts .
Bin weder froh noch traurig . ich kann auch nicht sagen , daß ich glücklich war .
Die harte Arbeit nimmt mich mit .
Manchmal meine ich , ich müßte darunter zusammenbrechen .
Aber dann beiße ich die Zahne aufeinander und denke an die Qual der vergangenen Monate .
Das hilft weiter .
Aber maßlos zufrieden bin ich , wenn ich von der Arbeit heimkehre .
Der Anfang ist jeden Tag gleich schwer . ich lerne jetzt so manches verstehen , was mir früher unbekannt und fremd war .
Man muß doch durch jede Stufe einmal hindurchgegangen sein .
Das sind alles nur Stufen zum Leben .
Die Arbeiterfrage gebt mir allmählich in ihrer ganzen Tragik auf .
Man muß sie am eigenen Leibe einmal gespürt haben .
Steckt alle Kapitalisten ein Jahr unter die Erde .
Wir sind dann ein gut Stück Wegs weiter .
Was nutzt es dem Arbeiter , daß er recht hat ?
Er muß Macht haben , um Recht zu bekommen .
Macht gebt immer vor Recht .
Der Arbeiter befindet sich dem Geld gegenüber in derselben Rolle wie Deutschland der Weh gegenüber .
Da hilft alles Lamentieren nichts .
Du oder i «h !
Entweder setzt der eine dem anderen oder der andere dem einen den Absatz in den Nacken .
Volksgemeinschaft ?
Jawohl !
Fenn jeder sein Recht hat .
Aber so ?
Wir sollen schweigen , dam it ihr euren Frieden habt ?
Das konnte euch so pas sein .
Burgfrieden ?
Das sagt immer nur der Feind , wenn er über die heruntergelassene Zugbrücke in die Burg eingedrungen ist und sich nun höhnisch und übermütig in den Sälen herumflegelt .
Was heißt das , wir sollen uns vertragen ?
Wer den Frieden gebrochen hat , der muß ihn wieder herstellen .
Oder aber wir zwingen ihn mit Gewalt .
Mein Bruder ist nur der , der auch in mir den Bruder sieht .
Wie erschütternd !
Diese Menschen hassen Deutschland , well man ihre Liebe zu ihm mit Füßen getreten hat .
Ihr Haß ist nur verschmähte , oft betrogene Liebe .
Wer sein Leben für ein Land einsetzt , der erwirbt damit das Recht , es mit zu besitzen .
Das Leben ist gleich heilig für den Herrn wie far den Knecht .
Beide haben es nur einmal zu verlieren .
Wenn diese Menschen fragen , " was ist uns Deutschland ? " , das klingt manchmal zukunftsfroher , als wenn ein nationaler Schieber ruft ..Deutschland über alles ! "
Wir haben eine schwere Aufgabe vor uns , um so schwerer , als es gilt , tausend verantwortungslose Versäumnisse nachzuholen .
Gelingt sie -- und sie muß gelingen -- dann wird Deutschland die Welt neu gestalten .
Wenn einmal diese gebeugten Kopfe sich recken , wenn einmal diese müden Augen anfangen , zu blitzen , wenn einmal diese hart en Arbeitsfäuste sich ballen , wenn einmal diese bleichen , verbitterten Münder sich öffnen , wenn einmal aus Millionen Kehlen der Ruf erschallt : " Zu Ende die Schmach , das Vaterland gehört dem , der es frei macht !
Wo sind unsere Gewehre ? "
Dann wird vor uns der Erdball erzittern , Was gilt da ein kleines Leben ? 26. August .
Die Leute in der Grube hassen mich .
Man macht mir bei jeder Gelegenheit Schwierigkeiten .
Nicht einer spricht mit mir .
Nur der Steiger Matthias Grützer sagt mir hier und da ein Wort .
Ich weiß nicht , woher es kommt .
Aber ich glaube , sie wittern in mir den Herrn , den hochmutigen Herrn .
Ich kann nichts dagegen tun .
Vielleicht haben sie recht .
Ich bin auch nicht einer der Ihrigen . noch nicht .
Nichts trennt so sehr von diesen Menschen wie der wirkliche oder der vermeintliche geistige Hochmut .
Sie glauben mir noch nicht .
Sie sind , scheint es , zu oft in ihren Gefühlen getauscht worden .
Das ist ja das Wesen der sozialen Frage , daß wir uns nicht mehr verständigen können .
Blutsbrüder sind getrennt durch den Besitz , sprechen verschiedene Sprachen und leben fremde Daseinsstile .
Wir sind zwei Volksfetzen geworden .
Oben und unten , dazwischen eine Wand .
Das findet im Wirtschaftlichen seinen prägnantesten Ausdruck , wirkt sich aber auf allen Gebieten des Zusammenlebens aus . Uns trennt alles , was uns eigentlich verbinden mußte .
Man lernt das erst richtig in der Praxis kennen .
Käme einer von diesen Phrasendreschern herunter in die Grube und redete von Patriotismus , man hatte für ihn nur ein mitleidiges Lächeln oder wahrscheinlich eine Tracht Prügel übrig .
Sozialismus : das ist die Brücke von links nach rechts , über die die Opferwilligen zueinander kommen , Auf beiden Seiten ist viel Gesindel , Mob .
Aber einige Helden stehen an den Köpfen .
Die nur werden die Losung finden .
Ich komme von oben nach unten .
Ich will Weggenossen von unten nach oben such en .
Brücke wollen wir sein .
Vielleicht mil sein wir auch unseren breiten Rücken hinhalten , Taft die anderen einen Weg haben .
Sei es darum !
Diese Aufgabe ist des Opfers der Besten wert .
Einer kommt heute zu mir , grinst mi da an und sagt : " Du bist wohl auch einer von den Schiebern da oben ; willst wohl den Aufpasser machen ?
Sieh dich vor !
Wir arbeiten Bier mit Dynamit . "
Mir steigt es siedend heiß zu Kopf .
Meine Hand zittert .
Ich bin im Begriff , dies em Burschen die Faust ins Genick zu setzen .
Mit einemmal werde ich dann ganz ruhig .
Ich schaue ihn groß an und sage : " Du verdienst nicht , daß ich dich schlage .
Du weißt nicht , was du tust . "
Da wird er ganz verlegen , drückt sich wortlos beiseite und tuschelt mit den anderen .
Ich weiß , er haßt mich nun bis aufs Blut .
Ich werde mich vorsehen müssen .
2. September .
Die Grube ist ein Damon .
Sie packt mich und läßt mich nicht mehr los .
Ich stehe in ihrem Bann .
Ich kann die Stunde kaum erwarten , da es wieder in die Tiefe geht .
Es ist mir , als war ich hier oben zuviel , als hatte ich hier keinen rechten Platz mehr zu beanspruchen .
Als brauchte man mich unten .
Ich zahle jetzt voll in der Grube .
Ich bekomme den ganzen Lohn wie die anderen .
Es ist nicht viel , aber als einzelner kommt man damit aus .
Ich brauche nichts mehr da neb en .
Ich stehe auf eigenen Füßen .
Ich lebe von meiner Hände Arbeit .
Ich bin mein eigener Herr !
Wie diese Arbeit mich befriedigt !
Man sieht , was man schafft .
Man schlägt Kohle aus der Erde .
Man k am ft mit dem Element , man zwingt dem Boden seine kostbaren Schätze ab .
Man wird stolz und einsam dabei .
Meine Hände sind rauh , von Rissen aus alten und frischen Wunden überdeckt .
Vor einigen Tagen hat mir ein herunterfallender Stein zwei Zahne ausgeschlagen .
Wenn ich in den Spiegel schaue , dann erkenne ich mich kaum wieder .
Die Wangen sind eingefallen , die Gesichtsfarbe ist Gran .
In den Augenbrauen und in den Falten um die Nase sitzt Kohlenstaub .
" Den wirst du durch Waschen nicht los , den mußt du später Mal herausschleißen " , sagt Matthias Grützer .
In meinem Munde klafft eine große Lücke .
Die Lippe ist noch dick und blutunterlaufen .
Aber ich fühle mich frisch und gesund .
Ja , ich meine , die Kräfte wachsen in mir. 10. September .
Morgens um vier Uhr stehe ich auf .
Es ist noch dunkel .
Bei Kerzenlicht ziehe ich mich an .
Das ist schnell geschehen .
Eine Tasse heißen Kaffee , dann hinaus .
Der Weg zur Grube ist weit .
Man geht fast drei viertel Stunden darauf .
Um fünf Uhr ist Einfahrt .
Ich muß mich also sputen .
Der Weg ist dunkel .
Der rote Schein in der Ferne zeigt die Richtung .
Ich stolpere über Steine und Gestrüpp .
Immer weiter .
Es ist noch kalt .
Man lauft sich warm .
Immer weiter ! schwarze Schatten steigen in der Ferne vor mir auf .
Türme , Schlote .
Ich höre Surren und Singen .
Wie ein Teufel zieht es in mir und treibt mich vorwärts .
Zur Grube !
Zur Grube !
Ich schreite an kargen Ackern vorbei .
Ich rieche den geliebten Taft der Erde .
Irgendwo in der Ferne bellt ein Tier , ein Hund .
Hier und da liegt am Weg ein graues Bergmannshaus .
In einem Zimmer brennt Licht .
Man stent zur Arbeit auf .
Müde und bleischwer gebt der Tag hoch .
Gran in Gran alles .
Ich schaudere .
Ich Maß die Zahne zusammenbeißen , da £ ich nicht verzweifle .
Da kräht ein Hahn .
Gruß aus der Heimat !
Verdammtes Tier !
Nur nicht denken .
Das Grubentor !
Hinein !
Die Einfahrt !
Da sitzen sie , die Alten , die Jungen bei der Einfabrt .
Das Grubenlicht an der Brust und warten .
Hintereinander sitzen sie .
Stumm , ohne Trost .
Nur hier und da hört man ein Wort .
Ein geflüstertes Wort .
Ich setze mich hinter den Letzten .
Glückauf !
Mürrisch antworten mir zwei oder drei .
Wir warten !
Warten auf die Minute , wo es an die Arbeit geht .
Mit Sehnsucht halb und halb unter einem grausam unerbittlichen Zwang .
Die Erde zieht .
Wir sind ihre Sklaven .
Verdammte Sklaven , die das harte Joch der Arbeit auf dem Nacken tragen .
Still , stumm , ohne Schmerz und ohne Freude .
Wir denken nicht und klagen nicht .
Wir tragen !
Wir hadern nicht und weinen nicht .
Es muß so sein !
Wir tragen die Last . für alle ändern .
Wir tragen !
Sonne geht auf .
Rings um uns wachst das Licht .
Der Tag beginnt . für uns eine zweite Nacht .
Die Sirene ertönt , Wir steigen in den Förderkorb und sausen in die Tiefe .
15. September .
Dann erst ist mir wohl , wenn es kracht und donnert da unten .
Wenn die Balg en fliegen und die Steine splittern .
Wenn der Lärm der Arbeit brüllt , daß man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann .
Symphonie der Arbeit !
Gesättigtes , Voiles Leben !
Schaffen !
Schöpfen !
Mit Hand anlegen !
Herr sein !
Überwinder !
König des Lebens !
Und dann sehne ich mich wieder nach der göttlichen Einsamkeit der Berge und nach unberührtem weißem Schnee. ß. September .
Nicht der Geist macht uns frei und nicht die Arbeit .
Sie sind beide nur Formen einer höheren Macht .
Der Kampf steht am Anfang und am Ende .
Ich babe ihn mit mir selbst aufgenommen .
Wir müssen zuerst den Schweinebund in uns selbst zu Boden zwingen .
Dann ist alles andere leicht wie ein Kinderspiel .
Aus Geist , Arbeit und Kampf formen wir den Motor , der unser Zeitalter in Bewegung setzen wird .
Es wird ein Zeitalter der neugebildeten Aristokratie der Leistung e ein. 2 0. September .
Das Geld ist der Fluch der Menschheit .
Es erstickt das Große und Gute im Keim .
An jedem Pfennig klebt Schweiß und Blut .
Ich hasse den Mammon .
Er erzieht zur Trägheit und zu sattem Ausruhen .
Er vergiftet den Wert in uns , macht uns niederen , gemeinen Instink ten dienstbar .
Der schlimmste Tag in der Woche ist für mich der Lohntag .
Man wirft uns das Geld hin wie Hunden den Knochen .
Diese Welt ist hart und grausam .
So hart wie Geld in den dünnen Händen des Geizigen .
Die Sparsamkeit ist eine klebrige Tug Ende .
Sammelt Schätze und Gold . ich aber will mich aus dem Überfluß meiner Seele verschwenden .
Das Geld ist der Wertmesser des Liberalismus .
So wesenlos ist diese Lehre , daß sie den S die in zum Sein erheben konnte .
Daran geht sie dann auch letzthin zugrunde .
Das Geld ist der Fluch der Arbeit .
Man kann das Geld nicht über das Leben setzen .
Wo das geschieht , da müssen alle edlen Kräfte versiegen .
Geld ist Mittel zum Zweck , nicht Selbstzweck .
" Wird es zum Selbstzweck , dann muß es notwendigerweise die Arbeit zum Mittel am Zweck entwerten .
Wird in einem Volk alles nach dem Gelde eingeschätzt , dann steht dieses Volk vor seinem letzten grauen Ende .
Dann wird es langsam aufgefressen von den zersetzenden Mächten des Goldes , die seit jeher Volker und Kulturen zugrunde gerichtet haben .
Wahrend die Soldaten des großen Krieges ihre Leiber hinhielten zum Schatz der Heimat und zwei Millionen verbluteten , haben die Schieber aus dem roten Edelsaft Gold gemünzt .
Dieses Gold hat ihnen dann später dazu gedient , die heimkehrenden Soldaten um Haus und Hof zu prellen .
Der Krieg ist also vom Geld gewonnen und von der Arbeit verloren worden .
Nicht die Volker sind seine Gewinner oder Verlierer .
Sie haben nur Handlangerdienste am Gelde getan oder gegen diese Handlangerdienste die Arbeit verteidigt .
Deutschland focht für die Arbeit .
Frankreich focht für das Geld .
Die Arbeit hat verloren .
Das Geld hat gewonnen .
Geld regiert die " Welt !
Ein furchtbares Wort , wenn es wahr wird .
Heute gehen wir an seiner Tatsächlichkeit zugrunde .
Geld -- Jude , das ist Sadie und Person , die zusammengehören .
Das Geld ist wurzellos .
Es steht über den Rassen .
Langsam frißt es sich in den gesunden Organismus der Volker hinein und vergiftet allmählich ihre schöpferische Kraft .
Wir müssen uns durch Kampf und Arbeit vom Geld befreien .
In uns selber den Wahn zertrümmern .
Dann stürzt auch einmal das goldene Kalb .
Der Liberalismus ist in seinem tiefsten Sinn die Lehre vom Geld .
Liberalismus , das heißt , ich glaube an den Mammon .
Sozialismus , das heißt , ich glaube an die Arbeit .
25. September .
Die Kinder spielen im engen Hausfigur , da ich von der Arbeit heimkehre . ich nehme eins auf den Arm und trage es in mein Zimmer .
Es ist verschämt und beginnt zu weinen . ich schenke ihm einen funkelnden Stein , den ich unten in der Grube gefunden habe .
Es wird zutraulich und fangt an , in meinem Zimmer zu spielen .
" Wie beißt du denn ? "
" Anna . "
" Anna , welch einen schonen Namen du hast .
Sieh , diesen Stein habe ich unten in der Grube gefunden .
Den habe ich dir mitgebracht .
Siehst du , wie er glänzt ?
So , wenn du ihn in die Sonne hältst , dann ist er noch viel schöner ; dann strahlt er wie ein Diamant . "
" Mein Vater arbeitet auch da unten in der Grube .
Jetzt liegt er und schlaft . "
" Ja , dein Vater und ich , wir arbeiten unten in der Grube . "
,* Arbeiten alle Menschen in Gruben ? "
" Nein !
Aber alle müssen arbeiten .
Die einen auf der Erde , die anderen unter der Erde .
Die einen säen und mähen das Korn , daß wir Brot haben , die anderen holen Kohlen aus der Erde , daß wir Warme und Licht haben .
" Gibt es auch Menschen , die nicht arbeiten ?
" Ja ! Aber wenn wir , die Arbeiter , zusammenstehen , dann werden wir mit den Faulenzern schon fertig werden .
Wer nicht arbeitet , der soil auch nicht essen . " Pause .
" Meine Mutter sitzt in der Küche und schalt Kartoffeln . "
" Ja , deine Matter ist auch fleißig .
Hast du sie gern ? "
Ja , aber den Vater nicht so sehr .
Er schlagt mich . "
Schlagt deine Mutter dich nicht ? "
Nein , Mutter schlagt mich nicht , Mutter ist gut . "
Die Kleine faßt mich bei der Hand und zieht mich in die enge , ärmliche Küche .
" Anna , nicht so ! "
" Lassen Sie die Kleine , sie ist so lieb . "
" Sie wird Ihnen lästig fallen . "
" Nein . ^ Langes Schweigen .
Ich gehe zögernd und unwillig über mich selbst in mein Zimmer zurück. 2 8. September .
Ich beginne unter meinen Kameraden Ansehen zu gewinnen .
Man spricht hier und da ein Wort mit mir .
Einzelne weißen mich sogar in ihre Sorgen und Note ein .
Das Mißtrauen schwindet langsam .
Auch meine Wirtsleute werden freundlicher zu mir .
Heute nachmittag finde ich auf meinem Tisch ein paar kleine , bescheidene Blumen .
Wie habe ich mich darüber gefreut !
Die Kinder rufen laut meinen Namen , wenn sie mich sehen , und gleich Bahn gen sie an meiner Hand .
3. Oktober .
" Du reibst dich auf dabei , Michael , du hältst das nicht aus .
Du gehst zugrunde . "
" Der Mensch halte mehr aus , als man denkt .
Man darf sich nur nicht schonen .
Man muß soviel im Leben auf sich nehmen .
Und im Kriege haben wir doch noch mehr unserem Körper und unserem Trotz abgerungen and sind nicht dabei zugrunde gegangen . "
" Aber wir haben doch schwer gell it ten , an der Seele und am Leibe . "
" Da hast du recht , Matthias , das verwinden wir 60 leicht .
Aber siehst du , da haben wir es auch gemeinsam getragen , Arbeiter und Herr . draußen in den Schützengraben lagen wir nebeneinander , der aus dem Palast und der aus der Bergmannshütte .
Wir haben uns aneinandergeschlossen , sind Freunde geworden , haben den anderen erst kennengelernt .
Und ale der Krieg aus war , da tat sich diese unselige Kluft wieder auf .
Die Arbeit ist ein Krieg ohne Kanonen .
Da müssen wir auch zueinander halten , Faust und Kopf .
Wir müssen uns doch einmal verstehen , je eher , desto besser .
Das Leben ist schwer .
Wir haben keine Zeit , uns Feind zu sein .
Wir müssen Brot beischaffen für die Millionen : , die geboren , und für die Millionen , die noch nicht geboren sind .
Sonst gehen wir früher oder später zu Bruch . "
" Ja , aber wie du denkt keiner von denen da oben ; da gilt nur Geld und Macht . "
" Diese Kreaturen muß man dann zwingen .
Es gibt Menschen , denen imponiert nur die Faust unter die Nase .
Da darf man keine Rücksicht kennen .
Wir Jungen haben vor der Geschichte das größere Recht .
Die Alten wollen noch nicht verstehen , daß wir Jungen überhaupt da sind .
Sie verteidigen ihre Macht bis zum letzten Augenblick .
Aber einmal werden sie doch unterliegen .
Die Jugend muß zuletzt siegen .
Wir Jungen , wir greifen an .
Der Angreifer ist immer starker als der Verteidiger .
Machen wir uns selbst frei , dann können wir auch das Arbeitertum befreien .
Und ein befreites Arbeitertum wird das Vaterland von den Ketten losen . "
" Das mit der Arbeit und mit dem Krieg , das hast du richtig gesagt ; und das Schönste daran ist , daß du selbst deine Worte zur Wahrheit machst .
Du drischst keine Phrasen wie die anderen .
Du handelst .
Gleich als du hier ankamst , als ich dich zum erstenmal sah , da wußte ich , daß du ein Pionier der Idee der Arbeit seiest .
Ach , wir sehen so viele jetzt hier von den ho hen Schulen .
Alle sind sie fleißig und tun ihre Pflicht hier unten bei der Arbeit .
Aber die meisten verstehen uns Bergleute doch nicht .
Sie steigen zu uns herunter ^ Mehr noch , sie lassen sich zu uns herab .
Da bleibt immer etwas Zweisehen uns offen .
Daher dieser brütende Haß zwischen uns und den Weißhänden .
Du wirst hier viel Feindschaft gegen die Studenten sehen .
Aber ich weiß , du willst das besser machen .
Du willst nicht zu uns herunterkommen , du willst uns zu dir heraufholen .
Du verstehst das richtig anzufassen , weil du in uns den Genossen siehst .
Darum findest du auch das Wort , das unsere Herzen öffnet . "
Ich knie neben Matthias Grützer unten im Stollen watend der Frühstückspause .
Wir reden in langen Zwischenräumen und muss en schreien , daß wir uns verstehen .
9. Oktober .
Passive Resistenz .
Man will den Leuten nicht mehr geben .
Sie können von ihrem Lohn nicht leben .
Unten in den G an gen stehen sie , disputieren und s Kim fen .
Es ist hier fast so still , als ob Feiertag war .
Keiner tut einen Schlag .
Man hört haßerfüllte Drohungen , Verwünschungen , Flüche .
Meine Lage ist seit einem Tage nahezu unhaltbar .
Man droht mir offen .
Schimpfworte schwirren von alien Seiten um meine Ohren .
Man vermutet in mir einen Spitzel und Streikbrecher .
Man nennt mich schon ganz offen ein bezahltes Subjekt der Kapitalisten .
Nur Matthias Grützer stent mir bei. 1 7. Oktober .
Vor den Zechen staut sich die Menge vieltausendköpfig .
Schreien und Singen , Steine fliegen , geballte Fauste drohen in der Luft .
Vor dem Direktionsgebäude stent es wie ein Keil .
Plötzlich ein Ruf , ein Schrei , ein Kommando .
Scheiben klirren , eine Tür wird eingeschlagen , dann ein wüstes Durcheinander .
Das walzt sich wie ein breiter Strom in die Tür hinein .
Eine Frau kommt mit erhobenen Haben den die Treppe herunter und geht schreiend den Männern entgegen .
Gleich liegt sie unter der rasenden Menschenmenge und wird mit den Füßen zu Boden getrampelt .
In mir 1st alles Krampf , Zuckung und Qual .
Ich stürze voran , ich schreie die Nachststehenden verzweifelt an :
" Das ist ja Wahnsinn ! "
Rufe : " Streikbrecher !
Spion !
Bezahlter Hund ! " in wildem Durcheinander .
Dann fühle ich einen Schlag auf den Kopf .
Blut fließt mir über Stirn und Schlafen .
Ich wische es mit der Hand ab .
Immer mehr Blut ich taumele , ich si like .
Dann verliere ich das Bewußtsein .
Ala ich erwache , liege ich in meinem Bett .
Matthias Grützer steht davor und schaut mich an .
Ich fühle Hämmern und einen unerträglichen Schmerz oben im Kopf .
Ich bin grenzenlos müde .
Dann werde ich besinnungslos .
Heute denke ich wieder klar über alles .
Allerdings will mir das tolle Bild jenes Abends noch nicht aus dem Sinn .
Wie ein Tier haben sie mich niedergeschlagen .
So würden sie nicht einen Hund behandeln .
Einfach niedergeschlagen !
Und ich wollte doch nur einer wehrlosen Frau beistehen .
Ich fühle nicht Zorn , nicht Groll .
Sie kennen mich ja nicht .
Sie wußten ja auch nicht , was ich wollte .
Sie sind ja alle so arm und Radios .
Es war eine Tat der Verzweiflung .
Aber ein Stachel ist mir doch in der Seele sitzengeblieben .
25. Oktober * Zum erstenmal wieder in die Grube !
. , ; Ich begegne guten , freundlichen Gesichtern .
Man ist rück- ' sichtsvoll , fast zärtlich zu mir .
Ein alter Bergmann kommt auf mich zu und gibt mir seine harte Hand .
Glückauf !
Wie schon das klingt !
Ein Gruß für die , die gemeinsame Not aneinanderkettet .
Matthias Grützer hat für mich gearbeitet .
Er hat sie aufgeklart .
Ich danke ihm das .
Wahrend der Frühstückspause tritt ein Kamerad auf mich zu .
Er kommt im Auftrag der anderen und bittet mich um Verzeihung .
Ich bin beschämt .
Ich weiß nicht , was ich sagen soil .
Matthias Grützer steht neben mir .
Und plötzlich fühle ich , wie meine Augen nach werden und zwei dicke Tranen über meine Wangen laufen .
Ja , jetzt haben wir uns gefunden .
Jetzt habe ich unter euch Heimatsrecht .
Jetzt bin ich hier kein Fremder , kein Eindringling mehr .
Arbeiter unter Arbeitern !
Das bin ich , das will ich bleiben !
Ich bin einer von euch ; ich habe mir hier mein Heimatsrecht erkämpft .
Gesegnete Wunde ! 30. Oktober .
Ich stoße wieder auf Vincent van Gogh .
Wie anders heute als damals in München .
Ich sehe nicht den Maler mehr , ich sehe den Menschen , den Gotteucher .
' * Ich kaufte mir von meinem Arbeitslohn seine rührenden Briefe an seinen Bruder Theo .
Der Mensch ist größer als der Künstler .
Die alten Tempel müssen gestürzt werden , daß wir neue bauen können !
2. November .
Wieder komme ich zu Christus .
Die deutsche Gottfrage ist nicht von Christus zu trennen .
Wir haben unseren eigentlichen Zusammenhalt mit Gott verloren .
Wir sind weder kalt noch warm .
Halb Christ , halb Heide .
Ja , selbst die Besten tasten im Dunkel und wissen weder aus noch ein .
Aber es ist auch hier notig , ein offenes Wort zu sprechen .
Volk ohne Religion , das ist so wie Mensch ohne Atem .
Die Konfessionen haben versagt .
Total versagt .
Sie stehen nicht mehr an der Front , sondern sind langst schon in die Nachhut abgedrängt .
Von da aus terrorisieren sie mit ihrem Ressentiment jede Bildung eines neuen religiösen Willens .
Millionen warten darauf , und ihre Sehnsucht bleibt unerfüllt .
Ob unsere Zeit noch nicht reif ist ?
Man möchte es fast glauben .
Wir werden auch im Religiösen einmal herrlich erwachen .
Bis dahin suche jeder seinen Gott auf seine Art .
Aber man soil den breiten Massen selbst ihre Götzen lassen , bis man ihnen einen neuen Gott geben kann .
Ich nehme die Bibel und lese einen ganzen Abend die einfachste , größte Predigt , die der Menschheit je gehalten wurde : die Bergpredigt !
" Selig , die um der Gerechtigkeit Willen Verfolgung leiden , denn ihrer ist das Himmelreich ! "
6. November .
Meine Kameraden lieben mich .
Sie helfen mir , ja sie lesen mir jeden Wunsch von den Augen ab .
Einer flickt mir meine Schuhe , ich gebe ihm das Leder , für die Arbeit will er nichts haben .
Einer nimmt me in en Arbeitsanzug zum Waschen mit nach Hause .
Ein anderer bringt mir morgens zwei dicke , rote Apfel Nut .
Er habe soviel , sagt er .
Ein anderer kommt zu mir und fragt mich , was Nietzsche für ein Mann gewesen sei .
Sie helfen mir , ich helfe ihnen .
Ich lebe als Kamerad unter diesen einfachen , schlichten , starken Menschen .
Sie sind alle grenzenlos verhetzt und verdorben .
Aber das Gift ist noch zu beseitigen .
Man muß nur Mühe und Arbeit anwenden .
Sie nehmen mich jetzt wie einen der Ihrigen .
Alle sagen du zu mir , und ich sage zu alien du .
Wie draußen im Felde , im Schützengraben .
Ich fühle mich in der Grube wie zu Hause .
So muß das Vaterland einmal werden .
Nicht alle gleich , aber alle 1J Ruder .
Abends sitze ich mit den Leuten zusammen .
Wir reden dann , disputieren , streiten und schimpfen .
Ich schimpfe aus vollem Herzen mit ihnen .
Der Mensch muß einmal schimpfen , sich den Groll von der Seele reden .
Ich besuche sie in der Familie , spiele mit den Kindern , plaudere mit den Frauen .
Ich erzähle ihnen von meinen Reisen , zeige ihnen Postkarten und Bilder .
Fenn ich durch die Straße gehe , dann kommen die Kinder und geben mir die Hand .
10. November .
Nun habe ich viele Brüder .
Sie alle sind mir wie Brüder .
Brüder der Arbeit !
Alle sind Brüder , die aus demselben Blute kommen und ein gemeinsames Schicksal tragen .
Und wir haben ja alle dasselbe zu tragen , wir Deutschen .
Warum sollten wir nicht alle Brüder sein ?
Wir haben so viel Not gemeinsam durchgemacht , daß wir nicht mehr voneinander kommen .
Ich bin nichts mehr und nichts weniger als die anderen alle .
Ein junger Deutscher !
Ein Kämpfer , ein Dulder , der überwinden will !
Wir müssen uns zusammenschließen , wir Deutschen ! um unsere letzten Güter !
Gelingt eft wies , den anderen Völkern einen neuen deutschen Typ vorzubilden , dann werden wir das kommende Jahrtausend gestalten .
16. November .
Nun bin ich restlos frei !
In mir vollzieht sich das Wunder : daß eine neue Welt aufbricht .
Nun ist der Weg offengelegt .
Ich habe ihn gebahnt durch Arbeit .
Wir müssen alle einmal Erlösungsarbeit tun , zuerst an uns selbst , dann an den anderen .
Das eigene Leben muJJ überwunden werden , dann werden wir stark , das Leben der Zeit zu gestalten .
23. November .
Ich suchte im Geist und fand den Weg nicht .
Wir müssen den Geist überwinden .
Ich suchte in der Arbeit und fand den Weg nicht .
Wir müssen die Arbeit lauteren .
Und jetzt löst sich das Rätsel wie von selbst .
Aufsteht das neue Gesetz .
Das Gesetz der Arbeit , die Kampf bedeutet , und des Geistes , der Arbeit ist .
Die Synthese aus diesen drei macht uns frei , innerlich und äußerlich .
Arbeit als Kampf , Geist als Arbeit , darin liegt die Erlosung !
Mein Auge sieht klar !
Der Weg ist frei !
Geburtsstunde in mir !
Meine hartgewordenen Hände fangen an zu zittern. 2 9. November .
Ich habe Iwan Wienurowsky zu Boden getreten :
In ihm überwand ich den russischen Menschen .
Ich habe auch selbst erlöst :
In mir machte ich den deutschen Menschen frei .
Nan stehen wir beide als unerbittliche Gegner einander gegenüber .
Bis an die Zahne bewaffnet , denn es geht um alles !
Wer wird die Zukunft gewinnen ?
Panslawismus !
Pangermanismus !
Nein , ich bin kein Abtrünniger .
Ich glaube an uns , an Deutschland !
Unter Schmerzen kommt das Reich !
Die Welt hat heute Grund , das zu verachten , was sich draußen als Deutschland aufspielt .
Wir sind da !
Wir jungen Männer leben und werden um die Zukunft mit alien Feinden unserer Art die Waffen kreuzen !
Wenn wir wieder zu uns selbst kommen , dann wird die Welt vor uns erzittern lernen .
Der Erdball gehört dem , der ihn sich nimmt. 2. Dezember .
Meine Zeit ist hier zu Ende .
Ich habe ausgelernt .
Morgen fahre ich in die bayerischen Bergwerke .
Was treibt mich weiter ?
Ich weiß es nicht .
Vielleicht zieht mich die Einsamkeit der Berge .
In nehme von alien Abschied .
Ich sah nie so viel Liebe und Anhänglichkeit .
Ihr habt mich zu Boden geschlagen , und jetzt seid ihr meine Freunde .
Ich werde euch nie vergessen ! 10. Dezember .
Bin ich zwanzig Jahre alter geworden ? Habe ich geschlafen , geträumt ?
Ich erkenne mein München nicht wieder .
Das ist der Bahnhof , der Stachus , der Marienplatz , die Theatinerkirche , daran anschließend die breite , pompöse Ludwigstraße !
Da liegt Schwabing , wie vor einem Jahr , und doch alles so anders .
Ich bin wohl ein anderer geworden .
Meine Augen sind anders eingestellt . ich höre liebe Münchener Laute .
Ein junger Mann acht mit einem Schwabingemädchen vorbei .
Aus der Universität kommen Studenten und Studentinnen mit Happen und Büchern unter dem Arm .
Die meisten sehen schmal , bleich und ernst aus . Habe ich diese Not früher nicht gesehen ?
Das Mai auf der Stirn des deutschen Volkes ?
Eine hungernde , darbende , frierende Jugend .
Abends sitze ich in einem großen Saal unter tausend Menschen und sehe ich wieder , der mich zum Erwachen brachte .
Nun steht er schon mitten unter einer gläubigen Gemeinde . ich kenne ihn kaum noch wieder .
Sein Wesen ist größer , geschlossener .
Gesammelter strömt die Fülle von Kraft aus seinem Munde , seinen Händen , blitzt dieses Meer von Liebt aus zwei blauen Sternen . ich sitze mitten unter all den anderen und mir ist , als Sprache er nur zu mir .
Vom Segen der Arbeit !
Das , was ich fühlte , litt und trug , Bier faßt einer es in Worte .
Mein Glaubensbekenntnis !
Hier gewinnt es Gestalt .
Die Arbeit als Erlöserin !
Nicht das Geld , Arbeit und Kampf machen uns frei , dich und mich , uns alle , und wir alle das Vaterland .
Vie tiefer Frieden überkommt es mich . ich fühle , wie ein Meer von Kraft durch meine Seele braust .
Da steht das junge Deutschland auf , die Werkleute , die das Reich Schmieden .
Noch Amboß , einst aber Hammer !
Hier ist mein Platz !
Hier will ich stehen , wenn es hart auf hart geht .
Wir müssen alle reif werden .
Minderheiten siegen nur , wenn sie besser sind als die Mehrheit .
Um mich berum sitzen Menschen , die ich niemals sah , und ich schäme mich wie ein Kind , als riech Trinen in meine Augen stehlen .
12. Dezember " Ich erhielt vor einigen Wochen einen Brief von Hertha Hoik .
Sie studiert jetzt in Würzburg und bereitet sich auf cin Examen vor , "
Weshalb sagen Sie das mir , Agnes Stahl ?
Weil ich vermute , daß Sie mit dieser Frau noch nicht fertig geworden sind . "
" Doch , das bin ich . "
Ich habe schwer darum gekämpft , aber fertig bin ich damit geworden .
Die Arbeit da unten in der Grube macht alles andere so klein , Man denkt kaum noch an sich selbst * Ich habe Hertha Hoik sehr geliebt .
Ich liebe sie noch und werde sie ewig lieben müssen .
Aber sie war mir doch nicht der Kamerad , der in all em mit durchhält .
Den findet man , glaube ich , nie .
Das Letzte müssen wir doch mit uns allein ausmachen .
Hertha Hoik hat den Trieb zum Neuen , aber sie klebt noch zu sehr in kleinen Vorurteilen , alten Anschauungen , kurz gesagt , im überlebten Bürger Lichen .
Sie hat nicht den Mut , konsequent zu sein .
Wie wenige haben den !
Sie ist eine Übergangsnatur .
Sie schließt Kompromisse , sie schätzt den Frieden der Seele hoher als Kampf und Aussicht auf Sieg oder Niederlage .
Sie konnte nicht warten .
Sie hatte keine Zeit für mich .
" Sie werden ungerecht gegen sie . ' " Nein , ich zürne ihr nicht .
Ich verstehe das jetzt alles .
Sie war mein S Checks al , das mir den letzten Anstoß zum Durchbruch gab .
Wir müssen den Mens then dankbar sein , die uns Gelegenheit zum Opfern geben .
Pause .
" Und jetzt wollen Sie also wieder in die .Grube ?
" Ja , da unten bin ich glücklich , und ich habe das Gefühl , daß viele mich da Branche en . "
Das Atelier ist kahl und leer .
Durch die hohen Fenster stiehlt sich ein letzter Strahl der Dämmerung .
Hier saß ich oft mit Hertha Hoik .
13. Dezember .
let besuche Richard .
Er hat in Heidelberg promoviert und arbeitet jetzt in einem großen Verlagshause .
Er erzählt viel durcheinander .
Von neuer Kunst und seelischen Ausdruckswerten .
Ich höre ihm zu , ohne etwas dabei zu denken .
Er hat sich so verändert .
Das bemerke ich jetzt , wie ich ihn beobachte .
Sein Gesicht ist dick geworden , und auf der Nase sitzt ihm eine achtunggebietende Hornbrille .
Seine Bewegungen sind sicher und selbstbewußt .
Aber es macht mir den Anschein , als schäme er sich etwas vor mir .
Ich verabschiede mich bald .
Er nennt mich lieber Michael und geleitet mich bis vors Haus .
" Also , mache es gut ! " ruft er mir noch nach .
Ich gehe langsam die Straße hinunter .
Da kommt er plötzlich hinter mir hergerannt , faßt meine Hand und flüstert mir in höchster Erregung zu :
" Du , Michael , ich beneide dich .
Ich bin ein Schuft . "
Mit einem Male schwindet aller Groll gegen ihn in mir .
Ich drücke fest seine Hand .
So scheiden wir .
15. Dezember .
Ich treffe einen russischen Studenten in der Alten Pinakothek .
Von ihm erfahre ich die erschütternde Nachricht von Wienurowskys Tode .
Im Juli reiste er nach Rußland ab .
Er widmete sich in Petersburg geheimer revolutionärer Tätigkeit , gründete Sondergruppen und zettelte kleine Verschwörungen an .
Man ließ ihn beobachten , und im September wurde er verhaftet .
Nach zweiwöchiger Haft mußte man ihn wieder entlassen , da ihm nichts nachgewiesen werden konnte .
Anfang November wurde sein Name viel in den Zeitungen genannt .
Er arbeitete fieberhaft an der Aufdeckung eines großen öffentlichen Korruptionsskandals .
Am 23. November frühmorgens fand man ihn in seinem Zimmer auf dem Sofa erschossen von Alle Anzeichen deuteten auf Mord .
Man sagt , von den Tätern fehlt bis heute jede Spur .
Eine Saite springt in mir .
Iwan Wienurowsky !
Das Ende Bast du nicht verdient .
Ich denke an dich mit einer gewissen Wehmut .
Dein Schicksal ist das Schicksal deines Volkes .
Erschossen !
Von den Tätern fehlt bis heute jede Spur .
18. Dezember .
Den letzten Tag in München bin ich mit Agnes Stahl zusammen .
Ich habe ihr vieles zu erzählen .
Ich fühle , daß sie mich versteht .
Ich mußte einmal einem Menschen mein ganzes Herz ausschütten .
Das kann doch mir eine Frau fassen .
Jetzt habe ich nichts mehr zu sagen .
Es ist wie ein Abschluß .
3. Januar .
Ich arbeite in den Zechen bei Schliersee .
Hier habe das Rechte gefunden .
Die Berge erquicken mich nach der Arbeit .
Zu ihnen schaue ich gerne auf .
Die Arbeit fallt mir nicht schwer .
Ich Sünde .
Meine Kameraden sind gut zu mir .
Ich wohne bei kleinen Bauersleuten .
Das Land at met Schönheit and Kraft .
Die Berge stehen unerschütterlich .
Menschen and Zeiten werden alt und sterben Aber die Berge bleiben dieselben .
Ewig alt und ewig Jung .
7. Januar .
Der Krieg weckte mich aus tiefem Schlaf .
Er brachte mich zur Bewußtheit .
Der Geist qualte mich und trieb mich zur Katastrophe ; er zeigte mir Tiefe und Hohe .
Die Arbeit erlöste mich .
Sie machte mich stolz und frei .
Und nun habe ich mich aus diesen drei neu geformt .
Den bewußten , stolzen und freien deutschen Menschen , der die Zukunft gewinnen will !
Christus gab mir viel -- aber nicht alles .
Wir müssen ihn aufs neue in uns erwecken .
Das k 6 rm en wir nur mit bewußter eigener Kraft .
Das Leben des einzelnen ist nicht alles .
Es ist kein Ding an sich .
Wir müssen es überwinden und steigern zu einer neuen , fruchtbringenden Macht .
Solange der Mensch am Leben klebt , solange ist er nicht frei .
10. Januar .
Es treibt mich nach neuen Fernen und Weiten , doch meine Liebe kehrt immer wieder zur heimatlichen Mutter Erde zurück .
18. Januar .
" Liebe Mutter !
Nun habe ich das Schlimmste hinter mich gebracht .
Ich bin frei .
Ich habe überwunden , was mich quälte und bedruckte , was mich an der Erde kleben ließ .
Jetzt sind die Flügel weit , und ich spanne sie zum Flug in blaue Ferne .
Ich danke Dir , Taft Du mir das Leben geschenkt hast .
Kannst Du es verstehen , daß ich Dir man dim a I darum grollte ?
Denn das Leben ist wert , daß man es lebt .
Das ist nicht wahr , was die Mud en imd Überlebten sagen .
Wir sind nicht in diese Welt gesetzt , um zu leiden und zu sterben .
Wir haben Bier eine Mission zu erfüllen .
Der eine fühlt den Trieb zu dieser Mission starker , der andere schwacher .
In mir brannte er wie ein Opferfeuer .
Ich mußte so handeln , wie ich es tat .
Jetzt , wo ich überwunden babe , sehne ich mich danach , Dein liebes Gesicht wiederzusehen .
Was die Zukunft bringt , was sollen wir uns darum gramen ?
Ich sehe Ihr fest und sicher entgegen .
Ich fühle mich stark genug , weiter zu kämpfen .
Wir sind so früh zum Mann geworden , denn wir haben in unserer Jugend mehr gesehen und mehr gelitten , als je eine andere Generation * Haben wir nicht gut bestanden ?
Wir haben uns durchgefressen und werden uns weiter durchfressen .
Kampf kostet Blut .
Aber jeder Blutstropfen ist Saat .
Nicht s geschieht für nichts auf der Erde .
Es ist alles ein An fange , eine Folge oder ein Ende , " 2 9. Januar .
Heute abend kommt meine Wirtsfrau weinend zu mir ins Zimmer und bittet mich , m or gen nicht in die Grube zu fahren .
Sie habe im Traum gesehen , wie ich von einem Stein erschlagen wurde .
Ich habe Mühe , sie zu beruhigen .
Träume sind Schäume !
Ich kann das doch nicht vergessen .
Aber stent man in der Grube nicht immer mit dem Tod auf da und du ?
Ich möchte noch nicht sterben !
Wir alle müssen Opfer bringen !
Hier endet Michaels Tagebuch , ----- Der Bergwerkspraktikant Alexander Neumann s an Fräulein Hertha Hoik in Würzburg unterm 26. Februar :
" Erst jetzt kann ich Ihren mir durch Vermittlung von Fräulein Agnes Stahl ausgesprochenen Wunsch erfüllen und Ihnen die näheren Umstande von dem so plötzlichen und erschütternden Tode Michaels erzählen .
Michael kam Ende Dezember vorigen Jahres zu uns nach Schliersee , um hier in den Zechen zu arbeiten .
Er wohnte ganz in meiner Nahe , und Zufall und gegenseitige Anteilnahme m adit en uns bald zu treuen Kameraden .
Fast mochte ich sagen zu Freunden .
Sie wissen vielleicht selbst , wie schnell man diesen einfachen und doch so großen Menschen liebgewann .
Am Morgen des Unglückstages , des 30. Januar , gingen wir wie gewöhnlich zusammen zur Arbeit .
Der Weg von unserer Wohnung bis zur Zeche ist nicht weit , etwa eine halbe Stunde lang .
Es war fünf Uhr , und um sechs Uhr begann die Schicht .
Der Morgen war schneidend kalt , es fror , und wir gingen durch hoben Schnee .
Michael war ernst und schweigsam .
Er scherzte nicht , wie er es sonst wohl auf dem Wege von und zu der Arbeit zu tun pflegte .
Plötzlich blieb er stehen und fragte mich :
wGibt es Ahnungen ?
Mir ist es , als mußte ich umkehren . "
Dann rief er laut lachend :
" Ach was , Träume sind Schäume ! "
Kurz vor sechs Uhr fuhren wir ein .
Ich arbeitete neben ihm in ein em engen S toll en .
Wir lagen auf dem Rücken und hieben die Kohle herunter .
Einmal rief er mir etwas zu , was ich nicht verstand .
Gegen zehn Uhr ging ich in den neuen Stollen , um am frühstücken .
Er wollte noch die angefangene Arbeit zu Ende führen .
Plötzlich vernehme ich ein Rieseln , dann bricht etwas , dann ein kurzer , aber heftiger Knall . ich stürze in den Stollen .
Da liegt Michael am Boden .
Ich halte ihm die Laterne ins Gesicht .
Seine Augen sind geschlossen .
Ich fühle sein Hers , es klopft noch , er atmet auch noch .
Ich rufe einige Kameraden heran , und wir schaffen ihn nach oben .
Nur ganz kurz macht er die Augen auf und murmelt etwas , was wir nicht verstehen können .
Der Zechenarzt ist sofort zur Stelle .
Ein herunterfallender Stein ist Michael auf den Kopf geschlagen und hat einen Bluterguß ins Gehirn verursacht .
Er hat nur noch ein paar Stunden zu leben .
Wir tragen ihn ins nächste Haus und legen ihn auf ein Bett .
Er ist ruhig , bewegt sich kaum , und nur manchmal flüstert er :
" Ich bin müde , ich will schlafen . "
So liegt er lange , zwei , drei Stunden .
Gegen Mittag schlagt er die Augen weit auf und blickt uns verwundert und fremd an .
Er sagt ganz laut und vernehmlich :
" Mutter ! "
Und dann beginnt der Kampf .
Er rast in Fieberphantasien .
Sein Körper schüttelt sich .
Er k am ft wie mit unsichtbaren Feinden .
Dann schreit er in To de snot : ,Iwan , du Schuft ! "
Plötzlich ganz leise :
" Arbeiter ! "
Und dann fangt er an zu flüstern .
Wir verstehen jetzt fast kein Wort mehr .
Hier und da einen Satzfetzen .
Ich meine " opfern " zu verstehen , " Arbeit , Krieg ! "
Dann wird er ganz ruhig .
Sein Gesicht verklärt ein Lächeln , und mit diesem Lächeln stirbt er .
Es ist nachmittags um vier Uhr .
In seinem Zimmer wird er aufgebahrt .
Sein Gesicht ist gar nicht entstellt .
Nur an der Nase zeigt sich geronnenes Bind .
So liegt er in Blumen und Kranze .; Am dritten Tag kommt seine Mutter , die ich telegraphisch benachrichtigt hatte .
Sie ist gefaßter , als ich dachte .
Am vierten Tage tragen wir ihn zur letzten Ruhe .
Es ist ein klarer , froh 8 tiger Winternachmittag .
Einige Studenten aus München , ein paar junge Maler und Agnes Stahl , die Schweizer Bildhauerin , gaben ihm das letzte Geleit .
Bergleute trugen ihn .
Als Arbeiter , Student und Soldat wurde er begraben .
Seine Kameraden riefen ihm " Ein letztes Glückauf zur langen Fahrt ! " ins Grab nach .
Auf seinem Tisch fand man nach seinem Tode eine noch nicht zu Ende geschriebene Karte an den Steiger Matthias Grützer in Gelsenkirchen .
Er schreibt da vom Pionier des neuen Reiches sein , und daß wir nicht verzweifeln dürfen .
In seiner Schublade lag der Faust , die Bibel , Nietzsches Zarathustra und ein Tagebuch .
Nun wissen Sie alles .
Nur eins noch mochte ich nicht unerwähnt lassen .
Das gab mir in mancher Richtung Einsicht in das Schicksal unseres gem eins am en Freundes und lehrte mich über Klage und Schmerz hinaus das Zukünftige und Symbolische an seinem Tode verstehen .
Vor ein paar Wochen schickte mir Michaels Mutter semen Zarathustra als Andenken .
Es ist ein altes , zerschlissenes Exemplar .
Er hat aß den ganzen Krieg durch im Tornister mitgetragen .
Abends Blättere ich gerne eine Stunde darin herum .
Und da finde ich eine Stelle , die Michael zweimal dick mit rotem Stift angestrichen hat :
" Viele sterben zu spat und einige zu früh .
Noch klingt fremd die Lehre : stirb zur rechten Zeit ! "

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Goebbels, Joseph. Michael. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0s5.0