Palawer
(Rath der Männer)

Abend. Die Sterne funkeln. In Frieden liegt das Dorf.

[327] Vor der Hütte des Goldschmiedes sitzen auf Bambus-Schemeln Nôthéi, Adû, Kwakû, Bôdjé.

Ganz versunken sitzen sie, in männlicher Bedenklichkeit.

Bôdjé: »Wisse Nôthéi! Ich vermuthe, wir schenken Tíoko dem weissen Manne, welcher hier unser gütiger Herr war, dem Direktor dieses Gartens. Können wir es anders thun?! Ich vermuthe, dass wir so handeln werden.«

Tiefe Stille.

Adû: »Bôdjé! Ich vermuthe ebenfalls, dass wir so thun werden.«

Tiefe Stille.

Bôdjé: »Rufet Tíoko!«

»Tíoko, bāä – – –!«

Bôdjé: »Tíoko, der Palawer hat beschlossen, dich dem Herrn dieses Gartens zum Abschiede zum Geschenke zu machen. Er war stets gütig gegen uns. We are black – men, of course. Willst du bei ihm zurückbleiben?!«

»Ich will in Vienna zurückbleiben – –.«

»Bei dem gütigen Herren dieses Gartens?!«

Tiefe Stille.

Tíoko: »Bei dem Herren dieses Gartens also – –. Weiss aber Sir Peter davon?!«

Bôdjé: »Was kümmert es Diesen?! Der Palawer hat beschlossen. Go!«

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Der Thiergarten-Direktor: »Meine Herren, meine[328] Damen! Sie werden staunen. Heute Vormittags schenkte mir der ›Rath der Männer‹ Tíoko als Ehrengabe!«

»Hohohoho – –. Werden Sie dieselbe behalten?! Ja, Sie müssen es. Das wird etwas Romantisches sein. Wie ein Kapitel aus Victor Hugo oder Dumas in unserem Kasernen-Leben!«

Der Direktor schweigt.

Dann sagt er: »Nichts Romantisches würde es sein. Die Welt ist leer. Eine vervehmte Magd würde sie bald bei uns. Ich habe diese schwarzen Menschen dennoch sehr lieb gewonnen. Gegen mich selbst. Als ich Tíoko refüsirte, waren Alle wie versteinert, tief beschämt. Zu weinen hätten sie gewünscht. Ich küsste Tíoko. Da sagte Bôdjé: ›Herr, wenn du also Tíoko nicht annehmen willst, weil dir dieselbe nicht gefallen dürfte, selbstverständlich, so erlaube mir dir diese gute Vogel-Flinte zum Andenken zu geben. Sogar den Reiher-Milán habe ich damit geschossen.‹«

»Und was that Tíoko?!« fragten die Damen.

»Diese stand da, kerzengerade und betrachtete es, wie man sie durch eine Vogelflinte ersetzte. Und wissen Sie, meine Herrschaften, was Herr Peter zu mir sagte, als er davon erfuhr?!«

»Gewiss eine grässliche Verrücktheit.«

»Jawohl. Er sagte: ›Sie hätten sie bei sich behalten sollen. Sie wären gut mit ihr ausgekommen.‹«

»Was meinte er?!«

[329] »Ich weiss es nicht. Aber ich glaube es selbst, dass ich gut mit ihr ausgekommen wäre.«

Alle schwiegen, wie verlegen.

Dann sagte Fräulein Hansi H.: »Herr Direktor, bitte, rufen Sie Tíoko an unseren Tisch.«

»Wozu?!«

»Ich möchte sie auf ihre Stirne küssen –.«

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TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Wie ich es sehe. Ashantee. Palawer. Palawer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D845-1