See-Ufer 1903
Weshalb seh' ich euch, o Mädchen, nie, einsam auf einer Bank, dem wunderbaren Schauspiel des Abenddämmerns am See, verloren hingegeben?!!
Nie euch Halt machen vor stillen See-ertränkten Wiesen, sanft braunwogendem Schilfe?!? Vor Haselstauden, die ins Wasser neigen, und ölig duftenden Weidenbüschen?!?
Weshalb seh' ich euch nie am Flussgeländer in das Wasser starren?!? Am Wehr beim aufgeregten weissen Schaume, beruhigtem dunkelgrünem Wasserlaufe?!?
Weshalb, o Mädchen, seh' ich euch nie dem Friedeleben des Seeschwans lauschen, der besser lebt als Astor, Vanderbilt?!?
Nie mit einem schönen fremden Kinde auf der Esplanade euch, abgöttisch-zärtlichen Kultus treiben?!? Ekstasen antizipierten Mutterherzens?!?
Weshalb treff' ich euch nie, den unbeschreiblich zarten lila und rosa Malvenbäumchen im Esplanadegarten eure Bewunderung zollen?!?
Weshalb treff' ich euch nie an stillen Uferbuchten, im Boote ruhend, kauernd und entrückt?!?
An exponierten Stellen, Kurhaus, Esplanade, in[289] Rudeln, Herden, seh' ich euch, den MANN erwartend!
Eine edle Dame sagte mir: »Mit 18 Jahren lebte ich, mein Herr, auf einer Puszta glücklich mit zehn edlen Hunden, meinen geliebten Freunden. Sie hatten keine Lackschuhe an und waren mir dennoch teuer!«
Dann sagte sie: »Mein Töchterchen hingegen – – –« und schwieg. Und nahm ein Boot, ruderte einsam weg in stille Uferbuchten – – –
Ich fühlte: »Dichterin – – –«
Sie war aber nur die Gattin eines Fabrikdirectors.
Das wunderschöne Töchterchen dachte: »Meine geliebte Mama ist überspannt. P.A. hat ihr gerade noch gefehlt. Ich werde ihr den Umgang verbieten müssen – – –.«
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