Sommer-Nachmittag
(Der Revolutionär weckt schlummernde Welten.)

Königsberg lag in der rothen Veranda, rauchte Cigarrettes des Prinzesses.

Es roch nach Rosen und Gras.

»Alles ist hier müde« fühlte er, »in diesem feinen Landhaus. Die junge Hausfrau ist wie erschöpft.« Nur die goldenen Haare sagen: »Wir bezauberten, belebten – – –!« Der Hausherr ist geduldig, müde. Wie ein Arbeiter ist er, der tausend Fuss unter der Erde Kohlen schleppt. Der Garten sogar ist müde, nicht fertig geworden, Rosen blühen neben Petersilie, dann kommen feine Pflanzen in Töpfen aufgereiht, dann dunkle Büsche von Spiréen, dann Feld, dann hellrosa Beete mit unbekannten Blumen, dann eine Bank mit Aussicht auf die Hügel. Das bleiche Stubenmädchen schleicht herum, schaukelt stundenlang die Kleine in der Hängematte. Das wunderschöne Kindermädchen liebkost den riesigen Kettenhund, der Alle beisst. Ich glaube, er möchte sie besitzen, kränkt sich, dass sie keine Hündin ist. Eine müde Welt, Keiner hat sich ausgelebt –.«

Königsberg schläft ein im Dufte von Rosen und Gras.

Das Stubenmädchen und das Kindermädchen sitzen in der unterirdischen Küche.

»Der Herr Königsberg ist ein komischer Mensch« sagt das Stubenmädchen, »wie ein Schauspieler! Möchtest Du bei ihm in der Veranda liegen?!«

[157] Das wunderschöne Kindermädchen sagt: »halte das Maul.«

Das Stubenmädchen: »Schläft er?!«

Er wird rauchen. Er hat zu mir gesagt: »Der Hund ist in Sie verliebt, Tonietta.« Dann hat er von einer Schimpansin Maja gesprochen, welche seine Hand geküsst hat im Thiergarten. »Dieses Thier hat eine liebevolle Geberde gehabt« sagte er, »diese edlen Geschöpfe sterben meistens an Schwindsucht.«

»Wie muss er unserer Frau vorkommen?!« sagte das Stubenmädchen.

»Oh, warum?!« sagte das Kindermädchen, »Aber unserem Herrn?!«

Nach zwei Stunden erwachte Königsberg. »Ich habe Wiesen eingeathmet« fühlte er.

Besuch sass im weissen Gartenzelte. Eine edle Dame mit einem französischen Strohhut mit lila Georginen, und ihr fünfzehnjähriges Töchterchen.

Königsberg begleitete das Fräulein durch den Garten, zeigte die Schönheiten.

»Es ist wie zwei Gärten, eines Kunstgärtners und eines Handelsgärtners« sagte das Fräulein, »und dann ist es wie gar kein Garten, offen – – –.«

»Es ist wie die Welt – – –« sagte er.

Sie kamen auf das Feld und in das Spiréen-Gebüsch mit den schmalen Kieswegen. Ihr Kleid rauschte. Dann kamen sie zu der Bank mit der Aussicht auf die Hügel. Ganz abgeschlossen waren sie.

[158] Sie errötete, ihr edles Blut strömte an die Oberfläche des reinen süssen Leibes – – –.

»Ein komischer Garten« sagte sie, »wie verwildert, wie ein Roman.«

Tausend Leben strömten in Ihm. Er sah diese süsse zarte geschlossene Seele und beugte gleichsam das Knie vor ihr.

Später sagte ihre Mama: »Ein komischer Mensch ist Herr Königsberg, wie ein Schauspieler. Moquirt er sich?!«

Das junge Mädchen fühlte: »Er hat das Knie vor mir gebeugt – – –! Ein komischer Garten ist es – –. Herr Königsberg, küsse meine geschlossenen Augenlider – –!«

Das Kindermädchen ging Abends zu dem Kettenhunde, welcher sich ganz ausstreckte und sich das weiche Fell streicheln liess.

»Er liebt mich wirklich – –« dachte sie.

Sie lächelte über sich selbst. »Herr Königsberg liebt die Maja« dachte sie.

Die unbekannten hellrosa Blumen dufteten, über dem Felde lag weisser Erd-Hauch.

Die junge Hausfrau sass mit ihrem Gatten auf der Bank mit der Aussicht auf die Hügel.

Die Dame sagte: »Vielleicht wäre Er eine Parthie für die Kleine?!«

»Bringe sie um! Was hat sie verbrochen?!« sagte der Gatte.

Die Dame: »Königsberg – – – man denkt wie die Schiffersfrau: »Es giebt noch andere [159] Welten – –.« Er liebt fast diese Schimpansin Maja, immer spricht er von ihr, es muss ein edles Thier sein, ihr Kuss ist Ihm die »mysteriöse Welten-Freundschaft«. Er sagte: »Eine kommt von den Philippinischen Inseln, küsst mir die Hand – – –!««

Der Gatte bückte sich zusammen wie ein Arbeiter, der tausend Fuss unter der Erde Kohlen schleppt.

»Er ist ungesund« sagte er, »übertrieben, er wird verkommen – – –.«

Die unbekannten hellrosa Blumen dufteten – –.

Die Dame blickte nach den Hügeln – – –.

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TextGrid Repository (2011). Altenberg, Peter. Prosa. Wie ich es sehe. Revolutionär. Sommer-Nachmittag. Sommer-Nachmittag. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-D922-7